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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 09.04.1981, Az.: 5 C 62/79

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. März 1979 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

Der Kläger ist der Vater der im Jahre 1951 geborenen Studentin I.M. (Auszubildende). Er lebt von seiner Familie getrennt, zu der außer der nicht erwerbstätigen Ehefrau sowie der Auszubildenden noch ein im Jahre 1959 geborener Sohn und eine weitere im Jahre 1961 geborene Tochter gehören. Die Auszubildende studierte vom Wintersemester 1971/72 an Deutsch und Geographie mit dem Studienziel des Lehramts an Grund- und Hauptschulen an der Pädagogischen Hochschule H. Vom Wintersemester 1972/73 an studierte sie Kunst statt Geographie als zweites Studienfach. Da sie sich im Wintersemester 1974/75 nicht zurückmeldete, wurde sie am 13. März 1975 exmatrikuliert. Seit dem Wintersemester 1976/77 studiert sie Architektur in D.

Da der Kläger keine Unterhaltsleistungen an die Auszubildende erbrachte, beantragte diese für ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule H. Vorausleistungen nach § 36 BAföG. Durch Bescheid vom 21. März 1973 wurden ihr für das Wintersemester 1971/72 und das Sommersemester 1972 monatliche Vorausleistungen von 149 DM bewilligt. Die Rechtswahrungsanzeige nach § 37 Abs. 4 BAföG wurde dem Kläger am 9. April 1973 zugestellt. Durch Bescheid vom 8. Mai 1973 wurden die Vorausleistungen für den Bewilligungszeitraum von Oktober 1972 bis zum September 1973 auf monatlich 212 DM festgesetzt. Die Rechtswahrungsanzeige erreichte den Kläger am 10. Mai 1973. Durch weiteren Bescheid vom 7. Juni 1974 bewilligte der Beklagte der Auszubildenden Vorausleistungen für den Bewilligungszeitraum vom Oktober 1973 bis zum September 1974 in Höhe von monatlich 188,10 DM. Die Rechtswahrungsanzeige erfolgte am 19. Juni 1974.

Durch Bescheid vom 14. Oktober 1975 leitete der Beklagte die Unterhaltsansprüche der Auszubildenden auf sich über. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, er sei wegen seines geringen Einkommens nicht in der Lage, Unterhaltszahlungen an die Auszubildende zu erbringen, weil er 900 DM für den Unterhalt seiner Ehefrau und der beiden jüngeren Kinder entrichte und außerdem in Höhe von 100 DM von dem Sozialamt für die Unterbringung seiner Mutter in einem Altersheim in Anspruch genommen werde, wies das Landesamt für Ausbildungsförderung durch Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1977 zurück.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 1975 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1977 aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt:

Für die Überleitung der Unterhaltsansprüche der Auszubildenden auf den Beklagten sei das Bundesausbildungsförderungsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung maßgebend, soweit der Auszubildenden Vorausleistungen für die Zeit bis zum 31. Juli 1974 gewährt worden seien. Für die Monate August und September 1974 bestimme sich die Überleitung dagegen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung des Zweiten BAföG-Änderungsgesetzes, das nach Art. 2 § 3 Abs. 1 am 1. August 1974 in Kraft getreten sei, allerdings mit der Maßgabe, daß die Änderungen, soweit sie für die Entscheidung über die Höhe und Art der Förderung Bedeutung hätten, bei der Berechnung der Förderungsbeträge erst für Bewilligungszeiträume zu berücksichtigen seien, die nach dem 31. Juli 1974 begännen.

Die angefochtene Überleitungsanzeige sei dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe der Auszubildenden zu Recht Ausbildungsförderung als Vorausleistung gewährt, weil ohne diese Leistungen ihre Ausbildung gefährdet gewesen wäre. Für die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme sei es nicht von Bedeutung, daß die Auszubildende ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule abgebrochen habe, denn dies sei für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen. Ebenso sei es unerheblich, ob die Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht in der übergeleiteten Höhe bestünden. Es genüge vielmehr, daß ein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch der Auszubildenden gegenüber dem Kläger nicht offensichtlich ausgeschlossen sei. Schließlich sei vom Gericht nicht darüber zu entscheiden gewesen, ob die Rechtswahrungsanzeige nach § 37 Abs. 4 BAföG unverzüglich erfolgt sei. Dagegen müsse durch die Verwaltungsgerichte geprüft werden, ob die Überleitung sich nach § 37 Abs. 1 BAföG darauf beschränkt habe, die Unterhaltsansprüche nur insoweit überzuleiten, als auf den Bedarf des Auszubildenden das Einkommen und Vermögen der Eltern anzurechnen seien. Das sei Dier nur teilweise der Fall.

