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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 14.07.2009, Az.: 10 C 9/08

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Juni 2007 wird aufgehoben, soweit er die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG betrifft.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe

Der 1983 in Bagdad geborene Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen der allgemeinen Gefahrenlage im Irak.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitisch-islamischen Glaubens. Im Oktober 2001 reiste er nach Deutschland ein. Auf seinen Antrag stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - im Dezember 2001 bestandskräftig fest, dass im Hinblick auf Verfolgungsgefahren seitens des Regimes von Saddam Hussein die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen. Nach dem Sturz dieses Regimes widerrief das Bundesamt die Flüchtlingsanerkennung des Klägers wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak. Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht den Widerrufsbescheid des Bundesamtes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 25. Juni 2007 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak keine politische Verfolgung mehr zu befürchten habe, die seine Anerkennung als Flüchtling rechtfertige. Der Kläger könne auch nicht die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beanspruchen. Insbesondere bestehe kein Anspruch auf Abschiebungsschutz bzw. subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie). Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG komme nicht in Betracht, weil der Kläger sich lediglich auf allgemeine Gefahren berufe und ihm insoweit aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zustehe. Der Kläger sei bei einer Rückkehr in den Irak auch keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausgesetzt. Zwar dürften die punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen - insbesondere zwischen Sunniten und Schiiten - in Teilgebieten des Zentralirak (vor allem in Bagdad und anderen Städten im sog. "sunnitischen Dreieck") die Anforderungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erfüllen. Den damit verbundenen Gefahren sei aber die gesamte Bevölkerung in den "Kampfgebieten" ausgesetzt. Derart allgemeine Gefahren könnten für eine individuelle Bedrohung noch nicht als ausreichend angesehen werden. Eine individuelle Bedrohung setze darüber hinaus - zusätzlich - eine auf die betreffende Person zugeschnittene besondere - konkrete - Gefahrenlage voraus. Dies sei etwa für Mitglieder politischer Parteien, für Journalisten sowie für die intellektuelle Elite des Irak anzunehmen. Hierzu gehöre der Kläger nicht.

Mit seiner vom erkennenden Senat nur hinsichtlich des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Abschiebungsschutz bzw. subsidiären Schutz weiter.

Das Bundesamt tritt der Revision entgegen. Der Vertreter des Bundesinteresses macht geltend, das Berufungsgericht habe Art. 15 Buchst. c der Richtlinie fehlerhaft angewandt.II

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Revision verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die nur gegen die Versagung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht selbst abschließend entscheiden kann, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots hat, war die Berufungsentscheidung hinsichtlich des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in der neuen, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (vgl. Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht dann zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte. Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 = Buchholz 451.902 Europäisches Asyl- und Ausländerrecht Nr. 22 Rn. 10).

Die nach der Berufungsentscheidung eingetretene Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich im Asylverfahren von Gesetzes wegen der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der vom Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden. Dementsprechend erstrebt der Kläger sachdienlicherweise in erster Linie die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (gemäß den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung oder den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EG Nr. 1 304 S. 12; ber. ABl EG vom 5. August 2005 Nr. 1 204 S. 24 - sog. Qualifikationsrichtlinie). Für den Fall, dass seine Klage insoweit keinen Erfolg hat, begehrt er hilfsweise die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak. Diese Abstufung berücksichtigt die mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes eingetretene Änderung des Streitgegenstands bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und entspricht nunmehr der typischen Interessenlage eines Klägers, der - wie im vorliegenden Verfahren - nach rechtskräftigem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz in Bezug auf sein Heimatland begehrt (vgl. hierzu Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 11).

Hinsichtlich der auf Gemeinschaftsrecht zurückgehenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG, die Gegenstand des Hauptantrags sind, kommt nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in erster Linie das Abschiebungsverbot im Falle eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) in Betracht (zum Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - Art. 15 Buchst. b der Richtlinie - wegen der Gefahrenlage im Irak vgl. EGMR, Urteil vom 20. Januar 2009 - Az: 32621/06 - Newsletter Menschenrechte 2009/1). Das Berufungsgericht hat insoweit die Voraussetzungen für die Gewährung dieses gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Abschiebungsschutzes rechtsfehlerhaft ausgelegt. Seine Entscheidung beruht auf der Rechtsverletzung.

Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 187 zu Buchst. d). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Bestimmung entspricht trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierung den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (vgl. nochmals Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 17).

