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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 17.12.1992, Az.: 4 C 30/90

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 1990 und der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Minden vom 20. Juni 1989 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.Die Klägerin ist in Minden in einem früheren Sanierungsgebiet Eigentümerin des Grundstücks ... Nach Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zog der Beklagte sie mit Bescheid vom 12. Januar 1987 zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 58 440 DM heran. Im Rahmen des hierauf eingeleiteten Widerspruchsverfahrens setzte er unter dem 11. Februar 1987 auf Antrag der Klägerin die Vollziehung dieses Bescheides aus. Mit Bescheid vom 8. Dezember 1987 half er dem Widerspruch gegen die Festsetzung vom 12. Januar 1987 insoweit ab, als diese über 57 480 DM hinausging. Im übrigen wies er den Widerspruch zurück. Die Klägerin erhob Klage, soweit die Festsetzung den Betrag von 28 740 DM überstieg.

Unter Hinweis darauf, daß die Festsetzung in Höhe von 28 740 DM bestandskräftig geworden sei, zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 25. Februar 1988 ohne Rechtsmittelbelehrung zur Zahlung von 1 435 DM Aussetzungszinsen heran. Die Klägerin zahlte. Der Widerspruch, den sie am 16. Dezember 1988 mit der Begründung eingelegt hatte, die Aussetzungsentscheidung vom 11. Februar 1987 sei ins Leere gegangen, da ihr Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid vom 12. Januar 1987 kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet habe, blieb erfolglos. Der daraufhin erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Minden mit der Maßgabe stattgegeben, daß es den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Februar 1988 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 1989 verpflichtet hat, an die Klägerin 1 435 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 16. Dezember 1988 zu zahlen.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts mit Urteil vom 7. Mai 1990 geändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1 435 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Mai 1989 zu zahlen. Zur Begründung hat es weitgehend auf seinen eigenen Beschluß vom 23. November 1987 (NVwZ 1988, 751) Bezug genommen.

Der Beklagte begründet die vom Senat zugelassene Revision wie folgt: Bei dem in § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgesehenen Ausgleichsbetrag handele es sich der Sache nach um einen Beitrag. Er sei kostenbezogen, da er zur Finanzierung der Sanierung entrichtet werde. Die Erhebung werde durch die Kosten begrenzt, die im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten entstünden. Er habe, wie § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB zeige, eine ähnliche Funktion wie der Erschließungsbeitrag. Dies werde durch § 154 Abs. 4 und 6 sowie durch § 155 Abs. 4 BauGB noch unterstrichen. Auch durch § 155 Abs. 5 BauGB werde belegt, daß der Gesetzgeber den Ausgleichsbetrag als kommunalen Beitrag werte. Selbst wenn von einer bloß beitragsähnlichen Geldleistung auszugehen wäre, unterfiele der Ausgleichsbetrag dem Begriff der öffentlichen Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Gemeinde müsse den Sanierungsaufwand vorfinanzieren, da sie Vorauszahlungen nur unter den in § 154 Abs. 6 BauGB genannten Voraussetzungen verlangen dürfe. Dann entspreche es dem Sinn und Zweck des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, daß Rechtsmittel gegen Ausgleichsbetragsbescheide keine aufschiebende Wirkung hätten.

Der Beklagte beantragt,das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 1990 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Minden vom 20. Juni 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus: Unter § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fielen nur Abgaben, die nach festen, klaren Maßstäben erhoben würden und auf deren Realisierung die öffentliche Hand auch der Höhe nach bei ihrer Kalkulation vertrauen könne. Das Aufkommen aus den Ausgleichsbeträgen lasse sich dagegen nicht im voraus ermitteln. Der für § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO typische direkte Zusammenhang zwischen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und deren Finanzierung fehle. Durch die Erhebung eines Ausgleichsbetrages solle verhindert werden, daß der einzelne Grundstückseigentümer bei der Sanierung ungerechtfertigte Gewinne zu Lasten der Allgemeinheit mache. Grundlage für die Berechnung sei, anders als beim Erschließungsbeitrag, nicht der auf das einzelne Grundstück entfallende Kostenanteil, sondern die Werterhöhung. Der Ausgleichsbetrag werde nicht nach festen Sätzen oder Normen bemessen. Das für Beiträge charakteristische Kostendeckungsprinzip spiele keine Rolle. Durch das Tatbestandsmerkmal "zur Finanzierung der Sanierung" solle sichergestellt werden, daß die Gemeinde an der Sanierung nicht verdiene. § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB stelle lediglich klar, daß Grundstückseigentümer nicht doppelt in Anspruch genommen werden dürften. Auch die Verweisung auf die Vorschriften über kommunale Beiträge lasse nicht auf identische Sachverhalte schließen.

