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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 27.05.1982, Az.: 2 C 50/80

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 1979 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

I.Der 1919 geborene Kläger war bis zum Jahre 1955 als Revierförster Beamter auf Lebenszeit im Dienst des Beklagten. Durch Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 13. Januar 1954 wurde er wegen Anstiftung zum Meineid unter Zubilligung mildernder Umstände zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten verurteilt; zugleich wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von zwei Jahren aberkannt. Das Urteil wurde am 11. Januar 1955 rechtskräftig. Damit endete das Beamtenverhältnis des Klägers. Im Gnadenwege wurde dem Kläger bis zum 31. März 1959 ein Unterhaltsbeitrag bewilligt.

Zwei Gesuche des Klägers, seine Beamtenrechte im Gnadenwege wiederherzustellen, wurden unter dem 11. Mai 1957 und dem 18. August 1972 vom Bayerischen Ministerpräsidenten abgelehnt. Während einer Vorsprache beim Bayerischen Ministerpräsidenten am 16. Januar 1976 stellte die Ehefrau des Klägers mündlich den Antrag, den Verlust der Beamtenrechte gnadenweise zu beseitigen. Diesem Gesuch schloß sich der Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 1976 an. Der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten befürwortete den beantragten Gnadenerweis nicht. Mit Entschließung vom 15. Juli 1976 lehnte der Bayerische Ministerpräsident eine Berücksichtigung des Gnadengesuchs ab.

Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat sich das zunächst angerufene Verwaltungsgericht München durch Beschluß vom 14. Oktober 1976 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Regensburg verwiesen. Dort hat der Kläger zuletzt beantragt, den Bayerischen Ministerpräsidenten zu verpflichten, die gnadenweise Wiederherstellung seiner Beamtenrechte zu verkünden, hilfsweise, den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht zu verweisen. Die Wiederherstellung seiner Beamtenrechte sei sowohl im Frühjahr 1972 als auch im Januar 1976 praktisch und formell bereits vollzogen gewesen. Aufgrund von Einsprüchen Dritter sei sie jedoch nicht verkündet, sondern ihm jeweils fälschlicherweise die Ablehnung des Gnadengesuchs mitgeteilt worden. Der Ministerpräsident habe ihm 1972 bei einem Staatsempfang gesagt, in 14 Tagen erhalte er die Mitteilung, daß seine Beamtenrechte wiederhergestellt seien, überdies sei der Gnadenerweis angesichts der Umstände der strafgerichtlichen Verurteilung verfassungsrechtlich geboten gewesen. Die Versagung beruhe allein auf parteipolitischer Gegnerschaft. - Das Verwaltungsgericht Regensburg hat durch Urteil vom 25. Mai 1977 die Klage abgewiesen, weil der Rechtsweg nicht gegeben sei. Die Berufung des Klägers mit dem Antrag,das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. Mai 1977 aufzuheben und festzustellen, daß der Bayerischen Ministerpräsident im Jahre 1972 ihm hinsichtlich des Verlustes der Beamtenrechte einen Gnadenerweis erteilt habe,

hilfsweise,den Bayerischen Ministerpräsidenten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung der Entschließung vom 15. Juli 1976 einen derartigen Gnadenerweis zu erteilen,

weiter hilfsweise,den Bayerischen Ministerpräsidenten zu verpflichten, über das Gnadengesuch vom 23. Januar 1976 erneut zu befinden,

hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 6. Juli 1979 zurückgewiesen: Die Klage sei unzulässig, da der Verwaltungsrechtsweg gegen die Ablehnung eines Gnadengesuchs nicht gegeben sei. Hierauf zielten aber sowohl der Feststellungs- und der Verpflichtungs- wie auch der Bescheidungsantrag des Klägers. Gerichtlicher Schutz sei nur in der Form der Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof möglich.

