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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 06.11.1990, Az.: X ZR 55/89

Tatbestand

Die Klägerin ist Lizenznehmerin an dem auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 103 222 (Klagepatent) mit einer Priorität vom 9. September 1982. Sie ist von den Patentinhabern zur Prozeßführung im eigenen Namen ermächtigt worden.

Das Klagepatent betrifft eine Waschvorrichtung für Fahrzeuge, insbesondere Omnibusse und Kastenwagen.

Der im vorliegenden Rechtsstreit in erster Linie geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents hat in der vom Berufungsgericht vorgenommenen und von den Parteien nicht beanstandeten Aufgliederung folgende Merkmale:

1. Waschvorrichtung für Fahrzeuge, insbesondere Omnibusse und Kastenwagen,

2. die mit eigenem Antrieb durch die Waschvorrichtung gefahren werden, 3. unter Verwendung von mindestens zwei

a) senkrechten,

b) von Wasser beaufschlagten Waschbürsten,

c) die an einem zur Fahrzeugdurchfahrtrichtung diagonal und waagerecht in einer Waschbrücke verlaufenden Querholm verfahrbar sind,

d) die in ihrer Ausgangsstellung auf der einen Seite der Waschstraße angeordnet sind,

e) von denen die in Fahrzeugdurchfahrtrichtung gesehen hintere Waschbürste eine zur vorderen Waschbürste seitlich versetzte, im Fahrzeugdurchfahrtbereich liegende und von der Fahrzeugfrontfläche beaufschlagbare Stellung einnimmt und

f) durch die Bewegung des Fahrzeuges auf der diagonalen Führungsbahn auf die andere Seite der Waschstraße verfahrbar ist, während

g) die vordere Waschbürste der hinteren Waschbürste nacheilend angetrieben wird, dadurch gekennzeichnet, daß

4. nach dem Passieren des Fahrzeuges beide Waschbürsten vermittels eines gewichtsbelasteten Seilzuges in ihre Ausgangsstellung zurückgeführt werden,

5. der Querholm in an sich bekannter Weise zwei parallel zueinander verlaufende Fahrschienen für

6. zwei hintereinanderliegend angeordnete, unabhängig voneinander auf den Fahrschienen verfahrbare Führungsschlitten aufweist, von denen

a) jeder eine Waschbürste trägt und

b) aus einer die Form eines Dreiecks aufweisenden, horizontal liegenden Tragplatte besteht, wobei

c) der die vordere Waschbürste tragende Schlitten mit einer Längskante parallel zur ersten Fahrschiene und sich mit seiner dieser Längskante gegenüberliegenden Tragplattenspitze auf der zweiten Fahrschiene abstützt, wogegen

d) der die hintere Waschbürste tragende Schlitten mit einer Längskante parallel zur zweiten Fahrschiene liegt, und sich mit seiner dieser Längskante gegenüberliegenden Tragplattenspitze auf der ersten Fahrschiene abstützt,

7. der die Waschbürsten in ihre Ausgangslage zurückführende Seilzug an dem die hintere Waschbürste tragenden Führungsschlitten angreift,

8. der die vordere Waschbürste tragende Führungsschlitten über einen weiteren Seilzug mit einem Gewicht belastet ist, das

a) diesen Führungsschlitten in Richtung zum anderen Führungsschlitten hin belastet, wobei

9. das am zurückführenden Seilzug angeordnete Gewicht größer ist als das am weiteren Seilzug angeordnete Gewicht.

Wegen der weiter geltend gemachten Unteransprüche 3 und 7 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 3 des Klagepatents gibt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung nach dem Klagepatent wieder.

(Es folgt Zeichnung).

Die Beklagte zu 1 ist eine führende Herstellerin von Fahrzeugwaschanlagen. Sie stellt her und vertreibt eine Waschanlage für Großfahrzeuge, die insbesondere für die Reinigung von Omnibussen geeignet ist. Wegen der Ausgestaltung dieser Waschvorrichtung wird auf die Fotos gemäß Anlage K 4, den Prospekt gemäß Anlage B 7 sowie die technische Beschreibung gemäß Anlage B 5 und die Konstruktionszeichnung gemäß Anlage B 6 Bezug genommen.

