Brandenburgisches Oberlandesgericht
Entscheidung vom 09.06.2009, Az.: 5 Wx 8/08
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. und 4. gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 9. April 2008 – 5 T 306/08 – wird dieser Beschluss aufgehoben. Der Antrag des Beteiligten zu 1. auf Löschung der in Abt. II des Grundbuchs von S., Blatt 60 unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Auflassungsvormerkung wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.233,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist Eigentümer des unter lfd. Nr. 5 des Grundbuchs von S…, Blatt 60 gebuchten Grundstücks.
Das Grundbuchamt hat am 22. April 2005 in Abt. II, lfd. Nr. 1 eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu Ziff. 1., 3. und 4. sowie H… R.. geb. L… als Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen. Grundlage der Eintragung war das mit Rechtskraftvermerk versehene Urteil des Landgerichts Potsdam vom 4. Juni 2002 (Aktenzeichen 11 O 328/01 – fälschlich als 11 O 328/0 bezeichnet) in Verbindung mit dem Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2003 – 7 U 124/02. Danach war der Beteiligte zu 1. auf eine von den Beteiligten zu 3. und 4. erhobene Klage Zug um Zug gegen Zahlung von 10.233,41 € zur Auflassung des Grundstücks an die Beteiligten zu 1., 3. und 4. sowie H… R… geb. L…, sämtlich in Gesellschaft bürgerlichen Rechts, verurteilt.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss das Grundbuchamt angewiesen, einen Amtswiderspruch gegen die Auflassungsvormerkung einzutragen.
Zur Begründung ist ausgeführt, das Grundbuchamt habe die Vormerkung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eingetragen, so dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 GBO vorlägen. Zwar werde die Bewilligung der Eintragung der Vormerkung gemäß § 895 ZPO durch das rechtskräftige Urteil ersetzt. Vorlegend sei die Willenserklärung der Auflassung jedoch von einer sich aus dem Tenor ergebenden Gegenleistung, der Zahlung eines Betrages von 10.233,41 €, abhängig. Es gelte daher die Sonderregelung des § 894 Abs. 1 S. 2 ZPO. Danach trete die Fiktionswirkung des § 895 ZPO erst dann ein, wenn nach den Vorschriften der §§ 726, 730 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt worden sei. Die Bestimmung knüpfe daran an, dass bei der Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 726 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise schon die Klauselerteilung von dem Nachweis abhänge, dass der Gläubiger die ihm Zug um Zug obliegende Gegenleistung erbracht oder den Schuldner insoweit in Annahmeverzug versetzt habe. Die dadurch angeordnete Vorleistung könne der Gläubiger hinnehmen, weil § 894 ZPO die Erfüllung seines Gegenanspruchs sicherstelle. Andererseits könne die Fiktionswirkung nicht ohne weiteres mit der Rechtskraft des Urteils eintreten, weil damit der Schuldner ohne eine entsprechende Absicherung vorleistungspflichtig wäre.
II.
1.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. und 4. ist zulässig. Sie ist gemäß § 78 GBO statthaft. Obwohl die mit der Beschwerde des Beteiligten zu 1. angefochtene Eintragung auf § 895 ZPO beruht, richtet sich das Rechtsmittelverfahren nach den Vorschriften der Grundbuchordnung (Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 895 Rn. 3 m.w.N.), so dass die einfache und ihr folgend die weitere Beschwerde gegeben sind. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 3. und 4. als ein Erfordernis der Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels (Demharter GBO, 26. Aufl. § 77 Rn. 9 m.w.N.), die sich im vorliegenden Antragsverfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO mit ihrer Antragsberechtigung deckt (OLG München, OLG R 2005, 364 m.w.N.), ist gegeben, da die Beteiligten zu 3. und 4. Gläubiger des titulierten Auflassungsanspruchs sind. Die Beschwerde wurde auch in zulässiger Form durch Rechtsanwälte als Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. und 4. eingelegt (§ 80 Abs. 1 Satz 2 GBO).
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Anordnung zur Eintragung eines Widerspruchs gegen die Vormerkung war unzulässig.
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO kommt nur bei solchen Eintragungen in Betracht, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann; dies ergibt sich aus der Funktion des Amtswiderspruchs, einen Rechtsverlust des wahren Berechtigten kraft des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§§ 892, 893 BGB) zu verhindern und damit etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den Staat nach § 839 BGB, Art. 34 GG vorzubeugen (BGHZ 25, 16, 25; BayObLGZ 1987, 231, 232 f.; KG OLGZ 78, 122, 124; Demharter, GBO, 26. Aufl. § 53 Rn. 8, 9, KEHE/Eickmann, GBO, 6. Aufl., § 53 Rn. 3; Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 53 Rn. 33; Meikel/Streck, GbR, 10. Aufl., § 53 Rn. 49). Ein gutgläubiger Rechtserwerb setzt wiederum voraus, dass der vorgemerkte Anspruch besteht, das Grundbuch aber aus einem anderen Grund (etwa, weil die zur Entstehung der Vormerkung materiellrechtlich erforderliche Bewilligung des Berechtigten fehlt) unrichtig ist. Denn die Vormerkung ist in ihrer Entstehung und in ihrem Bestand abhängig von dem Anspruch, den sie sichern soll. Kommt ein Anspruch der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Übereignung des Grundstücks, wie der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde gegen die Eintragung der Vormerkung geltend gemacht hat, nicht in Betracht, dann besteht auch die zu seiner Sicherung eingetragene Vormerkung nicht (Palandt/Bassenge, 68. Aufl., § 886 Rn. 2 m.w.N.) und auch ein gutgläubiger Dritter kann kein Recht erwerben. Die Eintragung des Widerspruchs gegen die Auflassungsvormerkung ist hiernach nicht zulässig (BGHZ 25, 16, 25; BayObLZ 1987, 231, 232 f; KG OLGZ 78, 122 ff; 1; Meikel/Streck, a.a.O.), ohne dass es auf die Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb der nach § 895 ZPO eingetragenen Vormerkung auch deswegen ausscheidet, weil § 898 ZPO hierauf nicht entsprechend anwendbar ist (Palandt/Bassenge, 68. Aufl., § 885 Rn. 12), ankommt.
