Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 05.01.1966, Az.: VIII ZR 6/64
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. November 1963 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Am 15. Januar 1963 verkaufte die Beklagte durch notariellen Vertrag ihren im Grundbuch von Ha. eingetragenen Grundbesitz an die Kaufleute R. und M. zum Preise von 150.000 DM. In § 4 der notariellen Urkunde ist u.a. bestimmt:"...Ein weiterer Teilbetrag von 25.000 DM ist bis zum 28. Februar 1963 auf ein von dem amtierenden Notar zu errichtendes Notar-Anderkonto bei der Spar- und Darlehnskasse H. (Klägerin) einzuzahlen. Dieser Betrag dient als Sicherheit für eine von der (Beklagten) gegenüber der Spar- und Darlehnskasse H. geleistete Ausfallbürgschaft. Der Notar darf über diesen Betrag nur im Einvernehmen mit der Spar- und Darlehnskasse und der (Beklagten) weisungsgemäß verfügen."
Bei der Verhandlung vor dem Notar war der Rendant Hi. der Klägerin zugegen, ohne jedoch in der Urkunde als Beteiligter aufgeführt zu sein. Die Klägerin hatte damals gegen die einige Tage später, nämlich am 19. Januar 1963, in Konkurs geratene Ha. Kettenfabrik Gustav Kl. OHG eine Forderung von 63.013,70 DM, die nur zum Teil dinglich gesichert war. Die Ausfallbürgschaft der Beklagten sollte sich bis zu dem genannten Betrag von 25.000 DM auf diese Forderung beziehen. Die Beklagte verweigerte später die Unterzeichnung einer ihr von der Klägerin vorgelegten Bürgschaftsurkunde. Die Käufer zahlten jedoch die 25.000 DM des Restkaufpreises auf das Anderkonto des Notars ein.
Im ersten Rechtszuge beantragte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe folgender Erklärung:"Ich verbürge mich hiermit bis zur Höhe von 25.000 DM gegenüber der Klägerin für deren Forderung in Höhe von 63.013,70 DM gegen die Firma Ha. Kettenfabrik Gustav Kl. OHG in Ha., falls und soweit die Klägerin im Konkurs der Schuldnerin mit der obengenannten Forderung ausfällt."
Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz verfolgte die Klägerin den Klageantrag nur noch hilfsweise. Sie stelle den Hauptantrag, die Beklagte zu verurteilen, ihre Einwilligung in die Auszahlung der auf das Notar-Anderkonto eingezahlten 25.000 DM abzugeben. Das Berufungsgericht wies beide Klageanträge ab.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte begehrt, verfolgt die Klägerin Haupt- und Hilfsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.Grundlage des Klageanspruches (Hauptantrag) ist der zwischen den Parteien geschlossene Sicherungsvertrag. Aus ihm kann der Klageanspruch aber nur hergeleitet werden, wenn die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten rechtswirksam geworden ist; denn die Sicherung sollte nach den rechtlich einwandfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nur der Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten dienen. Das Berufungsgericht stellt fest, die Beklagte habe bei der notariellen Verhandlung vom 15. Januar 1963 gegenüber dem anwesenden Rendanten der Klägerin Hi. erklärt, sie werde zugunsten der Klägerin für eine Schuld der Ha. Kettenfabrik eine Ausfallbürgschaft bis zu 25.000 DM übernehmen und sie werde die Bürgschaftserklärung noch unterschreiben. Hieraus schließt es, daß die Parteien mündlich einen Bürgschaftsvorvertrag abgeschlossen haben, den es jedoch als formungültig ansieht, weil er der in § 766 BGB vorgeschriebenen Schriftform entbehrt. Hierin ist ein Rechtsirrtum nicht enthalten. Denn die Schriftform gilt auch für den Bürgschaftsvorvertrag (RGZ 76, 304). Unbestritten ist zwischen den Parteien, daß die Beklagte die ihr später vorgelegte Bürgschaftserklärung nicht unterschrieben hat. Es fragt sich, ob in den Erklärungen der Beklagten in § 4 des Kaufvertrages eine gültige Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten enthalten ist. Das Berufungsgericht hat diese Frage verneint, weil in der Erklärung der Beklagten der Wille, für eine fremde Schuld bürgen zu wollen, nicht unmittelbar zum Ausdruck gelangt sei und alle wesentlichen Umstände aus den mündlichen Erklärungen der Beklagten entnommen werden müßten. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten auch unter Berücksichtigung der Angriffe der Revision einer rechtlichen Nachprüfung stand.
