Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 27.03.1969, Az.: X ZB 15/67
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Patentanmelders gegen den Beschluß des 10. Senats (technischen Beschwerdesenats V) des Bundespatentgerichts vom 5. Mai 1967 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
I.Der Rechtsbeschwerdeführer hat ein "Verfahren zum Züchten einer Taube mit rotem Gefieder" zur Erteilung eines Patents unter der Bezeichnung "Taubenzüchtung" angemeldet. Der einzige Patentanspruch lautet:"Verfahren zum Züchten einer Taube mit rotem Gefieder, die gegenüber anderen Tauben gleicher Farbe wesentlich größer ist, eine wesentlich größere Spannweite der Flügel aufweist, deren Gefiederfarbe wesentlich verschönt und verintensiviert ist und deren Ballon im Verhältnis zur Körpergröße extrem groß ist,bei dem ein "Altdeutscher Kröpfer" in erster Stufe mit einer "Roten Römertaube" gekreuzt wird, die aus dieser Kreuzung hervorgegangenen Tauben auf Größe und Farbe selektioniert werden, ein ausgewähltes Produkt dieser Kreuzung in zweiter Stufe mit einem "Roten Hessenkröpfer" gekreuzt wird und die aus dieser Kreuzung nach abermaliger Auslese hervorgegangene Taube in dritter Stufe mit einem "Altdeutschen Kröpfer" rückgekreuzt wird."
Die Prüfungsstelle für Klasse 45 h des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung zurückgewiesen. Die im Patentanspruch gekennzeichneten Eigenschaften seien zu unbestimmt, um ein klares Patentrecht zu begründen. Die im zweiten Teil des Patentanspruchs genannten züchterischen Verfahrensstufen seien keine technischen Maßnahmen; es fehle auch die Möglichkeit der Wiederholung; außerdem fehlten Fortschritt und Erfindungshöhe. Die zur patentrechtlichen Behandlung von Pflanzenzüchtungen ergangenen Entscheidungen könnten hier nicht zugrunde gelegt werden, da Pflanzen biologisch einer anderen Entwicklungsstufe angehörten als Tiere.
Die vom Anmelder erhobene Beschwerde ist vom 10. Senat (technischen Beschwerdesenat V) des Bundespatentgerichts durch Beschluß vom 5. Mai 1967 zurückgewiesen worden; die Rechtsbeschwerde ist zugelassen. Der Beschwerdesenat bezieht sich zur Begründung im wesentlichen auf seinen rechtskräftig gewordenen Beschluß vom 30. Juli 1965 in einem anderen Patenterteilungsverfahren (BPatGerE 8, 121).
Der Anmelder hat gegen den Beschluß des Bundespatentgerichts Rechtsbeschwerde erhoben. Er rügt die Verletzung des § 1 PatG und des Art. 3 Abs. 1 GG und trägt dazu vor, daß Tierzüchtungen aus Gründen der Gleichbehandlung im selben Maße zum Patentschutz zugelassen werden müßten wie Pflanzenzüchtungen.
II.Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, jedoch sachlich nicht Gerechtfertigt.
A.Die vorliegende Anmeldung hat ein Tierzüchtungsverfahren zum Gegenstand, bei dem aus Exemplaren mehrerer vorhandener Tierarten durch mehrere Verfahrensstufen der Kreuzung, Auswahl, Rückkreuzung usw. eine neue durch einzelne veränderte Erscheinungsmerkmale gekennzeichnete Art geschaffen werden soll. Daß dabei lebende Organismen und im wesentlichen die in ihnen wirksamen biologischen Kräfte Ausgangs Mittel und Ziel des angemeldeten Verfahrens bilden, steht der Möglichkeit einer Patentierung, wie der Rechtsbeschwerde im Gegensatz zu den Vorinstanzen zuzugeben ist, nicht grundsätzlich entgegen.
