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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 10.03.1993, Az.: XII ZR 253/91

Tatbestand

Die Klägerin verlangt als Kaskoversicherer eines Pkw "BMW 735 i", den ihr Versicherungsnehmer E. von der Beklagten geleast hatte, die Rückzahlung von an letztere bezahlten Versicherungsleistungen.

Nach 9. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des zwischen E. und der Beklagten abgeschlossenen Leasingvertrages (im folgenden AGB) haftet der Leasingnehmer unabhängig vom Verschulden für Verlust oder Beschädigung jeder Art des Fahrzeugs und seiner Ausstattung. 9. 5 der AGB enthält die Verpflichtung des Leasingnehmers, eine Fahrzeugvollversicherung abzuschließen, 9. 7 eine Abtretung sämtlicher Rechte aus dieser Versicherung an den Leasinggeber.

Nachdem E. die in 9. 5 vorgesehene Versicherung für das ihm am 15. Juli 1983 übergebene Fahrzeug bei der Klägerin abgeschlossen hatte, erteilte diese der Beklagten unter dem 11. Oktober 1983 einen Sicherungsschein, in dem es u.a. heißt:

"1. Eine Entschädigung aus der Fahrzeugversicherung für das oben bezeichnete Fahrzeug wird, wenn sie 500 DM übersteigt, ohne Ihre schriftliche Zustimmung nicht an den Versicherungsnehmer, sondern an Sie gezahlt ...

4. Leistungen gemäß Ziff. 1 ... erfolgen höchstens bis zu dem von Ihnen angegebenen Betrag, den der Versicherungsnehmer noch schuldet ... "

Am 10. Oktober 1984 meldete E. der Klägerin den Diebstahl des Fahrzeugs. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1984 forderte die Beklagte von ihr die Auszahlung der Kaskoentschädigung; dem kam die Klägerin in der Folge in Höhe von 38000 DM nach.

Der Diebstahl war, wie sich später herausstellte, fingiert. Das Fahrzeug wurde sichergestellt und von der Klägerin verwertet. Unter Berücksichtigung des Verkaufserlöses und der Kosten errechnete sie einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB in Höhe von 28922, 27 DM. Im vorliegenden Rechtsstreit fordert sie von der Beklagten insoweit die Zahlung eines Teilbetrages von 20000 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Bereicherungsanspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB sich nicht gegen die Beklagte, sondern gegen E. richtet. Es hat ausgeführt, es stehe außer Streit, daß die Klägerin die Versicherungsleistung rechtsgrundlos ausbezahlt habe, weil der Versicherungsfall fingiert gewesen sei. Als Rechtsgrund, der die Zahlung hätte rechtfertigen können, sei aber nicht ein Rechtsverhältnis zwischen den Prozeßparteien in Betracht gekommen, sondern der zwischen der Klägerin und E. abgeschlossene Versicherungsvertrag sowie der Leasingvertrag zwischen diesem und der Beklagten. Die Zahlung der Versicherungsleistung sei deswegen so anzusehen, als ob die Klägerin aufgrund des Versicherungsvertrages an E. und dieser aufgrund des Leasingvertrages an die Beklagte geleistet hätte. Aus der Sicht beider Parteien habe die Klägerin mit der Auszahlung der Versicherungsleistung ihre Verbindlichkeit aus dem Versicherungsvertrag mit E. erfüllen wollen. Fehlerhaft sei nur das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und E. gewesen, während im Valutaverhältnis in jedem Falle ein Anspruch der Beklagten gegen E. aus 9. 1 der AGB des Leasingvertrages bestanden habe. Daher müsse sich die Klägerin an E. halten.

