Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 16.03.1995, Az.: 4 C 3/94
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. November 1993 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der SchluÃentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe
I.Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für eine groÃflächige Werbetafel (2,70 m à 3,70 m) für wechselnde Plakatwerbung an der Seitenwand des Hauses BahnhofstraÃe 11 in Wedel. Das Grundstück BahnhofstraÃe 11 liegt im Geltungsbereich des im Jahre 1984 bekanntgemachten Bebauungsplans Nr. 4 "Stadtzentrum" der Beklagten. Es ist als Kerngebiet festgesetzt. Nr. 3.3 der textlichen Festsetzungen enthält unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 4 BBauG, § 82 LBO Beschränkungen für Werbeanlagen und erklärt Anlagen der Fremdwerbung generell für unzulässig. In dem beplanten Abschnitt der BahnhofstraÃe befinden sich Gebäude mit Läden und das Rathaus. Vor den Geschäften auf den Grundstücken BahnhofstraÃe 9 und 11 stehen zehn Vitrinen von je 1,50 m Länge, 0,50 m Breite und 1,20 m Höhe, die diesen Geschäften, aber auch anderen Interessenten dienen.
Die Beklagte lehnte den Bauantrag der Klägerin ab, weil das Vorhaben dem Bebauungsplan widerspreche; eine Befreiung könne nicht erteilt werden. Den Widerspruch der Klägerin wies der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, das Verbot jeglicher Fremdwerbung in einem Kerngebiet sei unzulässig. Das generelle Verbot der Fremdwerbung werde durch die Ermächtigungsgrundlage des § 82 Abs. 1 Nr. 2 LBO nicht gedeckt. Sie werde in ihren Rechten aus Art. 14 GG und in ihrer Gewerbefreiheit beeinträchtigt.
Nach einer Ortsbesichtigung durch die Berichterstatterin hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Werbetafel sei mit der textlichen Festsetzung Nr. 3.3 des Bebauungsplans nicht vereinbar. Diese sei wirksam, weil der fragliche Bereich zum besonders schutzwürdigen, gewachsenen Stadtkern gehöre.
Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat sich dabei allerdings nicht auf die textliche Festsetzung Nr. 3.3 des Bebauungsplans gestützt, sondern den Ausschluà von Anlagen der Fremdwerbung mangels einer Begründung als abwägungsfehlerhaft angesehen. Die Verweigerung der Baugenehmigung hat es gleichwohl für rechtmäÃig gehalten, weil die Werbetafel wegen ihrer GröÃe der Eigenart des Baugebiets widerspreche (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Deshalb könne offenbleiben, ob die Werbetafel auch bauordnungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der verunstaltenden Wirkung (§§ 12, 13 LBO) unzulässig sei. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäà § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die bauplanungsrechtliche Beurteilung von städtebaulich relevanten Werbeanlagen durch die beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1992 - BVerwG 4 C 27.91 und BVerwG 4 C 26.91 - noch nicht abschlieÃend geklärt sei, hierfür jedoch ein Bedürfnis bestehe.
Mit der Revision begehrt die Klägerin weiterhin, die Beklagte zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten. Die streitige Werbeanlage verstoÃe nicht wegen ihrer GröÃe gegen § 15 Abs. 1 BauNVO. Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie hält das Berufungsurteil im Ergebnis für richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Bauantrag der Klägerin sei auf der Grundlage der wirksamen Festsetzungen des Bebauungsplans zu Recht abgelehnt worden.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er führt aus, es begegne keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht auf Grund der im Rahmen einer Ortsbesichtigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Zulässigkeit der Werbeanlage nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verneint habe. Diese Vorschrift ermögliche es viel besser als das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot, die städtebaulichen Auswirkungen von groÃflächigen Werbeanlagen zu regeln.
II.Die Revision ist zulässig. An die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist der Senat gemäà § 132 Abs. 3 VwGO gebunden. Es kann deshalb auf sich beruhen, ob das Berufungsgericht eine die Zulassung rechtfertigende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert hat und ob es, indem es die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Werbetafel offengelassen hat, seiner Aufgabe gerecht geworden ist, zur Vermeidung unnötiger Rechtsmittel naheliegende tatsächliche Fragen zu klären (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - BVerwG 4 C 11.93 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 96).
Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Da eine abschlieÃende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen erfordert, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Nach den auf der Anwendung irrevisiblen Bauordnungsrechts beruhenden Ausführungen des Berufungsgerichts bedarf die Anbringung der 2,70 m à 3,70 m groÃen Werbetafel für wechselnde Plakatwerbung an der Seitenwand des Hauses BahnhofstraÃe 11 in Wedel einer Baugenehmigung. Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit der Werbetafel ist nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts unter anderem ihre Ãbereinstimmung mit dem Bauplanungsrecht, weil sie die Voraussetzungen des § 29 Satz 1 BauGB erfüllt. Es handelt sich um eine Anlage, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist und städtebauliche Relevanz besitzt (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - BVerwG 4 C 27.91 - BVerwGE 91, 234, 236 f.) [BVerwG 03.12.1992 - 4 C 27/91]. Auf welche Weise die Werbetafel mit dem Erdboden verbunden ist, ist unerheblich; auch eine mittelbare Verbindung durch Befestigung an einer Hauswand genügt (so zutreffend bereits OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Dezember 1986 - 6 A 112/85 - BRS 46 Nr. 132).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts setzt der Bebauungsplan Nr. 4 "Stadtzentrum" der Beklagten das Grundstück, auf dem die streitige Werbetafel errichtet werden soll, als Kerngebiet fest. Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daà der durch textliche Festsetzung vorgenommene Ausschluà von Anlagen der Fremdwerbung unwirksam sei. Da die Klägerin hierdurch nicht beschwert wird, ist zugunsten der Klägerin zunächst von dieser Annahme auszugehen. Auf dieser Grundlage ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daà die streitige Werbetafel bauplanungsrechtlich ihrer Art nach auf dem Baugrundstück grundsätzlich zulässig ist. Sie stellt nämlich als Anlage der Fremdwerbung eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O.). Sofern der Bebauungsplan keine wirksamen Festsetzungen enthält, die etwas Abweichendes bestimmen, schlieÃt die Festsetzung eines Kerngebiets die Zulassung von Anlagen der Fremdwerbung mit ein (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO).
Das Berufungsgericht ist der Rechtsauffassung, die streitige Werbetafel sei hier gleichwohl unzulässig, weil sie im Hinblick auf ihre GröÃe wegen des MaÃes der baulichen Nutzung dem Gebietscharakter widerspreche und damit gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstoÃe. Diese Auffassung ist mit Bundes- recht nicht vereinbar. Dem Berufungsgericht ist lediglich darin zu folgen, daà auch Anlagen der Fremdwerbung, die in einem bestimmten Baugebiet ihrer Art nach grundsätzlich zulässig sind, unter dem Vorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO stehen und deshalb im Einzelfall unzulässig sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O., S. 240). Die vom Berufungsgericht für das Vorliegen eines VerstoÃes gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gegebene Begründung rechtfertigt seine Beurteilung jedoch nicht.
a. Auszugehen ist von § 30 Abs. 1 BauGB; danach ist im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans ein Vorhaben zulässig, wenn es seinen Festsetzungen nicht widerspricht (und die ErschlieÃung gesichert ist). Das Berufungsgericht legt zwar dar, daà sich im Bebauungsplan Nr. 4 keinerlei Regelung für das Maà der von der Klägerin geplanten Nutzung finde. Es will damit aber erkennbar nicht in Abrede stellen, daà der Bebauungsplan Festsetzungen über das Maà der baulichen Nutzung enthält und deshalb nach § 30 Abs. 1 BauGB (nicht etwa insoweit nach § 30 Abs. 2 BauGB) zu beurteilen ist; gemeint ist nur, daà Werbetafeln einer Beurteilung nach den üblichen MaÃfestsetzungen - wie GRZ, GFZ oder Anzahl der Vollgeschosse - praktisch entzogen seien. Das führt jedoch nicht dazu, daà Werbeanlagen nur dann zulässig sind, wenn im Baugebiet bereits - wie das Berufungsgericht ausführt - nach Zweckbestimmung (Eigen- oder Fremdwerbung) und GröÃe vergleichbare Werbeanlagen vorhanden sind. Vielmehr folgt aus dem Fehlen von MaÃfestsetzungen, die der Zulassung einer baulichen Anlage entgegenstehen, daà diese (auch) nach dem Maà ihrer baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig ist, weil sie insoweit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht. Erst wenn die grundsätzliche Zulässigkeit bejaht ist, kann sich die Frage stellen, ob sich ausnahmsweise etwas anderes aus § 15 Abs. 1 BauNVO ergibt.
