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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 17.01.1980, Az.: X ZB 4/79

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 16. Senats (technischen Beschwerdesenats XI) des Bundespatentgerichts vom 14. Dezember 1978 wird auf Kosten der Anmelderin zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.Das Patentamt hat die Anmeldung vom 17. März 1956, die ein "Verfahren zur Herstellung von aromatischen Carbonsäuren" betrifft, am 3. Juni 1971 mit folgendem Hauptanspruch bekanntgemacht:"Verfahren zur Herstellung von aromatischen Carbonsäuren durch Oxydation von alkylsubstituierten aromatischen Kohlenwasserstoffen mit Sauerstoff in flüssiger Phase in Gegenwart von Schwermetallkatalysatoren bei erhöhter Temperatur und gegebenenfalls unter erhöhtem Druck sowie gegebenenfalls in Gegenwart eines organischen Lösungsmittels, dadurch gekennzeichnet, daß man zur Herstellung von Benzoldi- und -polycarbonsäuren di- bzw. polyalkylierte Benzolkohlenwasserstoffe, die mindestens zwei Alkylgruppen mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen enthalten, oder deren Oxydationszwischenprodukte mit wenigstens einer Alkylgruppe mit Sauerstoff oder sauerstoffhaltigen Gasen, insbesondere Luft, in einer Menge von 2 bis 200 Mol, berechnet als Sauerstoff, je Mol des substituierten Benzolkohlenwasserstoffs, bei einer Temperatur von 120 bis 275 Grad C, einem Druck von atmosphärischem Druck bis zu etwa 100 ata, gegebenenfalls in Gegenwart einer Monocarbonsäure mit 1 bis 8 Kohlenstoffatomen als Lösungsmittel mit Hilfe eines Schwermetallbromids oder mehrerer Schwermetallbromide oder eines Gemisches aus einem oder mehreren Schwermetallen oder Schwermetallsalzen als Katalysatoren und einer ein Bromion liefernden anorganischen oder organischen Verbindung oxydiert."

Im Einspruchsverfahren ist das Patent wegen des Fehlens der Neuheit versagt worden.

Mit ihrer Beschwerde hat die Anmelderin die Anmeldung mit folgendem Hauptanspruch und Unteransprüchen weiterverfolgt:"Verfahren zur Herstellung von aromatischen Carbonsäuren durch Oxydation von alkylsubstituierten aromatischen Kohlenwasserstoffen in flüssiger Phase mit Sauerstoff oder sauerstoffhaltigen Gasen, insbesondere Luft, in einer Menge von 2 bis 75 Mol, berechnet als Sauerstoff, je Mol des substituierten Benzolkohlenwasserstoffs, bei einer Temperatur von 120 bis 275 Grad C, gegebenenfalls bei Einsatz von Sauerstoff oder von mit Sauerstoff angereicherter Luft bei einer Temperatur von wenigstens etwa 50 Grad C, einem Druck von atmosphärischem Druck bis zu etwa 100 ata, in Gegenwart einer Monocarbonsäure mit 1 bis 8 Kohlenstoffatomen als Lösungsmittel, dadurch gekennzeichnet, daß man zur Herstellung von Terephthalsäure p-dialkylierte Benzole deren Alkylgruppen 1 bis 4 Kohlenstoffatome enthalten, mit Hilfe eines oder mehrerer Bromide von Mangan, Kobalt, Nickel, Chrom, Vanadium, Molybdän, Wolfram oder Cer oder eines Gemisches aus einem oder mehreren Salzen dieser Metalle und einer ein Bromidion liefernden anorganischen oder organischen Verbindung, die in dem Reaktionsmedium löslich sind, als Katalysatoren oxydiert."

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Anmelderin Aufhebung und Zurückverweisung.

Die Einsprechende beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Hauptanspruchs sei mangels Neuheit dem Patentschutz nicht mehr zugänglich, denn er umfasse auch ein Verfahren, nach dem p-dialkylierte Benzole mit Sauerstoffhaltigen Gasen in Gegenwart von Kobaltsalzen und Blei- und Bariumbromid, die unbestritten Bromidionen liefernde Verbindungen darstellten, unter den weiteren anspruchsgemäßen Reaktionsbedingungen umgesetzt würden. Dieses Verfahren sei aus der US-Patentschrift 2 276 774 von Henke (Henke-Patentschrift) bekannt, die sich ihrerseits wieder auf die US-Patentschrift 2 245 528 von Loder beziehe.