1.Nach der seit der Schaffung des Patentgesetzes im Jahre 1877 unverändert geltenden Bestimmung des § 1 Abs. 1 PatG sind patentfähig neue Erfindungen. die eine gewerbliche Verwertung gestatten. Man verstand darunter zunächst eine gewerblich verwertbare Lehre zum technischen Handeln unter Einsatz der zur Zeit der Gesetzesentstehung wohl allein als berechenbar bekannten physikalischen, gegebenenfalls auch chemischen Mittel, im industriellen Gewerbebetrieb. Diese damalige Auffassung kann jedoch heute bei der Auslegung des Patentgesetzes nicht mehr maßgebend sein, weil sich inzwischen Naturwissenschaft und Technik ganz erheblich gewandelt haben, insbesondere z.B. die Landwirtschaft weitgehend technisiert worden ist, die chemischen Verfahren weitgehend berechenbar geworden sind und auch die biologischen Erscheinungsformen und Kräfte seit langem in den Bereich exakter naturwissenschaftlicher Forschung einbezogen worden sind. Eine historische Auslegung des Begriffs der "Erfindung" kann - und das wird von den in BPatGerE 8, 121 und 10, 1 veröffentlichten Entscheidungen des Bundespatentgerichts verkannt - im Patentgesetz umso weniger ausreichen, als es sich hier um den Zentralbegriff für ein Rechtsgebiet handelt, dessen vornehmlichste Aufgabe es ist, die nach dem jeweils neuesten Stand der Wissenschaft und Forschung patentwürdigen Ergebnisse zu erfassen. Es ist deshalb nicht nur erlaubt, sondern nach dem Sinn gerade des Patentgesetzes geboten, den jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Auslegung des vom Gesetzgeber nicht näher begrenzten und auch seinem Wesen nach an sich schon unbestimmten Begriffs der "Erfindung" heranzuziehen.
2.Dem angefochtenen Beschluß kann nicht gefolgt werden, wenn er meint, Tierzüchtungen seien schon deshalb nicht patentierbar, weil es sich nicht um "technische" Verfahren handle. In § 1 PatG wird zur Definition der patentfähigen Erfindung das Wort "technisch" nicht gebraucht. In den §§ 17 und 36 b Abs. 2 PatG wird allerdings gefordert, daß die "technischen" Mitglieder des Patentamts und Patentgerichts in einem Zweig der "Technik" sachverständig sein müssen. Auch hat die allgemeine Rechtslehre und Rechtspraxis die Erfindung im Sinne des Patentgesetzes als eine Lehre zum "technischen" Handeln umschrieben, wobei man davon ausging, daß die Technik nach den Lehren der Physik und Chemie arbeite (RG GRUR 1933, 289, 290). In neueren Entscheidungen spricht das Patentgericht demgegenüber allgemeiner von der Ausnutzung von "Naturerscheinungen", wobei nicht nur Kraftwirkungen im engeren physikalischen Sinne, sondern alle von Stoffen, Kräften und Energiearten ausgeübten Wirkungen gemeint sein sollen (BPatGerE 6, 145, 147; 7, 78). Bei allen, diesen Umschreibungen ist jedoch zu beachten, in welcher Richtung damit Inhalt und Grenzen der Patentierbarkeit bestimmt werden sollen. Im vorliegenden Falle geht es nicht um den Gegensatz des Technischen zur Welt des rein Geistigen (Anweisung an den menschlichen Geist, reine Erkenntnisse, wissenschaftliche Lehren) oder zur Kunst (Urheberrecht, Geschmacksmuster usw.), sondern um die Frage, ob auch die Erscheinungen und Kräfte der belebten Natur dem Bereich des Technischen gleichbehandelt werden können. Dabei ist wiederum nicht entscheidend, was der Gesetzgeber im Jahre 1877 unter "Technik" verstanden hat, sondern wie die biologischen Erscheinungen und Kräfte nach dem heutigen Stande der Wissenschaft zu verstehen und einzuordnen sind.