Die Klägerin macht geltend, diese Waschvorrichtung der Beklagten mache von den Merkmalen der Patentansprüche 1, 3 und 7 des Klagepatents teils wortlautgemäß, teils unter Verwendung glatt äquivalenter Mittel Gebrauch.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz begehrt.

Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt. Sie sind der Meinung, die angegriffene Omnibus-Waschanlage verletze das Klagepatent nicht.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr in den Instanzen abgewiesenes Klagebegehren weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I. In der Klagepatentschrift ist angegeben, im Stand der Technik seien Waschanlagen mit hydraulisch, pneumatisch oder elektromotorisch verschwenkbaren horizontalen und vertikalen Waschbürsten bekannt, die über besondere Antriebsmittel an das Fahrzeug heran- und unter einem bestimmten Anpressdruck rotierend an diesem entlanggeführt würden. Diese hydraulischen, pneumatischen und elektromotorischen Schwenk- und Andrückvorrichtungen bezeichnet die Klagepatentschrift als technisch aufwendig und störanfällig (Sp. 1 Z. 55 - Sp. 2 Z. 33).

In der Klagepatentschrift ist weiter angegeben, durch die deutsche Offenlegungsschrift 16 30 414 sei eine Waschvorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Klagepatents bekannt, die einen diagonal zur Fahrzeugdurchfahrtrichtung verlaufenden waagerechten Querholm aufweise, auf dessen diagonaler Führungsbahn die beiden vertikalen Waschbürsten auf die andere Seite der Waschstraße verfahrbar seien, wobei die vordere Bürste der hinteren Bürste nacheilend angetrieben werde und nach dem Passieren des Fahrzeuges beide Bürsten in ihre Ausgangslage zurückgeführt würden.

Bei dieser Waschvorrichtung seien mindestens zwei vertikale Waschbürsten in mindestens einer geradlinigen, schräg zur Bewegungsrichtung des Fahrzeuges in einem feststehenden Rahmen angeordneten Führung bewegbar. Die Anordnung und die Führung der beiden vertikalen Waschbürsten erfolge auf zwei in relativ großem Abstand nebeneinander angeordneten Fahrschienen, die diagonal und waagerecht zur Fahrzeugdurchfahrtrichtung verliefen. Jede der Waschbürsten sei dabei an einem Schlitten befestigt, der auf der ihm zugeordneten Fahrschiene verfahrbar sei. Nachteilig an dieser Vorrichtung sei, daß motorische Antriebe zum Verfahren der Bürsten sowie Schaltschwellen zum Einschalten der Antriebe vorgesehen seien. Außerdem müßten die zu waschenden Fahrzeuge durch Vorzieh- oder Vorschub-Fördereinrichtungen mit absolut kontinuierlicher Geschwindigkeit durch die Waschvorrichtung gezogen werden.

Als technisches Problem der Erfindung wird in der Klagepatentschrift herausgestellt, eine Waschvorrichtung gedrungener Bauart und hoher Stabilität zu schaffen, die ohne Zuführung von Fremdenergien zur Erzeugung der erforderlichen Bewegungsabläufe auskomme und bei der folglich auf die zur Steuerung dieser Fremdenergie erforderlichen hydraulischen, pneumatischen, elektronischen oder elektromagnetischen Steuereinrichtungen verzichtet werden könne.

Die patentgemäße Lösung dieses Problems besteht nach den Ausführungen des Klagepatents darin, die aus der DE-A-16 30 414 bekannte, dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 entsprechende Waschvorrichtung entsprechend den Merkmalen 4 bis 9 der im Tatbestand wiedergegebenen Merkmalsanalyse auszubilden. Durch den Einsatz der in diesen Merkmalen beschriebenen mechanischen Elemente werde die Vorrichtung von Fremdenergien zur Erzeugung der erforderlichen Bewegungsabläufe unabhängig gemacht. Die zur Steuerung der Energien erforderlichen elektronischen oder elektromagnetischen Steuereinrichtungen entfielen, erforderliche Justierungen könnten, soweit erforderlich, vom Betreiber der Waschvorrichtung selbst durchgeführt werden; im übrigen würden geringe Grundlastveränderungen durch die Steuerung der Waschbürsten mittels der gewichtsbelasteten Seilzüge selbsttätig ausgeglichen. Beide Waschbürsten wurden über einen einzigen, an der hinteren Waschbürste angreifenden (gewichtsbelasteten) Seilzug in die Ausgangsstellung zurückgeführt (Sp. 5 Z. 50-58). Elektrischen Strom benötige die Waschvorrichtung lediglich für die Drehbewegung der Waschbürsten und für die Zuführung des Waschwassers (Sp. 5 Z. 13-20). Zur Erzeugung des Anpressdrucks und zum Rückführen der beiden Waschbürsten von der Endstellung in ihre Ausgangsstellung werde elektrische Energie nicht benötigt (Sp. 5 Z. 58-65), störanfällige elektronische Steuerungselemente im Waschbereich entfielen (Sp. 6 Z. 6-8).

