zurück zur Übersicht

Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 15.04.1987, Az.: VIII ZR 97/86

Tatbestand

Die Klägerin, eine Factoring-Bank, schloß am 29. April/17. Mai 1982 mit der Firma St.-N. GmbH (künftig: Anschlußkunde), die mit Baustahlmatten handelte, einen Factoring-Vertrag. Sie ließ sich im voraus alle künftigen Forderungen des Anschlußkunden aus Warenlieferungen gegen sämtliche Abnehmer unter der aufschiebenden Bedingung abtreten, daß sie die jeweilige Forderung ankaufe (§ 4 Abs. 1 S. 1 des Vertrages). Die Klägerin übernahm für die von ihr gekauften Forderungen das Delkredere (§ 5 Abs. 1 des Vertrages), d. h. das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner ihres Anschlußkunden.

Die Abtretung wurde zunächst nicht offengelegt. Die Abnehmer der Anschlußkunden zahlten daher weiterhin auf dessen Konto Nr. 57576 bei der Volksbank A. (künftig: Volksbank). Um sicherzustellen, daß Zahlungen auf von der Klägerin angekaufte Forderungen dieser gutgebracht wurden, erteilte der Anschlußkunde der Klägerin Vollmacht über das Konto. Später wurde dieses Konto aufgelöst und ein Unterkonto Nr. 100057576 gebildet. Darauf wurden die von der Klägerin auf die angekauften Forderungen geleisteten Zahlungen (Factoring-Erlöse) sowie die Zahlungen von Warenabnehmern des Anschlußkunden auf Forderungen gutgeschrieben, welche die Klägerin nicht angekauft hatte. Die Zahlungen von Warenabnehmern auf von der Klägerin gekaufte Forderungen wurden nach Abstimmung mit der Klägerin auf deren bei der Volksbank geführtes Konto Nr. 9042202 gutgebracht.

Das Konto des Anschlußkunden war in der Zeit von Mai 1982 bis September 1982 ständig debitorisch. Das Debet bewegte sich zwischen 1,2 und 1,9 Millionen DM. Das dem Anschlußkunden seitens der Volksbank eingeräumte Kreditlimit betrug 1,8 Millionen DM. Zur Sicherung der Ansprüche der Volksbank aus der Geschäftsverbindung trat der Anschlußkunde deshalb am 11. August 1982 alle bestehenden und künftigen Ansprüche gegen seine Abnehmer im Wege der Globalzession an die Volksbank ab, soweit sie nicht von der Klägerin aufgrund des Factoring-Vertrages vom 29. April/17. Mai 1982 »angekauft sind oder angekauft werden«.

Mit einer weiteren schriftlichen Erklärung vom 11. August 1982 trat er der Volksbank ferner seine Ansprüche auf Auszahlung des Kaufpreises für seine von der Klägerin angekauften - von der Globalzession an die Volksbank ausgenommenen - Forderungen ab und erteilte der Klägerin den unwiderruflichen Auftrag, Zahlungen nur an die Volksbank zu leisten und die Überweisungen auf sein Konto Nr. 100057576 vorzunehmen. Die Erklärung war von der Klägerin vorformuliert und der Volksbank zur Unterzeichnung durch den Anschlußkunden mit Schreiben vom 11. August 1982 zugesandt worden. In diesem Schreiben gab die Klägerin ihre nach Nr. 6 Abs. 4 der Besonderen Bedingungen für das Factoring-Geschäft erforderliche Zustimmung zu der Abtretung und bat um Klärung, ob trotz der Abtretung die Auszahlungen mit schuldbefreiender Wirkung auf das Konto des Anschlußkunden (»und damit nicht direkt an Sie«) erfolgen könnten. Die vom Anschlußkunden unterschriebene Abtretungserklärung und den Globalzessionsvertrag übersandte die Volksbank der Klägerin mit Schreiben vom 19. August 1982.

Im Oktober und November kaufte die Klägerin folgende Forderungen des Anschlußkunden an:

a) Gegen die Firma E. in Höhe von insgesamt 36 062,16 DM,

b) gegen die Firma S. in Höhe von 19 139,80 DM,

c) gegen die Firma R, in Höhe von insgesamt 77 397,32 DM,

d) gegen die Firma B. in Höhe von 93 638,32 DM und

e) gegen die Firma I. in Höhe von insgesamt 38 204,06 DM.

Den Kaufpreis überwies sie auf das Konto des Anschlußkunden bei der Volksbank.