Im vorliegenden Fall sei zwar ein Rechtsstreit gegeben. Das Wesen der Gnade stehe nicht der Einreihung der Gnadenakte unter die Rechtsakte entgegen. Auch seien Gewährung oder Versagung eines Gnadenerweises insofern rechtlich begrenzt, als Gnadengesuche von den zuständigen Stellen entgegengenommen, geprüft und beschieden werden müßten. Dabei dürfe das Gnadenrecht nicht diskriminierend oder willkürlich gehandhabt werden. Dies folge aus der Bindung jeder Staatsgewalt an die Grundrechte, insbesondere an das Willkürverbot. Der Bürger habe ein formelles subjektiv-öffentliches Recht auf eine nichtdiskriminierende und willkürfreie Gnadenentscheidung. Insoweit bestehe ein Maßstab für eine gerichtliche Überprüfung.

Der Verwaltungsrechtsweg sei dennoch nicht eröffnet, da keine unter § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO fallende öffentliche-rechtliche Streitigkeit vorliege. Zur "öffentlichen Gewalt" im Sinne des Art. 19 Abs. A GG, dem § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechnung trage, gehörten weder Akte der Rechtsprechung noch der Gesetzgebung, aber auch nicht Gnadenentscheidungen. Diese seien allerdings nicht der Rechtsprechung oder der Gesetzgebung zuzuordnen, sondern stellten sich als Entscheidungen eines obersten Staatsorgans dar, das nach seiner verfassungsrechtlichen Stellung der vollziehenden Gewalt zuzurechnen sei. Dem Bayerischen Ministerpräsidenten stehe das Recht zu, durch einen Gnadenerweis in die rechtsprechende Gewalt und zugleich auch in die gesetzgebende Gewalt einzugreifen. Dadurch, daß die Bayerische Verfassung das Begnadigungsrecht in dem geschichtlich überkommenen Sinn übernommen und auf ein Organ der Exekutive übertragen habe, habe sie die Gewaltenteilung modifiziert und im Bereich der Einzelbegnadigung dem Träger des Gnadenrechts eine Gestaltungsmacht besonderer Art verliehen. Das Gnadeninstitut könne daher nicht den Sicherungen, den Gewaltenverschränkungen und -balancierungen unterliegen, die eine rechtlich umfassende Kontrolle der Exekutive durch die Gerichte gewährleisten. Aus dem - insoweit mit der Bayerischen Verfassung übereinstimmenden - Normsystem des Grundgesetzes ergebe sich, daß Art. 19 Abs. 4 GG für Gnadenentscheidungen des Bayerischen Ministerpräsidenten nicht gelte. Der Gnadenakt beruhe auf einer ungeteilten, dem Ministerpräsidenten vorbehaltenen Staatsgewalt. Über das Begnadigungsrecht dürfe auch nicht - abgesehen von einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung - die Rechtsprechung verfügen. Ein Eingriff der Gnadenbehörde in die rechtsprechende Gewalt dürfe nicht von dieser Gewalt überprüft werden. Dazu stehe die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof nicht im Widerspruch. Diese Möglichkeit nach Art. 120 der Bayerischen Verfassung reiche weiter als Art. 19 Abs. 4 GG.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er beantragt, unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteilefestzustellen, daß der Bayerische Ministerpräsident 1972 gnadenweise den Verlust der Beamtenrechte des Klägers in vollem Umfang beseitigt hat,

hilfsweise,den Bayerischen Ministerpräsidenten zu verpflichten, seine Entschließung vom 15. Juli 1976 aufzuheben und gnadenweise den Verlust von Beamtenrechten des Klägers zu beseitigen,

hilfsweise,den Bayerischen Ministerpräsidenten zu verpflichten, über das Gnadengesuch vom 23. Januar 1976 erneut zu befinden.

Der Kläger rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

II.Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht den auf Feststellung gerichteten Hauptantrag des Klägers als unzulässig angesehen. Ferner hat es ohne Rechtsfehler die auf Verpflichtung zum Gnadenerweis bzw. zur Neubescheidung gerichteten Hilfsanträge als unzulässig angesehen.

1.Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist allerdings, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, gerichtliche Nachprüfbarkeit durch die Verwaltungsgerichte gegeben.

