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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 28.02.1989, Az.: IX ZR 130/88

Tatbestand

Die klagende Bank nimmt die Beklagten als Bürgen für Verbindlichkeiten aus einem Darlehen in Anspruch, das den Eltern der Beklagten zu 1 als Zwischenkredit zum Bau eines Hauses gewährt wurde.

Die Eheleute W. und I. G. wollten in Bremen ein Eigenheim errichten. Sie wandten sich Anfang 1982 an das Bauträgerunternehmen Immobilia. Die mit 300 000 DM veranschlagten Kosten sollten durch öffentliche Mittel finanziert werden. Nennenswertes Eigenkapital stand nicht zur Verfügung. Die Freie Hansestadt Bremen bestätigte W. G. mit "Einkommensbescheinigung gem. § 25 II. Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG)" vom 16. April 1982, daß er "die einkommensmäßige Voraussetzung (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) für die Beantragung von Mitteln im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (Vollförderung) im Lande Bremen" erfülle. Als "Familienangehörige (§ 8 II. WoBauG)" sind I. G., die am 2. Oktober 1962 geborene Beklagte zu 1) und - als deren Verlobter - der am 25. Mai 1960 geborene Beklagte zu 2) aufgeführt. Darunter ist vermerkt:

"Gehört eine der genannten Personen zum Zeitpunkt der Beantragung der öffentlichen Mittel bzw. bei Kaufeigentumsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses nicht mehr zum Haushalt, so wird diese Bescheinigung ungültig. Gleiches gilt, wenn Verlobte nicht spätestens sechs Monate nach Bezugsfertigkeit die Ehe geschlossen haben."

Mit Schreiben vom 26. April 1982 teilte die Immobilia der Klägerin mit, die Eheleute G. benötigten einen Bauzwischenkredit in Höhe von 260 000 DM. Vorgesehen sei eine spätere Ablösung durch die Sparkasse in Bremen. Die gesamten Kosten des Projekts setzten sich wie folgt zusammen: Grundstückskauf 90 000 DMNeubau ca. 170 000 DMNebenkosten ca. 40 000 DM 

Vorrangig sei die Zahlung des Kaufpreises für das Grundstück. Die Eheleute G. erhielten nach den Wohnungsbaubestimmungen des Landes Bremen nicht rückzahlbare Zuschüsse in Höhe von monatlich 850 DM. Darüber hinaus würden in nicht unerheblichem Umfang fast zinslose öffentliche Darlehen vom Land Bremen zur Verfügung gestellt. Die Gesamtfinanzierung sei damit gesichert.

In dem von den Eheleuten G. am 16. August 1982 vor einem Notar unterzeichneten Kreditantrag über 260 000 DM nebst 14,5 % variablen Zinsen und 2 % Bearbeitungsgebühr, den die Klägerin am 14. September 1982 annahm, ist das monatliche Nettoeinkommen von W. G. mit ca. 1 700 DM angegeben. Weiter sind monatliche Zuschüsse in Höhe von 850 DM und ca. 2 000 M als monatliches Einkommen der Beklagten aufgeführt. Als Zeitpunkt der Tilgung/Befristung ist der 5. August 1983 vermerkt.

Mit Schreiben vom 18. August 1982 überreichte die Immobilia der Klägerin zwei auf den 16. August 1982 datierte, von den Beklagten unterschriebene Bürgschaftsurkunden. Darin übernahmen sie zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die Eheleute G. aus deren Geschäftsverbindung mit der Klägerin jeweils die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 260 000 DM nebst Zinsen, Provisionen und Kosten. Jeder Bürge sollte abweichend von § 769 BGB unabhängig von anderen Bürgschaften für den vollen Betrag seiner Bürgschaft haften.