Der Oberbundesanwalt hat sich am Verfahren beteiligt.

Sämtliche Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.

Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht zur Zahlung von Aussetzungszinsen herangezogen. Der angefochtene Bescheid findet seine rechtliche Stütze in § 237 Abs. 1 Satz 1 AO, der nach § 155 Abs. 5 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG NW auch bei der Erhebung von Ausgleichsbeträgen anwendbar ist. Auf diese Regelung ist abzuheben (vgl. § 245 Abs. 1 BauGB).

Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Die Beklagte hat die Vollziehung des Heranziehungsbescheides im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auf Antrag der Klägerin bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch förmlich ausgesetzt. Gleichwohl stellt sich das Berufungsgericht auf den Standpunkt, der Beklagte habe auf der Grundlage des § 237 AO keinen Zinsanspruch erwerben können. Es meint, der von der Klägerin erhobene Widerspruch habe den Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausgelöst. Das trifft nicht zu. Der Ausgleichsbetrag ist als öffentliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu qualifizieren, bei deren Anforderung die aufschiebende Wirkung entfällt.

§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthält keine Definition des Begriffs der öffentlichen Abgaben. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, daß für Abgaben "mit Rücksicht auf die Steuergesetzgebung, die eine aufschiebende Wirkung nicht kennt, eine aufschiebende Wirkung nicht vorgesehen" worden sei (vgl. den Regierungsentwurf, BT-Drucks. 3/55, S. 40). Dies erlaubt zwei Folgerungen: Zum einen kommt in der Wortwahl zum Ausdruck, daß nicht jeder Verwaltungsakt, der eine Geldleistung zum Gegenstand hat, sofort vollziehbar sein soll. Aus der Gesamtheit der Geldleistungen, die von Hoheitsträgern durch Verwaltungsakt angefordert werden, greift § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vielmehr gezielt lediglich den Kreis von Zahlungspflichten heraus, der von der Zweckrichtung her Gemeinsamkeiten mit den Steuern aufweist und es wegen dieser Parallelität rechtfertigt, daß sich das öffentliche Interesse am sofortigen Zahlungseingang ebenso wie im Steuerrecht gegenüber dem sonst als vorrangig anerkannten Interesse des Schuldners durchsetzt, vor Unanfechtbarkeit des Heranziehungsbescheides nicht leisten zu müssen. Zum anderen fällt ins Auge, daß der Gesetzgeber es bei der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vermieden hat, an Begriffe anzuknüpfen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzes bereits geläufig waren und sich gerade vor dem Hintergrund des Hinweises auf die Steuergesetzgebung zur Abgrenzung von denjenigen hoheitlich auferlegten Geldleistungen hätten anbieten können, die vom Ausschluß des Suspensiveffekts unberührt bleiben. Im Steuerrecht war es seinerzeit Allgemeingut, zwischen Steuern als Gemeinlasten sowie Gebühren und Beiträgen als Vorzugslasten zu unterscheiden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 RAO in der Fassung vom 22. Mai 1931 - RGBl. I S. 161 -). Dies nötigt aber nicht zu dem Schluß, daß der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verwendete Begriff der öffentlichen Abgaben unter stillschweigender Bezugnahme auf die Begrifflichkeit des Steuerrechts als Sammelbezeichnung für die in der Reichsabgabenordnung ausdrücklich genannten Steuern, Gebühren und Beiträge diente. Näher dürfte vielmehr die Annahme liegen, daß sich der Gesetzgeber nicht von vornherein auf die klassische Trias der öffentlichen Lasten hat festlegen wollen. Die Tatsache, daß er sich mit dem Ausschluß der aufschiebenden Wirkung an die steuerrechtlichen Regelungen angelehnt hat, ohne bestimmte Abgabearten zu benennen, deutet darauf hin, daß es für ihn nicht ausschlaggebend darauf ankam, ob die Begriffsmerkmale der Steuer, der Gebühr oder des Beitrags erfüllt sind.