2. Die Revision vertritt demgegenüber die Auffassung, im Rahmen einer Fremdversicherung nach den §§ 74 ff VVG, wie sie hier aufgrund der Erteilung des Sicherungsscheins vorliege, könne sich der Bereicherungsausgleich nicht nach den vom Oberlandesgericht angewendeten Grundsätzen richten, die für den Fall der bloßen Abtretung der Ansprüche des Versicherungsnehmers an einen Dritten und der Zahlung der Versicherungsleistung an diesen gälten. Vielmehr müsse der Versicherer die Rückzahlung der ungerechtfertigt erbrachten Versicherungsleistung direkt vom Zahlungsempfänger und Fremdversicherten fordern können. Der Leistungswille des Versicherers richte sich in solchen Fällen zwar auch darauf, seinen Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Versicherungsnehmer nachzukommen. Ziel der Leistung sei jedoch letztlich die Erfüllung des eigenen Anspruchs des Fremdversicherten, dem die Rechte aus dem Vertragsverhältnis unmittelbar zustünden und dessen Sachersatzinteresse als Eigentumer versichert sei. Vorliegend sei ein Sicherungsschein ausgestellt worden, demzufolge die Beklagte allein befugt gewesen sei, über die Rechte aus dem Versicherungsverhältnis zu verfügen. Die Auszahlung der Versicherungsleistung an diese sei daher bereicherungsrechtlich als Leistung der Klägerin an die Beklagte anzusehen. Der Versicherungsnehmer E. sei durch die Auszahlung auch nicht bereichert worden, weil er durch sie von keiner Verbindlichkeit befreit worden sei.

3. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

a) Zwar wurde durch die Aushändigung des Sicherungsscheines die zwischen E. und der Klägerin abgeschlossene Kaskoversicherung zu einer Versicherung für fremde Rechnung (vgl. BGHZ 40, 297, 300 ff [BGH 25.11.1963 - II ZR 54/61];  93, 391, 395) [BGH 12.02.1985 - X ZR 31/84]. Die Beklagte erlangte dadurch die Rechtsstellung eines Versicherten im Sinne von § 75 VVG und konnte daher über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag in dem im Sicherungsschein beschriebenen Umfang selbst verfügen. Durch die Aushändigung des Sicherungsscheins wurde weiter eine gemäß § 3 Nr. 4 AKB erforderliche Genehmigung der nach Nr. 9.7 der AGB des Leasingvertrages erfolgten Forderungsabtretung erteilt (vgl. Prölss/Martin VVG 25. Aufl. § 3 AKB Anm. 5; § 15 AKB Anm. 2). Bei einer Versicherung auf fremde Rechnung wird jedoch der Versicherte nicht zu einem zweiten Versicherungsnehmer, weil die Obliegenheiten und Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis, insbesondere die Prämienzahlungspflicht, allein beim ursprünglichen Vertragspartner bleiben (BGHZ 40 aaO., 302). Die in einem Versicherungsfall eintretende Zahlungsverpflichtung des Versicherers gegenüber dem Fremdversicherten ist auch keine selbständige, sondern beruht nach wie vor auf dem Deckungsverhältnis zum Versicherungsnehmer und auf den in diesem Rahmen geleisteten Prämien. Rechtlich kann daher nicht von zwei eigenständigen, nebeneinander bestehenden Versicherungsverhältnissen ausgegangen werden (a.A. offenbar OLG Karlsruhe VersR 1992, 1463 [OLG Karlsruhe 07.11.1991 - 12 U 97/91]), sondern es besteht eine Verknüpfung von Versicherungsnehmer und Versicherten, die es ausschließt, bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung isoliert auf die Rechtsbeziehung zwischen Versichertem und Versicherer abzuheben. Was den Anspruch des Versicherten auf die Versicherungsleistung angeht, unterscheidet sich seine Rechtsstellung nicht wesentlich von der eines Abtretungsempfängers; auch wirtschaftlich besteht insoweit kein Unterschied.

