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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 07.10.1997, Az.: XI ZR 233/96

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Juli 1996 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. Januar 1996 wird, soweit er die Feststellung der Freistellung von allen Kosten, insbesondere von einer Vorfälligkeitsentschädigung, bei vorzeitiger Rückzahlung des Grundpfandkredits sowie der Unwirksamkeit der Kündigung des Kontokorrentkredites begehrt, als unzulässig verworfen. Im übrigen wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.

Tatbestand

Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit der Zinsänderung eines Grundpfand- sowie der Kündigung eines Kontokorrentkredits.

Im Mai 1986 nahm der Kläger bei der beklagten Bank einen Grundpfandkredit über 700.000 DM mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 30 Jahren auf. Der vereinbarte Zinssatz von 6,2% jährlich wurde bis zum 31. Mai 1991 festgeschrieben, die Rückzahlung des Darlehens bis zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Zur Kündigung des Vertrages zum Ende der Rückzahlungssperrfrist war nur der Kläger berechtigt. In dem geschlossenen Formularvertrag heißt es unter anderem:"Die Bank ist bereit, das Darlehen auch nach Ablauf des Festschreibungszeitraums für weitere Zeitabschnitte zu gewähren (Konditionenanpassung). Sie wird frühestens ein Vierteljahr, spätestens jedoch einen Monat vor Ablauf des Festschreibungszeitraumes neue, für Darlehen dieser Art bei ihr dann übliche Konditionen durch Mitteilung festlegen."

Mit Schreiben vom 25. April 1991 stellte die Beklagte dem Kläger für die "Konditionenanpassung" die Festschreibung eines Zinssatzes von nominal 9,05% (effektiv: 9,45%) bis zum 31. Mai 1998 oder die eines Zinssatzes von nominal 9,15% (effektiv: 9,56%) bis zum 31. Mai 1996 zur Wahl. Statt eine dieser Alternativen zu wählen, unterzeichnete der Kläger am 4. Juni 1991 folgenden von einem Angestellten der Beklagten auf das Schreiben gesetzten Zusatz:"Zinssatz 9% fest bis 30.5.1996. Darlehensbetrag 400.000 DM. Der Rest wird zurückbezahlt. Monatliche Zins- und Tilgungsverrechnung."

Die vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen wurden in der Folgezeit dem debitorisch geführten Kontokorrentkonto des Klägers belastet, der ihm eingeräumte Kreditrahmen von 160.000 DM dadurch überschritten. Bei einem Debetsaldo von 251.569,82 DM stellte die Beklagte nach vorheriger Androhung den Kontokorrentkredit am 27. Juli 1995 zum 31. August 1995 fällig.

Zuvor war eine vom Kläger gewünschte vorzeitige Ablösung des Grundpfandkredits gescheitert, da die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangte.

Der Kläger hält sowohl die Kündigung des Kontokorrentkredits als auch die Zinsanpassung beim Grundpfandkredit für unwirksam. Da bei der "Konditionenanpassung" die Formvorschriften des Verbraucherkreditgesetzes nicht eingehalten worden seien, sei nur der gesetzliche Zinssatz von 4% geschuldet.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß er den Grundpfandkredit ab 1. Juni 1991 nur mit 4% jährlich zu verzinsen habe, daß er bei vorzeitiger Rückzahlung dieses Kredits von allen Kosten, insbesondere von einer Vorfälligkeitsentschädigung, freizustellen und daß die Kündigung des Kontokorrentkredits durch die Beklagte unwirksam sei. Außerdem begehrt er die Verurteilung der Beklagten, den Grundpfandkredit ausgehend von einer Darlehenssumme von 400.000 DM und 4% Jahreszinsen ab 1. Juni 1991 neu abzurechnen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.Das Berufungsgericht hat den vier Klageänträgen im wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben:

Die Anpassung der Konditionen des Grundpfandkredits ab 1. Juni 1991 leide an einem Formmangel. In dem am 4. Juni 1991 geschlossenen Anpassungsvertrag fehle die im Verbraucherkreditgesetz vorgeschriebene Angabe des anfänglichen effektiven Jahreszinses. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG ermäßige sich der vereinbarte Zinssatz von 9% daher auf 4% jährlich. Dem stehe nicht entgegen, daß der Kläger gegenüber den ursprünglichen, mit einer Effektivzinsangabe versehenen, abgelehnten Angeboten der Beklagten günstigere Konditionen ausgehandelt habe. Der Grundpfandkredit sei daher neu abzurechnen.

Eine Vorfälligkeitsentschädigung werde bei vorzeitiger Rückzahlung des Grundpfandkredits nicht geschuldet, da derartige Kosten im Darlehensvertrag nicht angegeben worden seien (§ 6 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG).

Die Kündigung des Kontokorrentkredits sei rechtsmißbräuchlich. Die Beklagte habe die Überziehung des eingeräumten Kreditrahmens über Jahre geduldet.