Das Berufungsgericht hat diesen ersten Prüfungsschritt übersprungen. Es hat nicht beachtet, daà auf dem Grundstück der Klägerin Werbetafeln (auch) im Hinblick auf das Maà der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig sind, weil der Bebauungsplan Nr. 4 der Beklagten keine entgegenstehenden Festsetzungen enthält. Indem es das zulässige Maà unmittelbar nach § 15 Abs. 1 BauNVO bestimmt, berücksichtigt es den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift nicht.
b. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht verkannt, daà § 15 Abs. 1 BauNVO im Hinblick auf das im Bebauungsplan festgesetzte Maà der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht anwendbar ist.
Allerdings ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung die Eigenart eines einzelnen Baugebiets nicht allein aus den typisierenden Regelungen der Baunutzungsverordnung. Die Eigenart eines in einem Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets läÃt sich vielmehr abschlieÃend erst bestimmen, wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in die ein Gebiet "hineingeplant" ist, und der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988 - BVerwG 4 C 34.86 - BVerwGE 79, 309, 314) [BVerwG 04.05.1988 - 4 C 34/86]. Damit wird aber nicht in Frage gestellt, daà es in § 15 BauNVO um die Art der baulichen Nutzung geht. Die Vorschrift befindet sich in dem Abschnitt der Baunutzungsverordnung, in dem die Art der baulichen Nutzung geregelt wird; sein Absatz 1 Satz 1 bezieht sich auf die in den §§ 2 bis 14 BauNVO ihrer Art nach geregelten baulichen Anlagen und ergänzt diese Vorschriften (Förster, BauNVO, 3. Aufl. 1978, § 15 Anm. 1). Zur Ergänzung des im Bebauungsplan festgesetzten MaÃes der baulichen Nutzung kann § 15 BauNVO grundsätzlich nicht dienen (vgl. Boeddinghaus/Dieckmann, BauNVO, 3. Aufl. 1995, § 15 Rn. 6). Hat die bisher im Baugebiet vorhandene Bebauung die MaÃfestsetzungen nicht voll ausgeschöpft, so verstöÃt ein Bauvorhaben, welches das festgesetzte Maà ausnutzt, nicht gegen § 15 BauNVO (so auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 7. Aufl. 1992, § 15 Rn. 8; Rist, BauNVO 1990, 2. Aufl. 1991, § 15 Anm. 1; Upmeier, in: Hoppenberg, Handbuch des öffentlichen Baurechts, 1994, Teil A Rn. 412; Hess. VGH, Beschluà vom 13. August 1982 - III TG 24/82 - BRS 39 Nr. 53).