Rechtsgrundlage der Befugnis des Bayerischen Ministerpräsidenten zur Erteilung des behaupteten Gnadenerweises sind Art. 47 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern - BV - vom 2. Dezember 1946 (GVBl. S. 333 = BäyBS I S. 3; mit späteren Änderungen) und Art. 49 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes - BayBG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. November 1978 (GVBl. S. 831) in Verbindung mit Art. 84 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 28. Oktober 1946 (GVBl. S. 349 = BayBS III S. 256), und § 2 Nr. 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Ministerpräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts vom 220. September 1973 (GVBl. S. 508). Mit der Rechtsbehauptung, daß der Gnadenerweis bereits erteilt und somit die Beamtenrechte des Klägers bereits wiederhergestellt seien, zielt der Hauptantrag des Klägers auf die Feststellung, daß seitdem das Beamtenverhältnis wieder bestehe. Hierfür ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg und nach § 43 VwGO die Möglichkeit der Feststellungsklage gegeben, unabhängig davon, ob gegen die Versagung des Gnadenerweises gerichtlicher Rechtsschutz gegeben gewesen wäre.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Feststellungsantrag sei unzulässig, stelt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insoweit fehlt es schon an einem vor Klageerhebung konkretisierten streitigen Rechtsverhältnis, was eine nicht nachholbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist (vgl.Beschluß des erkennenden Senats vom 15. Februar 1982 - BVerwG 2 B 37.81 -). Der Kläger hat die Erteilung eines Gnadenerweises und die damit verbundene Wiederherstellung seiner Beamtenrechte erst im Verwaltungsstreitverfahren geltend gemacht. Es kommt daher nicht einmal darauf an, daß das durch § 126 Abs. 3 BRRG vorgeschriebene Vorverfahren hier nicht durch Erklärungen der obersten Dienstbehörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entbehrlich geworden ist (vgl. dazu BVerwGE 15, 306 [310]; 27, 141 [143]), übrigens dürfte sich aus dem eigenen Sachvortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen nicht ergeben, daß ein Gnadenerweis bereits erteilt ist. Nach der in den Tatsacheninstanzen übereinstimmenden Sachdarstellung der Beteiligten ist der behauptete Gnadenerweis weder dem Kläger von oder auf Veranlassung der Staatskanzlei bekanntgegen noch sonst "verkündet" worden. Der Sachvortrag des Klägers zielte wohl dahin, der Ministerpräsident sei intern zum Gnadenerweis entschlossen gewesen und habe diesen Entschluß Jeweils vor seiner verbindlichen Bekanntgabe wieder aufgegeben. Dies würde zur Annahme eines bereits rechtswirksam erteilten Gnadenerweises nicht ausreichen.

2.Die Ansicht des Berufungsgerichts, die auf Verpflichtung zum Gnadenerweis bzw. zur Neubescheidung gerichteten Hilfsanträge seien unzulässig, weil insoweit die Möglichkeit gerichtlicher Nachprüfung nicht gegeben sei, verstößt nicht gegen revisibles Recht.

a)Zur Entscheidung über die Frage, ob die angegriffene Ablehnung eines Gnadenerweises auf Wiederherstellung der Beamtenrechte gerichtlicher Nachprüfung unterliegt, sind die Verwaltungsgerichte berufen. Denn die Frage ist grundsätzlich von den Gerichten derjenigen Gerichtsbarkeit zu entscheiden, die im Falle der Nachprüfbarkeit für die Nachprüfung zuständig wäre (vgl. BVerwGE 49, 221). Dies sind hier die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil es sich im Fall der Nachprüfbarkeit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln würde, die keinem anderen Gericht bundesgesetzlich ausdrücklich zugewiesen ist.

Hiervon bleibt die Frage unberüht und bedarf daher keiner Erörterung, ob und inwieweit eine Nachprüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht in Betracht kommt. Die dargelegte Zuständigkeitsabgrenzung betrifft allein das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen Fachgerichtsbarkeiten.