b) Auch für die Löschung der Vormerkung gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist kein Raum.
Das Landgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass das Grundbuchamt bei der Eintragung der Auflassungsvormerkung gesetzliche Vorschriften verletzt habe. Gemäß § 885 Abs. 1 BGB erfolgt die Eintragung einer Vormerkung auf Grund einer Bewilligung des Betroffenen; diese ist auch formlos wirksam und wurde hier ebenso wie die verfahrensrechtliche Bewilligung des § 19 GBO durch das vom Oberlandesgericht bestätigte Urteil des Landgerichts ersetzt (BGHZ 28, 182,184; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 885, Rn. 9, m.w.N.).
Der Beteiligte zu 1. ist als Eigentümer des betroffenen Grundstücks im Sinne von § 895 Satz 1 ZPO zur Übertragung des Eigentums an dem Grundstück gemäß §§ 873, 925 BGB, also zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, aufgrund deren eine Eintragung in das Grundbuch erfolgen soll und nach der genannten Vorschrift gilt die Eintragung einer Vormerkung als bewilligt. Die Fiktion der Eintragungsbewilligung nach § 895 S. 1 ZPO hängt nicht von der materiellen Rechtslage ab, sondern ist Folge der Vollstreckbarkeit des Urteils und gilt deshalb solange das Urteil besteht und aus ihm vollstreckt werden kann (BayObLG NJW-RR 1997, 1445).
Vorliegend ist das Urteil vollstreckbar, und zwar, nach Eintritt der Rechtskraft, ohne vorherige Sicherheitsleistung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Eintragung der Vormerkung nicht entgegen, dass das Urteil nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar ist. Es geht den Beteiligten zu 3. und 4. nicht um die Vollstreckung aus dem Titel gemäß § 894 ZPO, sondern nach wie vor um eine vorläufige Sicherung ihres titulierten Anspruchs durch Eintragung einer Vormerkung, § 895 ZPO ist in einem solchen Fall entsprechend anzuwenden (OLG Stuttgart, Justiz 1979, 298), weil das als schutzwürdig anerkannte Sicherungsbedürfnis bis zur endgültigen Eintragung fortbesteht. Nur wenn diese ohne weiteres möglich wäre, könnte das Sicherungsverlangen rechtsmissbräuchlich sein. So liegt der Fall hier aber schon deswegen nicht, weil die Mitgesellschafterin H… R…ihre Mitwirkung bei der Auflassung verweigert. Auch hindert der Umstand, dass der Beteiligte zu 1. zur Auflassung des Grundstücks nur Zug um Zug gegen Zahlung von 10.233,41 € verpflichtet ist, die Eintragung der Vormerkung nicht (Stein-Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 895 Rn. 7). Der Beteiligte zu 1. kann deshalb den Löschungsantrag nicht darauf stützen, dass die Zahlung dieses Betrages nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sei.
Das Grundbuchamt hätte die Eintragung nur verweigern dürfen, wenn ihm eine Entscheidung oder Urkunde nach § 775 ZPO vorgelegen hätte. Die fehlende Mitwirkung der Mitgesellschafterin H… R…an dem Übertragungsakt und die rechtskräftige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage auf Zustimmung zur Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschaft können eine solche Urkunde nicht ersetzen. Denn auch wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung der Vormerkung gemäß § 895 S. 1 ZPO nicht als Vollstreckungsorgan tätig wird, so gehört die Eintragung doch zu den Vollstreckungswirkungen des Urteils im weiteren Sinn (Staudinger/Gursky, § 885, Rn. 23, m.w.N.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., Rn. 4, 6 (Fn. 16), 9; BayObLGZ 1953, 111/117) und die Vollstreckungswirkung kann nicht durch Einwendungen gegen den der Verurteilung zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch bekämpft werden. Sie wird vielmehr nur durch die Aufhebung des Urteils (§ 895 S. 2 ZPO) oder seiner Vollstreckbarkeit beseitigt (OLG Stuttgart, Justiz 1979, 298 f.; KG Rpfleger 1981, 22 f.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 S. 1 KostO). Eine Auslagenentscheidung (§ 13a FGG) ist nicht veranlasst.
Den Geschäftswert hat der Senat gemäß § 31 Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 1, § 19 Abs. 1 KostO nach dem Wert des betroffenen Grundstücks (BayObLG, DB 1985, 334) festgesetzt.