Als tragender Grund dafür, daß im Steuerrecht die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides durch Einlegung eines Rechtsmittels nicht gehemmt wird (vgl. für die Zeit der Schaffung der Verwaltungsgerichtsordnung § 251 Satz 1 RAO sowie für den heutigen Rechtszustand § 361 AO 1977), ist es anzusehen, daß die Steuern zur Deckung des Finanzbedarfs erhoben werden, der juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch die Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen öffentlichen Aufgaben entsteht. Die öffentlichrechtlichen Gemeinwesen sollen davor bewahrt bleiben, daß ihnen die Einnahmen, auf die sie angewiesen sind, nur deshalb auf unabsehbare Zeit vorenthalten werden, weil Steuerpflichtige die Rechtsmittelmöglichkeiten, die ihnen zu Gebote stehen, ausschöpfen. Die Ausnahme vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung, der sonst das Verwaltungsrecht beherrscht, ist von einem gewichtigen Gemeinwohlinteresse legitimiert; denn sie trägt dazu bei, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand zu gewährleisten. Sie schafft dadurch, daß sie etwaigen Störungen bei der Beschaffung der Mittel vorbeugt, derer es zur effektiven Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedarf, Voraussetzungen für eine geordnete Haushaltsführung.

Es entspricht dem Sinn der mit § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezweckten Angleichung an das Steuerrecht, in die Sofortvollzugsregelung alle Abgaben einzubeziehen, durch die, Steuern vergleichbar, die Befriedigung des öffentlichen Finanzbedarfs sichergestellt wird. Von diesem Ansatz her verbietet es sich, den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung auf Gebühren und Beiträge zu beschränken. Muß ein Hoheitsträger in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben finanzielle Mittel aufwenden, so kann er in gleicher Weise wie auf Steuern nicht nur auf Gebühren und Beiträge, sondern auch auf sonstige Abgaben angewiesen sein. Unerheblich ist unter dem Blickwinkel des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wie die Abgabe ihrem materiellrechtlichen Gehalt nach zu qualifizieren ist. Entscheidend ist vielmehr, ob sie ebenso wie die Steuer, die Gebühr oder der Beitrag eine Finanzierungsfunktion erfüllt. Das ist der Fall, wenn der Hoheitsträger sich mit ihrer Hilfe eine Einnahmequelle erschließt, die es ihm ermöglicht, seine eigenen Ausgaben voll oder jedenfalls teilweise zu decken. Rechtsprechung und Literatur sind sich bis auf wenige Ausnahmen in diesem weiten Verständnis des Begriffs der öffentlichen Abgaben einig.

Ein auf der Grundlage des § 154 Abs. 1 BauGB erlassener Heranziehungsbescheid ist sofort vollziehbar; denn selbst wenn zweifelhaft ist, ob er die Merkmale einer Abgabe im engeren Sinne aufweist, besitzt er jedenfalls eine Finanzierungsfunktion. Aus diesem Grunde kommt es nicht darauf an, ob - wie das Berufungsgericht erörtert - der Ausgleichsbetrag Merkmale eines Beitrages erfüllt. Denn auch wenn ihm nur eine Beitragsähnlichkeit attestiert wird, ändert sich nichts an dem Ergebnis, daß der Widerspruch gegen einen in Anwendung des § 154 Abs. 4 Satz 1 BauGB erlassenen Heranziehungsbescheid keinen Suspensiveffekt auslöst. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da er jedenfalls eine Abgabe ist, die im Sinne dieser Regelung - auch - eine Finanzierungsfunktion erfüllt und von daher einer Steuer, einer Gebühr oder einem Beitrag gleichsteht.

Der Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat insofern Entgeltcharakter, als er von den Eigentümern der im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke zur Deckung der Kosten zu zahlen ist, die der Gemeinde bei der Vorbereitung und der Durchführung der Sanierung entstanden sind. Er stellt einen finanziellen Ausgleich für die von der Gemeinde getroffenen Sanierungsmaßnahmen dar, die neben den in § 140 BauGB genannten vorbereitenden Handlungen insbesondere die mit der Durchführung der Sanierung verbundenen Ordnungs- und Baumaßnahmen (§§ 147 und 148 BauGB) umfassen.