Ein chemisches Herstellungsverfahren, dessen Ausgangsstoffe und Arbeitsmethoden als Variante anderer Arbeitsweisen in einer Druckschrift vorbeschrieben seien, sei auch dann nicht mehr neu, wenn das dabei erhältliche Verfahrensprodukt dort nur unter Angabe einer allgemeinen Aufgabe seiner Zusammensetzung nach nicht genau - im Sinne einer engen Aufgabenangabe - differenziert sei, selbst dann, wenn das tatsächlich erzielte Verfahrensprodukt von den Produkten, die nach den anderen Varianten erhalten würden, in unerwarteter Weise verschieden sei.

In der Henke-Patentschrift sei ein Verfahren zur Herstellung von aromatischen Carbonsäuren durch Oxydation alkylsubstituierter Kohlenwasserstoffe in flüssiger Phase bei etwa 150 bis 250 Grad mit einem Sauerstoff enthaltenden Gas in Gegenwart von Kobaltkatalysatoren und einer niederen aliphatischen Carbonsäure beschrieben, wobei Blei- oder Bariumsalze zugegen sein sollten, die in Essigsäure eine bestimmte Löslichkeit aufwiesen. Bleibromid und Bariumbromid seien als solche geeigneten Salze ausdrücklich erwähnt. Die Anmelderin bestreite nicht, daß man diese Umsetzung unter Verwendung von Blei- oder Bariumbromid ohne weiteres nacharbeiten könne und hierbei zwangsläufig zu der von ihr gewünschten Terephthalsäure in hervorragenden Ausbeuten gelange, wenn man von einem p-dialkylierten Benzol ausgehe.

Henke habe sich nicht auf die Oxydation monoalkylierten Benzols beschränkt, sondern als Ausgangsstoffe auch Verbindungen in Betracht gezogen, die mehrere Alkylgruppen aufwiesen, z.B. eine handelsübliche Mischung von Xylolen. Nicht erwähnt habe er allerdings die Tatsache, daß hierbei unter Umständen als Verfahrensprodukt Terephthalsäure entstehen könne. Vielmehr habe er zutreffend festgestellt, daß Xylole bei Oxydation mit Sauerstoffen in Gegenwart eines Kobalt-Oxydationskatalysators und von Bleiacetat zufriedenstellend in Toluylsäuren überführbar seien. Dabei handele es sich um Teiloxydationsprodukte der Xylole, bei denen nur eine der beiden Methylgruppen zur Carboxylgruppe oxydiert sei.

Es genüge, wenn die Ausgangsstoffe und Reaktionsbedingungen ausreichend genau offenbart seien. Irrtümer in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinsichtlich des dabei erzielten Verfahrenserzeugnisses könnten behoben werden, Angaben hierzu seien also nicht unverzichtbarer Bestandteil der Erfindungsoffenbarung einerseits und der Nacharbeitbarkeit der Erfindung andererseits.

Henke habe sich die für den Leser der US-Patentschrift 2 276 774 ohne weiteres erkennbare Aufgabe gestellt, das von Loder in der US-Patentschrift 2 245 528 beschriebene Verfahren zu verbessern. Die Verbesserung solle in wirtschaftlicher und praktischer Hinsicht, ferner wegen der Carbonsäureausbeute in Chromstahlreaktoren statt der von Loder verwendeten Tantalgefäße und schließlich wegen anderer Vorteile erfolgen. Durch diesen und weitere Hinweise auf das Loder-Patent seien ausdrücklich die technischen Angaben der US-Patentschrift 2 245 528 in die Lehre der US-Patentschrift 2 276 774 übernommen worden.