3.Nach dem heutigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse haben lebende Organismen auf Grund bisher festgestellter Gesetzmäßigkeiten von den einzelligen Bakterien bis zu hochentwickelten Lebewesen einige Grundprinzipien ihres Aufbaues und ihrer Lebensäußerungen gemeinsam. An ihrer Zellstruktur sind neben anorganischen Stoffen vor allem Kohlenstoffverbindungen beteiligt, deren Chemie als "organische Chemie" bezeichnet wird. Wachstum und Energiehaushalt werden durch Stoffwechsel bewirkt, d.h. durch die Aufnahme von anorganischen oder organischen Stoffen, die über chemische Reaktionen unter Beteiligung von Fermenten (Enzymen) nach Art von Katalysatoren in Aufbau- und Abfallstoffe sowie Energie umgesetzt werden (Vogel/Angermann, dtv-Atlas zur Biologie Band 2 S. 277). Erhaltung und Fortbildung der lebenden Arten erfolgen durch Zellteilung, Fortpflanzung und Mutationen; die dabei sich abspielenden Vorgänge finden vor allen in den Mendel'schen Gesetzen, der Evolutionslehre und den Erkenntnissen der Chromosomenlehre ihren wissenschaftlichen Niederschlag (Vogel/Angermann a.a.O. Band 2 S. 416, 440, 455). Nach den Forschungen über Aufbau und Bedeutung des Zellkerns, insbesondere seit der Entdeckung von Watson und Crick im Jahre 1953, sind zur Erhaltung und Weitergabe von Erbeigenschaften eines Individuums Doppelmoleküle aus Desoxyribonukleinsäure (DNS) im Zellkern entscheidend beteiligt, die bei einer Zellteilung durch Aufspaltung die in ihnen gespeicherten arteigenen Informationen weitergeben (Bogen, Knauers Buch der modernen Biologie, S. 34; Vogel/Angermann a.a.O. S. 29, 437; Haber bei Watson, Die Doppel-Helix, S. 15). Nach herrschender Auffassung kann damit heute davon ausgegangen werden, daß auch die lebenden Organismen aus Materie bestehen, die wie alle sonstigen materiellen Erscheinungsformen aus auf der Erde vorkommenden Grundbaustoffen (Elementen) aufgebaut ist. Organische Stoffe können seit der im Jahre 1828 gelungenen Harnstoffsynthese in zunehmendem Maße auch synthetisch hergestellt werden. Es ist ferner herrschende Meinung der Wissenschaft, daß der den materiellen Aufbau und die Energieäußerungen der Lebewesen bewirkende Stoffwechsel sich durch Reaktionen vollzieht, deren Gesetzmäßigkeiten, soweit sie erforscht sind, den allgemeinen Lehren der Physik und Chemie zugeordnet werden können. Die Gesetze der Genetik haben nach dem genannten Stande der Wissenschaft ebenfalls ihren Ursprung in komplizierten physikalischen und chemischen Vorgängen. Jedenfalls lassen die bisher festgestellten Gesetzmäßigkeiten der biologischen Erscheinungen und Kräfte heute offensichtlich den allgemeinen Schluß zu, daß auch bei ihnen weitgehend Kausalzusammenhänge bestehen, die mit der Kausalität des Naturgeschehens auf dem Gebiet der nichtlebenden Materie zumindest vergleichbar sind. Danach ist aber kein ausreichender Grund ersichtlich, die planmäßige Ausnutzung biologischer Naturkräfte und Erscheinungen vom Patentschutz grundsätzlich auszuschließen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob und wieweit diese Tätigkeit dem Begriff der "Technik" unmittelbar zugeordnet werden kann oder ob eine entsprechende Anwendung dieses Begriffs auf die patentrechtliche Behandlung biologischer Kräfte und Erscheinungen stattzufinden hat. Jedenfalls führt die Erkenntnis, daß nach heutiger Sicht auch biologische Verfahren für einen bestimmten Erfolg kausal und damit berechenbar und beherrschbar sein können, zu einer Abwandlung früherer Umschreibungen in der Richtung, daß als patentierbar eine gewerblich verwertbare neue, fortschrittliche und erfinderische Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges angesehen werden kann.