Das beantragte Darlehen, das auch durch eine Grundschuld über 260 000 DM an dem erworbenen Grundstück abgesichert war, wurde bis zum 30. Juni 1983 an die Eheleute G. ausgezahlt. Mit Antrag von diesem Tage suchten diese bei der Klägerin um einen weiteren Zwischenkredit von 50 000 DM nach und beantragten insgesamt einen Kredit von 310 000 DM nebst 11,5 % Zinsen und 1 % Bearbeitungsgebühr von 50 000 DM. Als Zeitpunkt der Tilgung/Befristung war der 15. Januar 1984 vorgesehen. Auch diesen Antrag nahm die Klägerin an und zahlte den zusätzlichen Betrag an die Eheleute G. aus. Im August 1983 zogen diese in das Haus ein. Ab Februar 1984 wohnte die Beklagte zu 1 für einige Monate zu einer Miete von 500 DM monatlich in einer separaten Wohnung des Hauses. Mit Bescheid vom 30. Mai 1984 wurde der unter dem 28. Juni 1983 gestellte Antrag der Eheleute G. auf Bewilligung von öffentlichen Mitteln von der Freien Hansestadt Bremen abgelehnt, weil die erforderliche Prüfung der Gesamtkosten des Objekts nicht habe abgeschlossen werden können; auch sei vergeblich die Vorlage eines prüffähigen Finanzierungsplans, abgestellt auf die abschließend geprüften Gesamtkosten und entsprechende Darlehenszusagen, gefordert worden. Die Immobilia ging im Oktober 1984 in Konkurs. Zins- und Tilgungsleistungen auf das Darlehen erfolgten nicht. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1985 kündigte die Klägerin den Kreditvertrag und stellte das Darlehen in voller Höhe zur Rückzahlung fällig.

Ebenfalls mit Schreiben vom 3. Dezember 1985 nahm die Klägerin die Beklagten als Bürgen in Anspruch. Sie hat die bis zum 30. Juni 1986 angefallenen Zinsen und Kosten auf 109 244,96 DM berechnet und von den Beklagten als Gesamtschuldnerin die Bürgschaftssumme nebst auf sie bis zum 8. Juli 1983 jeweils entfallender Zinsen und Kosten von 18 814,88 DM sowie ab 9. Juli 1983 11,5 % Zinsen aus der Bürgschaftssumme verlangt.

Die Beklagten haben geltend gemacht, die Forderung der Klägerin sei zu hoch und sie hätten sich wegen ihres geringen Einkommens nicht wirksam verbürgen können.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Im Lauf der Berufungsinstanz wurde das Grundstück zwangsversteigert. Die Klägerin hat nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen im übrigen noch 231 551,17 DM nebst Zinsen verlangt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Deren Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil die Beklagten - was die Klägerin ohne weiteres habe erkennen können - durch die Bürgschaften derart benachteiligt würden, daß diese infolge Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien. Das Finanzierungskonzept für den Hausbau sei von vornherein wirtschaftlich unsolide gewesen und habe scheitern müssen; die Inanspruchnahme der Beklagten sei zwangsläufig gewesen. Die Zwischenfinanzierung habe die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmer bei weitem überstiegen. Der Beginn des Hausbaus und die Auszahlung der Zwischenkredite vor der definitiven Bewilligung der öffentlichen Mittel sei ein außergewöhnliches Risikogeschäft gewesen. Trotz dinglicher Absicherung sei abzusehen gewesen, daß angesichts der Einkommensverhältnisse von Kreditnehmern und Bürgen die Beklagten auf Dauer mit einem Leben an der Pfändungsgrenze hätten rechnen müssen. Auch das gesamte Einkommen von Hauptschuldnern und Bürgen habe nicht ausgereicht, nur die Zinsen zu bezahlen. Die dingliche Absicherung durch eine Grundschuld sei - wie die tatsächliche Verwertung für rund 160 000 DM zeige - bei weitem nicht werthaltig genug gewesen. Im übrigen sei die für die Beklagten besonders gefährliche Bürgschaft wie eine "pro-Forma-Unterschrift" abgewickelt worden. Die Klägerin habe vorbereitete Unterlagen an die Immobilia übersandt. Deren Mitarbeiter habe die Eheleute G. aufgefordert, die Unterlagen abzuholen und die Bürgschaften durch die Beklagten unterschreiben zu lassen. Ein persönliches Gespräch der Immobilia oder der Klägerin habe in diesem Zusammenhang mit den Beklagten nicht stattgefunden. Auch eine qualifizierte Bonitätsprüfung der Beklagten sei nicht vorgenommen worden. Schließlich nimmt das Berufungsgericht zur Begründung der Entscheidung Bezug auf sein nicht rechtskräftiges Urteil vom 12. Januar 1988 - 6 U 86/87, WM 1988, 450.