b) Für die Rückforderung von ungerechtfertigt gezahlten Versicherungsleistungen in Zessionsfällen hat der Senat entschieden, daß der Bereicherungsanspruch sich regelmäßig auch dann gegen den Versicherungsnehmer richtet, wenn der Versicherer die Versicherungsleistung in Unkenntnis eines leistungsbefreienden Tatbestandes an einen Abtretungsempfänger gezahlt hat (BGHZ 105, 365). Die Entscheidung hat überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. Palandt/Thomas BGB 52. Aufl. § 812 Rdn. 67; Lorenz AcP 191, 279 ff; Lieb Jura 1990, 359 ff; Kohler WM 1989, 1629 ff; Hock MDR 1989, 1066 [OLG Hamm 25.04.1989 - 1 Ws 123/89]; Littbarski EWiR § 812 BGB 1/89, 143; Schlechtriem JZ 1993, 24, 29 f; Ott WuB § 812 BGB 3. 89 S. 487, 489; Henke, Die Leistung - 1991 - S. 95 ff; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1304 [OLG Hamm 20.05.1992 - 20 U 25/90]; a.A.: Dörner NJW 1990, 473 ff; Bayer JuS 1990, 883 ff; Koch VersR 1989, 891 ff; Medicus, Bürgerliches Recht 15. Aufl. Rdn. 685; wohl auch Schubert JR 1989, 371). An ihr wird festgehalten. Die Revision macht sich auch nicht die dagegen geäußerte Kritik zu eigen, sondern vertritt die Ansicht, daß die vorliegende Fallgestaltung nicht nach den Grundsätzen beurteilt werden könne, die der Senat für die reinen Zessionsfälle aufgestellt hat.

c) Soweit sie geltend macht, bei einer Fremdversicherung sei für Auszahlungen als Leistungszweck im bereicherungsrechtlichen Sinne die Erfüllung des eigenen materiellrechtlichen Anspruchs des Versicherten anzusehen, ist dies eine zu formale Betrachtungsweise. Für den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff kommt es entscheidend auf die tatsächlichen Zweckvorstellungen des Zahlungsempfängers und des Zuwendenden im Zeitpunkt der Leistung an; nur wenn diese nicht übereinstimmen, ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zahlungsempfängers geboten (BGHZ 105 aaO. 369 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin als Zuwendende und die Beklagte als Zahlungsempfängerin seien übereinstimmend davon ausgegangen, daß mit der Zahlung die Verbindlichkeit der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag mit E. habe erfüllt werden sollen. Der Senat teilt diese Auffassung; denn beide am Zahlungsvorgang Beteiligten nahmen ersichtlich an, daß die Schadensmeldung des E. über den Diebstahl des Fahrzeugs zutraf und die Auszahlung der Versicherungsleistung daher den Zweck hatte, diesen von Ansprüchen der Beklagten aus 9. 1 der AGB des Leasingvertrages zu befreien. Es lag somit eine Leistung der Klägerin an E. und nicht an die Beklagte vor.

d) Daß E. und nicht die Beklagte Bereicherungsschuldner ist, wird bestätigt durch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung, die mitberücksichtigt werden müssen, da die Ableitung aus dem Leistungsbegriff allein nicht immer überzeugend erscheint (vgl. z.B. Henke aaO. S. 104). Die Klägerin hat die Versicherungsleistung im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des E. über den Diebstahl des versicherten Fahrzeugs ausbezahlt. Dies rechtfertigt es, ihr auch das Risiko der Insolvenz ihres Versicherungsnehmers aufzubürden, wenn sich später herausstellte, daß das Vertrauen nicht gerechtfertigt war. Die Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag und die Ausstellung eines Sicherungsscheins verschlechterte ihre Rechtsstellung nicht, weil die Beklagte dadurch keine weitergehenden Rechte erhielt als diejenigen, die schon dem Versicherungsnehmer E. zustanden. Da der Zessionar und Fremdversicherte meist der Leistungsfähigere ist, würde sie hingegen einen ungerechtfertigten Vorteil erlangen, wenn sie im Falle der Vortäuschung eines Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer nicht gegen diesen vorgehen müßte, sondern den Zessionar und Fremdversicherten in Anspruch nehmen könnte (so zutreffend Kohler aaO. S. 1637). Die Notwendigkeit der Kondiktion "über das Dreieck" beläßt die versicherungstypischen Risiken dort, wo sie von Anfang an lagen (vgl. dazu Lorenz aaO. S. 299), und verweist den Bereicherungsausgleich in die Rechtsbeziehung, in der ein Fehler aufgetreten ist, hier also in diejenige zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer E..