Bei oberflächlicher Betrachtung erschöpft sich die Ausgleichsbetragsregelung freilich darin, zu verhindern, daß die an der Sanierung beteiligten Grundstückseigentümer, die sich nicht mit eigenen Aufwendungen an den Sanierungsmaßnahmen beteiligt haben (vgl. hierzu § 153 BauGB), ungerechtfertigterweise Gewinne aufgrund von Leistungen erzielen, die die Gemeinde als Sanierungsträger (vgl. § 140, § 147 Abs. 1 und § 148 BauGB) im öffentlichen Interesse erbracht hat. Denn in § 154 Abs. 1 BauGB erscheint die Sanierung lediglich als Motiv für die Begründung einer Abgabepflicht, die der Höhe nach vordergründig nicht durch die Kosten begrenzt ist, die der Gemeinde bei der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung entstanden sind, sondern durch die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung. Auf eine allein bodenrechtliche Zielsetzung zu schließen, liefe indes auf eine zu einseitige Betrachtungsweise hinaus. Die Sanierungskosten, die die Gemeinde auf der Grundlage der §§ 140, 147 und 148 BauGB aufgewendet hat, und die Ausgleichsbeträge, die sie dem Grunde nach und in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe erheben muß, stehen keineswegs beziehungslos nebeneinander. Entscheidend ist, daß der Ausgleichsbetrag "zur Finanzierung der Sanierung" dient und damit - wie die Möglichkeit der Vorauszahlung verdeutlicht (§ 154 Abs. 6 BauGB) - für die Sanierung eine gewichtige Finanzierungsfunktion in dem erörterten Sinne übernimmt.

Die Finanzierungsfunktion des Ausgleichsbetrages wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Sanierungsverfahren auch Elemente der Planung enthält. Der in § 154 Abs. 1 BauGB ebenso wie früher in § 41 Abs. 4 und § 48 StBauFG enthaltene Bezug zu einem durch bestimmte öffentliche Maßnahmen erwachsenen Vorteil schließt es aus, den Ausgleichsbetrag als bloße Planungswertabschöpfung zu begreifen. Beim Ausgleichsbetrag geht es ebensowenig wie beim Umlegungswertausgleich (vgl. hierzu die §§ 57 und 58 sowie § 64 Abs. 3 BauGB, wonach die Verpflichtungen zu Geldleistungen nach diesen Vorschriften als Beitrag gelten) um einen bloßen Planungswertausgleich. Die Sanierung stellt sich als eine komplexe Einheit von Planung und Vollzugsmaßnahmen dar. Sie kann als Gesamtvorgang nicht in einzelne Teilvorgänge aufgespalten werden. Für die Werterhöhung ursächlich sind neben der Planung vor allem die in § 147 BauGB bezeichneten Ordnungsmaßnahmen, aber auch die Infrastrukturinvestitionen, die in Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen ihren sichtbaren Niederschlag finden. Mit der Gesamtheit der Sanierungsmaßnahmen und dem damit verbundenen finanziellen Aufwand erbringt die Gemeinde den Sanierungsbeteiligten anders als mit der reinen Planung echte wertsteigernde Leistungen, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigen.