II.Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Der im August/September 1982 zwischen der Klägerin und den Eheleuten G. geschlossene Darlehensvertrag ist wirksam. Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Bürgen auch dann zu überprüfen, wenn die Klägerin gegen die Eheleute G. einen rechtskräftigen Titel erlangt hat. Denn die Rechtskraft einer dem Gläubiger günstigen Entscheidung gegen den Hauptschuldner wirkt nicht gegenüber dem Bürgen (vgl. BGH Urt. vom 10. Februar 1971 - VIII ZR 144/69, WM 1971, 641; BGHZ 76, 222, 230 f.; BGH Urt. vom 12. Februar 1987 - III ZR 178/85, WM 1987, 616, 617).

a) Der Darlehensvertrag ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Dies hat das Revisionsgericht anhand des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts selbst zu beurteilen (BGH Urt. vom 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86, WM 1988, 1156, 1158). Dabei ist - was das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet hat - allein auf die Umstände bei Vertragsschluß im August/September 1982 abzustellen (vgl. BGHZ 72, 308, 314; 100, 353, 359 [BGH 15.04.1987 - VIII ZR 97/86]; BGH Urt. vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 f. [BGH 30.06.1983 - III ZR 114/82]; Urt. vom 23. November 1983 - VIII ZR 333/82, WM 1984, 88, 90; Palandt/Heinrichs, BGB 48. Aufl. § 138 Anm. 1 d; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung Bd. III § 30 I 3 b; Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl. § 138 Rdn. 40). Auf die spätere Entwicklung kommt es für die Gültigkeit dieses Vertrages nicht an. Der Aufstockungsvertrag unterliegt einer gesonderten Würdigung. Er wäre auch im Fall einer Sittenwidrigkeit für Bestand und Durchführung des ursprünglichen Vertrages jedenfalls bis zu seinem Abschluß im Juni/Juli 1983 ohne Bedeutung (vgl. BGHZ 7, 111, 114; BGH Urt. vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74, WM 1977, 399 f. - zu § 138 Abs. 2 BGB).

Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 86, 82, 88; BGH Urt. vom 19. Januar 1989 - IX ZR 124/88, WM 1989, 245, 246 = ZIP 1989, 219, 220). Der Inhalt des Kreditvertrages ist nicht zu beanstanden. Zweck und Beweggrund der Kreditgewährung war es neben dem nicht übersteigerten Gewinnstreben der Klägerin, den Eheleuten G. und den Beklagten die baldige Errichtung eines Eigenheims zu ermöglichen. Auch darin ist nichts Anstößiges zu sehen. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts, das freilich - wie die Revision zutreffend anmerkt - nicht klar zwischen einer Sittenwidrigkeit der Darlehens- und der Bürgschaftsverträge unterscheidet, soll die Sittenwidrigkeit des rechtsgeschäftlichen Handelns der Klägerin vornehmlich darin liegen, daß es für Kreditnehmer und Bürgen zusammen von vornherein völlig aussichtslos gewesen sei, den Kredit vollständig zu bedienen. Das Kreditengagement habe "platzen" müssen mit der geradezu augenfällig sicheren Konsequenz einer lebenslangen Verschuldung von Kreditnehmern und Bürgen.