4.Die Auffassung, daß auch die biologischen Kräfte und Erscheinungen grundsätzlich zu dem Gebiet gehören, auf dem patentfähige Erfindungen möglich sind, liegt auf der Linie der bisherigen Entwicklung der Rechtspraxis und Rechtslehre, wobei jedoch unterschieden worden ist, in welcher Weise biologische Einwirkungen im Ablauf technischen Geschehens auftreten. Nach der Definition einer Erfindung als einer Lehre, mit bestimmten Mitteln eine bestimmte Aufgabe zu lösen, bestehen vor allem folgende Möglichkeiten: Einmal kann mit anderen Mitteln als lebender Materie auf den Ablauf biologischen Geschehens eingewirkt werden; umgekehrt kann mit biologischen Mitteln nichtlebende Materie beeinflußt werden; schließlich können sowohl die Mittel als auch das Ergebnis auf dem Gebiet biologischer Erscheinungen liegen.
a)Die erstgenannte Möglichkeit betrifft vor allem die sogenannten Kulturverfahren, bei denen Wachstum, Beschaffenheit, Ausbeute usw. insbesondere von Pflanzen durch chemische oder physikalische Mittel beeinflußt werden. Zunächst wurde die Patentfähigkeit solcher Verfahren verneint (PA BlPMZ 1914, 257); später jedoch wurden solche Verfahren ständig zum Patentschutz zugelassen (PA BlPMZ 1932, 240 = GRUR 1932, 1114). Auch das Schrifttum hat sich dieser Ansicht angeschlossen (Reimer, PatG 3. Aufl. § 1 Anm. 7; Benkard, PatG 5. Aufl. § 1 Rdn. 9). Bei dieser Art von Verfahren wird im allgemeinen vorausgesetzt, daß die Veränderungen der Lebewesen nicht deren Erbstruktur betreffen. Bleiben die Erbanlagen unverändert, so sind solche Verfahren, die nur das betreffende Individuum verändern sollen, notwendig an jedem Individuum zu wiederholen, an dem man diese Veränderungen vornehmen will.
b)Die zweite Möglichkeit wird ebenfalls seit langem in Praxis und Rechtslehre als patentfähig angesehen. Sie betrifft einmal die durch Bakterien oder sonstige Kleinlebewesen beeinflußten Gärungsprozesse, die vor allem in der Nahrungsmittelindustrie vorkommen. Bei derartigen Verfahren sind Kleinstlebewesen, allgemein als Mikroorganismen bezeichnet, beteiligt. Ein großer Teil der heutzutage technisch angewandten biologischen Verfahren bedient sich des Umstandes, daß bestimmte Mikroorganismen Produkte ausscheiden, die für den Menschen wertvolle Stoffe enthalten. Hierzu gehören z.B. die Bakterien, die zur Sauermilchbereitung, zur Käsereifung, bei der Herstellung von Sauerteig und bei der Einsäuerung von Tierfutter (Silieren) sowie in der Gärungsindustrie zur Herstellung von Essigsäure und Milchsäure eingesetzt werden, und die Pilze, mit deren Hilfe Bier, Hefegebäck und organische Säuren z.B. Zitronensäure und Oxalsäure erzeugt werden (Vogel/Angermann a.a.O. Band 2 S. 297, 309). Mikroorganismen, und zwar bestimmte Bakterien und Pilze, sind ferner die Erzeuger wertvoller Antibiotika. Dabei wird auch von solchen Verfahren vorausgesetzt, daß sie wiederholbar sind und die dabei verwendeten in der Natur vorkommenden Organismen für jedermann verfügbar bleiben (Robbins, GRUR Ausl. 1961, 117 ff). Über die Patentierbarkeit aller derartiger Verfahren haben zwar bisher Reichsgericht und Bundesgerichtshof nicht ausdrücklich entschieden; über die bejahende Einstellung der Rechtspraxis berichten jedoch unter anderen Ephraim, GRUR 1919, 34, 35, 36; Schade, GRUR 1950, 312, 313; Benkard a.a.O. § 1 Rdn. 10. Auch die internationale Entwicklung steht der Patentfähigkeit mikrobiologischer Verfahren im allgemeinen positiv gegenüber; so will das sog. Straßburger Abkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente vom 27. November 1963 (BlPMZ 1964, 372) die Vertragsstaaten verpflichten, die Patentierbarkeit mikrobiologischer Verfahren und der mit Hilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse anzuerkennen.