II. 1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die angegriffene Waschvorrichtung von den Merkmalen 1 bis 6, 6a, 8 und 8a des Patentanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht.

Von den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents weicht die angegriffene Vorrichtung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor allem in zwei Punkten ab: Bei der Vorrichtung nach dem Klagepatent seien die beiden Gewichte, die über einen Seilzug die beiden Waschbürsten zueinander zögen, unterschiedlich schwer (vgl. Merkmal 9) mit der Folge, daß das - in Fahrtrichtung gesehen - linke, schwerere Gewicht mit der hinteren (rechten) auch die vordere (linke) Waschbürste in die Ausgangslage am linken Rand der Waschvorrichtung zurückziehe, wenn das gewaschene Fahrzeug die Waschstraße verlasse. Demgegenüber verwende die angegriffene Ausführungsform zwei gleichschwere Gewichte mit der Folge, daß die beiden Waschbürsten am rechten Rand der Waschanlage stehenblieben, wenn das gewaschene Fahrzeug aus der Waschanlage ausfahre. Für den Rücktransport der Bürsten in die Ausgangslage sei bei der angegriffenen Vorrichtung ein mit einem Elektromotor betriebener Kettenzug vorgesehen.

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht ausgeführt, bei der angegriffenen Ausführungsform werde von den in innerem Zusammenhang stehenden Merkmalen 4, 7 und 9 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents weder identisch noch durch Einsatz äquivalenter Mittel Gebrauch gemacht, weil die Waschbürsten bei der Waschanlage der Beklagten mittels eines elektromotorisch betriebenen Kettenzuges und nicht durch ein an Seilen hängendes Gewicht in ihre Ausgangslage zurückgeführt würden. Zwar habe der mit dem allgemeinen Fachwissen ausgerüstete Fachmann im Prioritätszeitpunkt die bei der angegriffenen Vorrichtung für die Rückführung der Bürsten gewählte Lösung ohne weiteres erkennen können, da er darauf u.a. in der DE-A-16 30 414 (S. 10) ausdrücklich hingewiesen werde. Die Zurückführung der Waschbürsten mit Hilfe eines Elektromotors sei jedoch kein "funktionsgleiches Lösungsmittel". Es komme insoweit nicht auf die Übereinstimmung in der technischen Funktion zwischen dem patentgemäßen und dem abgewandelten Mittel an, die sich nicht in Abrede stellen lasse. Abzustellen sei vielmehr "auf eine Funktionsgleichheit im Rahmen des vom Patent zu lösenden technischen Problems". Der Fachmann entnehme dem Klagepatent als Aufgabe, die erforderlichen Bewegungsabläufe mit dem geringstmöglichen technischen Aufwand zu erreichen und den Einsatz von Fremdenergie möglichst überflüssig zu machen. Zwar sei auch bei einer patentgemäßen Vorrichtung Fremdenergie u.a. für die Drehbewegung der Waschbürsten, das Zuführen des Waschwassers und die Elektrosteuerung notwendig. Anliegen des Patents sei es aber, den Einsatz von Fremdenergie und der dazu nötigen elektrischen und elektronischen Steuerungsmittel auf die im Patent genannten Funktionen (Erzeugung der Drehbewegung der Waschbürsten und Zuführung des Waschwassers) zu beschränken. Auf "Aufgabenstellung und Lösungsprinzip" des Klagepatents bezogen sei die Rückführung der Bürsten in die Ausgangsstellung durch einen elektromotorisch betriebenen Kettenzug deshalb nicht gleichwertig mit einer durch ein an einem Seilzug befestigtes Gewicht bewirkten Rückführung der Bürsten in die Ausgangsstellung. Die angegriffene Ausführungsform mache deshalb "von dem patentgemäßen Lösungsprinzip" keinen Gebrauch, das auch im Rahmen der Äquivalenzprüfung nicht verlassen werden dürfe.