Mit diesen Erwägungen läßt sich im Streitfall eine Sittenwidrigkeit des Kreditvertrages nicht begründen. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe die tatsächlichen Umstände nicht vollständig in seine Beurteilung einbezogen. Grundsätzlich sind Darlehensverträge nicht allein deshalb mit den guten Sitten unvereinbar, weil der Darlehensnehmer nicht in der Lage ist, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie läßt es zu, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die nur unter besonders günstigen Bedingungen, ggf. unter dauernder Inanspruchnahme des pfändbaren Einkommens, erbracht werden können (vgl. BGH Urt. vom 19. Januar 1989 aaO). In dem Abschluß eines Vertrages, der eine solche Verpflichtung zum Inhalt hat, kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ein Verstoß gegen die guten Sitten regelmäßig nicht gesehen werden. Nach dem unstreitigen Sachverhalt und den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen bestehen im Streitfall gegen die Wirksamkeit des Darlehensvertrages keine durchgreifenden Bedenken.

Aufgrund der ihr im Juli/August 1982 bekannten Umstände konnte die Klägerin davon ausgehen, daß die Eheleute G. in der Lage sein würden, das ihnen versprochene Darlehen von 260 000 DM zurückzuzahlen und die vereinbarten Zinsen nebst Provision und Kosten des Zwischenkredits zu bedienen. Nach dem Schreiben der Immobilia vom 26. April 1982 durfte die Klägerin annehmen, die Finanzierung sei gesichert, weil die Eheleute G. in naher Zukunft mit zinsgünstigen Mitteln für das geplante Bauvorhaben rechnen könnten. Deshalb wurde auch lediglich ein Zwischenkredit mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr beantragt und gewährt. Der Zinssatz von 14,5 % p. a., bezogen auf den jeweiligen Darlehensstand, bei einer Bearbeitungsgebühr von 2 % bedeutete für die Kreditnehmer eine erhebliche Belastung. Die Klägerin konnte indessen aufgrund der ihr bekannten Umstände der Annahme sein, den Kreditnehmern werde es gelingen, die Zinsen für die in Aussicht genommene Übergangszeit aufzubringen. Dabei brauchte sie nicht nur auf das Nettoeinkommen W. Gs. von 1 700 DM monatlich abzustellen, sondern durfte auch das Einkommen der Beklagten berücksichtigen, das mit insgesamt 2 000 DM angegeben war. Der ihr übermittelten Bescheinigung der Freien Hansestadt Bremen vom 16. April 1982, in der die Beklagten als Familienangehörige im Sinne von § 8 II. WoBauG angegeben waren, konnte die Klägerin entnehmen, daß diese ebenfalls an dem Hausbau interessiert waren und ihre finanziellen Mittel zu dessen Finanzierung mit einsetzen würden (vgl. in diesem Zusammenhang MünchKomm/H. P. Westermann 2. Aufl. § 607 Rdn. 16 a; v. Stebut EWiR § 138 BGB 4/87, 223, 224; auch BGH Urt. vom 10. Juli 1986 - III ZR 133/85, ZIP 1986, 1037, 1039; Familieneinkommen). Ferner durfte sie aufgrund des Schreibens der Immobilia vom 26. April 1982 in Rechnung stellen, daß den Kreditnehmern nicht rückzahlbare Zuschüsse in Höhe von 850 DM monatlich zur Verfügung stehen würden. Zu einer Erforschung der Vermögensverhältnisse der Eheleute G. und der Beklagten über die ihr vorliegenden Angaben hinaus war die Klägerin gegenüber den Kreditnehmern nicht verpflichtet (vgl. BGH Beschl. vom 25. Februar 1988 - III ZR 132/87, WM 1988, 1085). Es kann deshalb auf sich beruhen, ob sie dann erfahren hätten, daß die Beklagte zu 1 einen Ratenkredit in Höhe von 3 000 DM in monatlichen Raten zu 100 DM und der Beklagte zu 2 einen Kredit in Höhe von 5 000 bis 6 000 DM in Monatsraten zu 269 DM zurückzuzahlen hatten. Insgesamt ergab sich danach aus der Sicht der Klägerin ein Betrag von 3 700 bis 4 550 DM monatlich, um die Kreditzinsen abzudecken. Diese fielen nicht sogleich mit monatlich 3 141,67 DM von dem gesamten Darlehensvertrag von 260 000 DM an. Vorrangig zahlbar war der Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 90 000 DM. Für diesen Betrag waren monatliche Zinsen von 1 087,50 DM aufzubringen. Diese konnten bei gemeinsamer Anstrengung von Kreditnehmern und Bürgen getragen werden. Die weitere Zinshöhe richtete sich nach dem Baufortschritt und nach dem Zeitpunkt, zu dem die erwarteten öffentlichen Mittel zugeteilt wurden. Die Klägerin durfte davon ausgehen, daß die Kreditnehmer sich intensiv um eine alsbaldige Zuteilung dieser Mittel bemühen und Beginn und Fortgang der durch den Zwischenkredit zu finanzierenden Baumaßnahmen im Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten halten würden. Dafür, daß die Klägerin mit Nachlässigkeiten der Immobilia hätte rechnen müssen, mit der sie bereits in mehr als 70 vergleichbaren Fällen problemlos zusammengearbeitet hatte, sind Anhaltspunkte nicht festgestellt und nicht einmal vorgetragen. Die Klägerin brauchte bei Abschluß des Kreditvertrages daher nicht davon auszugehen, daß von Seiten der Darlehensnehmer der Kredit ohne eine verbindliche Zusage der erwarteten öffentlichen Mittel und ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgerufen und daß später noch ein weiterer Kredit erforderlich werden würde.

Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände, wie sie sich der Klägerin bei Abschluß des Kreditvertrages darstellten, war somit eine ordnungsgemäße Abwicklung der (Zwischen-)Finanzierung des von den Kreditnehmern geplanten Bauvorhabens nicht von vornherein und notwendigerweise zum Scheitern verurteilt, mag für die Kreditnehmer insbesondere bei einem wirtschaftlich unvorsichtigen Verhalten wegen des Fehlens von Eigenkapital und des bescheidenen Einkommens von Kreditnehmern und Beklagten auch ein nicht unerhebliches Risiko des Fehlschlags bestanden haben. Jedenfalls bei dieser Sachlage ist darin, daß die Klägerin dem Antrag der von der Immobilia beratenen Eheleute G. entsprach und den erbetenen Kredit nicht verweigerte, ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht zu sehen (vgl. auch BGH Beschl. vom 14. Juli 1988 - III ZR 229/87, BGHR BGB § 138 Abs. 1 - Darlehen 1).

b) Für eine entsprechende Anwendung des § 310 BGB, die das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 12. Januar 1988 (WM 1988, 450, 452 ff.) befürwortet hat, ist hier von vornherein kein Raum. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist ein Vertrag nichtig, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil davon zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten. Diese Voraussetzungen liegen bei einem Vertrag, der wie der Darlehensvertrag auf die Begründung einer Geldschuld gerichtet ist, auch dann nicht vor, wenn der ansonsten vermögenslose Schuldner die eingegangene Verpflichtung nur durch Inanspruchnahme des gesamten künftigen Lohns oder zumindest der pfändbaren Teile dieses Lohns ganz oder teilweise zu erfüllen vermag (vgl. MünchKomm/Soellner § 310 Rdn. 4; BGH Urt. vom 27. Januar 1983 - IX ZR 95/81, FamRZ 1983, 455 zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB). Sinn und Zweck der Norm, die verhindern will, "daß Jemand sich gewissermaßen seiner Erwerbsfähigkeit begibt und damit zugleich allen Antrieb zum Erwerbe verliert" (Motive zu dem Entwurfe eines BGB II S. 186), rechtfertigen es nicht, sie entgegen ihrem Wortlaut auch auf solche Verträge entsprechend anzuwenden, die sich - wie hier - nicht auf die Übertragung künftigen Vermögens oder von dessen Teilen richten (vgl. OLG Hamm WM 1988, 1226; 1817; auch Emmerich WuB I E 2 b. - 13.88; 2.89; Medicus AcP 188 (1988), 489, 502; Palandt/Heinrichs aaO § 310 Anm. 2 b; Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 310 Rdnr. 11). In der bisherigen Rechtsprechung ist eine ausdehnende Anwendung des § 310 BGB demzufolge auch nur für solche Verträge befürwortet worden, die eine (Verpflichtung zur) Übertragung von künftigen Vermögensständen zum Inhalt hatten, sofern diese das ganze Vermögen oder einen (erheblichen) Bruchteil davon ausmachten (vgl. RGZ 67, 166, 168; RG JW 1911, 576 f.; WarnR 1912 Nr. 155; OLG Marienwerder OLGE 23 (1911), 16; a. A. OLG München WM 1988, 1365; vgl. auch BGH Urt. vom 30. Januar 1974 - VIII ZR 4/73, WM 1974, 215 f. (insoweit in BGHZ 62, 100 ff. nicht abgedruckt) einerseits und Urt. vom 14. April 1976 - IV ZR 61/74, WM 1976, 744, 745 andererseits). Davon kann im Streitfall nicht die Rede sein.