Den Forderungen lagen Lieferungen von Waren zugrunde, die der Anschlußkunde unstreitig nach Abschluß des Factoringvertrages vom 17. Mai 1982 von der Beklagten unter Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts bezogen hatte.

Am 29. November 1982 beantragte der Anschlußkunde die Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Daraufhin wandten sich sowohl die Klägerin als auch die Beklagte an die genannten fünf Abnehmer des Anschlußkunden und beanspruchten jeweils Zahlung an sich - die Klägerin unter Berufung auf die im Rahmen des Factoring-Vertrages und die Beklagte unter Berufung auf die im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts erklärte Vorausabtretung. Bevor die Klägerin die an sie erfolgte Abtretung offengelegt hatte, zahlte die Firma E. den Forderungsbetrag von 366 062,16 DM an die Beklagte. Die übrigen vier Abnehmer hielten die ihnen berechneten Forderungsbeträge zunächst wegen der bestehenden Gläubigerunsicherheit zurück. Erst als die Parteien ein gemeinschaftliches Bankkonto errichtet und die vier Abnehmer gemeinsam zur Zahlung aufgefordert hatten, überwiesen sie insgesamt 163 542,51 DM auf dieses Konto.

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Auszahlung des auf dem gemeinsamen Konto stehenden Betrages zuzüglich aufgelaufener Zinsen an die Klägerin zu erteilen und 36 062,16 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat widerklagend von der Klägerin die Erteilung der Auszahlungszustimmung begehrt.

Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage der Widerklage stattgegeben und das Urteil gegen eine - auch durch eine Bankbürgschaft erbringbare - Sicherheitsleistung in Höhe von 190 000 DM für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Nach Stellung dieser Bürgschaft ließ sich die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin das Bankguthaben, das sich einschließlich Zinsen auf 180 223,23 DM belief, auszahlen.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin demgemäß die Beklagte auf Zahlung von 216 285,39 DM (180 223,23 DM + 36 062,16 DM) nebst Zinsen in Anspruch genommen und weiterhin die Abweisung der Widerklage erstrebt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen (das Berufungsurteil ist in WM 1986 S. 1029 und WuB I J 1. - 1.86 mit einer Anmerkung von Blaurock veröffentlicht). Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Klägerin sich mit Erfolg darauf berufen kann, die gemäß § 4 Abs. 1 des Factoring-Vertrages erfolgte Vorausabtretung genieße den Vorrang vor der Vorausabtretung, die der Anschlußkunde im Rahmen des mit der Beklagten vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalts erklärt hat. Nur wenn dies der Fall ist, steht der Klägerin die geltend gemachte Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung der Beklagten gemäß §§ 812 Abs. 1 bzw. 816 Abs. 2 BGB zu.