c)Zur dritten Möglichkeit, bei der - nur oder jedenfalls im wesentlichen auch - mit biologischen Mitteln ein biologisches Ergebnis oder Erzeugnis gewonnen werden soll, gehört die vorliegende Anmeldung auf ein Verfahren zur Züchtung einer Taube. Es ist nur folgerichtig, wenn bei grundsätzlicher Zulassung der vorstehend unter a) und b) genannten Verfahren zum Patent die Züchtung von Tieren nicht schon deshalb von der Patentierung ausgeschlossen werden könnte, weil sowohl die Mittel als auch das Ergebnis auf biologischem Gebiet liegen. Die Problematik liegt hier jedoch, wie die umfangreiche widerstreitende Literatur zeigt, unter anderem in der nachfolgend unter B zu erörternden Frage, ob die Vermehrbarkeit solcher Züchtungsergebnisse das Erfordernis der Wiederholbarkeit des Züchtungsverfahrens entbehrlich macht; vgl. dazu u.a.: Herzfeld/Wuesthoff, Der Züchter 1932, 202; Pinzger, GRUR 1938, 733; v.d. Trenck, GRUR 1939, 437; Botschaft des Schweizer Bundesrates, Schweizer Bundesblatt 1950 Band 1 S. 977; Schade, GRUR 1950, 312; Schmidt, GRUR 1952, 168; Freda Wuesthoff, GRUR 1957, 49; Franz Wuesthoff, GRUR 1960, 517; ders. in Festschrift für Philipp Möhring 1965, 315.
B.Die Wiederholbarkeit eines zum Patent angemeldeten Tierzüchtungsverfahrens ist notwendige Voraussetzung für dessen Patentierung.
1.Eine Erfindung offenbart als Lehre zum technischen Handeln nur dann eine fertige Lösung, wenn der Fachmann (§ 26 Abs. 1 Satz 4 PatG) in beliebiger Wiederholung nach dieser Lehre mit gleichbleibenden Erfolg arbeiten kann (RG MuW 1929, 177; GRUR 1936, 539, 541). In allgemeinen erscheint diese Voraussetzung für die Patentfähigkeit einer Erfindung selbstverständlich; denn eine technische Lehre ist für den Fachmann nur dann "ausführbar", wenn die Ausführung auch jederzeit wiederholt werden kann. Eben darin, daß der Erfinder der allgemeinen Fachwelt in der Patentschrift offenbart, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln er zu dem angestrebten Ergebnis gelangt, liegt die patentwürdige Bereicherung der Technik.
2.Bei Verfahren zur Züchtung von Pflanzen - über deren Patentierbarkeit hier nicht zu entscheiden ist - ist in der Literatur die Meinung vertreten worden, daß eine Wiederholbarkeit des Züchtungsverfahrens nicht erforderlich sei, weil das Ergebnis der Züchtung aus sich selbst vermehrt werden könne und deshalb die Lehre, die sich in diesem Züchtungsergebnis erschöpfe, durch Weitervermehrung ausgeführt werden könne (so u.a. Pinzger a.a.O.; Kirchner, GRUR 1951, 572 und GRUR 1952, 453; Wuesthoff, GRUR 1953, 230; 1957, 49, 52; Marx, GRUR 1952, 456, 458; Benkard a.a.O. § 1 Rdn, 158 für Vermehrungsansprüche). Dagegen halten die Wiederholbarkeit des Züchtungsverfahrens für erforderlich u.a. Tetzner, GRUR 1952, 176; Lindenmaier, GRUR 1953, 12, 14; Benkard, GRUR 1953, 97; Schmidt a.a.O. Eine vermittelnde Meinung vertritt den Standpunkt, daß das Fehlen von Gründen, die eine Wiederholung unmöglich erscheinen lassen, als "theoretische" Möglichkeit der Wiederholung gewertet werden solle (Schade, GRUR 1950, 312, 317; DPA BlPMZ 1959, 70, 71).
Zu diesem Meinungsstreit ist hier nicht in vollem Umfang Stellung zu nehmen. Es geht hier nur um den vom Anmelder geltend gemachten Anspruch auf ein Verfahren zum Züchten eines Tieres.
