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Bundesverfassungsgericht

Entscheidung vom 31.05.2011, Az.: 1 BvR 857/07

Tenor

1. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Januar 2007 - III R 69/06 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Entscheidungsgründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es verfassungsgemäß ist, die für die Gewährung der Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) entscheidende Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts zu stützen und eine durch diese Behörde vorgenommene Zuordnung nur einer eingeschränkten finanzgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen.

I.

1. Ausgehend von der staatlichen Förderung West-Berlins in den 1950er Jahren wurde die wirtschaftliche Entwicklung in bestimmten Regionen Deutschlands und zunehmend auch in bestimmten wirtschaftlichen Sektoren durch Gewährung von Erleichterungen der auf einem Unternehmen ruhenden Abgabenlast, später zudem durch staatliche Zuschüsse für die Vornahme von Investitionen gefördert. So kam mit dem Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 (BGBl I S. 492) - Berlinhilfegesetz - zu den bereits gewährten steuerlichen Verschonungsmöglichkeiten durch erhöhte Abzüge bei der Gewinnermittlung und verminderte Steuertarife die Investitionszulage hinzu. Durch sie wird bis heute ein staatlicher Zuschuss für die im Gesetz als förderungswürdig erachteten Anschaffungen des Investors gewährt, ohne dass es auf seine Ertragssituation ankäme.

Seit dem am 1. Oktober 1968 verabschiedeten Berlinhilfegesetz (BGBl I S. 1049) und in den nachfolgenden Investitionszulagengesetzen mit Förderzielen vornehmlich in strukturschwachen Regionen und später in den neuen Ländern wird das verarbeitende Gewerbe in besonderem Maße bei der Gewährung von Investitionszulagen berücksichtigt.

2. a) Die für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 18. August 1997 in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 4034) lauten:

§ 1 Anspruchsberechtigter, Fördergebiet

(1) Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen im Sinne der §§ 2 bis 4 vornehmen, haben Anspruch auf eine Investitionszulage (...)

(2) Fördergebiet sind die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach dem Gebietsstand vom 3. Oktober 1990. (...)

§ 2 Betriebliche Investitionen

(1) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum)

1. zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören,

2. in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben,

3. in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden und

4. die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllen.

(...)

(2) Begünstigt sind die folgenden beweglichen Wirtschaftsgüter:

1. Wirtschaftsgüter, die während des Fünfjahreszeitraums in

Betrieben des verarbeitenden Gewerbes oder in Betrieben

der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben. (...)

b) Weder das Berlinhilfegesetz noch die nachfolgenden Investitionszulagengesetze bis zum Jahr 2008 definieren den Begriff des verarbeitenden Gewerbes oder bestimmen ihn in sonstiger Weise näher.

Schon die Gesetzesmaterialien zum Berlinhilfegesetz des Jahres 1968 belegen jedoch den Willen des Gesetzgebers, das neu eingeführte Tatbestandsmerkmal des verarbeitenden Gewerbes anhand des durch das Statistische Bundesamt erstellten Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige zu bestimmen (vgl. den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 18. Juni 1968, BTDrucks V/3019, S. 7, 9). Bei Erlass des Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG 1991) ging der Gesetzgeber nach der Herstellung der Deutschen Einheit im Hinblick auf die Gewährung von Investitionszulagen für das verarbeitende Gewerbe ebenfalls davon aus, dass die bei der Bestimmung der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe unter Geltung des Berlinförderungsgesetzes entstandene Verwaltungspraxis der Finanzbehörden zu Grunde zu legen sei (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. November 1992 zu dem Entwurf des InvZulG 1991, BTDrucks 12/3893, S. 154). Danach sei entsprechend einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Rn. 191 bis 194 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, S. 51 <75>) für die Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich dessen Eingruppierung in Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Landesamt maßgebend. Diese Eingruppierung begründe allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine Investitionszulage. Die endgültige Entscheidung über die Zuordnung eines Betriebs zu dem verarbeitenden Gewerbe werde durch das Finanzamt getroffen.

Auch in dem Gesetzgebungsverfahren zum Investitionszulagengesetz 1999 wurde die besondere Förderung des verarbeitenden Gewerbes in den neuen Bundesländern mit der Bedeutung dieses Bereichs der Wirtschaft für den Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft begründet. Bei der Abgrenzung bestimmter Wirtschaftszweige, die durch das Investitionszulagengesetz 1999 gefördert werden sollten, sei - wie schon bisher - auf die durch das Statistische Bundesamt herausgegebene „Klassifikation der Wirtschaftszweige“, dem Nachfolgeverzeichnis zum Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige, abzustellen (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP für das InvZulG 1999 vom 3. Juni 1997, BTDrucks 13/7792, S. 1 f., 12).

Mit dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 (InvZulG 2010, BGBl I S. 2350) wurde erstmals ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben, dass die Zuordnung eines Betriebs zu dem verarbeitenden Gewerbe nach der von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008, vorzunehmen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010). In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. September 2008 (vgl. BTDrucks 16/10291, S. 16) wird dies damit begründet, dass die bisherige langjährige Verwaltungspraxis, die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes ausschließlich nach der jeweils gültigen Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen, nunmehr gesetzlich normiert werde. Die Herstellung des Bezugs zur Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 diene der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit. Die Eingruppierung eines Betriebs erfolge ausschließlich nach den Grundsätzen der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008, andere Kriterien oder Auffassungen seien für die Abgrenzung nicht relevant. Im Fall einer Änderung der Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt werde für die investitionszulagenrechtliche Beurteilung weiterhin die Ausgabe des Jahres 2008 zugrunde gelegt.

c) Die in den Gesetzesmaterialien des Berlinhilfegesetzes und der Investitionszulagengesetze zum Ausdruck kommende Anknüpfung an das von den Statistikbehörden erstellte Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige und - später - die Klassifikation der Wirtschaftszweige für die Bestimmung und Zuordnung der Tätigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe entspricht der gefestigten Rechtsprechung der Finanzgerichte.

aa) Anfang der 1970er Jahre ging der Bundesfinanzhof noch davon aus, dass das Systematische Verzeichnis lediglich einen Anhalt für die Auslegung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes darstelle. Finanzverwaltung und Finanzgerichte seien deshalb nicht in jedem Fall gezwungen, dieser statistischen Einteilung zu folgen (vgl. BFHE 100, 573 <574 ff.>; 111, 392 <394 f.>); denn der Hinweis auf die Klassifikation sei zwar in den Gesetzesmotiven enthalten, nicht jedoch in den Gesetzestext übernommen worden.

In der Folgezeit hielt der Bundesfinanzhof zwar daran fest, dass keine feste Bindung an die Klassifikation bestehe, sah die gerichtliche Prüfungsbefugnis insoweit jedoch letztlich auf eine Offensichtlichkeitskontrolle beschränkt. Die Zuordnung müsse aus Gründen der Rechtssicherheit, wegen des in den Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willens des Gesetzgebers und mit Rücksicht auf die bei Erstellung des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt eingeholte Ansicht der beteiligten Wirtschaftskreise in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis durchgeführt werden (vgl. BFHE 118, 516 <520>; 119, 334 <336>; 121, 120 <121>; 188, 169 <172>). Deshalb sei die durch die statistischen Verzeichnisse vorgegebene Zuordnung bei der Entscheidung über die Investitionszulage durch das Finanzamt in aller Regel zu übernehmen. Eine von den statistischen Verzeichnissen abweichende Zuordnung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Zuordnung ausnahmsweise zu einem „offensichtlich falschen Ergebnis“ führe (vgl. BFHE 187, 124 <134>; 201, 571 <573 f.>) und damit „offensichtlich und unzweifelhaft falsch“ sei (vgl. BFHE 229, 562 <565>). Die Eigenart der Klassifikation als einer sachverständigen, feingliedrigen Dokumentation, die auf eine weltweite Vergleichbarkeit von Unternehmensdaten hin angelegt sei, rechtfertige es, die dort vorhandenen, hierarchisch aufgebauten Definitionen nicht nur für statistische Zwecke zu verwerten (vgl. BFHE 209, 186 <190 ff.>). Dieser Standpunkt entspricht, über die angegriffene Entscheidung hinaus, nach wie vor der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFHE 229, 562 <565>, bestätigt durch BFH, Beschluss vom 30. August 2010 - III B 2/09 -, BFH/NV 2010, S. 2306).

bb) Wurde im Rahmen der Entscheidung eines Finanzamts über die Gewährung der Investitionszulage das Statistische Bundesamt oder ein Statistisches Landesamt zu der Frage herangezogen, ob der betreffende Betrieb nach Maßgabe der statistischen Klassifikation zum verarbeitenden Gewerbe zählt, misst der Bundesfinanzhof einer solchen Entscheidung der Statistikbehörde ebenfalls in ständiger Rechtsprechung eine weitgehende Bindungswirkung für Finanzbehörden und Finanzgerichte zu.