b)Die Frage, ob und ggf. inwieweit die Ablehnung eines Gnadenerweises durch den Träger des Gnadenrechts gerichtlicher Nachprüfung unterliegt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Die Frage ist verneint worden durch den - mit Stimmengleichheit ergangenen - Beschluß des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1969 (BVerfGE 25, 352 [BVerfG 23.04.1969 - 2 BvR 552/63] [361 ff.]; vgl. auch BVerfGE 30, 108 [110]) und bereits durch das Urteil des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 1962 (BVerwGE 14, 73 [BVerwG 08.03.1962 - VIII C 185/60] [74 ff.]); in diesem Sinne vgl. ferner VGH Stuttgart (DÖV 1950, 377); OVG Münster (NJW 1953, 1240); OVG Hamburg (DVBl. 1961, 136); OLG München (JVBl. 1961, 291); OLG Oldenburg (MDR 1965, 221); OLG München (NJW 1977, 115 [Leitsatz]); O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung (1951), S. 26; K. Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt (1956), S. 91 f.; Köhler, VwGO (1960), § 42 A III 19; Ule, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2. Aufl. 1962), § 42 VwGO Anm. 6 b; J.-G. Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts (1976), S. 78 ff.; D. Merten, Rechtsstaatlichkeit und Gnade (1978), S. 80 ff.; Löwe-Rosenberg, StPO (23. Aufl. 1979), vor § 12 GVG RdNr. 23 f.; Loening, DVBl. 1951, 233 (234 f.); Scheuner, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift für Rudolf Smend (1952), S. 253 (287); van Husen, DVBl. 1953, 70 (72); Mattern, JZ 1954, 432 (435); Kaiser, NJW 1961, 200 (202) [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 214/59]; Mörtel, BayVBl. 1968, 81 und 124 (127); Seuffert in: Festschrift für Gebhard Müller (1970), 491 ff. (494 ff. und 498 ff.); Schätzler, NJW 1975, 1249. Entsprechend ist auch die inhaltliche Nachprüfbarkeit einer positiven Gnadenentscheidung verneint worden (vgl. OVG Koblenz [ZBR 1954, 279, 281]). Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts ist im Urteil vom 21. Juni 1977 zur lebenslangen Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76] [245 f.]) davon ausgegangen, die Begnadigung ergehe "in einem internen Verfahren, das keine justizförmigen Garantien kennt".

Für eine Bejahung der Frage - bei starker inhaltlicher Einschränkung der Nachprüfbarkeit - haben sich die vier dissentierenden Richter in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1969 augesprochen (BVerfGE 25, 352 [BVerfG 23.04.1969 - 2 BvR 552/63] [363 ff.]; vgl. auch BVerfGE 30, 108 [112]); in gleichem oder ähnlichem Sinne vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I (9. Aufl. 1974), § 46 III d (S. 379); O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht 2 der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Band II (1967), S. 138 ff.; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, RdNr. 27 zu Art. 19 Abs. 4; Redeker/von Oertzen, VwGO (7. Aufl. 1981), Anm. 60 zu § 42 VwGO; Eyermann/Fröhler, VwGO (8. Aufl. 1980), RdNr. 37 a zu § 42 VwGO; Schunck/de Clerk, VwGO (3. Aufl. 1977), Anm. 2 a) ff.) zu § 42 VwGO; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie (1973), S. 44 ff.; A. Maurer, Das Begnadigungsrecht im modernen Verfassungs- und Kriminalrecht (Frankfurt 1979), S. 95 f.; M. König, Grundrechtsbindung und gerichtliche Nachprüfung von Gnadenakten (Diss. Tübingen 1961), 173 ff.; Rüping in: Festschrift für Friedrich Schaffstein (1975), S. 31 (42 ff.); Dürig, JZ 1961, 166 [OVG Hamburg 23.09.1960 - Bf I 203/59] (Urteilsanmerkung); Müller, DVBl. 1963, 18; Maurer, JZ 1963, 27 [BVerwG 08.03.1962 - VIII C 185/60] und 1969, 739 (jeweils Urteilsanmerkung); Summer, ZBR 1965, 106 (108 f.); Menger/Erichsen, VerwArch. Bd. 57 (1966), 377 (383 f.), Bd. 59 (1968), 275 (284 ff.) und Bd. 61 (1970), 168 ff.; Gotthold NJW 1968, 1223 f.; Maurer, JZ 1969, 739 (740 ff.); Knemeyer, DÖV 1970, 121; Trautmann, MDR 1971, 173 (175 ff.); Frotscher, DÖV 1971, 259 (261); Erichsen VerwArch. Bd. 62 (1971), 409 f.; Bettermann, AöR Bd. 96 (1971), 528 (537 ff.); Brandt, DVBl. 1973, 349 (351); Petersen, JuS 1974, 502 (504 f.); v. Olshausen, JZ 1974, 440; Kauther, Verwaltungsrundschau 1978, 193 (197 f.).