Gegen die Auffassung, daà § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO grundsätzlich nur für die Art der baulichen Nutzung gilt, spricht nicht, daà nach seinem Wortlaut eine bauliche Anlage der Eigenart des Baugebiets auch nach ihrem Umfang widersprechen kann. Zwar hat auch der erkennende Senat angenommen, daà eine bauliche Anlage wegen ihrer GröÃe gemäà § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein kann (BVerwG, Urteil vom 5. August 1983 - BVerwG 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334, 340 [BVerwG 05.08.1983 - 4 C 96/79]; Urteil vom 3. Februar 1984 - BVerwG 4 C 17.82 - BVerwGE 68, 369, 376 [BVerwG 03.02.1984 - 4 C 17/82]; Beschluà vom 22. November 1984 - BVerwG 4 B 244.84 - BRS 42 Nr. 206; Urteil vom 4. Mai 1988, a.a.O., S. 313; Beschluà vom 29. Juli 1991 - BVerwG 4 B 40.91 - BRS 52 Nr. 56; ebenso Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 15 BauNVO Rn. 23, 25, 27 a; Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 Rn. 8, 10.2; Förster, a.a.O., § 15 Anm. 3. a. cc; Knaup/Stange, BauNVO, 7. Aufl. 1983, § 15 Anm. II. 1. b. aa, c. cc; Upmeier, a.a.O., Rn. 417). Das bedeutet aber nicht, daà § 15 BauNVO auch die MaÃfestsetzungen ergänzt. Wenn § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bestimmt, daà ein Vorhaben im Einzelfall auch unzulässig ist, wenn es wegen seines Umfangs der Eigenart eines bestimmten Baugebiets widerspricht, so geht die Vorschrift vielmehr davon aus, daà im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, daà also die GröÃe einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein nach Art und Maà der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässiger Gewerbebetrieb wegen seiner BetriebsgröÃe der Eigenart eines bestimmten Baugebiets widerspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988, a.a.O.), wenn eine besonders groÃe Vergnügungsstätte den Charakter des Gebiets verändert (vgl. BVerwG, Beschluà vom 29. Juli 1991, a.a.O.) oder wenn ein Warenhaus wegen seiner GröÃe die Verkehrsverhältnisse des Baugebiets nachhaltig beeinfluÃt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984, a.a.O., BVerwGE 68, 369, 376 f.) [BVerwG 03.02.1984 - 4 C 17/82]. Ob ein Gebäude dagegen ausnahmsweise auch wegen seiner Höhe nach § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein kann, wie der Senat erwogen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 1983, a.a.O., BVerwGE 67, 334, 340 [BVerwG 05.08.1983 - 4 C 96/79]; Beschluà vom 22. November 1984, a.a.O.), ist zweifelhaft, bedarf hier jedoch keiner abschlieÃenden Prüfung.
c. Selbst wenn man aber annehmen wollte, daà eine bauliche Anlage wegen ihrer GröÃe "nach Umfang" der Eigenart eines Baugebiets widersprechen kann, so ist dies jedenfalls nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bei der hier streitigen Werbetafel nicht der Fall. Das Berufungsgericht führt zunächst - insoweit zutreffend - aus, daà ein Verstoà gegen § 15 BauNVO mehr voraussetze als ein fehlendes "Einfügen" oder "nicht im Einklang stehen". Den Verstoà gegen § 15 BauNVO nimmt es dann aber allein deshalb an, weil die Werbetafel erheblich gröÃer sei als die anderen vorhandenen Werbeanlagen und weil es sich zudem um eine Werbeanlage ohne Bezug zu den umgebenden gewerblichen Nutzungen handele. Diese Begründung ist jedoch nicht einmal geeignet, ein Nichteinfügen nach dem Maà der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB darzutun. Bei der Beurteilung, ob sich eine groÃflächige Werbetafel nach dem Maà ihrer baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, sind nicht nur Werbeanlagen, sondern alle vorhandenen baulichen Anlagen, insbesondere auch Gebäude, zu berücksichtigen. Der Fremdwerbung dienende Anlagen der AuÃenwerbung fügen sich deshalb nach dem Maà der baulichen Nutzung ein, wenn sie die bei den vorhandenen Gebäuden üblichen MaÃe einhalten und wenn sich auch ihre FlächengröÃe im Rahmen der FlächengröÃe der in der näheren Umgebung vorhandenen Bauteile anderer baulicher Anlagen hält (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 -). Das ist hier der Fall. Soweit sich ein Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügen würde, kann es jedoch nicht nach § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein. Anhaltspunkte dafür, daà die streitige Werbetafel in anderer Weise - etwa wegen ihrer Zweckbestimmung - nicht mit § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vereinbar sein könnte, lassen sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Berufungsurteils nicht entnehmen.