c) Ansprüche auf eine Befreiung von der eingegangenen Darlehensschuld oder auf eine Minderung ihrer Auswirkungen aus Verschulden bei Vertragsabschluß wegen mangelnder Aufklärung und Beratung der Eheleute G. durch die Klägerin scheiden ebenfalls aus (vgl. in diesem Zusammenhang OLG Celle VuR 1987, 151; OLG Schleswig VuR 1987, 152; Reifner, VuR 1987, 155, 159 f.). Die kreditgebende Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären (vgl. BGH Urt. vom 9. April 1987 - III ZR 126/85, WM 1987, 1546; Urt. vom 21. Januar 1988 - III ZR 179/86, WM 1988, 561, 563; Halstenberg, WM 1988 Sonderbeilage 4 S. 5 f.). Ein Ausnahmefall lag hier nicht vor. Die Klägerin war schon deshalb nicht zu einer Aufklärung oder Beratung gehalten, weil die Kreditnehmer durch die Immobilia vertreten waren und keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, daß gleichwohl ein Aufklärungsbedarf bestand (vgl. auch Medicus AcP 188, 502 f.).

d) Die Erfüllung des Kreditvertrages ist den Eheleuten G. auch nicht nachträglich infolge eines Umstandes, den sie nicht zu vertreten haben, ganz oder teilweise unmöglich geworden (§ 275 Abs. 2 BGB). Zahlungsunfähigkeit befreit den Schuldner auch dann nicht, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das aus dem Grundgedanken des § 279 BGB und dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht abzuleiten ist, hat jedermann für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (vgl. RGZ 106, 177, 181; BGHZ 28, 123, 128; 63, 132, 139; 83, 293, 300; BGH Urt. vom 9. Dezember 1970 - VIII ZR 9/69, WM 1971, 243; Medicus AcP 188, 491 f., 501, 507 ff.; MünchKomm/Emmerich § 279 Rdn. 1 f.; Staudinger/Karsten Schmidt aaO Vorbem. zu § 244 C 29 f.). Daß die Verwirklichung dieses Prinzips als Kehrseite der Vertragsfreiheit gegen in der Bundesrepublik Deutschland geltendes höherrangiges Recht, insbesondere gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG oder gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Menschenwürde, dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit hat der Gesetzgeber mit den Normen des Pfändungsschutzes in verfassungsrechtlich hinreichender Weise Rechnung getragen. Zu Entschuldungsmaßnahmen, etwa einer Restschuldbefreiung, wie sie der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zu einem Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts (§§ 225 ff.) vorsieht, ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten.