c)Es bedarf keiner abschließenden Erörterung, inwieweit die das Berufungsurteil tragende Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Ablehnung des vom Kläger begehrten Gnadenerweises durch den Träger des Gnadenrechts keiner fachgerichtlichen Nachprüfung unterliege, auch auf der Auslegung nicht revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG) beruhen sollte. In der Sache folgt der erkennende Senat jedenfalls dieser Ansicht, im Ergebnis übereinstimmend mit dem Urteil des 8. Senats vom 8. März 1962 (BVerwGE 14, 73 [BVerwG 08.03.1962 - VIII C 185/60]).

Für diese Ansicht des Senats sind in erster Linie die den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 25, 352 [BVerfG 23.04.1969 - 2 BvR 552/63] [358, 361 ff.]) tragenden Erwägungen maßgebend: Art. 60 Abs. 2 GG und - soweit hier revisionsgerichtlich nachzuprüfen - Art. 47 Abs. 4 Satz 1 BV, Art. 49 Abs. 1 BayBG begründen eine dem Amte des Trägers des Begnadigungsrechts eigene Befugnis zu einem Eingriff der Exekutive in die rechtsprechende Gewalt - hier in gesetzlich angeordnete weitere Folgen einer Entscheidung der rechtsprechenden Gewalt -, wie er sonst dem Grundsatz der Gewaltenteilung fremd ist. Das Grundgesetz und, mit ihm darin übereinstimmend, die Bayerische Verfassung haben jedoch dadurch, daß sie das Begnadigungsrecht in dem geschichtlich überkommenen Sinn übernommen und auf ein Organ der Exekutive übertragen haben, die sonst angeordnete Gewaltenteilung modifiziert und dem Träger des Gnadenrechts eine Gestaltungsmacht besonderer Art verliehen. Das Gnadeninstitut kann daher nicht den Sicherungen, den Gewaltenverschränkungen und -balancierungen unterliegen, die gewährleisten sollen, daß Übergriffe der Exekutive durch Anrufung der Gerichte abgewehrt werden können. Aus dem System und dem Gesamtgefüge des Grundgesetzes ergibt sich, daß Art. 19 Abs. 4 GG für Gnadenentscheidungen im Sinne des Art. 60 GG und diesem entsprechenden Landesrechts nicht gilt, und daß ebenso wie positive Gnadenakte auch ablehnende Gnadenentscheidungen einer gerichtlichen Nachprüfung - damit auch einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO - nicht unterliegen; etwaige Mißbräuche bei der Handhabung des Gnadenrechts sind der politischen Verantwortlichkeit der Verfassungsorgane überantwortet.

Dieses Ergebnis entspricht der Eigenart des Gnadenrechts auch insoweit, als es hinsichtlich des Inhalts der Gnadenentscheidung an Rechten des Betroffenen, die durch eine Ablehnung verletzt werden könnten, und überhaupt an inhaltlichen Maßstäben für eine sinnvolle gerichtliche Nachprüfung fehlt (vgl. BVerfGE 25, 352 [BVerfG 23.04.1969 - 2 BvR 552/63] [363]). Dam geltenden Recht sind weder Voraussetzungen zu entnehmen, unter denen der Gnadenträger einen Betroffenen begnadigen muß, noch Zwecke oder Gesichtspunkte, an denen er seine Entscheidung - wie z.B. die Verwaltungsbehörden im Falle einer Ermessensentscheidung - zu orientieren hat. Auch der Gnadenträger selbst würde der Besonderheit des Rechtsinstitutes nicht gerecht, wenn er Voraussetzungen, Zwecke oder Gesichtspunkte der genannten Art aufstellen und sich daran binden würde, etwa durch Bekanntgabe inhaltlicher Richtlinien oder durch eine vom Einzelfall sich lösende, gleichmäßige Praxis. Dies liefe auf eine Korrektur der vom Gesetzgeber gesetzten Rechtslage hinaus, die in diesem Grade schwerlich durch die vom Verfassungsgeber vorgenommene Durchbrechung des Systems der Gewaltenteilung gedeckt wäre (vgl. Bettermann, AöR Bd. 96 [1971], 528 [539 f.]; Merten, a.a.O. [S. 75 ff.]; vgl. auch BVerfGE 45, 187 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76] [245], wonach die Aufgabe, die gesetzlich vorgesehene lebenslange Freiheitsstrafe in weitem Umfang im Wege einer Prognoseentscheidung über die Gefährlichkeit des Täters zu überprüfen, schlechterdings nicht Sache des Gnadenträgers sein kann).

