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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 13.01.1993, Az.: 3 STR 516/92

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und zugleich zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ihre mit der Sachrüge gerechtfertigte Revision ist begründet.

Die Urteilsfeststellungen tragen nicht die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe sich dadurch der - psychischen - Beihilfe schuldig gemacht, daß sie ihren Verlobten, den Mitangeklagten O., und dessen Fahrer, den Mitangeklagten S., auf einer Fahrt mit dem Pkw zur Beschaffung von Betäubungsmitteln in den Niederlanden in vorheriger Kenntnis des Fahrtzwecks begleitete. Schon die Beweiserwägungen, mit denen die Jugendkammer ihre Überzeugung begründet hat, daß die Angeklagte bereits, als ihr Verlobter sie zur Weiterfahrt in die Niederlande bei einer Freundin im Ruhrgebiet abholte, von diesem erfahren hatte, daß der Einkauf von Rauschgift geplant war, unterliegt in Teilen durchgreifenden Bedenken. Im Urteil ist insoweit unter anderem ausgeführt, die Angeklagte habe die Fahrt in die Niederlande deshalb "schon objektiv mit Rauschgift in Verbindung" bringen müssen, weil sie davon gewußt habe, daß sich ihr Verlobter bis kurz zuvor unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft befunden habe. Diesem Umstand kommt indes eine belastende Indizwirkung nicht ohne weiteres zu. Daß ein Täter, der wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen betäubungsmittelrechtliche Strafvorschriften in Untersuchungshaft eingesessen hat, alsbald nach seiner - für ihn glücklichen - Haftentlassung die Unverfrorenheit besitzt, eine (erneute) "Beschaffungsfahrt" zu unternehmen, muß sich ohne andere darauf hinweisende Gesichtspunkte nicht aufdrängen. Wenig beweiskräftig ist auch die weitere Überlegung, daß bei dem der Angeklagten gegenüber angeblich behaupteten Zweck der Reise, sie mit einer Verwandten des Mitangeklagten O. bekanntzumachen, die Fahrt mit der Bundesbahn statt mit dem Pkw möglich gewesen sei. Zwar lassen zusätzliche Erwägungen, die das Landgericht in diesem Zusammenhang noch angestellt hat, den Schluß auf eine vorherige Unterrichtung der Angeklagten über den Zweck der Reise als möglich zu. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß sich das Tatgericht die Überzeugung von der von Anfang an bei der Angeklagten vorhandenen Kenntnis ohne die beanstandeten Überlegungen nicht verschafft hätte.

Für die Beurteilung, ob die Angeklagte die Tat der Mitangeklagten beim hier festgestellten Fehlen einer zusätzlichen Unterstützungshandlung allein durch ihre Begleitung im Sinne einer psychischen Beihilfe gefördert hat, ist aber von Bedeutung, ob sie schon vor der Mitfahrt von ihrem Verlobten über die Absichten ihrer Begleiter ins Bild gesetzt worden war, oder ob sie, wie sie geltend macht, davon erst im Verlauf der Reise mehr oder minder zufällig erfahren und die Täter dann auf der Rückfahrt in die Bundesrepublik (notgedrungen?) begleitet hat. Denn die bloße einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und gegebenenfalls deren .... Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reicht nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar die rechtliche Möglichkeit, daß der Tatgehilfe die Tatbegehung durch ein bloßes "Dabeisein" im Sinne aktiven Tuns bewußt fördert und erleichtert, für den Fall bejaht worden, daß durch sein Zugegensein der Haupttäter in seinem schon gefaßten Tatentschluß gestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt wird (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 - Unterlassen 3; BGH StV 1982, 517 mit Anmerkung Rudolphi; BGH StV 1982, 516; vgl. ferner BGH, Beschluß vom 23. April 1976 - 2 StR 144/76 - und Urteil vom 26. Juni 1980 - 4 StR 129/80). Um der Gefahr zu begegnen, daß dabei der Bereich der Beihilfe durch sogenanntes unechtes Unterlassen eines Garanten der Sache nach auf Fälle der bloßen Kenntnisnahme von der Tat und deren Billigung unter Umgehung der Anforderungen einer Garantenpflicht ausgedehnt wird, bedarf es jedoch bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, daß das bloße Dabeisein die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert hat und daß der Gehilfe sich dessen bewußt war. Daran fehlt es. Das Landgericht hat zwar festgestellt, daß die Angeklagte die geplante Rauschgiftbeschaffung fördern und den Mitangeklagten durch ihre Anwesenheit ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermitteln "wollte" und daß sie dazu auch auf der Rückreise in die Bundesrepublik "bereit war" (UA S. 9). An späterer Stelle im Urteil heißt es dazu noch, daß es der Angeklagten nur darum gegangen sein könne, "ihrem Verlobten ein gesteigertes Gefühl der Sicherheit zu geben, um so den gewünschten Erfolg - nämlich die Einfuhr von Betäubungsmitteln - herbeizuführen" (UA S. 16). Damit sind jedoch nur die Vorstellungen der Angeklagten, mithin die subjektive Seite der Beihilfe angesprochen. Feststellungen darüber, daß die Bereitschaft der Angeklagten mitzufahren und ihr Zugegensein tatsächlich die gewollte Wirkung auf die Haupttäter etwa deshalb hatten, weil diese meinten, der Beschaffungsfahrt durch die Anwesenheit einer jungen Frau eher den Anschein einer Vergnügungs- oder Ferienreise gegenüber den kontrollierenden Beamten bei der Einreise in die Bundesrepublik geben zu können, hat das Landgericht dagegen nicht getroffen. Angesichts der dargelegten Fragwürdigkeit der Annahme, daß die Angeklagte von ihrem Verlobten von Anfang an in dessen Vorhaben eingeweiht worden war, versteht sich die die Tatbegehung fördernde Wirkung ihres Verhaltens nicht von selbst; sie ergibt sich auch nicht aus dem Urteilszusammenhang. Auf ihre Feststellung kann unter den gegebenen Umständen nicht verzichtet werden. Der gegen die Angeklagte erhobene Vorwurf bedarf daher neuer tatrichterlicher Prüfung.