Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 30.10.1990, Az.: XI ZR 352/89
Tatbestand
Die klagende Sparkasse nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von 78.439,84 DM in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte und seine Ehefrau waren Inhaber zweier Gemeinschaftssparkonten mit Einzelverfügungsbefugnis (Oder-Konten) bei der Klägerin. In den Kontoeröffnungsanträgen heißt es unter anderem:
"Jeder Kontoinhaber ist berechtigt, allein und unbeschränkt über das Konto zu verfügen, es aufzulösen oder auf seinen Namen umschreiben zu lassen sowie Dritte in diesem Rahmen zu bevollmächtigen."
Ende Juni 1986 erklärte die Ehefrau des Beklagten gegenüber der Klägerin, daß beide Konten gesperrt sein sollten, da sie mit ihrem Ehemann in Scheidung lebe. Als der Beklagte Anfang Juli 1986 von einem der Konten unter Vorlage des Sparbuchs 31.900 DM abhob, wurde ihm die Erklärung seiner Ehefrau mitgeteilt, die Verfügung aber zugelassen, da seine Ehefrau nach dem Vortrag der Klägerin damit einverstanden war.
Ende November 1986 wurden beide Sparkonten nach Vorlage der Sparbücher auf den Beklagten umgeschrieben und von ihm nach Abhebung der Guthaben alsbald aufgelöst. Seine Ehefrau beanstandete dies und fordert von der Klägerin 78.439,84 DM zuzüglich Zinsen als ihren Hälfteanteil an den genannten Sparguthaben.
Die Klägerin begehrt nunmehr ihrerseits die Rückzahlung dieses Betrages zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1987 vom Beklagten. Sie ist der Ansicht, der Beklagte sei insoweit ungerechtfertigt bereichert.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.Das Berufungsgericht hat die Klageforderung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB für begründet erachtet und dazu ausgeführt: Die nach Umschreibung der Sparkonten an den Beklagten allein erfolgte Auszahlung der Guthaben sei mangels einer Verfügung seiner Ehefrau ohne rechtlichen Grund erfolgt. Durch die von ihr erklärte Sperrung seien die beiden Oder-Konten in Konten mit gemeinschaftlicher Verfügungsbefugnis (Und-Konten) umgewandelt worden. Zu einer solchen Umwandlung und dem damit verbundenen Entzug der Einzelverfügungsbefugnis des Beklagten sei seine Ehefrau als einzelverfügungsberechtigte Mitinhaberin der Oder-Konten berechtigt gewesen. Die Klägerin habe die Sparguthaben deshalb nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an den Beklagten allein auszahlen können. Dies sei von ihren Angestellten jedoch infolge eines Rechtsirrtums nicht erkannt worden.
II.Diese Beurteilung hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die beiden Oder-Sparkonten in Und-Konten umgewandelt worden sind. Allerdings ist diese Umwandlung nicht, wovon das Berufungsgericht offenbar ausgeht, allein durch die einseitige Erklärung der Ehefrau des Beklagten über die Sperrung der beiden Sparkonten, sondern durch eine Änderung der Verträge über diese Konten erfolgt.
a) Ein Recht, die Oder-Konten durch einseitige Weisung in Und-Konten umzuwandeln, ist der Ehefrau des Beklagten weder in den Kontoeröffnungsanträgen noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Sparkasse eingeräumt worden. Nach Nr. 2 AGB-Sparkassen erfordert die Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto eine übereinstimmende schriftliche Weisung aller Kontoinhaber. Daran fehlt es hier, da der Beklagte der Sperrung der Konten nicht zugestimmt hat.
b) Ohne ein solches vertraglich vereinbartes Weisungsrecht kann die Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto nur im Wege einer Änderung der Kontoverträge und nicht durch einseitige Erklärung eines der Kontoinhaber erfolgen (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 226; Hopt/Mülbert, Kreditrecht, Vorbem. zu §§ 607 ff. BGB Rdn. 152; MünchKomm/Karsten Schmidt, BGB, 2. Aufl., § 741 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 428 Anm. 1; Hüffer, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 2. Aufl. 1989, Rdn. 156, 157; s. auch OLG Köln WM 1989, 1888, 1889; a.A. OLG Karlsruhe NJW 1986, 63 [OLG Karlsruhe 10.07.1985 - 6 U 206/84] und wohl auch Erman/H.P.Westermann, BGB, 8. Aufl., vor § 420 Rdn. 6). Die Umwandlung führt nämlich zu einer Änderung der vertraglichen Rechtsstellung sowohl der Kontoinhaber als auch der Sparkasse.