Zwar komme der Zuordnungsentscheidung eines Statistikamts nicht die Qualität eines bindenden Grundlagenbescheides im Sinne von § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung zu (vgl. BFHE 209, 186 <189>; BFH, Beschluss vom 30. August 2010 - III B 2/09 -, BFH/NV 2010, S. 2306). Steuerverwaltung sowie Finanzgerichte könnten daher prüfen, ob das Statistikamt bei der Eingruppierung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und ob der betreffende Betrieb richtig abgegrenzt worden sei (vgl. BFHE 229, 562 <566>; BFH, Beschluss vom 30. August 2010 - III B 2/09 -, BFH/NV 2010, S. 2306).

Die Zuordnungsentscheidung durch das Statistikamt habe jedoch eine starke Indizwirkung. In aller Regel habe das über die Investitionszulage entscheidende Finanzamt diese Einordnung zu übernehmen. Nur so könne die Rechtssicherheit gewährleistet werden, wonach die Entscheidung in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis zu treffen sei. Diese Rechtssicherheit werde durch die konkrete Einordnung eines Unternehmens durch das Statistikamt in noch stärkerem Maße gewährleistet als durch das Verzeichnis selbst. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen sei allerdings dann zu machen, wenn die vorgenommene konkrete Zuordnung offensichtlich falsch sei. Zu prüfen sei aber nicht, ob die vorgenommene Einordnung sachgerecht sei (vgl. BFHE 187, 124 <134>; 198, 169 <172>; BFH, Urteile vom 29. Januar 1991 - III R 55/89 -, BFH/NV 1991, S. 559 <560>; vom 11. April 1995 - III R 77/91 -, BFH/NV 1995, S. 1090 <1091>; Beschlüsse vom 26. Februar 1998 - III B 5/97 -, BFH/NV 1998, S. 1260 <1261>; vom 24. Februar 1999 - III B 194/96 -, BFH/NV 1999, S. 1123 <1124>; Urteil vom 10. Mai 2007 - III R 54/04 -, BFH/NV 2007, S. 2146 <2147 f.>).

3. Die durch das Statistische Bundesamt geführten Wirtschaftszweig- und Güterklassifikationen, zu denen auch die im Ausgangsverfahren erhebliche Klassifikation der Wirtschaftszweige (bzw. zuvor die Systematik der Wirtschaftszweige) zählt, sind in ein komplexes und vernetztes Geflecht entsprechender Ordnungssysteme eingebunden, das zum Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre hauptsächlich unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen entstanden ist und auf der Ebene der Europäischen Union aufgenommen und ausdifferenziert wird. Die Wirtschaftszweigklassifikationen sind für Zwecke der Statistik erstellt und dienen der Einordnung von Daten, die sich auf statistische Einheiten beziehen. Sie sind die Grundlage für die Erstellung von Statistiken über Produktionswerte, in den Produktionsprozess eingeflossene Produktionsfaktoren, Kapitalbildung und Finanztransaktionen dieser Einheiten (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 7).

Die Statistische Kommission der Vereinten Nationen entwickelte eine Reihe von Klassifikationen, die zusammen ein integriertes System zur Klassifizierung von Tätigkeiten, Gütern und Dienstleistungen bilden und die für unterschiedliche Arten von Wirtschaftsstatistiken auf globaler Ebene verwendet werden können. Einer der Hauptbestandteile dieses Systems ist die auf Wirtschaftszweigklassifikationen abstellende International Standard Industrial Classification of All Economic Activities (ISIC). Im Streitzeitraum galt diese Klassifikation in einer im Jahr 2002 revidierten Fassung als ISIC Rev. 3.1. Der Klassifizierung von Waren und Gütern dient die Central Product Classification (CPC), die auf das von der Weltzollorganisation entwickelte Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren (HS) zurückgreift (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 8, 45 f.).

Auf der Ebene der Europäischen Union wird eine Systematik für alle Wirtschaftstätigkeiten verwendet, die im Jahr 1970 als Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige in den Europäischen Gemeinschaften (Nomenclature générale des activités économiques dans les Communautés Européennes - NACE -) entwickelt wurde. Sie wurde in der Folgezeit mehrfach an die ISIC und deren Änderungen angepasst. Die NACE enthält eine zum Teil tiefere Gliederung der Klassifikation, als dies bei der ISIC der Fall ist, um für die Europäische Union wichtige Wirtschaftsbereiche widerzuspiegeln, die in der ISIC nicht enthalten sind (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 12). Die Geltung der NACE für Zwecke der statistischen Erfassung ist auf der Ebene der Europäischen Union durch die Verordnung Nr. 3037/90/EWG vom 9. Oktober 1990 festgeschrieben (ABl EG Nr. L 293 vom 24. Oktober 1990, S. 1). Die für den Streitzeitraum des Ausgangsverfahrens gültige Fassung entstand nach einer Revision durch die Verordnung Nr. 29/2002/EG vom 19. Dezember 2001 (ABl EG Nr. L 6 vom 10. Januar 2002, S. 3). Sie wird als NACE Rev. 1.1 bezeichnet.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde das in den 1950er Jahren ursprünglich für Zwecke der gewerblichen Betriebszählung entwickelte „Systematische Verzeichnis der Arbeitsstätten“ 1970 in „Systematik der Wirtschaftszweige“ umbenannt. Die im Jahr 1993 vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige trug der internationalen Fortentwicklung der Statistiken für Wirtschaftszweige Rechnung. Diese Klassifikation war nicht mehr primär an nationalen Erfordernissen orientiert, sondern baute auf der Verordnung Nr. 3037/90/EWG auf. Durch das Hinzufügen einer weiteren Gliederungsebene im Bereich der Klassifikation der Wirtschaftszweige 1993 konnte das Statistische Bundesamt nationale Bedürfnisse berücksichtigen. Die auch für das Streitjahr 2004 einschlägige Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003, wurde auf Grundlage der auf Gemeinschaftsebene maßgeblichen NACE Rev. 1.1 erstellt. Ihr liegen dieselben Erwägungen zu Grunde, die auch die Revision auf der Gemeinschaftsebene angeleitet hatten (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 15).

II.

1. Die Beschwerdeführerin ist ein im Jahr 2004 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Sachsen. Sie bearbeitet Altasphalte aus dem Straßenbau und Altbeton aus dem Hochbau; dabei zerkleinert sie mit ihren Maschinen das von ihren Auftraggebern bereit gelegte Material in die gewünschte Größe. Das zerkleinerte Material verbleibt bei den Auftraggebern, die darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang es bei der Anlage neuer Straßen als Füllmaterial unter dem neuen Straßenbelag verwendet werden soll. Im September und Oktober 2004 erwarb die Beschwerdeführerin einen Lastkraftwagen, einen Radlader, eine mobile Siebanlage und eine Brechanlage.

Im Januar 2005 beantragte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt die Gewährung einer Investitionszulage von 27,5% der Anschaffungskosten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999 in Höhe von 181.238,75 € unter Hinweis darauf, dass ihr Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei.