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Zwar verletzt die Begründung des Berufungsgerichts, mit der es das Verbot der Fremdwerbung in Nr. 3.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Stadtzentrum" für unwirksam und die streitige Werbetafel deshalb als nicht durch sie ausgeschlossen ansieht, ebenfalls Bundesrecht. Das Revisionsgericht kann seine Entscheidung jedoch nicht auf dieses Fremdwerbungsverbot stützen. Denn die Gültigkeit dieser Festsetzung richtet sich weitgehend nach dem schleswig-holsteinischen Landesrecht. Dessen Prüfung ist in erster Linie Aufgabe des Berufungsgerichts. Von der Möglichkeit, gemäà § 565 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ausnahmsweise auch über dieses irrevisible Recht zu entscheiden, macht der Senat keinen Gebrauch, weil die Entscheidung auch von tatsächlichen Würdigungen abhängt, die vorzunehmen Sache des Tatsachengerichts ist.
a. Das Berufungsgericht hält das Verbot der Fremdwerbung durch die auf § 9 Abs. 4 BBauG, § 82 LBO (1983) beruhende textliche Festsetzung Nr. 3.3 des Bebauungsplans für unwirksam, weil es gegen das Abwägungsverbot des § 1 Abs. 6 BauGB verstoÃe. Wegen der Frage des Ausschlusses der Fremdwerbung habe nämlich die erforderliche Abwägung auch nicht ansatzweise stattgefunden. Dies ergebe sich aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen. Der Begründung des Bebauungsplans seien keinerlei Erwägungen zur Fremdwerbung zu entnehmen.
Mit dieser Begründung verkennt das Berufungsgericht, daà Festsetzungen nach § 9 Abs. 4 BBauG/BauGB grundsätzlich nicht dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BBauG/§ 1 Abs. 6 BauGB unterliegen. Zwar können die Länder gemäà § 9 Abs. 4 BBauG/BauGB bestimmen, daà auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können; sie können auch bestimmen, inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften des BBauG/BauGB Anwendung finden. Die Aufnahme in den Bebauungsplan läÃt jedoch den landesrechtlichen Charakter dieser Regelungen als Normen des Bauordnungsrechts unberührt (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - BVerwG 4 C 22.92 - Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 52). Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für Festsetzungen nach § 9 Abs. 4 BBauG/BauGB ist allein das Landesrecht. Sofern durch landesrechtliche Rechtsvorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist, richtet sich deshalb der zulässige Inhalt dieser Festsetzungen nicht nach den Vorschriften des BBauG/BauGB; das gilt auch für das planungsrechtliche Abwägungsgebot.
Indem § 9 Abs. 4 BBauG/BauGB den Ländern gestattet zu bestimmen, inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften des BBauG/BauGB Anwendung finden, läÃt er allerdings auch zu, daà das Landesrecht das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BBauG/§ 1 Abs. 6 BauGB beim Erlaà örtlicher Bauvorschriften für anwendbar erklärt. Den Ausführungen des Berufungsgerichts kann jedoch nicht entnommen werden, daà dies in Schleswig-Holstein geschehen sei. Vielmehr ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 92 Abs. 4 Satz 2 LBO 1994, daà für auf seiner Rechtsgrundlage getroffene Festsetzungen nach § 9 Abs. 4 BauGB nur die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs (und des BauGB-MaÃnG) entsprechend gelten. Erst recht erklärt die hier noch anzuwendende Vorschrift des § 82 Abs. 4 LBO 1983 nicht auch § 1 Abs. 7 BBauG für anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urteil vom 14. September 1990 - 1 C 12/88 - BRS 50 Nr. 11) hat die Verweisung (nur) auf § 12 BBauG in § 82 Abs. 4 Satz 2 LBO 1983 zwar lediglich klarstellende Bedeutung; aber auch nach seiner Rechtsauffassung ist die Anwendbarkeit des Bundesbaugesetzes jedenfalls auf seine Verfahrensvorschriften beschränkt. Zu ihnen gehört die materiell-rechtliche Vorschrift des § 1 Abs. 7 BBauG nicht. In der unzutreffenden Anwendung dieser bundesrechtlichen Norm liegt eine Verletzung von Bundesrecht.
