Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 25.04.1985, Az.: 5 C 49/82
Tenor
Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 1980 ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) wird aufgehoben.
Ferner werden der Bescheid des Beklagten vom 8. November 1979 und der Widerspruchsbescheid des Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft des Saarlandes vom 20. Dezember 1979 aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschlieÃlich der auÃergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2; die Beigeladene zu 1 trägt ihre auÃergerichtlichen Kosten selbst.
Die Zuziehung der Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Entscheidungsgründe
I.Der Kläger ist Teilnehmer der Zusammenlegung Wahlen. Seine Abfindungsgrundstücke Gemarkung W. Flur ... Nrn. ... und ... sind mit folgender im Zusammenlegungsplan festgesetzter Dienstbarkeit belastet:"Die Zivilgemeinde Losheim ist berechtigt, einen Weg in einer Breite von 4 m, wie in der Zusammenlegungskarte dargestellt, auszubauen und zu unterhalten. Die Zivilgemeinde Losheim gestattet das Geh- und Fahrrecht wie auf einem Feldwirtschaftsweg."
Der Kläger nutzt diese Grundstücke zusammen mit einem ihm im Wege der Aufstockung zugeteilten Grundstück und einer hinzugepachteten Fläche als Weideland, das insgesamt umzäunt ist, und zwar so, daà der durch die Dienstbarkeit gesicherte Weg an der Westseite der Grundstücke sowie an der Ostseite am Ende der Pachtfläche durch Drahtzäune bzw. Tore - die Ausführung ist umstritten - geschlossen ist.
Gegen den Kläger unmittelbar aufgrund des Zusammenlegungsplanes eingeleitete ZwangsmaÃnahmen (Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld) mit dem Ziel der Beseitigung dieser Wegesperren wurden durch Urteil des Flurbereinigungsgerichts Koblenz vom 29. Mai 1979 - 9 C 149/78 S - (RzF 137 I S. 19) aufgehoben, im wesentlichen mit der Begründung, daà es an einem (Grund-)Verwaltungsakt fehle, der eine entsprechende Handlungspflicht des Klägers verfüge.
Daraufhin wies der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 8. November 1979 auf die eingangs erwähnte Dienstbarkeit hin, die inzwischen im Grundbuch eingetragen worden sei. Weiter heiÃt es in dem Bescheid:"Die Belastung bedeutet für Sie, daà Sie den Gemeingebrauch an dem Feldwirtschaftsweg zu dulden haben. Das heiÃt, daà Sie keinerlei Hindernisse oder sonstige Tatbestände schaffen dürfen, die die Benutzung des Weges im Sinne der Dienstbarkeit beeinträchtigen.Sie dürfen u.a. keine Zäune, Tore, Schranken, Drähte, Gatter oder sonstige Umfriedungen anbringen, keine die Wegefläche unterbrechenden MaÃnahmen treffen und müssen überhaupt alles unterlassen, was dem Gemeingebrauch an dem Feldwirtschaftsweg entgegensteht."
Der vom Kläger hiergegen eingelegte Widerspruch war erfolglos. Der Kläger bleibe aufgefordert, so ist im Tenor des Widerspruchsbescheides ausgeführt, das Wegerecht zu dulden, den strittigen Stacheldrahtverhau zu beseitigen, den Weg in seinem ganzen Verlauf offenzuhalten und alles zu unterlassen, was dem ungehinderten Gemeingebrauch an dem Feldwirtschaftsweg entgegenstehe.
Das Flurbereinigungsgericht hat die sodann erhobene Klage, gerichtet darauf, den Bescheid vom 8. November 1979 in der Form des Widerspruchsbescheides aufzuheben, abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der angefochtene Bescheid mit seinem im Tenor des Widerspruchsbescheides wiedergegebenen Inhalt sei rechtmäÃig. Nach der auch für das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren geltenden Vorschrift des § 37 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - seien im Rahmen der Flurbereinigung u.a. Wege zu schaffen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert werden. Eine solche MaÃnahme stelle hier die Belastung der Grundstücke des Klägers mit einer Wegedienstbarkeit dar.