Eine sinnvolle gerichtliche Nachprüfung wäre auch kaum damit zu vereinbaren, daß nach der überkommenen, von den Verfassungsgebern übernommenen Ausgestaltung des Gnadenrechts die Gewährung oder Nichtgewährung von Gnade keiner Begründung bedarf. Dies steht im Einklang mit der dargelegten inhaltlichen Eigenart des Gnadenrechts. Das Bewenden bei dem rechtskräftigen Urteil und seinen gesetzlichen Folgen ist die Regel, und an allgemein gültigen Gesichtspunkten für die Gewährung von Gnade fehlt es gerade. Daher wäre die Nichtgewährung regelmäßig kaum einer weitergehenden Begründung zugänglich als dem pauschalen Hinweis, der Gnadenträger sehe keinen Anlaß für einen Gnadenerweis.

Die angegriffene Ablehnung eines Gnadenerweises unterliegt auch nicht insoweit der gerichtlichen Nachprüfung, als der Kläger geltend macht, der Ministerpräsident habe ihm den Gnadenakt 1972 mündlich zugesagt. Der Träger des Gnadenrechts begibt sich seiner gerichtlich nicht nachzuprüfenden Entscheidungsfreiheit erst dadurch, daß er einen Gnadenerweis erteilt und dadurch die Wirkung des gegen den Betroffenen ergangenen Urteils umgestaltet (vgl. BVerfGE 30, 108 [110 f.]). Das wäre auch durch die behauptete mündliche Zusage noch nicht geschehen.

d)Keiner Erörterung bedarf die vom 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichtsim Urteil vom 22. Juni 1976 - BVerwG 1 C 17.71 - (Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 158 = DVBl. 1977, 186) bejahte Frage, ob die - im dort entschiedenen Fall nicht revisible - Gnadenrechtsregelung eines Landes ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Ablehnung eines Gnadengesuches als gerichtlich nachprüfbaren Akt ausgestalten bzw. ob sie in diesem Sinne ausgelegt werden kann. Denn im vorliegenden Falle ist sowohl nach der Ansicht des Berufungsgerichts als auch - soweit Revisibilität gegeben sein sollte - nach der Ansicht des erkennenden Senats das Landesrecht nicht in diesem Sinne auszulegen.

3.Die Aufklärungsrüge der Revision, das Berufungsgericht habe die näher benannten Zeugen sowie den Kläger als Partei für seine Darstellung über die Einleitung des Verfahrens zur gnadenweisen Wiederherstellung der Beamtenrechte hören müssen, greift nicht durch. Auf diese Darstellung kam es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit - die übrigens mit der vorstehend dargelegten Auffassung im Ergebnis übereinstimmt - nicht an. Die verfahrensrechtliche Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) gebietet dem Tatrichter nur, solche Umstände aufzuklären, auf die es nach seiner eigenen inhaltlichen Rechtsauffassung, die er seinem Urteil zugrunde legt, ankommt; ob diese seine Auffassung zutrifft, ist keine Frage der Aufklärungspflicht, sondern des anzuwendenden inhaltlichen Rechts (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; u.a.Urteil vom 6. Dezember 1966 - BVerwG 2 C 4.65 - [Buchholz 232 § 125 BBG Nr. 18];Beschluß vom 9. November 1972 - BVerwG 2 CB 30.72 - [Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 96]).

4.Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.