Die Inhaber eines Oder-Kontos sind Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB und als solche jeder für sich aus eigenem Recht hinsichtlich des gesamten Guthabens selbständig forderungsberechtigt (BGHZ 95, 185, 187; BGH, Urteil vom 29. April 1986 - IX ZR 145/85, WM 1986, 841, 843; OLG Koblenz WM 1990, 1532, 1534) [OLG Koblenz 17.07.1990 - 3 U 15/88]. Die Befugnis eines jeden von ihnen, über dieses Konto ohne Mitwirkung der anderen Kontoinhaber selbständig zu verfügen (§ 429 Abs. 3 Satz 2 BGB), beruht nicht auf einer gegenseitig eingeräumten Ermächtigung (so aber OLG Karlsruhe aaO), sondern auf der eigenen Forderungsinhaberschaft.
Die Inhaber eines Und-Kontos bilden demgegenüber, soweit keine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen im Sinne der §§ 741 ff. BGB(BGH, Urteil vom 12. Januar 1987 - II ZR 99/86, WM 1987, 318). Als bloße Mitgläubiger können sie selbständig nur über ihren Anteil an der gemeinschaftlichen Einlageforderung, nicht aber über das Kontoguthaben verfügen (§ 747 BGB). Anders als bei einem Oder-Konto kann die Sparkasse dementsprechend mit befreiender Wirkung grundsätzlich nur an alle Kontoinhaber gemeinschaftlich, nicht aber an einen von ihnen leisten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 39/79, WM 1980, 438; Rieder WM 1987, 29, 33).
c) Die zur Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto danach erforderliche Änderung des Kontovertrages setzt grundsätzlich die Einigung der Sparkasse und aller Kontoinhaber voraus (Palandt/Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 428 Anm. 1; Hansen, Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und -depot, 1967, S. 38) und nicht nur die eines der Kontoinhaber und der Sparkasse (vgl. aber MünchKomm/Karsten Schmidt, BGB, 2. Aufl., § 741 Rdn. 49; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., (8) AGB-Banken Nr. 2 Anm. 3; Hüffer, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 2. Aufl. 1989, Rdn. 156). Vertragspartner der Sparkasse bei der Errichtung des Kontos sind alle Kontoinhaber. Zur Umwandlung eines Oder- in ein Und-Konto ist deshalb grundsätzlich die Zustimmung aller erforderlich, zumal die Rechtsstellung des einzelnen Kontoinhabers dadurch, wie dargelegt,. verschlechtert wird.
d) An einer solchen Zustimmung des Beklagten fehlt es hier zwar. Sie ist jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die Auslegung der im Kontoeröffnungsantrag enthaltenen Erklärung ergibt, daß der Beklagte und seine Ehefrau sich bei der Errichtung der Oder-Konten gegenseitig das Recht eingeräumt haben, die Oder-Konten im Zusammenwirken mit der Sparkasse ohne Mitwirkung des jeweils anderen Kontoinhabers in Und-Konten umzuwandeln.
aa) Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur entnimmt ein solches Recht eines jeden Mitinhabers eines Oder-Kontos bereits aus seiner Rechtsstellung als Gesamtgläubiger. Da er über das Guthaben jederzeit zu Lasten der anderen Kontomitinhaber verfügen könne, könne er auch im Einvernehmen mit der Sparkasse die Einzelverfügungsbefugnis der Mitinhaber einschränken. Dieses Recht zur Verfügungsbeschränkung stelle sich als ein Minus zum rechtlich Möglichen dar und werde von der Forderungsinhaberschaft mitumfaßt (OLG Köln WM 1989, 1888, 1889; Vortmann EWiR § 428 BGB 1/90 S. 29 f.; Christoffel WuB I B 2.-1. 90; s. auch Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 226).
Ob dem gefolgt werden kann, ist zweifelhaft (ablehnend: Palandt/Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 428 Anm. 1; s. auch Hopt/Mülbert, Kreditrecht, Vorbem. zu §§ 607 ff. BGB Rdn. 152). Die Annahme eines bloßen Minus erscheint bedenklich. Anders als eine Verfügung über die gesamte Einlagenforderung führt die Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto, wie dargelegt, zu einer Umgestaltung der Rechtsstellung der Kontoinhaber. Außerdem hat sie im Gegensatz zu einer Verfügung Auswirkungen nicht nur auf die gegenwärtige Kontoeinlage, sondern auch auf künftig gutgeschriebene Beträge.