Die Entstehungsgeschichte der Ausgleichsbetragsregelung läßt sich als Bestätigung dafür werten, daß der Gesetzgeber damit auch eine angemessene Finanzierung des Sanierungsvorhabens gewährleisten wollte. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Städtebauförderungsgesetzes (BT-Drucks. 6/510) enthielt in § 37 die Bestimmung, daß die Grundstückseigentümer an den Kosten von Ordnungsmaßnahmen zu beteiligen seien. Absatz 3 lautete wie folgt: "Zur Ermittlung der Kostenanteile sind die Kosten auf die im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücke rechnerisch nach dem Verhältnis zu verteilen, das sich aus der Erhöhung der Werte der Grundstücke ergibt. Der einzelne Eigentümer hat den auf sein Grundstück entfallenden Anteil der Kosten nur bis zu dem Betrag zu tragen, der der Erhöhung des Wertes seines Grundstücks entspricht. Im übrigen trägt die Gemeinde die Kosten." Der Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen trat diesem Entwurf mit einem Formulierungsvorschlag entgegen, der die Fassung des später Gesetz gewordenen § 41 StBauFG vorwegnahm. Dabei ließ er sich, wie aus seiner Begründung zu ersehen ist, von folgenden Erwägungen leiten (BT-Drucks. 6/2204, S. 18): "Der Ausschuß hat sich einmütig zu der Auffassung bekannt, daß die durch die Sanierung bedingte Werterhöhung der Grundstücke zur Deckung der Kosten der Sanierung in Anspruch genommen werden soll. Der einzelne Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat daher an die Gemeinde einen entsprechenden Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten. Abweichend von der Regierungsvorlage hält der Ausschuß es nicht für notwendig und zweckmäßig, für die Ermittlung dieses Betrags den auf das einzelne Grundstück jeweils entfallenden Anteil der Kosten der Ordnungsmaßnahmen zu ermitteln und die Leistungspflicht des Eigentümers auf diesen Anteil für den Fall zu beschränken, daß die Werterhöhung aller Grundstücke im Sanierungsgebiet höher als die entstandenen Kosten ist. Jeder Eigentümer soll in Höhe der Werterhöhung seines Grundstücks einen Ausgleichsbetrag an die Gemeinde entrichten. Sollte sich ausnahmsweise nach Abschluß der Sanierung herausstellen, daß die Kosten der Sanierung insgesamt niedriger waren als die von der Gemeinde, insbesondere auch über die Ausgleichsbeträge, erzielten Einnahmen, so ist dieser Überschuß nach § 48 auf die Eigentümer nach Maßgabe der dortigen Regelung zu verteilen. § 48 stellt also sicher, daß über die Heranziehung der Eigentümer zu Ausgleichsbeträgen nach vorliegender Vorschrift bei der Gemeinde kein Überschuß eintreten kann. Durch diese Änderung der Regierungsvorlage konnte nach Auffassung des Ausschusses die Heranziehung zu Ausgleichsbeträgen verfahrensmäßig wesentlich vereinfacht werden." Diese Stellungnahme macht deutlich, daß im Gesetzgebungsverfahren nicht zur Debatte stand, anstelle des abgabenrechtlichen Finanzierungskonzepts, das dem Regierungsentwurf zugrunde lag, einem bodenrechtlichen Abschöpfungskonzept zum Durchbruch zu verhelfen. Von einer kostenorientierten Ausgleichsregelung wurde zwar aus Vereinfachungsgründen abgesehen. Die finanzierungsrechtliche Komponente fand aber gleichwohl in Gestalt des § 48 StBauFG unübersehbar Eingang ins Gesetz und wirkt über die Bestimmung, daß der Ausgleichsbetrag. zur Finanzierung der Sanierung zu verwenden ist, unverändert auch in § 154 Abs. 1 BauGB fort.

An der Finanzierungsfunktion vermag nicht zu ändern, daß die Höhe des Ausgleichsbetrages sich nicht nach einem festen, den Vorteil abstrakt bestimmenden Maßstab bemißt und für die Gemeinde im Stadium der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung nicht kalkulierbar ist, da das Gesamtaufkommen der Geldleistungen normativ nicht näher vorgegeben ist, sondern von Ermittlungen abhängt, die nach Abschluß der Sanierung anzustellen sind. Daß die Höhe des Ausgleichsbetrages sich nicht schon im Zeitpunkt der Vorbereitung und Durchführung der Sanierung exakt ermitteln läßt, ist unerheblich; es liegt im Wesen einer auch auf dem Gedanken des Vorteilsausgleichs beruhenden Abgabe, daß die Höhe erst errechnet werden kann, wenn der auszugleichende Vorteil eingetreten ist. Ebenfalls unschädlich ist, daß es zur Feststellung der Abgabenhöhe eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens bedarf. Dies trifft auch für die Wertausgleichsabgabe im Umlegungsverfahren, die Fremdenverkehrsabgabe und den im Flurbereinigungsverfahren nach § 19 FlurbG zu leistenden Betrag zu, ohne daß deren Beitragsqualität je aus diesem Grunde in Frage gestellt worden wäre.

