Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 27.11.1996, Az.: XII ZR 43/95
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. November 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 16. März 1994 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Tatbestand
Die Parteien schlossen im Jahre 1973 die Ehe, aus der die am 3. Januar 1976 geborene Tochter J. hervorging. Während ihres Zusammenlebens errichteten sie auf einem Grundstück der Klägerin ein Familienheim, zu dessen Finanzierung sie mehrere Darlehen bei einer Bausparkasse aufnahmen, für deren Rückzahlung sie gesamtschuldnerisch haften (derzeit noch etwa in Höhe von 130.000 DM). Im September 1990 kam es zu einer Ehekrise; der Beklagte zog aus dem Hause aus, während die Klägerin mit der gemeinsamen Tochter darin verblieb. Die laufenden Verbindlichkeiten aus den Finanzierungsdarlehen sowie die Verbrauchskosten des Hauses beglich der Beklagte weiterhin allein. Nach einem Aktenvermerk seines Anwalts, den er am 21. September 1990 aufsuchte, sollte die Klägerin darauf hingewiesen werden, daß er mit den diesbezüglichen Zahlungen "überobligatorische Unterhaltsleistungen" erbringe.
Mitte 1992 wurde die Trennung der Parteien endgültig. Der Beklagte ließ der Klägerin durch Anwaltsschreiben vom 27. Mai 1992 mitteilen, daß er ab Juni die Verbrauchskosten des Hauses nicht mehr tragen werde und er auch nicht mehr in der Lage sei, den bisher "zur Verfügung gestellten Unterhalt" zu gewähren. Er lehne es ab, in Zukunft allein für die Verbindlichkeiten des Hauses Sorge zu tragen. Zwar wolle er sich seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nicht entziehen, aber zu deren Berechnung benötige er Auskünfte über die Einkommensverhältnisse der Klägerin. In der Folge bis einschließlich März 1993 leistete der Beklagte noch Zahlungen auf die Darlehensverbindlichkeiten, stellte diese dann aber ganz ein. Die verlangten Auskünfte über ihre Einkommensverhältnisse erteilte die Klägerin nicht. Seit dem 17. August 1993 ist zwischen den Parteien das Scheidungsverfahren rechtshängig.
Im Oktober 1993 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag festzustellen, das der Beklagte verpflichtet sei, sie von sämtlichen (näher bezeichneten) Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Bausparkasse freizustellen, ferner den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.008,00 DM nebst Zinsen zu bezahlen. Zur Begründung trug sie - u.a. unter Hinweis auf den Aktenvermerk des Anwalts des Beklagten vom 21. September 1990 - vor, zwischen den Parteien sei anläßlich der Trennung im September 1990 vereinbart worden, daß der Beklagte die zum Bau des Hauses eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten allein bediene, während sie auf Unterhalt für sich und die Tochter verzichte. Der Zahlungsanspruch beruhe darauf, daß sie für an sich vom Beklagten zu erbringende Leistungen eingetreten sei. Der Beklagte stellt in Abrede, daß sich die Parteien in der von der Klägerin vorgetragenen Weise geeinigt hätten. Der von ihm gewünschten Klärung der Unterhaltsfrage sei die Klägerin aus dem Wege gegangen.
Das Landgericht wies die Klage ab. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgte die Klägerin ihr Freistellungsbegehren im Wege der Leistungsklage weiter und erhöhte ihren Zahlungsanspruch auf 37.626,86 DM nebst Zinsen.
Das Oberlandesgericht gab - unter Abweisung der Klage im übrigen - dem Freistellungsanspruch der Klägerin zur Hälfte statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 18.813,43 DM nebst Zinsen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die vollständige Klageabweisung erstrebt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.Der Streit der Parteien betrifft die Frage, wer in ihrem Innenverhältnis für die zum Bau des Familienheims gesamtschuldnerisch eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten aufzukommen hat. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB haften Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (vgl. BGHZ 87, 265, 268; st.Rspr. des Senats, vgl. etwa Urteil vom 30. November 1994 - XII ZR 59/93 - NJW 1995, 652, 653 m.w.N.).
2.Die Klägerin behauptet, die Parteien hätten anläßlich ihrer Trennung im September 1990 über die Bedienung der Darlehensverbindlichkeiten eine bestimmte Vereinbarung in dem Sinne getroffen, daß der Beklagte diese auf Dauer übernehme, während sie, die Klägerin, auf Aufstockungsunterhalt für sich selbst sowie auf Unterhaltsansprüche für die damals minderjährige Tochter verzichte.
Abgesehen davon, daß ein Unterhaltsverzicht für die Zukunft gemäß §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB in beider Hinsicht unwirksam gewesen wäre, ist die insoweit beweisbelastete Klägerin (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1987 - IVb ZR 94/86 - FamRZ 1987, 1239, 1241) mit diesem Vortrag beweisfällig geblieben, wie das Oberlandesgericht im einzelnen rechtsfehlerfrei dargelegt hat. Gegen eine solche Vereinbarung spricht auch, daß die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 25. Juni 1993 den Beklagten u.a. aufgefordert hat, ab Juni 1993 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von mindestens 3.000,00 DM zu zahlen.