Eine Anfrage der Beschwerdeführerin beantwortete das Statistische Bundesamt mit Schreiben vom 3. Februar 2005 dahin, dass ihr Betrieb nicht dem verarbeitenden Gewerbe nach Abschnitt D der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 zugeordnet werden könne. Nach der Klassifikation setze die Eingruppierung als verarbeitendes Gewerbe in Abteilung 37 „Recycling“ voraus, dass Altmaterialien und Reststoffe zu Sekundärrohstoffen verarbeitet würden. Im Fall der Beschwerdeführerin werde Straßenbruchmaterial vermutlich mittels einer Brecheranlage bearbeitet, um dann offensichtlich als Straßenfüllstoff für den Unterboden von Straßen zu dienen. Hierbei handele es sich nicht um einen Sekundärrohstoff, sondern um ein Enderzeugnis, welches hauptsächlich Schotter, Splitt, Kies und Brechsande enthalte. Für statistische Zwecke werde diese Art von Stoffen der Unterklasse 14.21.0 „Gewinnung von Kies und Sand“ der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 zugeordnet.

Das Finanzamt lehnte die beantragte Investitionszulage für 2004 mit dem angefochtenen Bescheid ab. Zur Begründung führte es an, dass nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 die von der Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeiten der Gruppe 14.1 (Gruppe Naturstein) angehörten, da neue Fertigerzeugnisse entstünden, die nicht in einen weiteren industriellen Verarbeitungsprozess eingingen. Damit sei der Betrieb nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.

2. Die Beschwerdeführerin erhob hiergegen Sprungklage zum Sächsischen Finanzgericht. Mit Zwischenurteil vom 6. Juli 2006 (3 K 797/05, juris) stellte das Finanzgericht fest, dass der Betrieb der Beschwerdeführerin im Jahr 2004 dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 InvZulG 1999 angehört habe. Der Zuordnung durch das Statistische Bundesamt könne aus steuerrechtlicher Sicht schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie offenkundig unzutreffend sei. Die bestehenden Bedenken, ob der Zuordnung durch die Statistikbehörde bei Überzeugung von deren schlichter Rechtswidrigkeit zu folgen wäre, ließ das Finanzgericht deshalb dahinstehen.

Die durch das Statistische Bundesamt vorgenommene Einstufung des Betriebes der Beschwerdeführerin in den Unterabschnitt „Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau“, Abteilung 14 „Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau“ sei offenkundig unzutreffend. Bei diesem Unterabschnitt seien nur wirtschaftliche Tätigkeiten erfasst, die der Gewinnung von bestimmten Rohstoffen aus der Natur dienten. Bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin fehle dieser Aspekt der Urproduktion. Sie zerstoße lediglich eine Mischung aus verschiedenen, künstlich zusammengefügten Stoffen in kleinere Einheiten dieser nach wie vor verbundenen Stoffe. Da die vorgenommene Einstufung sich weder unter den Wortlaut der Überbegriffe der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 noch unter die dort zu der Abteilung 14 gegebenen Beispiele fassen lasse, sei sie offenkundig falsch.

Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei entweder als Recyclingbetrieb nach Unterklasse 37.20.5 oder als „Herstellung von sonstigen Erzeugnissen aus nicht metallischen Mineralien“ nach Unterklasse 26.82.0 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 einzuordnen; diese beiden Zuordnungen unterfielen dem verarbeitenden Gewerbe.

3. Der Bundesfinanzhof hob mit dem angegriffenen Urteil vom 25. Januar 2007 das Zwischenurteil des Sächsischen Finanzgerichts auf. Der Betrieb der Beschwerdeführerin sei nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.

Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des verarbeitenden Gewerbes seien mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige, in denen die Einschätzung der Wirtschaft über die Zuordnung von Tätigkeiten zu Wirtschaftsbereichen und Wirtschaftszweigen dokumentiert sei, heranzuziehen. Auch wenn die Verzeichnisse überwiegend statistischen Zwecken dienten, stellten sie eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige dar, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden seien. Halte das Statistische Landes- oder Bundesamt die Einordnung eines Betriebs entsprechend dem jeweils gültigen Verzeichnis der Wirtschaftszweige nach dem Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit in einen bestimmten Wirtschaftszweig für zutreffend, so sei diese Einordnung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe.

Die vorliegende Beurteilung des Statistischen Bundesamts, den Betrieb der Beschwerdeführerin nicht dem Abschnitt D „verarbeitendes Gewerbe“, Unterklasse 37.20.5 „Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen“ zuzuordnen, sondern unter den Abschnitt C „Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden“, Unterklasse 14.21.0 „Gewinnung von Kies und Sand“ zu fassen, sei nicht offenkundig unzutreffend. Da die Beschwerdeführerin keine Sekundärrohstoffe, sondern Baustoffe als Endprodukte herstelle, die zur Verarbeitung zu einem anderen Produkt bestimmt seien, liege kein Recycling nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige vor.

III.

Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

Der Bundesfinanzhof habe in willkürlicher Weise die Bedeutung des in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 verwendeten Recycling-Begriffs verkannt.

Sie sei in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt, weil ihr gesetzlicher Anspruch auf Investitionszulage in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise verweigert worden sei. Außerdem verstießen die angefochtenen Entscheidungen gegen den grundrechtlich und rechtsstaatlich gewährleisteten Grundsatz des Vertrauensschutzes.

Schließlich verletze das Urteil des Bundesfinanzhofs ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass sich die Finanzämter und Finanzgerichte im Ausgangspunkt an den Klassifikationen der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts orientierten. Aber sie dürften sich von Verfassungs wegen nicht auf die Prüfung beschränken, ob diese Klassifikation bei Anwendung des Investitionszulagenrechts zu offenkundig falschen Ergebnissen führe, sondern müssten eine tatsächliche und rechtliche Prüfung in vollem Umfang durchführen.

IV.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung, das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg, der Präsident des Bundesfinanzhofs und das Statistische Bundesamt Stellung genommen.

1. Nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen liegen die gerügten Grundrechtsverletzungen nicht vor.

Die Zuordnung der Beschwerdeführerin zu dem Abschnitt der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 „Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden“ statt zum verarbeitenden Gewerbe sei nicht willkürlich gewesen. Die Klassifikation der Wirtschaftszweige stelle eine geeignete Auslegungshilfe dar. Zweck der Verweisung auf die Klassifikation sei die Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten und des Entstehens von Zuordnungslücken. Damit werde zugleich die Rechtssicherheit befördert und eine gleichheitsgerechte Anwendung des Investitionszulagengesetzes 1999 erreicht.

Die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 entfalte eine Indizwirkung mit der Folge der widerleglichen Vermutung für die Richtigkeit der Einordnung, eine Bindungswirkung komme ihr indes weder für die Finanzverwaltung noch für die Gerichte zu. Die Klassifikation der Wirtschaftszweige sei weder eine Rechtsvorschrift noch enthalte die gesetzliche Vorschrift des § 2 Abs. 2 InvZulG 1999 eine Verweisung auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige. Die Indizwirkung für die Richtigkeit der Zuordnung nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige ergebe sich jedoch aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Klassifikation in der Gesetzesbegründung zum Investitionszulagengesetz 1999. Da die Einordnung jedoch nicht bindend sei und das Letztentscheidungsrecht der Verwaltung zustehe, entfalle die Indizwirkung dann, wenn die Zuordnung aufgrund konkreter Anhaltspunkte offensichtlich unzutreffend sei. Die langjährige finanzgerichtliche Rechtsprechung habe diesem Willen des Gesetzgebers im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des verarbeitenden Gewerbes Rechnung getragen.

Auch die Finanzverwaltung folge bei der Anwendung des Investitionszulagenrechts in einer langjährigen Praxis der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. So habe das Bundesministerium der Finanzen die Finanzämter in verschiedenen Verwaltungsvorschriften angewiesen, bei der Anwendung des Investitionszulagenrechts eine engste Anlehnung der Zuordnungsentscheidung an das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige von 1979 beziehungsweise die Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen.

Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei nicht verletzt. Die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 entfalte weder für die Finanzverwaltung noch für die Gerichte Bindungswirkung. Auch der ablehnende Bescheid des Finanzamts sei gerichtlich vollständig überprüfbar gewesen. Dementsprechend habe sich auch der Bundesfinanzhof nicht in seiner Kompetenz zur Ausübung der gerichtlichen Kontrolle beschränkt gesehen. Wenn der Bundesfinanzhof lediglich eine Offensichtlichkeitsprüfung vornehme, sei hierin keine Selbstbeschränkung der Justiz im Sinne einer rechtsgrundlosen Verweigerung richterlicher Kontrolle zu erblicken.

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hat eine Stellungnahme des Präsidenten des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg übersandt. Dort wird unter Verweis auf Entscheidungen dieses Gerichts ausgeführt, der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werde darin gefolgt, dass die Zerkleinerung von Asphalt und Altbeton kein verarbeitendes Gewerbe darstelle. Daran dürfte sich auch dadurch nichts ändern, dass das Statistische Bundesamt hinsichtlich des Verweises in den Erläuterungen zur Abteilung 37 auf Abteilung 14 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 nach Diskussionen mit dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften und der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen von der Möglichkeit eines Tippfehlers ausgehe.

3. Der Präsident des Bundesfinanzhofs hat Stellungnahmen zweier Senate übersandt.

Der für die Verbrauchsteuern zuständige VII. Senat weist darauf hin, dass der Gesetzgeber im Strom- und Energiesteuerrecht für die Zuordnung von Unternehmen ausdrücklich auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige Bezug genommen habe. Die Rechtsprechung des III. Senats des Bundesfinanzhofs zum Investitionszulagenrecht, wonach das Finanzamt eine Einordnung eines Unternehmens durch das Statistische Landesamt grundsätzlich zu übernehmen habe, solange diese nicht offensichtlich unzutreffend sei, lasse sich nicht auf das Energiesteuerrecht übertragen. Dem stehe bereits entgegen, dass der Gesetzgeber der Finanzverwaltung im Stromsteuerrecht eine eigene Entscheidungsbefugnis zuerkannt habe.

Der für das Investitionszulagenrecht zuständige III. Senat, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat, legt die Grundsätze seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht sowie zur Verwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige dar. Er verwende die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit ihren Erläuterungen praktisch wie eine Rechtsnorm, unter die der jeweilige Betrieb subsumiert werde. Die Auslegung orientiere sich am Wortlaut. Für eine Auslegung anhand anderer Grundsätze fehle es an Kriterien. Wollte man keine am Wortlaut der Klassifikation orientierte Auslegung vornehmen, so würde die von dem Senat angestrebte Vereinfachung der Rechtsanwendung und Gewährleistung von Rechtssicherheit nicht mehr erreicht.

4. Zur Frage des Zustandekommens der Klassifikation der Wirtschaftszweige und ihrer Einbindung in das internationale System von Wirtschaftsklassifikationen sowie zu der konkreten Zuordnung der Beschwerdeführerin hat auch das Statistische Bundesamt Stellung genommen.

Die Wiedergewinnung von Material aus dem Aufbruch von Straßen zur Verwendung für den Straßenbau sei als Gewinnung von Steinen und Erden eingestuft worden. Zwar werde Altasphalt aus dem Straßenaufbruch in den Erläuterungen zu dem Harmonisierten System und der Kombinierten Nomenklatur nicht ausdrücklich genannt. Das Statistische Bundesamt habe zerkleinerten Altasphalt jedoch analog zu den Positionen 2517 und 2530 des Harmonisierten Systems der Güterabteilung 14 der Classification of Products by Activity (CPA - Güterklassifikation der Europäischen Union) und den Erzeugungsprozess folglich in die Abteilung 14 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 eingeordnet. Den genannten Positionen sei zu entnehmen, dass die Abteilung 14 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 sich nicht auf die Gewinnung von Rohstoffen aus der Natur beschränke.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass es die Versagung der begehrten Investitionszulage durch das Finanzamt nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft (I). Da das Urteil des Bundesfinanzhofs auf dem festgestellten Verfassungsverstoß beruht (II), ist es - ohne dass es noch einer Entscheidung bedarf, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist (III) - aufzuheben und die Sache an den Bundesfinanzhof zurückzuverweisen (IV).

I.

Der Bundesfinanzhof schränkt in dem angegriffenen Urteil die Kontrolle der Entscheidung, mit der das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Investitionszulage abgelehnt hat, in zweifacher Hinsicht ein (1). Mit dem aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsakts (2) ist dies lediglich vereinbar, soweit der Bundesfinanzhof die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Bestimmung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes heranzieht (3). Unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist jedoch, dass er die einbezogene Stellungnahme des Statistischen Bundesamts nur auf offensichtliche Fehler überprüft (4). Die ungenügende Kontrolle der Behördenentscheidung durch den Bundesfinanzhof verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (4 a), unter anderem weil die Beschwerdeführerin insoweit auch nicht auf anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen werden kann (4 b).

1. Der Bundesfinanzhof greift für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Finanzamts, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin zum verarbeitenden Gewerbe gehört und damit nach § 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 Anspruch auf eine Investitionszulage hat, seiner gefestigten Rechtsprechung folgend in zweifacher Hinsicht auf Entscheidungen der Verwaltung zurück, die er nur begrenzt überprüft: Zum einen sieht er sich grundsätzlich an ein vom Statistischen Bundesamt herausgegebenes Verzeichnis der Wirtschaftszweige gebunden (a), zum anderen hält er gegebenenfalls eingeholte Stellungnahmen der Statistikbehörden zur Klassifizierung des Betriebs für grundsätzlich verbindlich und prüft sie nur auf offensichtliche Fehler (b).

a) Der Bundesfinanzhof verweist in dem angegriffenen Urteil zunächst darauf, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des verarbeitenden Gewerbes die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt damit die Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 - heranzuziehen sind.

In seinem hierbei ausdrücklich in Bezug genommenen Urteil vom 23. März 2005 (BFHE 209, 186) erläutert der Bundesfinanzhof dieses „Heranziehen“ damit, dass er seit seiner Entscheidung vom 14. Januar 1975 (BFHE 115, 86) die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Interesse der Rechtssicherheit „in engster Anlehnung“ an die Systematik der Wirtschaftszweige beziehungsweise die Folgeverzeichnisse vornehme, weil sie eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige darstellten, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden seien. Die Auslegung des Begriffs verarbeitendes Gewerbe „in engster Anlehnung an die Systematik der Wirtschaftszweige“ bedeutet nach Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass die Klassifikation der Wirtschaftszweige grundsätzlich verbindlich in dem Sinne ist, dass nur dann von ihr abgesehen werden kann, wenn „die Eingruppierung durch die Klassifikation selbst offensichtlich und unzweifelhaft falsch wäre“ (so die Bestätigung der stRspr in BFHE 229, 562 <565>). In seiner im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme charakterisiert der III. Senat des Bundesfinanzhofs diese Verfahrensweise selbst dahingehend, dass die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit ihren Erläuterungen „praktisch wie eine Rechtsnorm“ verwendet werde.

Bei einer solchen Handhabung der Klassifikation der Wirtschaftszweige entscheiden Finanzbehörden und Finanzgerichte über die Vergabe einer Investitionszulage, soweit es um die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe geht, nicht allein nach Maßgabe des Gesetzes, sondern subsumieren unter das Statistikverzeichnis. Maßgeblich für die Gewährung von Rechtsschutz ist damit nicht unmittelbar die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte, sondern die Klassifikation der Wirtschaftszweige, die weder Gesetz noch Verordnung ist und auch nicht zur Auslegung des Investitionszulagengesetzes, sondern für statistische Zwecke durch eine Verwaltungsbehörde geschaffen wurde.

b) Wurde wie im Ausgangsverfahren eine Stellungnahme des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts über die Einordnung des Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige eingeholt, ist, wie der Bundesfinanzhof auch in dem angegriffenen Urteil betont, diese Einordnung nach seiner ständigen Rechtsprechung (auch insoweit unter Verweisung auf sein Urteil vom 23. März 2005, BFHE 209, 186 <189> m.w.N.) bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage „in aller Regel … zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt“. Steuerverwaltung und Finanzgerichte können nach Auffassung des Bundesfinanzhofs danach zwar überprüfen, ob die statistische Eingruppierung aufgrund eines zutreffenden Sachverhalts ergangen ist, ob der Betrieb richtig abgegrenzt und ob bei Mischbetrieben richtig zugeordnet wurde; im Hinblick auf die „Auslegung“ der Klassifikation, das heißt auf die Zuordnung bestimmter betrieblicher Tätigkeiten zu einem Abschnitt, einer Abteilung, einer Gruppe, einer Klasse und einer Unterklasse sowie hinsichtlich des konkreten Ergebnisses bindet die Stellungnahme jedoch, soweit sie nicht offenkundig falsch ist (vgl. auch insoweit die Bestätigung der stRspr des Bundesfinanzhofs in BFHE 229, 562 <566>). Auf eine solche Offensichtlichkeitskontrolle hat der Bundesfinanzhof in dem angegriffenen Urteil die Überprüfung der vom Finanzamt übernommenen Einordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts ausdrücklich beschränkt.