Eine "theoretische Wiederholbarkeit", wie sie die vermittelnde Meinung genügen lassen will, wäre in sich widersprüchlich, es sei denn, daß damit gemeint sein soll, es genüge, wenn der Patenterteilungsbehörde gegenüber die Wiederholbarkeit des offenbarten Züchtungsverfahrens nicht exakt nachgewiesen, sondern im Sinne des patentamtlichen Sprachgebrauchs "glaubhaft gemacht" und damit zugleich dargetan wird, daß es sich um das Produkt eines neuer. Züchtungsverfahrens und nicht etwa um eine in der Natur neu entdeckte Art handelt. Von einer solchen Erleichterung des Nachweises abgesehen kann jedoch materiell-rechtlich auf die Forderung der Wiederholbarkeit des Züchtungsverfahrens nicht verzichtet werden. Die zu patentierende Lehre eines Verfahrensanspruchs der hier vorliegenden Art besteht in der Züchtung einer neuen Tierart aus bekannten Arten durch Kreuzung und Selektion. Sie besagt, daß man mit diesen Schritten von bestimmten Ausgangsarten über die Verfahrensstufen zu einem bestimmten Züchtungsergebnis gelangen soll. Nun erstreckt sich allerdings nach § 6 Satz 2 PatG der Patentschutz für eine solche Lehre auf das (unmittelbare) Erzeugnis des Verfahrens. Das ändert jedoch nichts daran, daß die zu patentierende Lehre in dem Verfahren besteht. Diese Lehre muß, wenn dafür Patentschutz verlangt wird, "wiederholbar", d.h. für andere Sachverständige nachvollziehbar sein. Es ist kein mit den Prinzipien des Patentrechts zu vereinbarender Grund ersichtlich, der es gestatten könnte, von dem Erfordernis der Wiederholbarkeit der zum Patent angemeldeten Verfahrenslehre abzusehen, weil das Ergebnis der Züchtung aus sich selbst heraus erbbeständig vermehrbar sei und somit eine Bereicherung der Allgemeinheit besser garantiere als eine Wiederholung der oft mühsamen und langwierigen Züchtung selbst. Wäre nämlich ein solches Vorfahren nicht wiederholbar, so würde die "Bereicherung der Allgemeinheit" allein in dem einmal erzielten tatsächlichen Ergebnis bestehen. Der Züchter gäbe dem Fachmann dann nicht eine Lehre, wie die neue Art herzustellen ist; sondern er würde die Allgemeinheit nur auf das zunächst allein in seiner Hand befindliche körperliche Züchtungsergebnis verweisen. An die Stelle einer Belehrung, wie jeder Fachmann zu dem gleichen Ergebnis gelangen kann, träte ein tatsächliches Monopol auf die Erzeugnisse, das allein aus dem einmaligen Züchtungsvorgang abgeleitet wäre. Eine solche Art der Monopolisierung ist dem Patentrecht fremd.
C.Im vorliegenden Falle ist, wie den Feststellungen des Patentamts zu entnehmen ist, das angemeldete Verfahren zum Züchten einer Taube nicht wiederholbar.
1.Züchtungsverfahren der angemeldeten Art sind, wie bereits erwähnt, ähnlich einem chemischen Herstellungsverfahren charakterisiert durch Ausgangsarten, Verfahrensstufen und Enderzeugnis. Dabei wird z.B. in der vorliegenden Anmeldung mit den Ausgangsarten in folgender Weise verfahren:1)Ausgangsindividuen: (a) Altdeutscher Kröpfer - (b) Rote Römertaube,2)Kreuzung von 1) (a) und (b),3)Selektion der Erzeugnisse von 2) nach Größe und Farbe,4)Kreuzung der Ergebnisse von 3) mit (c) Rotem Hessenkröpfer,5)Selektion der Erzeugnisse von 4),6)Rückkreuzung der Ergebnisse von 5) mit (a) Altdeutschem Kröpfer.
Als Endergebnis ist angegeben:Eine Taube:a)nach genanntem Verfahren gezüchtet undb)mit folgenden Eigenschaften:aa)rotes Gefieder und dabeibb)wesentlich größer als bisher,cc)wesentlich größere Flügelspannweite,dd)wesentlich schönere und intensivere Gefiederfarbe,ee)zur Körpergröße extrem großer Ballon.