3.Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nur aus einer Vereinbarung, sondern auch aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens folgen kann. Es hat dazu im wesentlichen erwogen: Zwar nutze die Klägerin als Alleineigentümerin das Haus allein und ihr flössen auch die aus der Vermietung einer Einliegerwohnung resultierenden Mieteinnahmen von monatlich ca. 850,00 DM zu. Es handle sich aber um das von den Parteien gemeinsam geschaffene Familienheim. Auch der Beklagte habe es als wünschenswert angesehen, daß es der Klägerin erhalten bleibe. Nach seinen Bekundungen im Rechtsstreit gehe er davon aus, daß ihm insoweit Ausgleichsansprüche zustünden. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, das Haus ausschließlich dem Vermögen der Klägerin zuzuordnen. Die alleinige Nutzung des Hauses durch die Klägerin könne erst dann für den Gesamtschuldnerausgleich entscheidende Bedeutung gewinnen, wenn die gegenseitigen Ansprüche vermögensrechtlicher und unterhaltsrechtlicher Art zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen oder gerichtlicher Entscheidungen gemacht worden seien, was noch nicht der Fall sei. Unerheblich sei auch, daß das Scheidungsverfahren mittlerweile rechtshängig geworden sei. Damit sei zwar gemäß § 1384 BGB der für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgebliche Stichtag festgelegt, aber weitere Bedeutung komme diesem Umstand im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nicht zu. Es habe bei dieser Sachlage bei der hälftigen Haftung der Parteien für die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten nach der Regel des Gesetzes zu verbleiben.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a)Das Scheitern der Ehe der Parteien, das durch deren endgültige Trennung Mitte des Jahres 1992 und die Einreichung des Scheidungsantrags im August 1993 indiziert wird, führte zu einer Änderung auch solcher Rechtsverhältnisse, die vorher durch die Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft bestimmt waren. Im allgemeinen wird derjenige Ehegatte, in dessen Alleineigentum das Familienheim steht und der es nach dem Scheitern der Ehe allein nutzt, auch für die Bedienung der gesamtschuldnerisch eingegangenen Finanzierungsverbindlichkeiten allein aufkommen müssen (vgl. OLG Köln FamRZ 1992, 318 [OLG Köln 11.10.1991 - 3 U 60/91]; MünchKomm/Selb 3. Aufl. § 426 Rdn. 6; s.a. Senatsurteil vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 678). Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin zudem über Erwerbseinkünfte verfügt und Einnahmen aus der Vermietung einer Einliegerwohnung erzielt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Stichtag des § 1384 BGB auch im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs von Bedeutung. Denn an Werterhöhungen des Familienheims, die auf der Tilgung von Finanzierungsverbindlichkeiten nach diesem Stichtag beruhen, nimmt hier der Beklagte, der nicht Eigentümer ist, im Wege des Zugewinnausgleichs nicht mehr teil. Für ihn besteht daher kein Anlaß mehr, durch Tilgungsleistungen nach diesem Zeitpunkt der Klägerin eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Bei dieser Sachlage ist seit der endgültigen Trennung der Parteien in deren Innenverhältnis allein die Klägerin zur Bedienung der Finanzierungsverbindlichkeiten als verpflichtet anzusehen.
b)Soweit der Beklagte nach der endgültigen Trennung noch Zahlungen auf die Darlehensverbindlichkeiten erbracht hat, hat er durch das Schreiben vom 27. Mai 1992 zum Ausdruck gebracht, hierdurch Leistungen auf dem Grunde nach anerkannte Unterhaltsforderungen aus §§ 1361, 1601 BGB erbringen zu wollen, deren Höhe noch nicht endgültig feststehe. Gemäß § 362 Abs. 2 BGB ist es rechtlich möglich, zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld an einen Dritten zu leisten, sofern der Gläubiger zustimmt. Es kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall die erforderliche Zustimmung der Klägerin, von der insbesondere die Erfüllungswirkung abhängt (vgl. Soergel/Zeiss BGB 12. Aufl. § 362 Rdn. 14), angenommen werden kann. Jedenfalls kann aus dem Verhalten des Beklagten nicht auf eine Gestaltung des tatsächlichen Geschehens geschlossen werden, die im Rahmen des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB relevant wäre und aus der dessen weitere Mithaftung für die Finanzierungsverbindlichkeiten des Hauses hergeleitet werden könnte. Soweit der Klägerin für die Zeit ab Mitte 1992 noch Ansprüche gegen den Beklagten zustehen sollten, können es nur Unterhaltsansprüche sein, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreit sind. Ihre Zahlungen auf die Finanzierungsverbindlichkeiten, für die sie Erstattung verlangt, betreffen diese Zeit. Keine Grundlage hat eine Freistellungsverpflichtung des Beklagten für künftige Zeiten. Das klageabweisende Urteil der ersten Instanz ist nach allem wiederherzustellen.