2. a) Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 113, 273 <310>), wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Eingriffe in geschützte Rechtspositionen oder die Versagung gesetzlich eingeräumter Leistungsansprüche handelt (vgl. BVerfGE 31, 33 <39 f.>; 46, 166 <177 ff.>; 60, 253 <297 f.>; 79, 69 <74>; 116, 1 <11 f.>). Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Das schließt eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, im Grundsatz aus (vgl. BVerfGE 15, 275 <282>; 61, 82 <110 f.>; 84, 34 <49>; 84, 59 <77>; 101, 106 <123>; 103, 142 <156>).

Die materiell geschützte Rechtsposition ergibt sich allerdings nicht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG selbst, sondern wird darin vorausgesetzt (vgl. BVerfGE 61, 82 <110>; 78, 214 <226>; 83, 182 <194 f.>; 84, 34 <49>; stRspr). Neben den verfassungsmäßigen Rechten bestimmt das einfache Recht, welche Rechte der Einzelne geltend machen kann. Der Gesetzgeber befindet unter Beachtung der Grundrechte darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zustehen und welchen Inhalt es haben soll (vgl. BVerfGE 78, 214 <226>; 83, 182 <195>; 113, 273 <310>; 116, 1 <11 f.>).

Beruht die angefochtene Entscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so ist deren Konkretisierung grundsätzlich Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt nachzuprüfen haben. Die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des Verwaltungsermessens gelten nicht ohne weiteres auch für die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (vgl. BVerfGE 7, 129 <154>; 64, 261 <279>; 84, 34 <49 f.>). Dies schließt nicht aus, dass bei der Kontrolle der Verwaltung deren Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle - wie etwa im Planungsrecht - als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird.

b) Soweit allgemeine Verwaltungsvorschriften die einheitliche Rechtsanwendung durch die Behörden für diese verbindlich regeln, ändert auch dies nichts an Umfang und Intensität der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen gerichtlichen Kontrolle. Verwaltungsvorschriften, mit denen die Verwaltung einen einheitlichen Verwaltungsvollzug bei der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder bei der Ausübung des Verwaltungsermessens sicherstellen will, sind grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle des Verwaltungshandelns (vgl. BVerfGE 78, 214 <227>). Denn die Gerichte sind bei der Überprüfung des Verwaltungshandelns an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG).

Es beeinträchtigt indes weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wenn die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder sonstige untergesetzliche Regelwerke erfolgt oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht.

c) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt nicht aus, dass durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie die Tatbestandswirkung von Exekutivakten die Durchführung der Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken (vgl. BVerfGE 15, 275 <282>; 61, 82 <111>; 84, 34 <50 ff.>; 88, 40 <56>; 103, 142 <157>; 113, 273 <310>). Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt (vgl. BVerfGE 88, 40 <61>; 103, 142 <156 f.>; 116, 1 <18>).

Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Demgegenüber kann es weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben. Andernfalls könnten diese „in eigener Sache“ die grundgesetzliche Rollenverteilung zwischen Exekutive und Judikative verändern. Nimmt ein Gericht ein behördliches Letztentscheidungsrecht an, das mangels gesetzlicher Grundlage nicht besteht, und unterlässt es deshalb die vollständige Prüfung der Behördenentscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit, steht dies nicht nur in Widerspruch zur Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern verletzt vor allem auch das Versprechen wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

Auch der Gesetzgeber ist im Übrigen nicht frei in der Einräumung behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse. Zwar liegt es grundsätzlich in seiner Hand, den Umfang und Gehalt der subjektiven Rechte der Bürger zu definieren und so mit entsprechenden Folgen für den Umfang der gerichtlichen Kontrolle auch deren Rechtsstellung gegenüber der Verwaltung differenziert auszugestalten. Allerdings ist er hierbei durch die Grundrechte sowie durch das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip und die hieraus folgenden Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit gebunden. Will er im Übrigen gegenüber von ihm anerkannten subjektiven Rechten die gerichtliche Kontrolle zurücknehmen, hat er zu berücksichtigen, dass im gewaltenteilenden Staat grundgesetzlicher Prägung die letztverbindliche Normauslegung und auch die Kontrolle der Rechtsanwendung im Einzelfall grundsätzlich den Gerichten vorbehalten ist. Deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierte Effektivität darf auch der Gesetzgeber nicht durch zu zahlreiche oder weitgreifende Beurteilungsspielräume für ganze Sachbereiche oder gar Rechtsgebiete aushebeln. Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds.

Offen bleiben kann, ob gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen dann zulässig sind, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße (so offenbar in den Prüfungsfällen vgl. BVerfGE 84, 34 <50>; 84, 59 <77 f.>). Eine solche Konstellation liegt hier offensichtlich nicht vor.

3. Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt nicht Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, soweit es die Klassifikation der Wirtschaftszweige als grundsätzlich maßgeblich dafür ansieht, ob das Unternehmen der Beschwerdeführerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist. Die Anerkennung der prinzipiellen Verbindlichkeit der Klassifikation der Wirtschaftszweige für die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe kann sich bezogen auf die Investitionszulagengewährung auf eine tragfähige gesetzliche Grundlage stützen.

a) Der Bundesfinanzhof entscheidet die Frage, ob die Investitionen der Beschwerdeführerin in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes getätigt worden sind, nicht unmittelbar durch eine eigene Bestimmung des Begriffs „verarbeitendes Gewerbe“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999. Vielmehr zieht er für diese Auslegung die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige in der für den Ausgangsfall maßgeblichen Fassung heran. Dabei sieht er in dem Regelwerk der Klassifikation keine gutachterliche Äußerung überlegenen Sachverstands oder das Ergebnis zwingender Gesetzesauslegung, der er sich aus eigener Überzeugung mit Rücksicht auf die darin zum Ausdruck kommende sachliche und fachliche Expertise anschließt. Die Übernahme auch allgemeiner, also nicht zu einem konkreten Verfahren eingeholter sachverständiger Stellungnahmen und sachkundiger Äußerungen steht einem Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung stets offen, ohne dass dies in Konflikt zu den Verfassungsprinzipien der Gesetzesbindung der Gerichte und der Rechtsschutzgarantie geriete (vgl. BVerfGE 78, 214 <229 f.>). Der Bundesfinanzhof hält sich - so auch hier - bei der Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Rahmen der Anwendung des Investitionszulagengesetzes jedoch im Grundsatz für gebunden an die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit der Folge, dass er sie weitgehend gleich einem Gesetz auslegt und auf den konkreten Fall anwendet.

b) Die Klassifikation der Wirtschaftszweige ist weder Gesetz noch Verordnung, die als solche Geltung für den Bereich der Investitionszulage beanspruchen könnten.