e) Auch mit ihrem Einwand, E. sei durch die Auszahlung der Versicherungsleistung an die Beklagte nicht bereichert worden (ebenso offenbar Prölss/Martin aaO. § 75 Anm. 5), vermag die Revision nicht durchzudringen. Die Bereicherung des E. liegt darin, daß er in entsprechender Höhe von seiner Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Beklagten aus Nr. 9. 1 der AGB des Leasingvertrages befreit worden ist (vgl. dazu auch Lieb aaO. S. 360; Lorenz aaO. S. 299 ff). Die in 9.7 der AGB enthaltene Vorausabtretung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen geschah, wie regelmäßig, erfüllungshalber zur Abdeckung etwaiger Ansprüche der Beklagten wegen Beschädigung oder Verlust des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil 11. Dezember 1991 - VIII ZR 31/91 - NJW 1992, 683, 684). Damit war auch bereits eine entsprechende Tilgungsbestimmung getroffen. Aufgrund des späteren Verlusts des Fahrzeugs erwuchs der Beklagten eine Schadensersatzforderung gegen E., wobei gleichgültig war, ob dieser Verlust ohne oder mit dessen Verschulden eintrat. Diese Forderung erlosch insoweit, als sie durch von der Klägerin ausbezahlte Versicherungsleistungen aufgrund der Vorausabtretung erfüllt wurde.

f) Die Verweisung der Klägerin auf eine Kondiktion gegen E. ist auch interessengerecht. Im wirtschaftlich nahestehenden Fall der Anweisung ist bei Fehlern im Deckungsverhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem der Bereicherungsausgleich ebenfalls in diesem Verhältnis vorzunehmen (BGHZ 105 aaO. 373). Soweit vorliegend ein Sicherungsschein ausgehändigt worden ist, ist dies vergleichbar mit dem Fall der angenommenen Anweisung (§ 784 BGB). Auch durch eine solche Verstärkung der Rechtsstellung des Begünstigten ändert sich an der bereicherungsrechtlichen Zurechenbarkeit der Leistung und der Art und Weise des Bereicherungsausgleichs nichts (vgl. MünchKomm/Lieb 2. Aufl. § 812 Rdn. 44). Soweit im Schrifttum teilweise die Fremdversicherung als ein Vertrag zugunsten Dritter eigener Art aufgefaßt wird (vgl. Bruck/Möller/Sieg VVG 8. Aufl. § 75 Anm. 51), ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Da die Rechtsfigur des Vertrages zugunsten Dritter bei unterschiedlichsten Lebenssachverhalten auftritt, ist ein sachgerechter Bereicherungsausgleich nur im Wege differenzierender Wertung zu finden (vgl. BGHZ 58, 184, 187 ff;  72, 246, 250 f), wie sich überhaupt bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet und in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles zu beachten sind (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGHZ 105 aaO. 369 mit zahlreich. N.). In der Entscheidung BGHZ 58 aaO. ist eine Direktkondiktion des Versprechenden gegen den Dritten nur unter der Voraussetzung in Betracht gezogen worden, daß das Forderungsrecht des Dritten ausschließlich im Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechungsempfänger wurzelt und von einem Valutaverhältnis zwischen Versprechungsempfänger und ihm selbst ganz unabhängig ist (S. 189 f). So verhält es sich hier nicht. Nicht das Rechtsverhältnis zwischen den Prozeßparteien bildete den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Leistungsbeziehung, sondern das Versicherungsverhältnis der Klägerin zu E.