Das Auslegungsergebnis, das bereits die Analyse des § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB nahelegt, wird durch eine Vielzahl im Baugesetzbuch enthaltener weiterer Einzelregelungen noch zusätzlich untermauert. Die Ausgleichsbetragsregelung lehnt sich in vielen Punkten unverkennbar an die Vorschriften an, die für Erschließungsbeiträge gelten. Die Gemeinde kann ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB) nach § 154 Abs. 3 Satz 2 BauGB die Ablösung der Ausgleichsbetragspflicht im ganzen vor Abschluß der Sanierung zulassen. Sie ist in Übereinstimmung mit § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB nach § 154 Abs. 6 BauGB berechtigt, Vorauszahlungen zu verlangen. Auch die erschließungsbeitragsrechtliche Regelung des § 135 Abs. 5 BauGB ist nach § 155 Abs. 4 BauGB auf den Ausgleichsbetrag entsprechend anzuwenden. Als weitere Bestätigung für den Beitragscharakter läßt sich § 155 Abs. 5 BauGB werten. Danach sind "im übrigen" die landesrechtlichen Vorschriften über kommunale Beiträge einschließlich der Bestimmungen über die Stundung und den Erlaß entsprechend anwendbar. Diese Fassung stimmt mit § 8 Abs. 5 der Verordnung über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen nach den §§ 41 und 42 des Städtebauförderungsgesetzes vom 6. Februar 1976 (BGBl. I S. 273) überein. Sie deutet auf ein geschlossenes beitragsrechtliches System hin, in dem den landesrechtlichen Regelungen die Funktion zukommt, die ergänzungsbedürftigen §§ 154 und 155 BauGB zu komplettieren, und läßt den Schluß zu, daß der Bundesgesetzgeber den Ausgleichsbetrag in seiner rechtlichen Abwicklung vollumfänglich dem kommunalen Abgabenrecht hat zuordnen wollen.

Auch § 154 Abs. 1 Satz 2 und § 155 Abs. 2 BauGB können als Beleg dafür angesehen werden, daß der Ausgleichsbetrag die gleiche rechtliche Qualität besitzt wie der Erschließungsbeitrag und der Umlegungswertausgleich, den § 64 Abs. 3 BauGB ausdrücklich als Beitrag deklariert. Nach § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB sind keine Erschließungsbeiträge zu erheben, wenn im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB, die nach § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB den Gegenstand von Ordnungsmaßnahmen bilden können, hergestellt, erweitert oder verbessert werden. Der Beitragsfreistellung liegt die Erwägung zugrunde, daß die Eigentümer der in einem Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücke, die durch den Ausgleichsbetrag zur Finanzierung der Sanierung unter Einschluß der in § 147 BauGB genannten Ordnungsmaßnahmen beitragen, nicht außerdem zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden sollen. Durch § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB soll eine Doppelbelastung vermieden werden, die sich ergäbe, wenn für ein und dieselbe Maßnahme ein Erschließungsbeitrag und ein Ausgleichsbetrag erhoben würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1983 - BVerwG 8 C 40.83 - BVerwGE 68, 130). Von einer Doppelbelastung kann indes nur dann die Rede sein, wenn Erschließungsbeiträge und Ausgleichsbeträge zueinander im Verhältnis der Gleichartigkeit stehen. Unterschiede sich der Ausgleichsbetrag seiner Zweckbestimmung nach von einem Erschließungsbeitrag, so wäre kein Hinderungsgrund dafür ersichtlich, beide nebeneinander zu erheben. Bei der in § 155 Abs. 2 BauGB getroffenen Regelung hat der Gesetzgeber sich von ähnlichen Erwägungen wie bei § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB leiten lassen. Danach entfällt ein Ausgleichsbetrag, wenn eine Umlegung nach Maßgabe des § 153 Abs. 5 BauGB durchgeführt worden ist. Findet eine Sanierungsumlegung statt, so sind bei der Ermittlung der Zuteilungswerte und der Geldausgleichsleistungen die sanierungsbedingten Bodenwertänderungen einzurechnen. Dies hat zur Folge, daß der Betrag, der im Sinne des § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB der durch die Sanierung herbeigeführten Erhöhung des Bodenwerts entspricht, bereits in der Umlegung abgeschöpft wird. Für die Erhebung eines Ausgleichsbetrages bleibt kein Raum mehr. Umlegungsausgleichsrecht und Ausgleichsbetragsrecht schließen sich im Rahmen der Sanierung gegenseitig aus. Behandelt der Gesetzgeber den auf dem Wege der Umlegungswertabschöpfung bewirkten Ausgleich der sanierungsbedingten Vorteile als Beitrag (vgl. § 64 Abs. 3 BauGB), so spricht dies dafür, beim Ausgleichsbetrag nach den gleichen Grundsätzen zu verfahren.