Es handelt sich um eine statistische Klassifikation. Sie knüpft an die von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen vorgeschlagene, auf Wirtschaftszweigklassifikationen abstellende ISIC an, die im Jahre 2002 in Abstimmung mit der Europäischen Union einer Revision zur „ISIC Rev. 3.1“ unterzogen wurde. Mit einer tieferen Gliederung wurde diese Klassifikation mit Wirkung zum 1. Januar 2003 auf europäischer Ebene unter der Bezeichnung Nomenclature générale des activités économiques dans les Communautés Européennes „NACE Rev. 1.1“ in der Rechtsform einer Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 29/2002 der Kommission vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 3037/90 des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, ABl EG Nr. L 6 vom 10. Januar 2002, S. 3) eingeführt (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 12). Die derzeit letzte Änderung der NACE („NACE Rev. 2“) wurde - erneut im Gleichklang mit einer Überarbeitung der durch die Vereinten Nationen aufgestellten ISIC - durch Verordnung vom 20. Dezember 2006 in Kraft gesetzt und ist seit 1. Januar 2008 anzuwenden (Verordnung [EG] Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik, ABl EU Nr. L 393 vom 30. Dezember 2006, S. 1).

Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene deutsche Fassung der Klassifikation ist demgegenüber weder dem Verfahren noch der Form nach als Gesetz oder als Rechtsverordnung ergangen. Sie erschöpft sich in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Ausgabe 2003 auch nicht in einer bloßen Wiederholung des Inhalts der Verordnung „NACE Rev. 1.1“, berücksichtigt vielmehr durch das Hinzufügen einer weiteren Gliederungsebene nationale Bedürfnisse (vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2003, Vorbemerkungen S. 12). Damit hat die Klassifikation der Wirtschaftszweige nicht Teil am normativen Charakter der Verordnung. Sie erfüllt vielmehr im Ausgangspunkt eine rein statistische Ordnungsfunktion. Zudem weist sie weder nach ihrem Inhalt noch nach ihrer normativen Einbindung einen Bezug zur Förderwürdigkeit von Investitionen auf.

c) Anders als nunmehr § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010, der vorsieht, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe nach der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008, vorzunehmen ist, verweist § 2 InvZulG 1999 nicht ausdrücklich auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige. Ein begrenzter Bindungswille des Gesetzgebers lässt sich jedoch durch Auslegung ermitteln.

In den Gesetzesmaterialien zum Investitionszulagengesetz 1999 wie auch zu den Vorgängerregelungen finden sich eindeutige Belege dafür, dass der Gesetzgeber bei Erlass des jeweiligen Investitionszulagengesetzes von der verbindlichen Anwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige oder - zuvor - des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige bei der Entscheidung über die Gewährung einer Investitionszulage im Rahmen der Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe ausging, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geprägt war.

So hebt die Begründung des Gesetzentwurfs zum Investitionszulagengesetz 1999 hervor, dass die Abgrenzung der - neu eingeführten - produktionsnahen Dienstleistungen wie die bisher vorgenommene Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes entsprechend der Klassifikation der Wirtschaftszweige vorgenommen werden soll (vgl. BTDrucks 13/7792, S. 12).

Bereits die Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerregelungen enthielten entsprechende Hinweise auf die Maßgeblichkeit der statistischen Klassifikation. So ging der Änderung des Investitionszulagengesetzes 1991 durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2150) eine Beschlussempfehlung mit Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. November 1992 voraus, in der eine Erhöhung des Zulagensatzes für Investitionen in Betriebe des verarbeitenden Gewerbes vorgeschlagen wurde. Der Ausschuss stellte fest, dass die Zuordnung eines Betriebs zum Handwerk grundsätzlich einfach gehandhabt werden könne. Abgrenzungsschwierigkeiten könnten jedoch bei der Frage nach der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe auftreten. Hier sei die Verwaltungspraxis zu Grunde zu legen, die bei dem Berlinförderungsgesetz entstanden sei (vgl. BTDrucks 12/3893, S. 154). In diesem Zusammenhang verwies der Ausschuss auf eine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zur „Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz und nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes“ vom 31. Dezember 1986 (vgl. BStBl I 1987, S. 51 <75>).

Die in Bezug genommene Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen wies die Finanzverwaltung an, die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes „in engster Anlehnung an das vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige durchzuführen“. Sie verwies hierzu auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 1975, 1976 und 1980 (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1986, a.a.O., Rn. 191 unter Bezugnahme auf BFHE 115, 86; 118, 516; 119, 334; 121, 120; 131, 261).

Schließlich findet sich bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 18. Juni 1968, die zu einer erhöhten Investitionszulage für Investitionen in Berliner Betrieben des verarbeitenden Gewerbes nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Berlinhilfegesetz (BGBl I S. 1049 <1058>) führte, der Hinweis, dass die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes sich aus dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts ergebe (vgl. BTDrucks V/3019, S. 9).

Nach allem steht außer Frage, dass der Gesetzgeber, auch wenn dies in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Gesetzestext selbst keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat, seit Jahrzehnten davon ausging, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Investitionszulagenrecht nach Maßgabe der statistischen Nomenklatur zunächst im Systematischen Verzeichnis, später in der Klassifikation der Wirtschaftszweige erfolgen solle.

d) Die Auslegung des Bundesfinanzhofs, nach der die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Investitionszulagenrecht nach Maßgabe der statistischen Nomenklatur zunächst im Systematischen Verzeichnis, später in der Klassifikation der Wirtschaftszweige erfolgen solle, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass die Anknüpfung an das Statistikrecht grundsätzlich sachwidrig und damit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, ist nicht ersichtlich. Die Klassifikationen des Statistikrechts gewährleisten allen am Investitionszulageverfahren Beteiligten, Behörden wie Antragstellern, ein weitaus höheres Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (hierauf weisen ausdrücklich hin BFHE 118, 516 <519 f.>; 209, 186 <189>) als es ein vom Statistikrecht abgelöstes, eigenes Verständnis des Gesetzesbegriffs „verarbeitendes Gewerbe“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 vermöchte. Zwar wohnt der vom Gesetzgeber intendierten Bindung eine gewisse Dynamik inne, weil die statistischen Klassifikationen vor und nach Erlass des Investitionszulagengesetzes 1999 wiederholt überarbeitet wurden. Der Gesetzgeber hat, dies sehend, offenbar eine Bindung an den jeweils aktuellen Stand angestrebt. Dieser Rückgriff auf die Klassifikationen ist jedoch verfassungsrechtlich ausreichend, weil es sich um Subventionen handelt. Hinzu kommt, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe auch bei der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierbei gebotenen Bindung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige keineswegs völlig der gerichtlichen Kontrolle entzogen wird. Die Einteilung der betrieblichen Tätigkeiten nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige selbst bleibt einer Evidenzprüfung daraufhin unterworfen, ob sie in Blick auf das Investitionszulagenrecht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt (vgl. BFHE 201, 571 <573 f.>; 229, 562 <565>; BFH, Beschluss vom 30. August 2010 - III B 2/09 -, BFH/NV 2010, S. 2306; stRspr). Die Kontrolle, ob die Behörde bei ihrer Zuordnungsentscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, bleibt den Gerichten im Übrigen ohnehin unbenommen.

Vor diesem Hintergrund begründet die erkennbare Anknüpfung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren zum Investitionszulagengesetz 1999 an die schon bisher praktizierte Bindungswirkung der Klassifikation der Wirtschaftszweige nach Maßgabe der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine ausreichend gesetzlich fundierte Verbindlichkeit des untergesetzlichen Regelwerks, von der im Grundsatz auch die Gerichte auszugehen haben, ohne dass damit eine nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unzulässige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs verbunden wäre.

4. Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, soweit es die Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterzieht (a). Die unzureichende gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung wird nicht durch anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten kompensiert (b).

a) aa) Indem der Bundesfinanzhof im Ausgangsverfahren die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts, derzufolge die vom Betrieb der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit nicht zum verarbeitenden Gewerbe zählt, für die Entscheidungen des Finanzamts und nachfolgend des Finanzgerichts über die Gewährung der Investitionszulage als grundsätzlich verbindlich erklärt und nur darauf überprüft, ob sie zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt (vgl. auch BFHE 209, 186 <189>), bleibt er hinter der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Regelfall gebotenen vollständigen Prüfung des angegriffenen Hoheitsakts zurück und beschränkt sich stattdessen auf eine bloße Offensichtlichkeitskontrolle. Anders als bei der Einbindung der Klassifikation der Wirtschaftszweige in die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „verarbeitendes Gewerbe“ als ersten konkretisierenden Schritt der Rechtsanwendung auf den Einzelfall geht es hier um den zweiten Schritt, die konkrete Subsumtion unter den so präzisierten Gesetzesbegriff.