I. Das Berufungsgericht hat in erster Linie den Standpunkt vertreten, die im Rahmen des Factoring-Vertrages vorgenommene Globalzession an die Klägerin sei nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof zur Kollision zwischen der Globalzession zugunsten einer kreditgebenden Bank und zugunsten eines unter verlängertem Eigentumsvorbehalt liefernden Warenkreditgebers entwickelt habe, sittenwidrig und daher nichtig. Allerdings habe die Rechtsprechung hiervon Vorausabtretungen, die auf der Grundlage eines echten Factoring-Vertrages erfolgten, ausgenommen. Auch sei zwischen der Klägerin und dem Anschlußkunden am 29. April/17. Mai 1982 ein echter Factoring-Vertrag geschlossen worden, weil die Klägerin das Delkredere übernommen habe. Dennoch seien hier die für Kollisionsfälle zwischen Geld- und Warenkreditgebern geltenden, zur Sittenwidrigkeit der globalen Vorausabtretung an den Geldkreditgeber führenden Grundsätze anzuwenden. Das zunächst echte Factoring habe sich nachträglich dadurch in ein - nach diesen Grundsätzen zu beurteilendes - unechtes Factoring »gewandelt«, daß die Ansprüche des Anschlußkunden auf die Factoring-Erlöse unter Mitwirkung der Klägerin an die Volksbank abgetreten worden seien. Damit seien die Erlöse, die bei sachgemäßer Verwendung der Verpflichtungen des Anschlußkunden gegenüber seinen Vorbehaltslieferanten dienten, zweckentfremdet worden. Infolge der Abtretung der Erlösansprüche an die Volksbank sei nur noch die Kreditverpflichtung des Anschlußkunden gegenüber der Volksbank gemindert worden. Davon habe die Klägerin, die regelmäßig die Buchhaltung des Anschlußkunden überprüft habe, Kenntnis gehabt. Zwar treffe die Factoring-Bank keine konkrete Rechtspflicht, die Interessen von Vorbehaltsverkäufern durch eine entsprechende Gestaltung des Factoring-Vertrages zu wahren. Zu zumutbaren Schutzmaßnahmen - etwa durch Einrichtung eines Lieferanten-Sperrkontos - sei sie aber verpflichtet, wenn sie - wie hier - Anlaß zu der Annahme habe, der Anschlußkunde erfülle die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Vorbehaltslieferanten nicht. Die Volksbank habe, was die Klägerin aufgrund der Abtretungserklärung gewußt habe, beim Empfang der Factoring-Erlöse nicht als Zahlstelle, sondern als Empfängerin fungiert und die eingehenden Zahlungen mit ihren Kontokorrentforderungen gegen den Anschlußkunden verrechnet. Dieser habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, ohne neue Krediteinräumung Zahlungen an seine Lieferanten zu leisten. Die Abtretung seiner Ansprüche auf die Factoring-Erlöse sei - wie sich aus der Abtretungserklärung vom 11. August 1982 ergebe - nicht lediglich sicherungshalber erfolgt. Mithin sei unter Mitwirkung der Klägerin durch Verbindung von Factoring-Zession, Abtretung der Ansprüche auf den Factoring-Erlös und Globalzession der übrigen Ansprüche des Anschlußkunden an die Volksbank eine Situation entstanden, die der Volksbank die wirtschaftliche Stellung eingeräumt habe, die sie bei Vorliegen einer - rechtlich unwirksamen - Globalzession gehabt hätte. Die Factoring-Zession sei demnach sittenwidrig und somit nichtig.

In einer Hilfsbegründung hat das Berufungsgericht angenommen, auch wenn die Factoring-Zession wirksam wäre, könne sich die Klägerin auf deren Priorität der Beklagten gegenüber nicht berufen. Dies stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil die Klägerin Anlaß zu Zweifeln an der Vertragstreue des Anschlußkunden gegenüber Vorbehaltslieferanten gehabt habe, gleichwohl aber zu deren Gunsten keine geeigneten und zumutbaren Schutzmaßnahmen ergriffen, sondern im Gegenteil sogar der Volksbank als Hauptgläubigerin des Anschlußkunden eine unbedingte Abtretungserklärung bezüglich der Factoring-Erlöse vorformuliert habe.

II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Mit seiner Hauptbegründung könnte es allerdings nicht aufrecht erhalten werden, weil die Annahme des Berufungsgerichts, die Vorausabtretung an die Klägerin sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, auf Rechtsirrtum beruht.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Globalabtretung zukünftiger Kundenforderungen an eine kreditgebende Bank sittenwidrig, wenn und soweit sie auch Forderungen umfassen soll, die der Zedent seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muß und abtritt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 9. März 1977 - VIII ZR 178/75 = WM 1977, 480; BGH Urteile vom 9. November 1978 BGHZ 72, 308 und 316).

b) Dieser Grundsatz findet aber - was das Berufungsgericht auch nicht verkannt hat - anders als beim unechten Factoring, das den Kreditgeschäften zuzuordnen ist (BGHZ 58, 364;  69, 254, 257;  82, 50, 61), keine Anwendung auf eine Globalzession, die im Rahmen echten Factorings erfolgt, bei dem es sich um einen Forderungskauf handelt.

Echtes Factoring liegt vor, wenn der Factor die Forderungen seines Anschlußkunden endgültig ankauft, d. h. das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner seines Anschlußkunden übernimmt (Delkredere) und dieser daher den Gegenwert, den der Factor für die angekauften Forderungen zahlt, endgültig - ohne die Möglichkeit der Rückbelastung - behalten darf und aus diesem Erlös seine Vorbehaltslieferanten so befriedigen kann, wie wenn er die an den Factor verkauften Forderungen selbst eingezogen hätte. Bei einer solchen Vertragsgestaltung sind die schutzwürdigen Interessen des unter verlängertem Eigentumsvorbehalt liefernden Warenkreditgebers hinreichend gewahrt, so daß im Verhältnis zwischen der Factoring-Bank und dem Warenkreditgeber der Vorwurf der Sittenwidrigkeit der Vorausabtretung und damit die Nichtigkeitsfolge aus § 138 Abs. 1 BGB anders als bei der Globalzession zugunsten eines Geldkreditgebers ausgeräumt sind (BGHZ 69, 254;  72, 15).