Loder beschränke sich nicht auf die Aufgabe, Monocarbonsäuren herzustellen, sondern schlage auch die Herstellung von Polycarbonsäuren aus den entsprechenden Polyalkylbenzolen, z.B. Phthalsäuren aus Xylol vor. Dem einschlägigen Beispiel 3 der US-Patentschrift 2 245 528 sei zu entnehmen, daß bei der in Rede stehenden Oxydation von Xylolgemischen (also von Gemischen aus o-, m- und p- Dimethylbenzol) neben einer überwiegenden Menge an Toluylsäuren (also o-, m- und p-Methylbenzolcarbonsäure) unter anderem auch eine kleine Menge - wie Loder schreibe - Phthalsäuren entstehe. Darunter seien - abhängig von der Anwesenheit der isomeren Xylole im Ausgangsgemisch - zu verstehen:

o- Benzoldicarbonsäure (= eigentliche Phthalsäure),

m- Benzoldicarbonsäure (= Isophthalsäure) und

p- Benzoldicarbonsäure (= Terephthalsäure).

In diesem Lichte sei auch die das Verfahren von Loder verbessernde Arbeitsweise nach Henke zu sehen. Der Sachkundige könne ohne weiteres erwarten, daß bei der von Henke beschriebenen Oxydation von Xylolen ebenfalls Gemische entständen, die auch Terephthalsäure enthalten müßten. Arbeitsgebiet und Produktklasse, also die allgemeine Aufgabe, seien demnach vorgegeben. Der Nacharbeitende gelange nun bei der Oxydation von Xylolen in Gegenwart eines Kobaltoxydationskatalysators und z.B. von Essigsäure und unter Zusatz des von Henke bevorzugten Bleiacetats zu einem Gemisch, das - wie Henke auch mitgeteilt habe - Toluylsäuren, aber offensichtlich auch andere Oxydationsprodukte, darunter Terephthalsäure in geringeren Mengen enthalte. Es sei allerdings überraschend, daß zwei der von Henke ausdrücklich beispielhaft empfohlenen Salze, nämlich Bleibromid und Bariumbromid, Terephthalsäure in einer Ausbeute von 120,6 bzw. 128,2 Gew.-% lieferten und zwar auf Kosten des Gehalts an p- Toluylsäure und anderer Oxydationsprodukte im Gemisch.

Danach sei die Erfindung durch Henke tatsächlich so beschrieben worden, daß ihre Benutzung durch andere Sachverständige mit stets gleichem Erfolg möglich gewesen sei, zu welchem Zwecke auch immer diese Benutzung erfolgt sei. Der Fachmann habe somit erwarten können, er würde bei Wiederholung der Lehre von Henke in irgendeiner Ausbildung des dort geschilderten Verfahrens zu aromatischen Carbonsäuregemischen gelangen, auch wenn er nur hauptsächlich p- Toluylsäure neben einer geringen Menge an Terephthalsäure habe herstellen wollen.

Für die Beurteilung der Neuheitsschädlichkeit sei - vielleicht anders als für die Beurteilung der Erfindungshöhe - ohne Belang, daß Blei- und Bariumbromid von Henke nur beispielhaft neben anderen möglichen oder gar als besser hingestellten Blei- und Bariumsalzen aufgeführt seien und daß Henke die Nichtäquivalenz von Bromiden einerseits und anderen Salzen andererseits nicht erkannt habe. Ausschlaggebend sei vielmehr die Tatsache, daß die Lehre über die Verwendbarkeit von Blei- oder Bariumbromid im Loderverfahren durch Henke der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, wenn auch das Motiv für deren Einsatz bei Henke lediglich der damit erzielbare Schutz des Reaktionsgemisches vor störenden Einflüssen der Gefäßwände bei üblicherweise eingesetzten Chromstahlreaktoren gewesen sei.