Mit dieser Rechtsprechung räumt der Bundesfinanzhof dem Statistischen Bundesamt und den Statistischen Landesämtern im Ergebnis ein partielles behördliches Letztentscheidungsrecht ein. Dieses schmälert den individuellen Rechtsschutz, weil es die bei Ablehnung der begehrten Investitionszulage zu verklagenden Finanzbehörden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in gleicher Weise wie die Finanzgerichte gegenüber den Statistikbehörden auf die Prüfung beschränkt, ob deren Einstufungsentscheidung zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt oder von einem falschen Sachverhalt ausgeht (neben dem angegriffenen Urteil vgl. nur BFHE 209, 186 <189>; 229, 562 <565> m.w.N.).

bb) Die mit dem Rückzug auf eine Offensichtlichkeitskontrolle verbundene Einschränkung des Rechtsschutzes ist nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar.

(1) Für eine solche Beschränkung der richterlichen Kontrolle fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage (s.o. 2 c).

Weder § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 noch sonst eine Bestimmung des Investitionszulagengesetzes enthalten ausdrücklich oder sinngemäß einen Anhaltspunkt dafür, dass die Zuordnungsentscheidung der Finanzbehörde - von der Statistikbehörde ist im Investitionszulagengesetz ohnehin nicht die Rede - über den eine Zulage begehrenden Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe einer nur eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich sein soll. Auch der Bundesfinanzhof begründet seine diesbezügliche Rechtsprechung nicht unter Rückgriff auf das Investitionszulagengesetz.

Anders als bei der Bezugnahme auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige (s.o. I 3 c) finden sich auch in den Gesetzesmaterialien keine tragfähigen Hinweise auf eine Finanzbehörden und Finanzgerichte bindende Einbeziehung der Statistikbehörden in die Investitionszulagenentscheidung oder auch nur auf ein insoweit dem Finanzamt selbst einzuräumendes Letztentscheidungsrecht. Einen entfernten Anhalt für die Bedeutung einer Stellungnahme des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts im Rahmen des Investitionszulagenverfahrens bietet lediglich die Entstehungsgeschichte zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1991 durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2150). Dort hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, wie bereits im Zusammenhang mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige ausgeführt (s.o. I 3 c), im Hinblick auf befürchtete Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage nach der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe vorgeschlagen, die Verwaltungspraxis zu Grunde zu legen, die sich zum Berlinförderungsgesetz entwickelt hatte (vgl. BTDrucks 12/3893, S. 154). Nach der schon erwähnten Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zur „Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz und nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes“ (vgl. BStBl I 1987, S. 51 <75>), auf die der Ausschuss hierzu verwies, sollte für die Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich dessen Eingruppierung in „Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Landesamt“ maßgebend sein. Aus einer solchen Eingruppierung könne allerdings kein Rechtsanspruch auf Gewährung einer erhöhten Investitionszulage abgeleitet werden. Die endgültige Entscheidung, ob ein Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zugerechnet werden könne, werde vom Finanzamt getroffen (vgl. BTDrucks 12/3893, S. 154).

Mit dieser Andeutung in einem früheren Gesetzgebungsverfahren lässt sich nicht begründen, dass der Gesetzgeber des Investitionszulagengesetzes 1999 der Statistikbehörde ein im Rahmen des Angriffs gegen die Investitionszulagenentscheidung des Finanzamts nicht oder nur begrenzt überprüfbares Letztentscheidungsrecht einräumen wollte. Mangels einer ausreichenden Gesetzesgrundlage war der Bundesfinanzhof mithin nicht befugt, sich im Hinblick auf die Eingruppierungsentscheidung des Statistischen Bundesamts auf eine Offensichtlichkeitskontrolle zurückzuziehen. Er verletzt damit den Anspruch der Beschwerdeführerin aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf eine vollständige Überprüfung der Zuordnungsentscheidung durch das Finanzgericht.

(2) Es fehlt im Übrigen auch, ohne dass es darauf mangels der erforderlichen gesetzlichen Regelung noch entscheidend ankäme, an einem tragfähigen Sachgrund für das hier beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht. Jedenfalls gelangt die Rechtsprechung bei der Überprüfung einer behördlichen Zuordnungsentscheidung zur Klassifikation der Wirtschaftszweige nicht an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit (zu diesem Kriterium vgl. BVerfGE 54, 173 <197>; 83, 130 <148>; 84, 34 <50>; 88, 40 <56>; 103, 142 <156 f.> sowie BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 -, juris, Rn. 52 ff. m.w.N.). Dafür spricht im Übrigen auch, dass der Bundesfinanzhof uneingeschränkten Rechtsschutz bei der insoweit gleich gelagerten Frage der Zugehörigkeit eines Betriebs zu dem produzierenden Gewerbe nach Maßgabe der Klassifikation der Wirtschaftszweige bei Anwendung des § 2 Nr. 3 StromStG gewährt (vgl. BFHE 223, 287 <291> und BFH, Urteil vom 27. Mai 2009 - VII R 5/09 -, juris, Rn. 12 ff.) ebenso wie neuerdings die Verwaltungsgerichte unmittelbar gegen die Zuordnungsentscheidungen der Statistikbehörden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2009 - 2 L 228/08 -, juris, Rn. 42 ff.; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - BVerwG 8 B 114.09 -, juris, Rn. 7 ff.).

b) Die unzureichende Prüfung der Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts und nachfolgend des Finanzamts durch den Bundesfinanzhof ist auch nicht mit Rücksicht auf anderweitige ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Verfahrensstufungen mit gespaltener Rechtsschutzgewährung werden durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwar nicht ausgeschlossen (aa). Die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts ist jedoch weder ein selbständig angreifbarer Grundlagenbescheid in einem gestuften Verfahren (bb), noch musste sich die Beschwerdeführerin auf einen möglicherweise dagegen eröffneten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verweisen lassen (cc).

aa) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes steht der Aufspaltung behördlicher Entscheidungsfindung in mehrere Verfahrensstufen mit einer Abschichtung des Entscheidungsstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und einer entsprechenden Bindung der nachfolgenden Entscheidungsebene an die Ergebnisse der vorangegangenen nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BVerfGE 61, 82 <111>; 83, 182 <198>). Eine solche Verfahrensstufung kann den individuellen Rechtsschutz mit Rücksicht auf seine Frühzeitigkeit sowie die Reduktion komplexer Streitstoffe fördern.

Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar sind Verfahrensstufungen in Form bindender Vorentscheidungen, die durch den Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können, allerdings nur, sofern - erstens - die Bindung einer Behörde an vorangehende Feststellungen oder Entscheidungen einer anderen Behörde sich hinreichend klar aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt, - zweitens - gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Teil- oder Vorentscheidung ihrerseits effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 73, 339 <373>) und - drittens - die Aufspaltung des Rechtsschutzes mit einer etwaigen Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für den Bürger klar erkennbar (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 87, 48 <65>; 107, 395 <416>) und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbunden ist (vgl. BVerfGE 93, 99 <108>; 107, 395 <416 f.>).

bb) Eine diesen Anforderungen genügende Verfahrensstufung zwischen der Einordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts und der Entscheidung des Finanzamts über die Investitionszulagengewährung besteht nicht. Weder das Investitionszulagengesetz 1999 noch sonstige gesetzliche Regelungen sehen eine förmliche Beteiligung der Statistikbehörden im Verfahren über die Gewährung einer Investitionszulage vor; dass der gleichwohl bei einem Statistikamt eingeholten Stellungnahme in keinem Gesetz Bindungswirkung gegenüber dem Finanzamt zugesprochen wird, wurde bereits festgestellt. Der Bundesfinanzhof selbst betont im Übrigen, dass die Eingruppierungsentscheidung des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts nicht die Funktion eines Grundlagenbescheids hat (vgl. BFHE 209, 186 <189>). So bleibt es der freien Verfahrensgestaltung des Finanzamts oder - wie hier - der Anfrage des Unternehmers in Eigeninitiative überlassen, ob wegen der Einordnung eines Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige die Auskunft eines Statistischen Landesamts oder des Statistischen Bundesamts eingeholt wird. Damit existiert keine rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechende Verfahrensstufung zwischen Statistik- und Finanzbehörde, die eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes auf die Entscheidung der Statistikbehörde tragen könnte.