II.Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in keinem Punkt stand.

1.Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig (§ 519b Abs. 1 ZPO). Soweit sie sich gegen die Abweisung seiner Anträge richtet, die Freistellung von allen Kosten, insbesondere von einer Vorfälligkeitsentschädigung, bei vorzeitiger Rückzahlung des Grundpfandkredits und die Unwirksamkeit der Kündigung des Kontokorrentkredits festzustellen, fehlt es an der erforderlichen Berufungsbegründung (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Abgesehen davon wäre die Berufung in beiden Punkten unbegründet.

a)Durch das Urteil des Landgerichts sind vier verschiedene Klageanträge abgewiesen worden. Wird ein solches Urteil - wie hier - unbeschränkt angegriffen, muß sich die Berufungsbegründung auf alle selbständigen prozessualen Ansprüche beziehen, über die zu Lasten des Rechtsmittelklägers entschieden worden ist (BGHZ 22, 272, 278; BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, WM 1993, 1735, 1736; BGH, Urteil vom 9. März 1995 - IX ZR 143/94, NJW 1995, 1560; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95, NJW 1997, 47, 49). Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht.

Sie befaßt sich nur mit der angeblichen Unwirksamkeit der am 4. Juni 1991 vorgenommenen Zinsanpassung und der deshalb gebotenen Neuabrechnung des Grundpfandkredits. Die Abweisung der Anträge, die Freistellung des Klägers von allen Kosten, insbesondere von einer Vorfälligkeitsentschädigung, bei vorzeitiger Rückzahlung des Grundpfandkredits und die Unwirksamkeit der Kündigung des Kontokorrentkredits festzustellen, wird dagegen mit keinem Wort angegriffen. Die bloße Bezugnahme des Klägers auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen einschließlich der Beweisanträge reicht insoweit nicht aus (Senatsurteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, WM 1993, 1735, 1736; BGH, Urteil vom 29. September 1993 - XII ZR 209/92, NJW 1993, 3333, 3334; BGH, Urteil vom 9. März 1995 - IX ZR 143/94, NJW 1995, 1560).

Den vorbezeichneten Begründungsmangel hat das Berufungsgericht übersehen. Daß er von der Revision nicht gerügt worden ist, ist ohne Belang. Die Zulässigkeit der Berufung ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BGHZ 6, 369, 370; MünchKommZPO/Walchshöfer § 559 Rdn. 16).

b)Im übrigen waren die beiden vorgenannten Anträge auch nicht begründet.

aa)Die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Vorfälligkeitsentschädigung werde bei vorzeitiger Rückzahlung des Grundpfandkredits nicht geschuldet, weil sie im Darlehensvertrag nicht angegeben sei (§§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. d, 6 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG), ist unhaltbar. Im Darlehensvertrag anzugeben sind nur die Kosten, die der Verbraucher bei planmäßiger Abwicklung des Kreditvertrages zu tragen hat (allgemeine Meinung, vgl. Ulmer/Habersack, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 41; Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 81 Rdn. 86; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG § 4 Rdn. 93; Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl.§ 4 Rdn. 110; Münstermann/Hannes, VerbrKrG § 4 Rdn. 221; Scholz, Verbraucherkreditverträge 2. Aufl. Rdn. 208). Eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Grundpfandkreditvertrages, den der Kläger vor dem 31. Mai 1996 nicht kündigen konnte (§ 609a Abs. 1 Nr. 1 BGB), gehört dazu nicht.

bb)Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht auch die Wirksamkeit der Kündigung des Kontokorrentkredits durch die Beklagte außer Zweifel. Nach Nr. 19 Abs. 1 ihrer mit den AGB-Banken wortgleichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Beklagte einzelne Geschäftsbeziehungen, für die - wie hier - keine Laufzeit oder abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen. Bei einem laufenden Konto beträgt die Frist nach Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 AGB-Banken mindestens einen Monat. Diese hat die Beklagte bei der Kündigung des Kontokorrentkredits eingehalten. Daß sie zuvor die Überziehung des eingeräumten Kreditrahmens über längere Zeit geduldet hatte, macht die Kündigung jedenfalls angesichts der vorangegangenen Abmahnung mit Kündigungsandrohung nicht rechtsmißbräuchlich. Für eine Kündigung zur Unzeit ist nichts vorgetragen.