Daß in dem zwischen der Klägerin und dem Anschlußkunden geschlossenen Vertrag vom 29. April/17. Mai 1982, der in § 5 Abs. 1 ausdrücklich das Delkredere der Klägerin vorsieht, ein echtes Factoring vereinbart wurde, kann keinem Zweifel unterliegen. Demgemäß ist die im Vertrag geregelte Vorausabtretung aller Forderungen des Anschlußkunden aus Warenlieferungen rechtlich nicht zu beanstanden.

c) Dies sieht auch das Berufungsgericht für die Zeit bis zum 11. August 1982 nicht anders. Es meint indessen, seit dem Zeitpunkt sei die Vorausabtretung dadurch sittenwidrig geworden, daß die Klägerin an der Abtretung der Ansprüche auf die Factoring-Erlöse an die Volksbank mitgewirkt und sich demzufolge das ursprünglich echte Factoring in ein unechtes verwandelt habe.

Dem kann - was die Revision zutreffend geltend macht - aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Bei der Prüfung, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, muß auf den Zeitpunkt seiner Vornahme abgestellt werden (vgl. BGHZ 7, 111;  20, 71, 73;  72, 308, 314;  BGH Urteil vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/83 = NJW 1983, 2692 [BGH 30.06.1983 - III ZR 114/82]). Etwas anderes kann nur gelten, wenn das Rechtsgeschäft nachträglich geändert oder durch Zusatzvereinbarungen ergänzt wird (vgl. BGH Urteil vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74 = WM 1977, 399, 400). Solche Änderungs- oder Zusatzvereinbarungen sind hier nicht getroffen worden. Die Abtretung der Forderungskaufpreisansprüche an die Volksbank und die hierzu von der Klägerin erteilte Zustimmung berührten den Inhalt des Factoringvertrages nicht.

Mangels rechtsgeschäftlicher Änderung des Vertrages vom 29. April/17. Mai 1982 kann somit auch keine Rede davon sein, daß sich das ursprünglich echte Factoring in ein unechtes gewandelt habe.

2. Das angefochtene Urteil wird jedoch - im Ergebnis - durch seine Hilfsbegründung getragen.

Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Klägerin handle rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich gegenüber der Beklagten auf den Vorrang der zu ihren Gunsten erfolgten Factoring-Zession berufe (zustimmend: Blaurock in WuB I J 1. - 1.86). Die Ansprüche ihres Anschlußkunden auf die Factoring-Erlöse konnten nach Nr. 6 Abs. 4 der Besonderen Bedingungen der Klägerin für das Factoring-Geschäft nur mit ihrer Zustimmung wirksam abgetreten werden (§ 399 BGB). Diese durfte die Klägerin, obwohl sie lediglich aus wichtigem Grunde versagt werden konnte, hier nach Treu und Glauben nicht erteilen, weil sie - für die Klägerin ersichtlich - dazu führte, daß die schutzwürdigen Belange der Vorbehaltslieferanten, gegen die nach der Rechtsprechung des Senats bei normaler Abwicklung des echten Factoring-Geschäfts nicht verstoßen wird (s. oben II 1 b), mißachtet wurden.

Der Senat hat zwar betont, daß eine konkrete Rechtspflicht des Factors, die Interessen der Vorbehaltsverkäufer durch entsprechende Vertragsgestaltung zu wahren, beim echten Factoring nicht schlechthin bejaht werden könne (BGHZ 69, 254, 259); vielmehr müsse der Factor sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, der Anschlußkunde, der einem wirtschaftlichen Zwang unterliege, mit den ihm vom Factor gezahlten Geldern seine Lieferanten zu bezahlen (BGHZ 72, 15, 22), werde den Factoring-Erlös sachgerecht nach den Regeln wirtschaftlicher Vernunft verwenden (BGHZ 69 aaO). Er hat andererseits aber auch darauf hingewiesen, der Factor sei dann zu zumutbaren Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Vorbehaltsverkäufer verpflichtet, wenn er Anlaß zu der Annahme habe, der Anschlußkunde erfülle seine Verpflichtungen gegenüber Vorbehaltslieferanten nicht (BGHZ 69, 254, 260). Bringt bei einem solchen Sachverhalt schon das Unterlassen von Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Vorbehaltslieferanten dem Factor den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens und damit einer unzulässigen Rechtsausübung ein, falls er sich im Konfliktfall auf das durch die globale Factoring-Zession begründete Vorrecht gegenüber Warenkreditgebern beruft (BGHZ 69, 254, 259 unter 3.), so muß dies erst recht gelten, wenn der Factor aktiv an einer Verfügung über die Ansprüche des Anschlußkunden auf die Factoring-Erlöse im Zusammenspiel mit einer Gläubigerbank des Kunden mitwirkt und so eine Situation geschaffen wird, in der die - mit Blick auf den Warenkreditgeber - zweckwidrige Verwendung der Factoring-Erlöse sogar als wahrscheinlich erscheint.