2. Auch den zwischen den Parteien geschlossenen Bürgschaftsverträgen ist die Wirksamkeit nicht zu versagen. Insbesondere verstoßen sie nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB. Die Bürgschaft ist ein risikoreicher, einseitig den Bürgen verpflichtender Vertrag. Der Gläubiger kann grundsätzlich davon ausgehen, daß ein voll Geschäftsfähiger, der eine Bürgschaftsverpflichtung übernimmt, sich über die Tragweite seines Handelns im Klaren ist und sein Risiko abschätzt (BGH Urt. vom 19. Januar 1989 aaO). Besondere Umstände, die das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen vermöchten, liegen im Streitfall nicht vor. Der Inhalt der Bürgschaftsverträge ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch für die Klausel, daß die Bürgschaften sämtliche der Klägerin gegen die Eheleute G. aus der Geschäftsverbindung mit diesen zustehende Ansprüche sichern sollten (vgl. BGH Urt. vom 7. November 1985 - IX ZR 40/85, ZIP 1986, 85, 86 f.). Zweck und Beweggrund des Bürgschaftsverlangens der Klägerin war es nach den Feststellungen in erster Linie, die Beklagten durch das Eingehen der Bürgenverpflichtungen zu veranlassen, die Voraussetzungen für die Bewilligung der erwarteten öffentlichen Mittel aufrechtzuerhalten. Ferner konnten die Bürgschaften die Beklagten dazu bewegen, bis zur Zuteilung der öffentlichen Mittel alles ihnen Mögliche zu tun, um die Lasten des Zwischenkredits mit abzudecken. Beides war notwendig, um das aus der Sicht der Klägerin nicht von vornherein aussichtslose Finanzierungskonzept zu verwirklichen. Aufklärungspflichten des Gläubigers gegenüber dem Bürgen bestehen grundsätzlich nicht (vgl. BGH Urt. vom 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83, ZIP 1985, 267, 269; Urt. vom 17. Oktober 1985 - IX ZR 168/84, WM 1986, 11, 12; Urt. vom 22. Oktober 1987 - IX ZR 267/86, WM 1987, 1481, 1483; Urt. vom 19. Januar 1989 aaO). Auch ein relativ geringes Lebensalter des in Aussicht genommenen, voll geschäftsfähigen Bürgen vermag allein eine solche Pflicht nicht zu begründen. Die Klägerin war deshalb entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Meinung nicht gehalten, mit den Beklagten ein persönliches Gespräch zu führen oder auf andere Weise dafür Sorge zu tragen, daß diese sich über ihr Risiko vergewisserten, bevor sie die Bürgschaftsurkunden unterschrieben. Auch als Bürgschaftsgläubigerin war die Klägerin nicht zu einer Bonitätsprüfung verpflichtet (BGH Urt. vom 19. Januar 1989 aaO). Für die Annahme, daß die Klägerin eine Unerfahrenheit der Beklagten in verwerflicher Weise ausgenutzt, sie in irgendeiner Weise unter Druck gesetzt oder auch nur das Risiko verkleinert hätte, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Eine Anwendung von § 310 BGB kommt auch im Hinblick auf die Bürgschaftsverträge nicht in Betracht. Auf Verschulden bei Vertragsschluß oder eine nicht zu vertretende Unmöglichkeit können die Beklagten sich auch insoweit nicht mit Erfolg berufen.

Schließlich greifen zugunsten der Beklagten auch nicht die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein. Die Revisionserwiderung vertritt die Auffassung, die Geschäftsgrundlage für die Bürgschaftsverhältnisse sei entfallen, weil das als Zwischenkredit gedachte Darlehen entgegen der von den Vertragsparteien gehegten Erwartung nicht durch öffentliche Mittel abgelöst worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Mit der Bürgschaftsverpflichtung übernimmt der Bürge schlechthin und uneingeschränkt das Risiko, daß der Schuldner bei Fälligkeit der Schuld leistungsfähig ist (BGHZ 88, 185, 191 [BGH 14.07.1983 - IX ZR 40/82]; ständige Rechtsprechung). Daß die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners aufgrund anderer Umstände eingetreten sei als derjenigen, die er und der Gläubiger sich bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages vorgestellt hätten, kann der Bürge nur dann mit Erfolg einwenden, wenn das Bürgschaftsrisiko durch vertragliche Abrede auf bestimmte Ursachen der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners beschränkt wurde (BGH Urt. vom 15. Oktober 1987 - IX ZR 218/86, WM 1987, 1420). Dies trifft hier nicht zu. Deshalb haben nach den Bürgschaftsverträgen die Beklagten auch das Risiko der Nichtauszahlung der öffentlichen Mittel und einer darauf beruhenden Zahlungsunfähigkeit der Darlehensnehmer zu tragen, so daß für eine Heranziehung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Raum ist (vgl. BGHZ 74, 370, 373).