Nicht zu verkennen ist freilich, daß sich der Ausgleichsbetrag von einem "lupenreinen" finanzrechtlichen Beitrag insofern unterscheidet, als er nicht ausschließlich dem Zweck dient, zur Finanzierung der Sanierung beizutragen, sondern auch dazu bestimmt ist, unverdiente Wertgewinne der Bodeneigentümer abzuschöpfen. Diese Zweckkumulation nötigt indes nicht dazu, dem Ausgleichsbetrag die rechtliche Qualität eines Beitrags abzusprechen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Abgaben über den Ertragszweck hinaus als Lenkungsinstrument nutzbar gemacht werden. Steuern können zulässigerweise als Mittel der Wirtschafts- oder Sozialpolitik eingesetzt werden. Ihren Charakter als Steuer büßen sie nicht dadurch ein, daß die Erzielung von Einnahmen nur noch als Nebenzweck eine Rolle spielt (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AO 1977). Entsprechendes gilt für Gebühren und Beiträge. Die Gebühr darf Lenkungsziele einschließen (vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 304; Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, 1991, S. 96). Auch Beiträge erschöpfen sich nicht zwangsläufig in der Finanzierungsfunktion. Der Erschließungsbeitrag beispielsweise dient nicht nur der Refinanzierung der von der Gemeinde durchgeführten Erschließung, sondern stellt auch ein wichtiges Instrument der Bau- und Bodenpolitik dar, indem er der Hortung unbebauter aber baureifer Grundstücke entgegenwirkt.

Weist der Ausgleichsbetrag die Merkmale auf, die für einen Beitrag charakteristisch sind, so folgt daraus, daß der Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dies entspricht im Ergebnis der in der Rechtsprechung und Literatur weit überwiegenden Meinung (vgl. OVG Lüneburg, Beschluß vom 28. Juli 1983, OVGE 37, 439, OVG Bremen, Beschluß vom 26. November 1987, NVwZ 1988, 752, OVG Hamburg, Beschluß vom 7. März 1990, NVwZ 1990, 1002; Kleiber, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Bd. 3 Stand August 1988, § 154 RdNr. 11; Kleiber, in Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, Bd. 1 Stand Februar 1992, § 154 RdNr. 18; Stich, in Berliner Kommentar zum BauGB, 1988, § 154 RdNr. 4; Friedrich, in Brügelmann, Kommentar zum BauGB, Bd. 3 Stand Dezember 1989, § 154 RdNr. 35; Krautzberger, in Bielenberg/Krautzberger/Söfker, Baugesetzbuch, 3. Aufl. 1990, RdNr. 375; Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 1991, § 154 RdNr. 6; Gaentzsch, Die Bodenwertabschöpfung im Städtebauförderungsrecht, 1975, S. 131; Eyermann/Fröhler, Kommentar zur VwGO, 9. Aufl. 1988, § 80 RdNr. 17; a.A.: OVG Münster, Beschluß vom 23. November 1987, NVwZ 1988, 751; Finkeinburg, in Finkeinburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, RdNr. 541; Kopp, Kommentar zur VwGO, 9. Aufl. 1992, § 80 RdNr. 37 a; Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 10. Aufl. 1991, § 80 RdNr. 16).

Der Widerspruch der Klägerin vom 4. Februar 1987 hatte nach allem keine aufschiebende Wirkung. Um die Vollziehung auszusetzen, bedurfte es des Bescheides vom 11. Februar 1987 als konstitutiven Aktes. Es ist von keiner Seite geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich, daß der Beklagte die Aussetzungszinsen nicht korrekt berechnet hat. Ebensowenig sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß er die Voraussetzungen verkannt hat, unter denen nach § 237 Abs. 4 in Verbindung mit § 234 Abs. 2 AO ein Verzicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.