Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 06.11.1996, Az.: 4 B 213/96
Entscheidungsgründe
Die Klägerin ist Eigentümerin eines in einem Mischgebiet gelegenen Wohnhauses. Im vorliegenden Verfahren begehrt sie die baurechtliche Genehmigung für die Nutzungsänderung von zwei Wohnungen für Bürozwecke. Die Zweckentfremdungsgenehmigung für diese Nutzungsänderung ist ihr bereits rechtskräftig versagt worden (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1995 - BVerwG 8 B 129.95 -). Aus diesem Grunde lehnte die Beklagte auch den Bauantrag der Klägerin ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 HBO 1993 für die Erteilung einer Baugenehmigung als nicht gegeben angesehen, weil die vorgreifliche wohnungswirtschaftliche Genehmigung nicht erteilt worden sei.
Die sinngemäß auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist teilweise bereits unzulässig und im übrigen zumindest unbegründet. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
Mit ihrer Frage, ob die (hessische) Zweckentfremdungsverordnung verfassungsmäßig sei, formuliert die Beschwerde keine Frage, die im Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Revisibles Recht wird mit ihr nämlich nur insoweit berührt, wie die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerde aus Art. 14 GGhergeleitet werden. Zu dieser Grundrechtsnorm wirft sie jedoch keine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage auf. Daß Eigentumsbeschränkungen durch Gesetz oder durch eine auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende Rechtsverordnung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich zulässig sind, entspricht allgemeiner Auffassung. Zu Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Mietrechtsverbesserungsgesetzes vom 4. November 1971 (BGBl I S. 1745) - MRVerbG -, auf dem die Zweckentfremdungsverordnung beruht, hat das Bundesverfassungsgericht dies bereits ausdrücklich entschieden (Beschluß vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74 - BVerfGE 38, 348 (370 f) [BVerfG 04.02.1975 - 2 BvL 5/74]; vgl. auch Beschluß vom 2. Dezember 1980 - 1 BvR 437/78 - BVerfGE 55, 249). Zu weitergehenden Überlegungen gibt der Inhalt der Beschwerdebegründung keinen Anlaß.
Nicht klärungsbedürftig ist, daß das Zweckentfremdungsverbot dem materiellen Baurecht vorgeht, wenn dieses sowohl eine Wohn- als auch eine gewerbliche Nutzung zuläßt. Art. 6 MRVerbG bezweckt die Erhaltung vorhandenen Wohnraums im Interesse einer ausreichenden Wohnraumversorgung der Bevölkerung. Das für diesen Zweck in der Vorschrift geschaffene Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum wäre überflüssig, wenn es nur dort einsetzbar wäre, wo ohnehin nur eine Wohnnutzung zulässig ist. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Wirkung kann das Zweckentfremdungsverbot vielmehr nur dort entfalten, wo andernfalls nach materiellem Baurecht, insbesondere nach den Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung, auch eine andere Nutzung zulässig wäre. Übrigens trifft dies nicht nur für Mischgebiete, sondern für praktisch sämtliche Baugebiete zu; selbst im Wohngebiet sind andere als Wohnnutzungen zulässig, wie das Berufungsgericht zutreffend unter Hinweis auf § 3 und § 4 BauNVO ausgeführt hat. Daraus folgt zugleich, daß auch die Umwandlung von Wohnungen in nach § 13 BauNVO planungsrechtlich zulässige Büros für freiberuflich Tätige dem Zweckentfremdungsrecht unterliegt.
Im übrigen richtet sich das Verhältnis von Baugenehmigung und Zweckentfremdungsgenehmigung nach dem irrevisiblen Landesrecht (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 216.95 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 53 - DVBl 1996, 57[BVerwG 25.10.1995 - 4 B 216/95]). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen den einschlägigen § 70 Abs. 1 Satz 1 HBO im Sinne der sogenannten Schlußpunkttheorie dahin gehend ausgelegt, daß die Erteilung einer Baugenehmigung bei zweckentfremdungsrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit auch von der vorherigen wohnungswirtschaftlichen Ausnahmegenehmigung abhängig sei. Diese Auslegung des Landesrechts steht im Einklang mit dem Bundesrecht. Selbst bei einem anderen Verständnis des Landesrechts würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Denn auch wenn das Vorliegen der Zweckentfremdungsgenehmigung im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen wäre, wäre die Versagung der beantragten Nutzungsänderungsgenehmigung hier nicht zu beanstanden, weil nach der rechtskräftigen Ablehnung des Antrages auf Erteilung der wohnungswirtschaftlichen Genehmigung kein Sachbescheidungsinteresse für den Bauantrag bestehen würde.
Soweit die Beschwerde mangelhafte Sachaufklärung rügt, genügt sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes. Sie legt nämlich nicht dar, daß die Klägerin gegenüber dem Berufungsgericht einen Beweisantrag gestellt habe; das ist auch tatsächlich nicht geschehen. Einem Tatsachengericht muß sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme, die eine - zudem anwaltlich vertretene - Partei selbst nicht für erforderlich gehalten hat, grundsätzlich nicht als notwendig aufdrängen. Darüber hinaus kam es aus der Sicht des Berufungsgerichts auf die Frage, ob die Zweckentfremdungsgenehmigung aus den in der Beschwerde vorgetragenen Gründen zu erteilen sei, nicht mehr an, weil sie in dem vorangegangenen Verfahren bereits rechtskräftig versagt worden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der sich aus dem Klagantrag für die Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen. Die Klägerin begehrt die streitige Baugenehmigung, um die beiden Wohnungen als Büroräume vermieten zu können. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitwertes ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an dieser Nutzungsänderung. Dieses mag bei einem Neubau auf der Grundlage eines Bruchteils der Rohbaukosten geschätzt werden können. Bei einer Nutzungsänderung ohne ins Gewicht fallende Umbaukosten erscheint dagegen eine sich an den Baukosten oder am Neubauwert orientierende Schätzung als nicht angemessen. Der Senat folgt deshalb dem Vorschlag des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 1996 - (NVwZ 1996, 563), der bei Nutzungsänderungen den angestrebten Jahresnutzwert ansetzt (7.1.7 des Streitwertkatalogs). Mangels Angaben der Beteiligten geht der Senat von einer gewerblichen Monatsmiete von 30 DM/qm aus. Daraus errechnet sich bei zwei Wohnungen von je 134 qm Größe ein Jahresmietwert von 96 480 DM.