2.Die Rechtsbeschwerde rügt die Annahme neuheitsschädlicher Vorwegnahme. Das Bundespatentgericht habe verkannt, daß zunächst zu prüfen sei, ob der Fachmann, der sich am Anmeldetage die Aufgabe gestellt habe, Terephthalsäure herzustellen, der Henke-Patentschrift eine fertige konkrete technische Regel habe entnehmen können. Erst danach sei zu fragen, ob eine Übereinstimmung der Problemlösungen vorliege. Der Durchschnittsfachmann habe der Henke-Patentschrift nur entnehmen können, daß das von Henke offenbarte Verfahren zur Gewinnung von Monocarbonsäuren brauchbar sei, und zwar auch, wenn als Ausgangsprodukt dialkylierte Benzole eingesetzt würden. Von der Herstellung von Dicarbonsäuren sei in der Patentschrift weder als Aufgabe noch als Lösungsvorschlag die Rede. Der Fachmann habe annehmen können, daß Henke die Entstehung von Dicarbonsäuren erwähnt hätte, wenn er sie in einem gewerblich verwertbaren Umfang erlangt hätte. Diese Beurteilung des von Henke offenbarten Verfahrens durch den Fachmann sei nicht durch die Bezugnahme auf die Patentschrift von Loder verändert worden, denn dieser Patentschrift sei hinsichtlich der Gewinnung von Terephthalsäuren ein wirtschaftlich völlig unbrauchbares Ergebnis zu entnehmen gewesen. Die in der Henke-Patentschrift vorgeschlagene Verbesserung des Verfahrens von Loder beziehe sich nur auf die Verfahrensbedingungen, das Reaktionsmaterial, nicht aber auf die Gewinnung bestimmter Verbindungen, die Loder nicht oder jedenfalls nicht in wirtschaftlich verwertbarem Ausmaß erlangt habe. Selbst bei Nacharbeitung der Verfahrensanweisung von Henke wäre der Fachmann nicht zu der Erkenntnis gelangt, daß Henke ein Verfahren offenbart habe, mit dem in gewerblich verwertbarer Weise Terephthalsäure erlangt werden könne. Nach Beispiel III der Henke-Patentschrift erhalte man lediglich 3,50 % Phthalsäuren, die ihrerseits nur einen verschwindend geringen Anteil an Terephthalsäure enthalten könnten. Henke habe zudem ausdrücklich Blei- und Bariumacetate bevorzugt. Der Fachmann habe keinen Anlaß gehabt, eine andere Blei- oder Bariumverbindung in Erwägung zu ziehen; von Bromiden habe er abgesehen, weil deren korrodierende Wirkung sie für die Verwendung in Chromstahlgefäßen als ungeeignet habe erscheinen lassen; mit günstigeren Ergebnissen habe der Fachmann nicht gerechnet; das Bundespatentgericht bezeichne sie als überraschend. Die Fachwelt habe im Anmeldezeitpunkt geglaubt, daß die Oxydation einer zweiten Alkylgruppe ohne bestimmte Hilfsmaßnahmen (z.B. Veresterung der entstandenen Carboxylgruppe) schwierig oder unmöglich sei.

Mit diesem Vortrag habe sich das Bundespatentgericht nicht auseinandergesetzt. Henke habe die Zusätze Blei- oder Bariumverbindungen nur für die Korrosionsverhinderung, nämlich nur einmalig beim ersten einer Folge von Ansätzen, dagegen nicht für den eigentlichen Reaktionsverlauf, die Oxydation, vorgesehen.

Die Aufgabe, eine bestimmte Carbonsäure, nämlich Terephthalsäure herzustellen, sei gegenüber der allgemeinen Aufgabe, Carbonsäure ohne Rücksicht darauf, ob Mono- oder Dicarbonsäuren erlangt würden, herzustellen, eine andere Aufgabe, die der Patentschrift von Henke nicht zu entnehmen sei.

3.a)Im Einklang mit § 2 PatG a.F. geht das Bundespatentgericht davon aus, daß es bei der Neuheitsprüfung auf eine Vorbeschreibung der angemeldeten Lehre hinsichtlich der Aufgabe und der Lösung ankommt, die der Sachverständige nacharbeiten kann. Nach der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt der angemeldeten Lehre die Aufgabe zugrunde, Terephthalsäure mit hoher Ausbeute einstufig herzustellen. Die Lösung der Aufgabe nach dem Hauptanspruch der Anmeldung in seiner letzten Fassung und den Gegenstand dieses Patentanspruchs hat das Bundespatentgericht in einem Verfahren zur Herstellung von Terephthalsäure, einer aromatischen Carbonsäure, mit alternativen Verfahrensvarianten, darunter einer Variante mit folgenden Merkmalen, gesehen:

p- dialkylierte Benzole, deren Alkylgruppen 1 bis 4 Kohlenstoffatome enthalten, werden mit sauerstoffhaltigen Gasen oxydiert, und zwar bei einer Temperatur von 120 bis 275 Grad C, bei einem Druck von 1 bis zu etwa 100 ata, unter Mitwirkung einer Monocarbonsäure mit 1 bis 8 Kohlenstoffatomen als Lösungsmittel, in Gegenwart von Kobaltsalzen und einer ein Bromidion liefernden Verbindung.

Darin ist mit der Rechtsbeschwerde eine Lösung der von ihr genannten Aufgabe zu sehen. Die beanspruchte Lösung stellt ein einstufiges Oxydationsverfahren dar und führt zur Gewinnung von Terephthalsäure in einer Ausbeute von über 120 Gewichtsprozenten. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde begegnet es keinen Bedenken, daß das Bundespatentgericht diese Lösung als neuheitsschädlich vorbeschrieben angesehen hat.

b)Bei der Prüfung der Neuheit ist der Gegenstand der Anmeldung mit jeder Entgegenhaltung einzeln zu vergleichen. Der Forderung nach einem solchen Einzelvergleich steht nicht entgegen, daß eine in der Druckschrift enthaltene Bezugnahme, die einen Abdruck des in Bezug genommenen, als Grundlage der entgegengehaltenen Druckschrift herangezogenen Textes ersetzt, berücksichtigt wird. So würde etwa bei einem Zusatzpatent, das eine Bezugnahme auf das Hauptpatent enthält, der in Bezug genommene Teil des Hauptpatents mitheranzuziehen sein.

Das Bundespatentgericht hat im vorliegenden Fall zu Recht eine bei dem Einzelvergleich zu berücksichtigende Bezugnahme bejaht. Dadurch, daß Henke ausdrücklich vorgeschlagen hat, das von Loder beschriebene Verfahren zu verbessern und zwar durch Austausch und durch Ergänzung von Verfahrensbedingungen, hat er das Verfahren von Loder zur Grundlage seines eigenen Vorschlags gemacht. Ohne Rechtsfehler hat das Bundespatentgericht deshalb in den technischen Angaben über das von Henke zu verbessernde in Bezug genommene Verfahren von Loder einen Bestandteil des Offenbarungsinhalts der Henke-Patentschrift gesehen. Henke hat die vollständige Wiedergabe des erkennbar für seine Vorschläge unentbehrlichen Textes von Loder durch die Bezugnahme auf das von Loder beschriebene Verfahren (Henke-Patentschrift Seite 1 linke Spalte Zeilen 9 und 54, Seite 2 linke Spalte Zeile 71, rechte Spalte Zeile 6) ersetzt. Auf den Inhalt des von Henke in seiner Patentschrift Offenbarten ist es ohne Einfluß, daß er an Stelle der wörtlichen Wiederholung des Textes von Loder den kürzeren Weg der Wiedergabe, nämlich den der Bezugnahme, gewählt hat. Im Rahmen der Bezugnahme ist die Henke-Patentschrift daher durch den Inhalt der Loder-Patentschrift zu ergänzen, so daß die Henke-Patentschrift die entsprechenden technischen Angaben der Loder-Patentschrift umfaßt.