cc) Nach neuerer verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist die Entscheidung der Statistikbehörden über die Eingruppierung eines Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige allerdings einer umfassenden Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte zugänglich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2009 - 2 L 228/08 -, juris, Rn. 42 ff.; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - BVerwG 8 B 114.09 -, juris, Rn. 3 ff.). Die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der Investitionszulagenentscheidung durch die Finanzbehörde kann gleichwohl nicht mit dieser Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Statistikbehörde gerechtfertigt werden. Da die fachliche Stellungnahme der Statistikbehörde nicht gesetzlich in das Verfahren über die Gewährung einer Investitionszulage einbezogen und damit auch keine Bindung für die Finanzbehörde nach Inhalt und Umfang festgelegt ist, muss sich der betroffene Unternehmer nicht auf eine isolierte Klage gegen die Stellungnahme der Statistikbehörde verweisen lassen. Er kann darauf vertrauen, uneingeschränkten Rechtsschutz gegen die Versagung der Investitionszulage durch das Finanzamt zu erhalten. Für die Beschwerdeführerin gilt dies umso mehr, da zur Zeit der Stellungnahme des Statistischen Bundesamts in ihrem Verfahren noch keine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den isolierten Rechtsschutzmöglichkeiten hiergegen vorlag.

II.

Das angefochtene Urteil des Bundesfinanzhofs beruht auf seiner gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßenden Beschränkung auf eine Offensichtlichkeitskontrolle der vom Statistischen Bundesamt vorgenommenen Einordnung der betrieblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin in die Klassifikation der Wirtschaftszweige. Es erscheint zumindest möglich, dass der Bundesfinanzhof, oder gegebenenfalls nach einer Zurückverweisung das Finanzgericht, den Betrieb der Beschwerdeführerin dem verarbeitenden Gewerbe zuordnet, wenn die verfassungsrechtlich gebotene vollständige Kontrolle erfolgt.

Für diese Möglichkeit eines anderen Prüfungsergebnisses spricht bereits, dass das erstinstanzlich tätig gewordene Finanzgericht zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden hat. Der Bundesfinanzhof hat das Zwischenurteil des Finanzgerichts nicht in allen tragenden Teilen der Begründung vollständig überprüft, sondern sich - vor dem Hintergrund seiner bisherigen Rechtsauffassung konsequent - mit der Feststellung begnügt, dass die Zuordnung durch das Statistische Bundesamt nicht offenkundig unzutreffend und damit von Finanzamt und Finanzgericht zu übernehmen sei.

Es ist nicht auszuschließen, dass nach der gebotenen Prüfung der Betrieb der Beschwerdeführerin dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet wird. Das Finanzgericht hatte eine Zuordnung zu den Unterklassen 37.20.5 oder 26.82.0 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 bejaht. Für die Prüfung der Zuordnung zum Recycling nach der Unterklasse 37.20.5 war für das Statistische Bundesamt und den Bundesfinanzhof wesentlich, dass im Sinne der Angaben zur negativen Abgrenzung dieser Unterklasse in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 ein Sekundärrohstoff, nicht jedoch ein Endprodukt vorliegt. Bei der erneuten Überprüfung der Einordnungsentscheidung wird möglicherweise der mittlerweile gewonnenen Erkenntnis Rechnung zu tragen sein, dass der bisher in diesen Fällen vorgesehene Rückgriff auf die Abteilung 14 in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 aus der Unterklasse 37.20.5 eine zwischenzeitlich vorgenommene Korrektur in der ISIC Rev. 3.1 zu berücksichtigen hat. Am 8. April 2008 hat die Statistische Kommission der Vereinten Nationen ihre Erläuterungen zu der Klassifikation ISIC Rev. 3.1 im Bereich des verarbeitenden Gewerbes, Abteilung 37 Recycling für die negative Abgrenzung des Recyclings unter Berufung auf ein vorliegendes Schreibversehen geändert (vgl. den entsprechenden Korrekturvermerk in der ISIC Rev. 3.1 division 37, class 20, abrufbar auf der Internetseite der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen ). Der - auch in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 vorhandene - Ausschluss einer Zuordnung zum Recycling und damit zum verarbeitenden Gewerbe im Fall der Herstellung neuer Endprodukte aus Sekundärrohstoffen wurde insoweit eingeschränkt, als Abteilung 14 aus dem Verweis auf nicht dem Recycling zuzuordnende Klassifizierungen ausdrücklich ausgenommen wurde. Diese Korrektur auf Ebene der Vereinten Nationen wurde, soweit ersichtlich, nicht in der deutschen Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 nachvollzogen. Die Einordnung des Betriebs der Beschwerdeführerin erfolgte jedoch gerade in die besagte Abteilung 14.

Unabhängig von der Frage der Auswirkungen der Korrektur der ISIC Rev. 3.1 auf die Prüfung des Tatbestandsmerkmals des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht ist ferner nicht auszuschließen, dass die Fachgerichte im Rahmen einer Vollprüfung auch erwägen, die Güterklassifikationen als Hilfsmittel der Zuordnung in den Blick zu nehmen. Auch dies ließe ein der Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis möglich erscheinen. Für verarbeitendes Gewerbe in Gestalt des Recyclings könnte hier der Straßenaufbruch in der Meldenummer 3720 14 301 des Güterverzeichnisses für Produktionsstatistiken 2002 sprechen. Eine bisher vom Bundesfinanzhof noch nicht geprüfte Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe könnte zudem mit Blick auf die durch das Finanzgericht herangezogenen Unterklasse 26.82.0 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 - der Herstellung sonstiger Erzeugnisse aus nicht metallischen Mineralien - zu erwägen sein. Das Güterverzeichnis enthält in den Meldenummern 2682 12 900, 2682 13 001 und 2682 13 003 Endprodukte wie „bituminöse Mischungen“, die für die vorzunehmende Prüfung von Bedeutung sein können. Auf der anderen Seite kann eine Zuordnung in die - bisher angenommene - Abteilung 14 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 nicht ausgeschlossen werden. Unabhängig von der Frage, ob die Abgrenzungsmerkmale dieser Gruppe gegeben sind, enthält jedenfalls das möglicherweise als Hilfsmittel der Zuordnung heranziehbare Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken 2002 in den Meldenummern 1421 13 300 und 1421 13 500 auch Erzeugnisse, die nicht von Natursteinen, sondern aus Industrieabfällen gewonnen werden können.

III.

Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Erfolg hat und zur Aufhebung des angegriffenen Urteils des Bundesfinanzhofs und damit zur erneuten Überprüfung des Anspruchs auf Investitionszulage durch die Finanzgerichte führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren Rügen einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG.

IV.

Nach § 95 Abs. 2 BVerfGG ist das Urteil des Bundesfinanzhofs, das auf der Grundrechtsverletzung beruht, aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Einer Entscheidung über den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bescheid des Finanzamts bedarf es nicht, weil das fachgerichtliche Verfahren durch die Zurückverweisung an den Bundesfinanzhof wieder in dasjenige Stadium eintritt, das es vor dem Urteil des Bundesfinanzhofs hatte. Zu jenem Zeitpunkt war durch Zwischenurteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 6. Juli 2006 festgestellt, dass der Betrieb der Beschwerdeführerin abweichend vom Bescheid des Finanzamts und der Einschätzung des Statistischen Bundesamts dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen war. Die vollständige fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls steht insofern noch aus.

Im Hinblick auf den ganz überwiegenden Erfolg der Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG die Erstattung der Auslagen angeordnet.