So liegt der Fall hier. Durch die Abtretung, bei der es sich nach der - von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen - naheliegenden tatrichterlichen Würdigung der Abtretungserklärung vom 11. August 1982 im übrigen um eine Vollabtretung handelte, wurde dem Anschlußkunden die Rechtsmacht genommen, über die Factoring-Erlöse frei zu verfügen. Diese mußten infolge der Abtretung und der von der Volksbank veranlaßten Weisung des Anschlußkunden auf das bei der Volksbank geführte Debet-Konto des Anschlußkunden überwiesen werden und dienten somit zwangsläufig dazu, im Umfang der Überweisungen die Darlehensverpflichtungen des Anschlußkunden zu tilgen. Die rechtliche Möglichkeit, kraft eigener Entschließung die Erlöse unmittelbar zur Befriedigung von Warenkreditgebern zu verwenden - etwa durch Abtretung eines Erlösanspruches an einen Warenkreditgeber oder durch eine Anweisung an die Klägerin, die Erlöse an einen Warenkreditgeber auszuzahlen - bestand für den Anschlußkunden nicht mehr. Die Warenkreditgeber konnten - mittelbar - aus den Erlöseingängen künftig nur noch Zahlungen erlangen, soweit und solange die Volksbank dem Anschlußkunden weiterhin Kredit zur Verfügung stellte. Die Volksbank ihrerseits erhielt dagegen durch die Abtretung der Erlösansprüche für den Krisenfall eine rechtliche Absicherung, die sie im Verhältnis zu Warenkreditgläubigern ohne den »Umweg« über die Klägerin als Factor nicht hätte erreichen können. Bei einer »normalen« Globalzession der zukünftigen Kundenforderungen des Anschlußkunden an die Volksbank hätte diese solche Forderungen, die der Zedent seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten mußte und abtrat, im Kollisionsfall nicht realisieren können, weil die Abtretung insoweit sittenwidrig gewesen wäre (s. oben unter II 1 a); gleichwohl eingezogene Forderungsbeträge hätte sie gemäß § 816 Abs. 2 BGB herausgeben müssen. Durch die hier praktizierte Verfahrensweise, sich die Ansprüche des Anschlußkunden auf den Erlös für die von der Klägerin angekauften, vom verlängerten Eigentumsvorbehalt betroffenen Kundenforderungen abtreten zu lassen, erlangte die Volksbank dagegen zum Nachteil der Warenkreditgläubiger einen mit Rechtsbeständigkeit ausgestatteten Anspruch auf den Gegenwert dieser Kundenforderungen.

Dadurch, daß die Klägerin hierzu die Hand reichte, indem sie der globalen Abtretung der Erlösansprüche ihres Anschlußkunden an die Volksbank zustimmte, hat sie sich sehenden Auges zu Gunsten eines Geldkreditgebers über die Interessen von Warenkreditgebern hinweggesetzt. Sie muß sich daher der Beklagten gegenüber gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als hätte sie die streitigen, von ihr angekauften Forderungen gegen die Abnehmer ihres Anschlußkunden nicht wirksam erworben.

Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, der Anschlußkunde habe aus dem bei der Volksbank geführten Konto, auf das die Factoring-Erlöse überwiesen worden seien, bis zu seinem wirtschaftlichen Zusammenbruch alle Rechnungen beglichen, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Entscheidend ist allein, daß der Anschlußkunde infolge der Abtretung keine rechtlich abgesicherte Möglichkeit mehr hatte, auf die Verwendung der Erlöse Einfluß zu nehmen, und daß andererseits die Vorbehaltslieferanten des Anschlußkunden im Krisenfall leer ausgehen mußten.