Mit Bundesrecht nicht vereinbar wäre die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, nach der die Festsetzung des Fremdwerbungsverbotes wegen fehlender Begründung gegen das planungsrechtliche Abwägungsverbot verstoÃe, im übrigen auch dann, wenn die bundesrechtliche Norm des § 1 Abs. 7 BBauG anwendbar wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt weder aus § 9 Abs. 8 BBauG/BauBG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip eine förmliche Begründungspflicht für die Aufnahme gestalterischer Festsetzungen in einen Bebauungsplan (BVerwG, Beschluà vom 3. November 1992 - BVerwG 4 NB 28.92 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 57 - ZfBR 1993, 89). Darüber hinaus hat das seinerzeit zur Auslegung des schleswig-holsteinischen Landesrechts zuständige Oberverwaltungsgericht Lüneburg bereits entschieden, daà örtliche Bauvorschriften zu ihrer Wirksamkeit keiner Begründung bedürften und daà die Satzungsunterlagen den Abwägungsvorgang nicht erkennen lassen müÃten (OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Februar 1982 - 1 A 231/80 - BRS 39 Nr. 132). Selbst die Begründungspflicht nach § 9 Abs. 8 BBauG/BauGB ist auf die Pflicht zur Begründung der zentralen Regelungen des Bebauungsplans beschränkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1971 - BVerwG 4 C 76.68 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7). Zu den zentralen Regelungen des Bebauungsplans "Stadtzentrum" der Beklagten gehört der Ausschluà der Fremdwerbung jedoch nicht. Wenn aber insoweit keine Begründungspflicht bestand, so folgt allein aus dem Fehlen einer Begründung kein Fehler im Abwägungsvorgang. Wäre Bundesrecht anwendbar, so wäre ferner auch § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB zu beachten. Ein offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang setzt voraus, daà konkrete Umstände auf einen solchen Mangel hindeuten; er liegt nicht schon dann vor, wenn Planbegründung und Aufstellungsvorgänge keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, daà sich der Plangeber mit bestimmten Umständen abwägend befaÃt hat (BVerwG, Beschluà vom 29. Januar 1992 - BVerwG 4 NB 22.90 - Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 6). Danach wäre auch nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB ein beachtlicher Fehler im Abwägungsvorgang zu verneinen, weil das Berufungsgericht allein aus dem Fehlen einer Begründung für den Ausschluà der Fremdwerbung auf einen Abwägungsfehler geschlossen hat.
b. Denkbar ist allerdings, daà der Ausschluà der Fremdwerbung aus anderen Gründen unwirksam ist. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob das Fremdwerbungsverbot mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daà der Senat zwar in seinem Urteil vom 28. April 1972 - BVerwG 4 C 11.69 - (BVerwGE 40, 94) entschieden hat, daà das generalisierende Verbot bestimmter Werbeanlagen in bestimmten Baugebieten eine Entsprechung in einem Mindestmaà an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters finden müsse; er hat deshalb ein generelles Verbot groÃflächiger Werbetafeln in Mischgebieten für unzulässig angesehen. Das gilt ebenso für Kerngebiete, weil auch sie durch eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen, zu denen auch die gewerbliche Nutzung gehört, gekennzeichnet sind. Der Senat hat aber in seinem Urteil vom 22. Februar 1980 - BVerwG 4 C 44.76 - (Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 12 = BRS 36 Nr. 149) klargestellt, daà die erforderliche Einheitlichkeit auch durch eine städtebaulich bedeutsame Prägung eines bestimmten Teilgebietes einer Gemeinde bewirkt sein kann. Die Beklagte hat hier die Fremdwerbung nicht generell in ihren Kerngebieten ausgeschlossen, sondern - wie das Berufungsgericht ausführt - nach den örtlichen Gegebenheiten zum Schutz bestimmter Bauten, StraÃen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- oder Naturdenkmälern (§ 82 Abs. 1 Nr. 2 LBO 1983). Dies ist grundsätzlich ohne Verstoà gegen Art. 14 GG möglich. Zutreffend hat deshalb das Verwaltungsgericht die Schutzwürdigkeit des Plangebiets, zumindest hinsichtlich des StraÃenabschnitts, in dem die streitige Werbetafel aufgestellt werden soll, geprüft. Mit dem Verfassungsrecht unvereinbar wäre der Fremdwerbungsausschluà demgemäà nur dann, wenn dem Gebiet - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die besagte städtebauliche Prägung fehlen würde, so daà ein Zurücktreten des privaten Werbeinteresses wegen des Fehlens schutzwürdiger Belange der Gemeinschaft nicht gerechtfertigt werden könnte. Diese Frage kann das Revisionsgericht nicht entscheiden; sie obliegt der Würdigung durch die Tatsachengerichte.
Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Gaentzsch
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