c)Die Feststellung des Bundespatentgerichts, daß der Inhalt der Henke-Patentschrift die angemeldete Lehre neuheitsschädlich vorweggenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 30. Mai 1978 (GRÜR 1978, 696 -alpha-Aminopenicillan) dargelegt hat, ist die Ausrichtung eines Verfahrens auf ein bisher nicht erkanntes Ergebnis kein neues Verfahren, wenn sich das erstrebte Ergebnis bei der unveränderten Ausführung des vorbeschriebenen Verfahrens von selbst einstellt. Denn durch die Beschreibung eines Verfahrens werden der Fachwelt auch die Kenntnisse zugänglich gemacht, die bei der Nacharbeitung unmittelbar und zwangsläufig offenbar werden. Sie sind daher bei der Neuheitsprüfung als Teil der vorbeschriebenen Lehre zu berücksichtigen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts wird durch Nacharbeiten der in der Henke-Patentschrift, insbesondere in Beispiel III, Seite 2 rechte Spalte Zeilen 1 und 27, und in der in Bezug genommenen Loder-Patentschrift, insbesondere in deren Beispiel 3, Seite 2 rechte Spalte Zeilen 47, 50 und 51, beschriebenen Schritte mit einem handelsüblichen Gemisch von Xylolen als Ausgangsstoffen in Gegenwart von Kobalt und Blei- oder Bariumbromid sowie von einer aliphatischen Monocarbonsäure in Verbindung mit den übrigen nach dem Hauptanspruch der angemeldeten Lehre erforderlichen Verfahrensschritten und -bedingungen ein Gemisch von Phthalsäuren in hoher Ausbeute durch einstufige Oxydation erzielt. Die von der Rechtsbeschwerde bezeichnete Aufgabe der streitigen Anmeldung wird also gelöst, wenn der Fachmann beim Nacharbeiten dessen, was ihn die Henke-Patentschrift zu tun gelehrt hat, ohne Änderung befolgt. Es kommt unter diesen Umständen nicht darauf an, ob das zu gewinnende Endprodukt in der Vorveröffentlichung in allen Einzelheiten beschrieben ist, ob auf die bei der Durchführung des Verfahrens auftretenden Vorteile - Einstufigkeit und Ausbeute - hingewiesen ist und ob die zwangsläufig eintretenden Ergebnisse des Verfahrens den Nacharbeitenden überraschen. Die Vorveröffentlichung enthält die ihr zu entnehmende Beschreibung des Zieles, Phthalsäuren zu gewinnen, und die Beschreibung aller dazu erforderlichen Verfahrensschritte, die es dem Fachmann ermöglicht, danach zu arbeiten. Eine Hervorhebung oder Bevorzugung eines Verfahrensweges vor anderen ist für eine Vorbeschreibung im Sinne von § 2 PatG nicht erforderlich. Wenn eine Druckschrift mehrere Verfahrenswege schildert, so sind sie sämtlich im Sinne der Vorschrift beschrieben, sofern sie der Fachmann mit Erfolg benutzen kann. Damit werden, wie oben schon dargelegt wurde, dem Fachmann auch die Kenntnisse zugänglich gemacht, die sich bei der Nacharbeitung von selbst ergeben; soweit sie dem Fachmann durch das Nacharbeiten unmittelbar und zwangsläufig offenbar werden, sind sie bei der Beurteilung des Offenbarungsinhalts der Vorveröffentlichung zu berücksichtigen. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, welche subjektiven Vorstellungen mit der von Henke gelösten Aufgabe verbunden werden konnten. Aus der Feststellung, daß die vorbeschriebene ebenso wie die angemeldete Lehre in identischer Verfahrensweise Terephthalsäure ergibt, folgt, daß sie objektiv dieselbe Aufgabe löst. Die Rechtsbeschwerde geht demgegenüber unzutreffend davon aus, daß dem Fachmann in erster Linie eine Vorbeschreibung der Aufgabe zur Verfügung stehen müsse, bevor er sich mit der Beschreibung der Lehre beschäftige, oder daß die Vorbeschreibung beim Fachmann bestimmte Erwartungen auslösen müsse. Auch darauf, ob Henke aus seiner Patentschrift Schutz für das hier streitige Verfahren zur Herstellung von Terephthalsäure hätte beanspruchen können, kommt es nicht an. Entscheidend für den Beschreibungsinhalt der Vorveröffentlichung ist allein, was der Fachmann, der sie nacharbeitet, aus ihr unmittelbar entnehmen kann.

d)Mit dem Verfahren ist dem Fachmann nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts und nach dem unstreitigen Sachverhalt zugleich folgendes offenbart worden: Das Gemisch, das als Verfahrensprodukt des in der Henke-Patentschrift gelehrten Verfahrens gewonnen wird, setzt sich aus Bestandteilen zusammen, die denen des Ausgangsgemischs (des Gemischs von Xylolen) entsprechen. Das umzusetzende Gemisch von Xylolen besteht aus ortho-Xylol, meta-Xylol und para-Xylol mit den Formeln:

Das zu gewinnende Gemisch aus Phthalsäuren besteht aus:

Die Bestandteile des Phthalsäurengemischs stehen nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im wesentlichen im gleichen Mengenverhältnis zueinander wie die Bestandteile des Ausgangsgemischs. Der Bestandteil p-Xylol des Ausgangsgemischs führt zu dem Bestandteil p-Phthalsäure (Terephthalsäure) im Phthalsäurengemisch. Der Fachmann kann das Ausgangsgemisch unstreitig in seine Bestandteile zerlegen, ebenso kann er ohne weiteres an Stelle des Gemischs einen der Bestandteile als Ausgangsprodukt verwenden. Als Endprodukt gewinnt er dann den dem Ausgangsstoff entsprechenden Bestandteil des Phthalsäurengemischs. Setzt er dementsprechend p-Xylol in der vorbeschriebenen Weise um, dann gewinnt er p-Phthalsäure (Terephthalsäure).

e)Somit ist das Bundespatentgericht ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß das angemeldete Verfahren nach Aufgabe und Lösung mit dem vorbeschriebenen Verfahren übereinstimmt. Da der Fachmann das angemeldete Verfahren unmittelbar der Vorveröffentlichung entnehmen konnte, bedurfte es hier bei der Neuheitsprüfung keines Rückgriffs auf die Äquivalenzlehre.

Ob der Fachmann die beim Nacharbeiten tatsächlich erzielbare hohe Ausbeute bereits bei der Lektüre der Vorveröffentlichung erwartet oder ob ihn das Ergebnis des Nacharbeitens überrascht, ist für die Beurteilung der Neuheit des angemeldeten Verfahrens ohne Bedeutung; eine Überraschung wäre lediglich als eine unerwartete Erkenntnis über ein bekanntes Verfahren zu werten. Dies ist für die neuheitsschädliche Vorwegnahme des Verfahrens unerheblich.

f)Die Rechtsbeschwerde rügt die Nichtberücksichtigung des Hinweises in der Henke-Patentschrift Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 49 bis 55, daß man auch mit einer einmaligen Zugabe von Bariumbromid für mehrere Umsetzungen auskommen könne. Die daraus abgeleiteten Bedenken gegen die Vollständigkeit der Vorbeschreibung greifen nicht durch. Wenn ein Sachverständiger das vorbeschriebene Verfahren nacharbeitet, wird er nach dem Gesamtinhalt der Henke-Patentschrift jedenfalls für die erste Verfahrensdurchführung Bariumbromid zusetzen und daraufhin ein Gemisch von Phthalsäuren gewinnen. Damit ist die der angemeldeten Lehre entsprechende Umsetzung wiederholbar vorbeschrieben. Ob der in der Henke-Patentschrift erörterte weitere Ablauf von einer erneuten Zugabe von Bariumbromid abhängt, ist für die Frage der neuheitsschädlichen Vorwegnahme ohne Belang, weil die Umsetzung von Xylolen mit sauerstoffhaltigen Gasen in Gegenwart von Bariumbromid vollständig beschrieben worden ist. Zudem besagt die zitierte Textstelle dem Fachmann nicht, daß die weiteren Umsetzungen nicht in Gegenwart von Bariumbromid erfolgen sollen. Der den Blei- oder Bariumsalzen, insbesondere dem Blei- oder Bariumbromid, nach der Henke-Patentschrift zukommende Zweck, die eine Umsetzung inhibierende Wirkung der Chromauskleidung auszuschalten, verlangt nach den nicht zu beanstandenden beschwerdegerichtlichen Feststellungen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde eine Umsetzung von Xylolen mit sauerstoffhaltigen Gasen in Gegenwart von Blei- oder Bariumbromid, wie sie nach dem Hauptanspruch erfolgen soll. Damit ist diese konkret vorbeschrieben.

III.Die Rechtsbeschwerde ist mit der Kostenfolge aus § 41 y Abs. 1 Satz 2 PatG zurückzuweisen.