2.Bei Verfahren der vorliegenden Art bestehen die reinen Verfahrensstufen aus Kreuzungen und Auswahlvorgängen (Selektionierungen). Erstere sind rein biologische Maßnahmen mit der Folge, daß die jeweiligen Elternpaare ihre Erbanlagen nach Mendel'scher Gesetzmäßigkeit an ihre Nachkommen weitergeben. Die dann folgende Selektionierung ist ein nicht biologischer Verfahrensschritt zwecks Auswahl der Ausgangsindividuen für die nächste Kreuzungsstufe usf. Der Wechsel dieser Vorgänge (Auswahl - Kreuzung - Auswahl - Kreuzung - usw.) stellt somit ein gemischtes Verfahren mit von Fall zu Fall unterschiedlicher Stufenzahl dar, das den Zweck verfolgt, sich einem biologisch gewünschten Ergebnis hinsichtlich bestimmter Erbfaktoren mit wachsendem Reinheitsgrad der Züchtungsergebnisse zu nähern.
3.Wenn das Patentamt davon ausgeht, daß ein solches Verfahren nicht wiederholbar sei, so kann es sich für den vorliegenden Fall darauf stützen, daß nach der Offenbarung in der Patentbeschreibung und der Kennzeichnung des Züchtungsverfahrens im Patentanspruch eine genetisch identische Wiederholung der Züchtung nicht gesichert erscheint und keinesfalls davon ausgegangen werden kann, daß mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit die gleichen genetischen Züchtungsergebnisse erzielt werden können. Die Ausgangsindividuen sind ganz allgemein nach ihrer Art ohne Angabe ihrer einzelnen stammesmäßigen Herkunft gekennzeichnet, so daß der Fachmann darauf angewiesen wäre, bei dem Versuch einer Wiederholung dieser Züchtung solche Individuen zu verwenden, die nach ihrem Aussehen, also phänotypisch, der angegebenen Art entsprechen. Die Selektionsmaßnahmen in zwei Stufen sind auf zwei Merkmale gerichtet, die jedoch nur in allgemeiner Richtung (Größe und Farbe) bestimmt sind. Die Durchführung dieser Auswahlmaßnahmen läßt deshalb und auch allgemein wegen der dabei nicht naher bestimmbaren Methoden einen weiten Spielraum offen, abgesehen davon, daß sie ebenfalls nur phänotypisch ausgerichtet sind und deshalb ohnehin keine Maßnahmen darstellen, die einen hinreichend bestimmbaren Erfolg versprechen könnten. Es bedarf hier keiner weiteren Erörterung, wie sicher oder unsicher nach dem heutigen Stande der Wissenschaft der Schluß von dem äußeren Erscheinungsbild eines Individuums auf seine genetischen Eigenschaften im allgemeinen oder im Einzelfalle sein mag. Im vorliegenden Falle läßt sich jedenfalls aus den genannten Umständen ein Schluß auf die Wiederholbarkeit des Züchtungsverfahrens nicht mit der notwendigen Sicherheit ziehen, zumal es sich hier um die Züchtung einer höheren Tierart mit komplexen Erbverhältnissen handelt.
D.Dem Patentbegehren hätte auch dann nicht stattgegeben werden können, wenn der Anmelder statt des Verfahrensanspruchs einen Sachanspruch aufgestellt hätte. Denn auch für einen Sachanspruch hätte ein wiederholbares Verfahren zur Herstellung des für den Sachanspruch in Betracht kommenden biologischen Erzeugnisses - der nach der Anmeldung aus der Züchtung hervorgegangenen Taube mit bestimmten Eigenschaften - offenbart werden müssen, wie aus den Ausführungen oben unter B insbesondere zu § 6 Satz 2 PatG folgt. Daran aber fehlt es hier, wie unter C bereits dargestellt ist.
E.Die Rechtsbeschwerde konnte nach alledem, da die angefochtene Entscheidung sich jedenfalls im Ergebnis als richtig darstellt (§ 563 ZPO), keinen Erfolg haben. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sei verletzt, fällt ins Leere, weil sich der erkennende Senat die Teile des angegriffenen Beschlusses, aus denen die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Gleichheitsgrundsabzes herleitet, nicht zu eigen gemacht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 y Abs. 1 Satz 2 PatG.