Der Meinung des Klägers, daà er das Wegerecht nicht beeinträchtige, wenn er an den Grenzen seiner Grundstücke bzw. des sich anschlieÃenden Pachtlandes bewegliche Sperren errichte, die nach seiner Auffassung von jedem Passanten geöffnet (und geschlossen) werden könnten, könne nicht gefolgt werden. Wie sich aus dem Hinweis in der Belastung auf Form und Umfang des Wegeausbaus und aus der Umschreibung des Geh- und Fahrrechts "wie auf einem Feldwirtschaftsweg" ergebe, sei eine auf solchen Wegen übliche ungehinderte Nutzung bezweckt und deshalb jede - auch die nur vorübergehende - SchlieÃung des Weges ausgeschlossen. Daà dieser nicht förmlich dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sei, sei ohne Einfluà auf den Umfang der für den Kläger bestehenden Verpflichtungen. Auch komme es nicht darauf an, daà eine Einfriedung der Weideflächen des Klägers entlang des Weges mit erheblichen - nach Auffassung des Klägers für ihn nicht tragbaren - Kosten verbunden sei. Dies hätte mit Rechtsbehelfen gegen den Zusammenlegungsplan geltend gemacht werden müssen, was indessen nicht geschehen sei; der Plan sei dem Kläger gegenüber rechtsbeständig.
Die Errichtung von Sperren bzw. Toren auf dem Weg wäre danach nur zulässig, wenn die Beigeladene zu 1 sie gestattet hätte. Dies sei jedoch bisher nicht geschehen. Bei dieser Sachlage widersprächen die vom Kläger angebrachten Wegesperren den Anordnungen des Zusammenlegungsplanes. Die Flurbereinigungsbehörde habe in jedem Stadium des Verfahrens bis zur - hier noch nicht erfolgten - SchluÃfeststellung die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Verwaltungsakte zu erlassen und diese gegebenenfalls auch mit Mitteln des Zwangs durchzusetzen. Diese Verpflichtung bestehe auch und gerade gegenüber den sonstigen Teilnehmern, die, auch wenn sie selbst kein Rechtsmittel eingelegt hätten, verlangen könnten, daà die Behörde, die Durchführung der sie begünstigenden Regelungen des Planes gegebenenfalls erzwinge. Folgerichtig müsse der Behörde dann die Berechtigung zustehen, MaÃnahmen zur Sicherung dieser Rechte zu ergreifen und diese notfalls zwangsweise durchzusetzen.
Unerheblich sei, daà die anderen Beteiligten - hier etwa die Beigeladene zu 1 - gegen den Kläger auch nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften vorgehen könnten. Denn die Berechtigung und Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde zur notfalls zwangsweisen Durchsetzung der Plananordnungen bestünden unbeschadet solcher zivilrechtlicher Ansprüche.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er meint, der Bescheid des Beklagten vom 8. November 1979 enthalte eine Mischung von Feststellungen einerseits und Duldungs- und Unterlassungsgeboten andererseits. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot sei es nicht selbstverständlich, aus dieser Mischung im Wege der Umdeutung eine selbständige ergänzende Beseitigungsanordnung herauszulesen, wie es das Flurbereinigungsgericht getan habe, indem es unter Rückgriff auf den Tenor des Widerspruchsbescheides angenommen habe, daà er - der Kläger - u.a. aufgefordert worden sei, "den Stacheldrahtverhau zu beseitigen". Er wende sich auch gegen die Feststellung in dem Ausgangsbescheid, er dürfe keine Zäune usw. anbringen, keine die Wegefläche unterbrechenden MaÃnahmen treffen und müsse alles unterlassen, was dem Gemeingebrauch entgegenstehe. Das Flurbereinigungsgericht habe offengelassen, ob diese Feststellung neben der Beseitigungsanordnung erhalten geblieben sei. Für beides fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung. Mit der Eintragung der im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Dienstbarkeit im Grundbuch sei der Plan insoweit vollzogen. Rechte in bezug auf die Dienstbarkeit, insbesondere die Abwehr von Störungen, seien deshalb von diesem Zeitpunkt an nach bürgerlichem Recht zu beurteilen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 sind im Revisionsverfahren nicht gemäà § 67 Abs. 1 VwGO vertreten. Die Beigeladene zu 2 beantragt, das Urteil des Flurbereinigungsgerichts und die angefochtenen Behördenbescheide aufzuheben.
II.Die zulässige Revision ist begründet. Das Flurbereinigungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil der Bescheid des Beklagten vom 8. November 1979 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nicht zu beanstanden ist allerdings, daà das Flurbereinigungsgericht diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides als inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1056 "Saarländisches Verwaltungsverfahrensgesetz" vom 15. Dezember 1976
Die weiteren Ausführungen im Ursprungs- wie im Widerspruchsbescheid, daà der Kläger den Gemeingebrauch an dem Feldwirtschaftsweg zu dulden und diesen in seinem ganzen Verlauf offenzuhalten habe, deshalb keine Zäune usw. anbringen und keine die Wegefläche unterbrechenden MaÃnahmen treffen dürfe sowie überhaupt alles unterlassen müsse, was dem ungehinderten Gemeingebrauch an dem Weg entgegenstehe, dienen lediglich der Begründung dieser Anordnung. Selbständige Bedeutung, zumal im Sinne eines feststellenden Verwaltungsakts, gerichtet darauf, die sich aus der Wegedienstbarkeit ergebenden Pflichten des Klägers über den konkreten AnlaÃfall hinaus auch für die Zukunft rechtsverbindlich (vgl. BVerwGE 58, 37 <39>[BVerwG 25.04.1979 - 8 C 52/77]) zu bestimmen, kommt ihnen entgegen der Befürchtung des Klägers nicht zu.