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des jetzt in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geregelten Abschiebungsverbots mit der Begründung verneint, dass die allgemeinen Gefahren im Irak, auf die sich der Kläger beruft, ohne individuelle gefahrerhöhende Umstände keine individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. keine individuelle Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie darstellen könnten. Es hat - aus dieser Sicht folgerichtig - auch keine Feststellungen dazu getroffen, welches Ausmaß die allgemeinen Gefahren im Rahmen des von ihm angenommenen bewaffneten Konflikts in Teilen des Irak haben. Diese Rechtsauffassung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - (a.a.O.) ausgeführt, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgeht, individuell so verdichten kann, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt und damit die Voraussetzungen dieser Vorschrift und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt (Rn. 34). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine solche Verdichtung angenommen werden kann, hat der Senat seinerzeit ebenso wie die Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt als mögliche gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage bezeichnet und auf das beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anhängige Vorlageverfahren C-465/07 des Niederländischen Raad van State verwiesen (Rn. 34). Inzwischen hat der Gerichtshof diese Fragen mit Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji) grundsätzlich geklärt und sie im Wesentlichen ebenso beurteilt wie der Senat in dem erwähnten Urteil vom 24. Juni 2008.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat im Urteil vom 17. Februar 2009 ausgeführt, das Adjektiv "individuell" in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sei dahin zu verstehen, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Dieser Auslegung stehe der Wortlaut des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie nicht entgegen. Auch wenn dieser Erwägungsgrund impliziere, dass die objektive Feststellung einer Gefahr, die mit der allgemeinen Lage eines Landes im Zusammenhang stehe, allein grundsätzlich nicht genüge, um den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hinsichtlich einer bestimmten Person als erfüllt anzusehen, bleibe doch durch die Verwendung des Wortes "normalerweise" der Fall einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36 und 37). Der Ausnahmecharakter einer solchen Situation werde auch durch den subsidiären Charakter des in Frage stehenden Schutzes und durch die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bestätigt, da die in Art. 15 Buchst. a und b definierten Schäden einen klaren Individualisierungsgrad voraussetzten. Auch wenn kollektive Gesichtspunkte für die Anwendung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie eine bedeutende Rolle in dem Sinne spielten, dass die fragliche Person zusammen mit anderen Personen zu einem Kreis von potentiellen Opfern willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gehöre, ändere dies nichts daran, dass diese Vorschrift systematisch im Verhältnis zu den beiden anderen Tatbeständen des Art. 15 der Richtlinie und deshalb in enger Beziehung zu dieser Individualisierung auszulegen sei (Rn. 38). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).

Diese Ausführungen entsprechen weitgehend dem, was der Senat - mit anderen Worten - in dem erwähnten Urteil vom 24. Juni 2008 ausgeführt hat. Wenn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verlangt, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausgesetzt zu sein, entspricht dies der Sache nach der vom Senat für erforderlich gehaltenen individuellen Verdichtung der allgemeinen Gefahr. Auch nach Auffassung des Gerichtshofs kann sich eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Eine solche Individualisierung kann aber unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Mit dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesverwaltungsgerichts ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vereinbar. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob sich die Berufungsentscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder ob die Klage, soweit sie noch anhängig ist, Erfolg hat (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht die fehlenden Feststellungen zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts und zu den weiteren Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einschließlich der Möglichkeit, internen Schutz zu erlangen, nachzuholen haben. Hierbei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob für den Kläger im Irak oder in Teilen des Irak eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts besteht. Da nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts beim Kläger keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, kann eine erhebliche individuelle Gefahr in diesem Sinne nur dann angenommen werden, wenn die im Irak drohenden allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 25), wofür hier nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts im Übrigen auch wenig spricht. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird. Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (a.a.O. Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (vgl. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie).

Ergibt sich, dass in der für ihn maßgeblichen Region eine individuelle Bedrohung des Klägers wegen eines außergewöhnlich hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen ist, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Irak, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz gemäß Art. 8 der Richtlinie finden kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 30 ff. und 35; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O. Rn. 40). Diese Prüfung hat das Berufungsgericht bisher unterlassen. Der Berufungsentscheidung sind keine tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen, die dem Senat insoweit eine eigene Beurteilung erlauben.

Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch über den vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf (nationalen) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.