Die angegriffene Vorrichtung könne auch nicht als verschlechterte Ausführungsform der patentgemäßen Vorrichtung angesehen werden. Von der in den Mittelpunkt des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 gestellten Lösung werde kein Gebrauch gemacht. Diese bestehe darin, durch einen auf die hintere Bürste wirkenden, mit einem schwereren Gewicht belasteten Seilzug beide Bürsten in die Ausgangslage zurückzufahren. Daß es sich beim Klagepatent um ein Kombinationspatent handele, sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos, weil die Kombination der angegriffenen Ausführungsform sich ebenfalls nicht im Rahmen des vom Patent verfolgten Lösungsprinzips halte. Dieses Lösungsprinzip bestehe in dem Verzicht auf Fremdenergie für Vor- und Rücklauf der Waschbürsten, es werde durch die Verwendung eines Elektromotors für die Rückführung der Waschbürsten in die Ausgangsstellung verlassen.

Da die Merkmale 4, 7 und 9 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht seien, komme eine Patentverletzung nur in Betracht, wenn die Klägerin einen Teilschutz beanspruchen könne; dieser scheitere jedoch daran, daß die nicht verwirklichten Merkmale zum unverzichtbaren Bestandteil des Anspruchs gehörten.

2. Gegen diese rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

Ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht in tatsächlicher Beziehung als wesentlichen Unterschied zwischen der patentgemäßen und der angegriffenen Waschvorrichtung herausgestellt, daß bei der Vorrichtung nach dem Klagepatent zwei unterschiedlich schwere Gewichte (vgl. dazu Fig. 3, Bezugszeichen 146, 46 der Klagepatentschrift) verwendet werden, während bei der angegriffenen Ausführungsform zwei gleichschwere Gewichte eingesetzt sind. Dadurch, daß bei der patentgemäßen Waschvorrichtung das Gewicht 46 gegenüber dem Gewicht 146 schwerer ist, werden beide Waschbürsten nach der Beendigung des Waschvorgangs über den Seilzug 45 in die Ausgangsstellung zurückgezogen. Da bei der angegriffenen Waschvorrichtung an beiden Seilzügen zwei gleichschwere Gewichte angehängt sind, bleiben diese Waschbürsten nach Beendigung des Waschvorgangs am rechten Rand der Anlage stehen. Für den Rücktransport in die Ausgangslage verwendet die angegriffene Ausführungsform einen mit einem Elektromotor angetriebenen Kettenzug.

Angesichts dieser von ihm festgestellten Unterschiede hat das Berufungsgericht zunächst geprüft, ob der Einsatz des abgewandelten Mittels bei der angegriffenen Ausführungsform (elektrisch angetriebener Kettenzug anstelle eines durch ein Übergewicht belasteten Seilzuges) zu demselben Leistungsergebnis führt. Für eine Erstreckung des Schutzumfangs auf eine von einem Merkmal des Patentanspruchs abweichende Ausführungsform reicht die bloße Übereinstimmung im Leistungsergebnis (- durch den elektrisch angetriebenen Kettenzug wie durch den gewichtsbelasteten Seilzug werden die Waschbürsten in ihre Ausgangsstellung zurückgeführt -) jedoch nicht aus (BGHZ 105, 1, 10 ff. [BGH 14.06.1988 - X ZR 5/87] - Ionenanalyse).

Wie der Senat bereits in der "Formstein"-Entscheidung (BGHZ 98, 12, 18) dargelegt hat, ist bei der Bemessung des Schutzumfangs auf die dem Fachmann erkennbare Tragweite der Erfindung abzustellen. Der Schutzumfang eines Patents kann nach neuem Recht nur auf solche bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzte Mittel erstreckt werden, die den Mitteln der Erfindung sinngemäß entsprechen (BGHZ 105, 1, 10 ff. [BGH 14.06.1988 - X ZR 5/87] - Ionenanalyse). Vom Sinngehalt eines Patentanspruchs wird dann kein Gebrauch mehr gemacht, wenn ein für die patentgemäße Lehre wesentliches und bestimmendes Merkmal durch ein Mittel ersetzt wird, durch dessen Einsatz der mit der Erfindung verfolgte Sinn verfehlt oder gar in sein Gegenteil verkehrt wird. Daß dies im Streitfall so ist, hat das Berufungsgericht in der Sache rechtsfehlerfrei festgestellt.

Maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs ist der Patentanspruch, dessen Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Wie aus dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPU (BGBl 1976 II S. 1000) hervorgeht, dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen und zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe, sondern auch zur Klärung von Bedeutung und Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Vom Schutzumfang erfaßt werden danach nur solche Lösungsmittel, die der Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen, die sich an der im Patentanspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkend auffinden konnte.

Zur Ermittlung des die Tragweite der Erfindung bestimmenden Sinngehalts des Patentanspruchs hat das Berufungsgericht entsprechend dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ mit Recht die Patentbeschreibung einbezogen und auch den dort mitgeteilten Stand der Technik, insbesondere die DE-A-16 30 414, gewürdigt.

Aus der DE-A-16 30 414 war bekannt, den Andruck einer Waschbürste an das zu reinigende Fahrzeug durch ein Gewicht festzulegen (vgl. Fig. 9), wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Nicht bekannt war, dieses Gewicht dazu zu benutzen, die Waschbürsten in die Ausgangslage zurückzufahren. Dazu ist bei der Vorrichtung nach der DE-A-16 30 414 vielmehr ein Kettenantrieb mit elektrischem Stellmotor vorgesehen.

Ohne Rechtsverstoß ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Fachmann die Merkmale 4, 7 und 9 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter Einbeziehung dieses in der Klagepatentschrift mitgeteilten Standes der Technik und der weiteren Angaben der Klagepatentschrift würdigt, wonach es Ziel der Erfindung ist, "unabhängig von Fremdenergien zur Erzeugung der erforderlichen Bewegungsabläufe mit geringstem technischen Aufwand" auszukommen (vgl. Sp. 4 Z. 15-22 u. 56-63). Rechtsfehlerfrei hat es herausgestellt, daß als wesentlicher Vorzug der patentgemäßen Vorrichtung in der Klagepatentschrift hervorgehoben wird, die Waschvorrichtung benötige elektrischen Strom lediglich zur Erzeugung der Drehbewegung der Bürsten und für die Zuführung des Waschwassers (Sp. 5 Z. 13-17). Elektrische Steuereinrichtungen seien nur für das Ein- und Ausschalten der Bürsten und die Wasserversorgung erforderlich (Sp. 6 Z. 20-23); für alle anderen Bewegungsabläufe, insbesondere zum Transport der Waschbürsten in die Ausgangslage nach Beendigung des Waschvorgangs (Sp. 5 Z. 50-65) einschließlich der (mechanischen) Steuerung über Seilzüge (Sp. 6 Z. 13-15) werde keine elektrische Energie benötigt.

Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht für die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Lehre als wesentlich und bestimmend ansehen, die Waschbürsten unter Verzicht auf den in der DE-A-16 30 414 (vgl. Fig. 8-9, Bezugszeichen 29, 40) beschriebenen elektrischen Kettenantrieb allein durch mechanische Mittel (gewichtsbelastete Seilzüge mit mechanischer Steuerung) in die Ausgangsstellung zurückzufahren (vgl. dazu auch BGH GRUR 1986, 238, 240 - Melkstand). Der Schutzbereich eines Patents kann nicht auf eine Ausführungsform erstreckt werden, die auf den entscheidenden Vorteil der Erfindung vollständig verzichtet und statt dessen ein Mittel aus dem Stand der Technik einsetzt, dessen Einsatz zu vermeiden Hauptzweck der Erfindung ist. Bei einer solchen Ausgangslage kommt auch eine Verletzung des Patents unter dem Blickwinkel der sogenannten verschlechterten Ausführungsform nicht in Betracht. Ob nach neuem Recht Schutz für eine Unterkombination in Frage kommt (vgl. dazu BGH GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur), kann unentschieden bleiben. Ein solcher Schutz scheidet jedenfalls dann aus, wenn die angegriffene Ausführungsform auf ein Anspruchsmerkmal verzichtet, das für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend ist.

III. Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.