II.Der Revision ist zuzugeben, daß nur die Verpflichtungserklärung der Beklagten der Schriftform bedurfte und daß diese Erklärung von dem Rendanten der Klägerin mündlich angenommen werden konnte. Die Revision wertet aber die Bestimmungen der Kaufvertragsparteien in § 4 des notariellen Vertrages nicht richtig, wenn sie die Ansicht vertritt, es fehle nur an der namentlichen Bezeichnung des Hauptschuldners, während alle übrigen Erfordernisse einer Bürgschaftserklärung gegeben seien. Ob ihrer Meinung, über die Nichtbenennung des Hauptschuldners könne hinweggesehen werden, weil die Parteien sich über dessen Person im klaren gewesen seien, gefolgt werden kann, braucht nicht entschieden zu werden (siehe hierzu RG HRR 1930 Nr. 1971 und BGH WM 1957, 1222). Der Standpunkt der Revision, § 4 enthalte die schlüssige Erklärung der Beklagten, für eine fremde Schuld bürgen zu wollen, ist nicht richtig. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, besagt § 4 nur, daß die Käufer Deinen Kaufpreisanteil von 25.000 DM auf ein von dem Notar noch zu errichtendes Ander-Konto bei der Klägerin einzuzahlen hatten, und daß dieser Betrag als Sicherheit für eine Ausfallbürgschaft der Beklagten dienen sollte. Damit ist klargestellt, daß die Bürgschaftserklärung in dieser Bestimmung nicht enthalten ist. Nach der eigenen Darstellung der Klägerin wollte die Beklagte die Bürgschaftserklärung gesondert, und zwar noch am selben Abend oder doch am nächsten Morgen abgeben. Die Bürgschaftserklärung sollte also nach dem Willen aller Verhandlungspartner überhaupt nicht in den Kaufvertrag aufgenommen werden, in welchem die Klägerin auch nicht als Beteiligte aufgetreten ist. In diesem Sinne sind die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Auslegung des § 4 des Kaufvertrages zu verstehen. Gegen eine solche Deutung sind Bedenken nicht zu erheben. § 4 enthält in rechtlicher Hinsicht eine Vereinbarung der Kaufvertragsparteien über die Art und Weise, wie die Käufer die Teilkaufpreisschuld von 25.000 DM zu tilgen haben. Gleichzeitig enthält § 4 die Verpflichtung des Notars, sich einer Verfügung über den auf Anderkonto einzuzahlenden Betrag ohne Zustimmung beider Parteien zu enthalten. Die Bindung des Notars an die Zustimmung der Klägerin bedeutet für diese eine Sicherung dafür, daß sie, falls es zu einer Bürgschaftsverpflichtung kommen sollte, sie auch realisieren konnte. Bei dieser Sachlage ist es kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht in § 4 keine Bürgschaftserklärung enthalten sieht.
III.Die Revision vertritt die Ansicht, die Erklärung der Beklagten in § 4 enthalte auf alle Fälle die Verpfändung der Teilkaufpreisforderung von 25.000 DM. Auch diese Ansicht ist irrig. Die Revision übersieht, daß die Teilkaufpreisforderung von 25.000 DM, die nach ihrer Ansicht der Klägerin von der Beklagten verpfändet worden sein soll, durch die von den Käufern vorzunehmende Einzahlung auf ein Anderkonto des Notars getilgt und nicht verpfändet werden sollte und daß sie durch die spätere Zahlung auch getilgt worden ist. Hierzu bedurfte es nicht der Erklärung der Käufer, daß sie auf Rücknahme der bei dem Notar hinterlegten Summe verzichten. Die Übergabe von Geld an einen Notar zum Zwecke der Aufbewahrung oder Weiterleitung an Dritte ist keine Hinterlegung im Sinne der §§ 372 ff BGB. Es treten daher in diesem Falle nicht die Wirkungen der §§ 378, 379 BGB ein (schuldbefreiende Wirkung nur bei Rücknahmeverzicht; siehe BGH Urt.v. 10. Juni 1964 - V ZR 72/62 = BB 1964, 818 = BGH Warn 1964 Nr. 157). Für eine Verpfändung der Forderung war daher nach den Erklärungen der Beteiligten in § 4 kein Raum.
IV.Rechtsirrtümlich ist auch die Ansicht der Revision, die Formnichtigkeit der Bürgschaft sei durch die Einzahlung des Betrages von 25.000 DM auf das Anderkonto des Notars geheilt worden. Auch hier verkennt sie den Rechtscharakter der Zahlungen, die nicht der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit (für die gebürgt werden sollte) dienen, sondern die Tilgung der Teilkaufpreisschuld der Käufer herbeiführen sollte. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit nur dann hätte eintreten können, wenn die Beklagte nach Einzahlung des Geldes ihre Zustimmung zur Auszahlung an die Klägerin gegeben hätte. Das aber ist gerade der Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Auch der in der mündlichen Verhandlung von der Revision vorgetragenen Ansicht, § 766 Satz 2 BGB müsse zumindest analog angewandt werden, weil die 25.000 DM zur Sicherung der in der Entstehung begriffenen Bürgschaftsverpflichtung auf Grund des mündlichen Bürgschaftsversprechens gezahlt worden seien, kann nicht gefolgt werden. Diese Ansicht ist mit der dem Schriftzwang zugrundeliegenden Warnfunktion nicht vereinbar. Die 25.000 DM sollten nur als Sicherheit und nur für den Fall hinterlegt werden, daß es zu einer rechtsgültigen Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten kommen würde. Geschah das nicht, so blieb der Beklagten der Anspruch auf Auskehrung des Geldbetrages erhalten. Ihre Leistung blieb also hinter der Erfüllung des Hauptanspruchs in einem solchen Maße zurück, daß es der Schutzgedanke des § 766 BGB nicht gestattet, den Mangel der Form des mündlichen Bürgschaftsversprechens als geheilt anzusehen.
V.Die Klägerin kann demgemäß weder die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des Betrages an sie selbst verlangen (Hauptantrag), noch kann sie von der Beklagten fordern, daß diese ihre Bürgschaftserklärung noch nachträglich abgibt.
Die Revision erweist sich daher als unbegründet. Sie war also mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.