Das Flurbereinigungsgericht hat indessen verkannt, daà es dem Beklagten für die angegriffene Beseitigungsanordnung - Gleiches würde im übrigen gelten für eine ergänzende Feststellung mit dem vorbezeichneten Inhalt - an der notwendigen gesetzlichen Ermächtigung mangelt. Die Flurbereinigungsbehörde kann, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, nicht jedwede Anordnung treffen, die sie im Rahmen ihres weitgespannten Tätigkeitsbereichs für notwendig und zweckmäÃig hält. Sie muà sich vielmehr in jedem Fall auf eine konkrete Vorschrift des Flurbereinigungsgesetzes stützen können, die die einzelne MaÃnahme zuläÃt (Urteil vom 13. November 1958 - BVerwG 1 C 132.57 -
§ 37 Abs. 1 FlurbG, an den hier allenfalls gedacht werden könnte, bietet für den Bescheid des Beklagten keine Grundlage. Zwar gehört nach Satz 2 Halbsatz 2 dieser Vorschrift zu den Aufgaben der Flurbereinigung auch, Wege und andere gemeinschaftliche Anlagen zu schaffen. Dies gilt trotz des § 91 FlurbG, nach dem die Anordnung eines beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens unter anderem davon abhängig ist, daà die Anlage eines neuen Wegenetzes und gröÃere wasserwirtschaftliche MaÃnahmen zunächst nicht erforderlich sind, auch bei Durchführung eines solchen Verfahrens (vgl. BVerwG, Beschluà vom 9. Juli 1964 - BVerwG 1 CB 43.64 -
Auch auf § 37 Abs. 1 Satz 4 FlurbG, der es der Flurbereinigungsbehörde gestattet, in Durchführung der Flurbereinigung die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen, können sich solche Rechte nicht stützen. Zwar gibt diese Vorschrift, die für die beschleunigte Zusammenlegung in dem dieser durch die §§ 91 ff. FlurbG gezogenen Rahmen ebenfalls gilt (vgl. § 92 Abs. 2 FlurbG), auch die Befugnis, Grundbesitz, der im Verfahrensgebiet gelegen ist, durch Bestellung einer Dienstbarkeit zu belasten, sofern die Belastung Abfindungszwecken oder der Durchführung sonstiger MaÃnahmen dient, zu deren Vornahme die Flurbereinigungsbehörde aufgrund anderer Bestimmungen des Flurbereinigungsgesetzes ermächtigt ist (BVerwG, Urteil vom 13. November 1958 - BVerwG 1 C 132.57 -
So liegt es auch im vorliegenden Fall. Daà die Dienstbarkeit an den dem Kläger zugewiesenen Abfindungsgrundstücken Gemarkung W. Flur ... Nrn. ... und ... bereits entstanden war, als der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten erging, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Flurbereinigungsgericht hat auÃerdem schon in seiner auf den Seiten 3 und 5 des angefochtenen Urteils in Bezug genommenen Entscheidung vom 29. Mai 1979 festgestellt, daà die mit dieser Dienstbarkeit verbundenen Rechtswirkungen "mit der vorzeitigen Ausführungsanordnung eingetreten" sind (a.a.O., S. 20). Nach den mit Gegenrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts ist ferner davon auszugehen, daà der Weg, hinsichtlich dessen die Beigeladene zu 1 das Geh- und Fahrrecht wie auf einem Feldwirtschaftsweg zu gestatten hat, bei Erlaà der Beseitigungsanordnung des Beklagten auch fertiggestellt war und damit für die vorgesehene Benutzung zur Verfügung stand. Dann aber kommt nur in Betracht, die im Rahmen der Dienstbarkeit bestehenden Rechte im Zivilrechtsweg geltend zu machen, falls in den vom Kläger errichteten Wegesperren eine Beeinträchtigung dieser Rechte gesehen wird. Für hoheitliche MaÃnahmen des Beklagten, wie sie dieser mit dem Bescheid vom 8. November 1979 ergriffen hat, ist daneben kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung der Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.