bb) Indes bedarf die aufgeworfene Streitfrage hier keiner abschließenden Entscheidung. Der Beklagte und seine Ehefrau haben einander in den beiden Kontoeröffnungsanträgen nämlich das Recht eingeräumt, die Konten ohne Mitwirkung des jeweils anderen Kontoinhabers auf sich umschreiben zu lassen. Das Recht, ein Oder-Konto ohne Beteiligung des Kontomitinhabers in ein eigenes Einzelkonto umzuwandeln, umfaßt das Recht zur Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto. Das ergibt die vom Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - unterlassene Auslegung der Kontoeröffnungsanträge, die der Senat selbst vornehmen kann, da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen (BGHZ 65, 107, 112) [BGH 25.09.1975 - VII ZR 179/73]. Wer, wie die Ehefrau des Beklagten, das Recht hat, Oder-Konten auf sich umschreiben zu lassen, d.h. die Kontoverträge zwischen der Sparkasse und dem Beklagten ohne dessen Mitwirkung aufzuheben (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rdn. 226), ist erst recht berechtigt, die Rechtsstellung des Kontomitinhabers gegenüber der Sparkasse ohne dessen Zustimmung durch Umwandlung der Oder- in Und-Konten für die Zukunft im Wege der Vertragsänderung zu beschränken. Das Recht zur Umwandlung der Oder- in Und-Konten ist gegenüber dem zur Umwandlung in eigene Einzelkonten ein bloßes Minus und wird deshalb von letzterem mitumfaßt.
e) Das erforderliche Einverständnis der klagenden Sparkasse mit der Umwandlung der Oder- in Und-Konten ist darin zu finden, daß sie dem Beklagten die Sperrerklärung seiner Ehefrau Anfang Juli 1986 unstreitig mitgeteilt und seine damalige Verfügung über einen Teil der Sparguthaben nach eigenem Vortrag nur mit Einverständnis seiner Ehefrau zugelassen hat. Daraus ergibt sich, daß sie die von der Ehefrau des Beklagten als Kontomitinhaberin erklärte Sperrung der Konten, die nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts auf die Umwandlung der Oder- in Und-Konten gerichtet war, akzeptiert hat.
2. Diese Umwandlung in Und-Konten durch Änderung der Kontoverträge hätte die klagende Sparkasse bei der späteren Umschreibung der Sparkonten auf den Beklagten und bei seinen nachfolgenden Verfügungen beachten und diese nicht, wie geschehen, zulassen dürfen.
a) Anders als die Revision in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, war der Beklagte nicht mehr berechtigt, die Konten ohne Einverständnis seiner Ehefrau auf sich umschreiben zu lassen. Zwar sehen die Kontoeröffnungsanträge ein solches Recht jedes Kontomitinhabers vor. Durch die Umwandlung der Oder- in Und-Konten ist dieses jedoch ebenso aufgehoben worden wie die in den Kontoeröffnungsanträgen bestimmte Einzelverfügungsbefugnis. Und-Konten können nur mit Einverständnis aller Kontoinhaber umgeschrieben werden.
b) Entgegen der Ansicht der Revision konnte die Klägerin auch nicht gemäß § 808 Abs. 1 BGB mit schuldbefreiender Wirkung an den Beklagten leisten, weil er die Verfügungen unter Vorlage der Sparbücher vorgenommen hat. Als qualifiziertes Legitimationspapier eröffnet ein Sparbuch dem Inhaber zwar die Möglichkeit, die verbriefte Leistung ohne sachliche Berechtigung zu erlangen (§ 808 Abs. 1 BGB). Der Buchinhaber kann über die verbriefte Forderung aber nur so verfügen, wie sie versprochen ist. Die Sparkasse wird deshalb gemäß § 808 Abs. 1 BGB durch eine Leistung an den Buchinhaber nicht frei, wenn sie bei Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist in Abweichung von § 22 Abs. 1 KWG ohne Kündigung wie vorliegend mehr als 2.000 DM für jedes Sparkonto innerhalb von 30 Zinstagen auszahlt (BGHZ 28, 368, 372 [BGH 20.11.1958 - VII ZR 4/58]; 42, 302, 305 f. [BGH 22.10.1964 - VII ZR 206/62]; 64, 278, 287 f.; BGH, Urteil vom 14. Januar 1988 - III ZR 4/87, WM 1988, 1478, 1479).
3. Der Bereicherungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen. Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die für die Klägerin handelnden Zeugen St. und S. nicht gewußt, daß sie zu den erfolgten Auszahlungen an den Beklagten nicht verpflichtet waren. Sie waren vielmehr aufgrund eines Rechtsirrtums der Ansicht, als Besitzer der Sparbücher könne der Beklagte die Auszahlung der Guthaben an sich verlangen. Mit diesen Feststellungen ist das neue und deshalb schon nach § 561 ZPO unbeachtliche Vorbringen der Revision, der Beklagte habe aus dem Verhalten der beiden Sparkassenangestellten nach Treu und Glauben den Schluß ziehen dürfen, die Klägerin wolle die an ihn bewirkte Leistung in jedem Falle gegen sich gelten lassen, einerlei wie der Rechtsgrund beschaffen sei (vgl. BGHZ 32, 273, 278), nicht vereinbar.
III.Die Revision des Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.