2.Die übrigen Klageanträge, für den Grundpfandkredit ab 1. Juni 1991 einen Zinssatz von 4% festzustellen und die Beklagte zu einer entsprechenden Neuabrechnung dieses Kredits zu verurteilen, sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene Verbraucherkreditgesetz auf die Änderung des bereits im Mai 1986 abgeschlossenen Grundpfandkreditvertrages vom 4. Juni 1991 keine Anwendung findet. Eine Ermäßigung des vereinbarten Nominalzinssatzes wegen Nichtangabe des effektiven Jahreszinses kommt daher von vornherein nicht in Betracht.

a)Nach Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der ZPO und anderer Gesetze gilt für Kreditverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden sind, das bisherige Recht. Wird ein solcher Vertrag - wie hier - nach Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes geändert, so findet dieses Anwendung, wenn dem Kreditnehmer ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird. Ein Änderungsvertrag, durch den innerhalb der vorgesehenen Gesamtlaufzeit des Kreditvertrages lediglich neue - der Marktentwicklung angepaßte - Konditionen bei fortbestehendem Kapitalnutzungsrecht des Kreditnehmers festgelegt werden, unterfällt dagegen nicht dem Verbraucherkreditgesetz (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 99/94, WM 1995, 103; OLG Hamburg WM 1994, 943, 944 [OLG Hamburg 10.03.1994 - 10 U 94/93]; Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl.§ 4 Rdn. 131; Peters in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 81 Rdn. 75; Scholz WM 1996, 1425 f.; Klingsporn WuB I E 2 § 4 VerbrKrG 1.95; Graf v. Westphalen EWiR 1995, 713 f.).

b)Nach diesen Grundsätzen ist das Verbraucherkreditgesetz hier nicht anwendbar. Bei Abschluß der Zinsänderungsvereinbarung am 4. Juni 1991 bestand das Kapitalnutzungsrecht des Klägers aus dem im Mai 1986 geschlossenen, ungekündigten Kreditvertrag noch fort. Dieser sah eine Gesamtlaufzeit von ca. 30 Jahren sowie eine Rückzahlungssperrfrist und eine Festschreibung der Konditionen bis zum 31. Mai 1991 vor. Die Beklagte hatte sich ausdrücklich bereit erklärt, "das Darlehen auch nach Ablauf des Festschreibungszeitraums für weitere Zeitabschnitte zu gewähren (Konditionenanpassung)", und lediglich das Recht vorbehalten, die Konditionen für diese Abschnitte einseitig neu festzulegen. Ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Darlehens stand ihr nicht zu.

Es liegt danach eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung vor. Bei ihr erhält der Verbraucher anders als bei der echten, bei der das Darlehen zum Ende eines Finanzierungsabschnitts ohne weiteres fällig wird, nach einem Teilabschnitt kein neues Kapitalnutzungsrecht. Geändert werden für die Zukunft lediglich die Konditionen der Kapitalnutzung. Daß die Darlehenssumme bei Ablehnung der neuen Konditionen durch den Kreditnehmer fällig ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Ein neuer Kreditvertrag i.S. des § 1 Abs. 2 VerbrKrG liegt in keinem Falle vor (Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 127; s. auch Ulmer/Habersack, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 13; Erman/Klingsporn/Rebmann, BGB 9. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 4; Scholz WM 1996, 1425 f.).

Das gilt auch dann, wenn die Kreditkonditionen nicht von der Bank einseitig neu festgesetzt werden, sondern eine einvernehmliche Neuregelung durch die Vertragsparteien erfolgt (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 99/94, WM 1995, 103; OLG Hamburg WM 1994, 943, 944 [OLG Hamburg 10.03.1994 - 10 U 94/93]; Scholz WM 1996, 1425 f.; s. auch Ulmer/Habersack, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 13, 35a; Erman/Klingsporn/Rebmann, BGB 9. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 4). Es ist deshalb entgegen der Ansicht des Klägers ohne Belang, daß die Beklagte von ihrem kreditvertraglichen Recht, die Konditionen nach Ablauf des Festschreibungszeitraums einseitig neu festzulegen, keinen Gebrauch gemacht, sondern von vornherein eine einverständliche Änderung der Konditionen angestrebt hat, indem sie dem Kläger alternativ zwei verschiedene Zinssätze mit unterschiedlich langen Festschreibungszeiträumen angeboten hat. Daß der Kläger keine dieser Konditionen akzeptiert, sondern mit der Beklagten eine Beschränkung der Darlehenssumme auf 400.000 DM, die Rückzahlung des Restbetrages zum Ende der Sperrfrist und einen günstigeren als die angebotenen Zinssätze ausgehandelt hat, ändert angesichts seines fortdauernden Kapitalnutzungsrechts nichts daran, daß insoweit kein neuer Kreditvertrag zustande gekommen ist.

c)Der Hinweis des Klägers auf die Bestimmung des § 4 Abs. 6 PAngVO, die seit dem 1. Januar 1993 bei einer vertraglichen Konditionenneufestsetzung die Angabe des effektiven Jahreszinses vorschreibt, geht schon deshalb fehl, weil diese Vorschrift bei der einvernehmlichen Konditionenanpassung im Juni 1991 noch nicht in Kraft war. Außerdem würde ein Verstoß gegen § 4 Abs. 6 PAngVO nicht zur Unwirksamkeit der Zinsänderungsvereinbarung führen und nicht die Sanktion des § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG auslösen (OLG Hamburg WM 1994, 943, 944) [OLG Hamburg 10.03.1994 - 10 U 94/93].

III.Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).