Das Verwaltungsgericht habe für den ersten Bewilligungszeitraum das Einkommen des Klägers nach § 21 BAföG sowie die Freibeträge nach § 25 Abs. 1 und 3 BAföG zutreffend ermittelt. Dem Kläger sei aber auch wegen seiner besonderen Unterhaltsbelastungen neben den Freibeträgen nach § 25 Abs. 3 BAföG noch ein zusätzlicher Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten zu gewähren. Im Regelfall könne zwar allein wegen Unterhaltsleistungen, die über die Pauschalsätze des § 25 Abs. 3 BAföG hinausgingen, kein zusätzlicher Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG gewährt werden. Etwas anderes habe aber zu gelten, wenn es sich um außergewöhnliche Unterhaltsleistungen handele, die normalerweise die Eltern eines Auszubildenden nicht belasteten, oder wenn sich die pauschalierende Regelung des § 25 Abs. 1 und 3 BAföG als lückenhaft erweise, so daß unter Berücksichtigung des Gleicheitsgrundsatzes ein Ausgleich durch Zuerkennung eines Freibetrages nach § 25 Abs. 6 BAföG geboten sei.

Soweit die Unterhaltsleistungen des Klägers an seine beiden jüngeren Kinder monatlich 200 DM je Kind überstiegen, könne ihm zwar kein besonderer Freibetrag zuerkannt werden, weil es sich dabei um Belastungen handele, die zahlreiche Eltern tragen müßten, so daß kein Ausnahmefall gegeben sei. Wohl aber sei dem Kläger wegen seiner Unterhaltsleistungen von monatlich 400 DM an seine Ehefrau ein Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG einzuräumen. Denn durch den vom Beklagten zugebilligten Freibetrag nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG in Höhe von 270 DM seien die finanziellen Belastungen des von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebenden Klägers nicht angemessen berücksichtigt. Die pauschalierende Regelung des § 25 Abs. 1 und 3 BAföG weise insoweit eine Lücke auf, als sie den allein verdienenden Elternteil, der von seiner Ehefrau getrennt lebe, gegenüber zusammenlebenden Eltern und doppelt verdienenden getrennt lebenden Eltern benachteilige. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG werde nämlich Eltern, die nicht geschieden seien oder getrennt lebten, ein Freibetrag von 800 DM eingeräumt. Wenn die Eltern getrennt lebten und beide über eigenes Einkommen verfügten, habe ihnen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG ein Freibetrag von jeweils 500 DM, insgesamt also 1.000 DM zugestanden. Demgegenüber sei dem getrennt lebenden Elternteil, dessen Ehefrau nicht im Erwerbsleben gestanden habe, lediglich ein Freibetrag von 500 DM nach dieser Vorschrift sowie ein Freibetrag von 270 DM nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG zuerkannt worden, obwohl nur ein Einkommensbezieher aus seinem Einkommen den gesamten Familienunterhalt einschließlich der Aufwendungen für zwei getrennte Haushalte, die in aller Regel wesentlich höher seien als für nur einen Familienhaushalt, habe bestreiten müssen. Die Summe aus den Freibeträgen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG habe noch unter dem Freibetrag des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG und sogar erheblich unter dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG gelegen, den getrennt lebende Eltern erhalten hätten, die beide über eigenes Einkommen verfügt hätten. Seit der Änderung des § 25 BAföG durch das 2. BAföG-Änderungsgesetz entspreche die Summe aus dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG und § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG zwar dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG; den besonderen finanziellen Belastungen dauernd getrennt lebender Eltern durch die doppelte Haushaltsführung sei damit aber noch nicht Rechnung getragen worden. Diese sei vielmehr durch einen zusätzlichen Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG auszugleichen.

Dem Kläger stehe auch für die beiden übrigen Bewilligungszeiträume ein Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG wegen der Unterhaltsleistungen an seine dauernd getrennt lebende Ehefrau zu. Hinzu komme ferner vom 1. Juli 1973 an ein Freibetrag für seine Aufwendungen zugunsten der im Altersheim lebenden Mutter. Bei diesem Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 100 DM handele es sich um außergewöhnliche Belastungen, die durch einen Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG auszugleichen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Abweisung der Klage erreichen will. Er führt aus:

Eine Änderung der Freibeträge bei der Anrechnung des Einkommens des Klägers sei im Überleitungsverfahren ausgeschlossen, weil das Berechnungsverfahren mit der Bestandskraft des Vorausleistungsbescheids abgeschlossen gewesen sei. Die Vorinstanzen hätten insoweit übersehen, daß dem Kläger die entsprechenden Rechtswahrungsanzeigen rechtzeitig zugegangen seien.

Selbst wenn eine nochmalige Überprüfung im vorliegenden Verfahren zulässig sein sollte, so habe das Berufungsgericht verkannt, daß die Unterhaltsverpflichtungen eines Elternteils durch die In § 25 Abs. 1-4 BAföG bestimmten Freibeträge ausreichend und abschließend berücksichtigt seien. Daneben sei für die Gewährung eines Härtefreibetrages nach§ 25 Abs. 6 BAföG kein Raum. Die besondere Belastung des getrennt lebenden allein verdienenden Ehegatten habe der Gesetzgeber dadurch ausgeglichen, daß er diesem für seine Unterhaltsleistungen an seine getrennt lebende Ehefrau einen Freibetrag nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG eingeräumt habe. Auch wenn die Summe aus diesem Freibetrag und dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG der Höhe nach unter dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG gelegen habe und noch mehr unter dem Freibetrag nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG, wenn beide getrennt lebenden Elternteile Einkommen erzielten, so lasse sich daraus nicht der Schluß ziehen, hier liege eine gesetzliche Lücke vor. Mit den pauschalierten Freibeträgen sei die Mehrbelastung für getrennte Haushalte ausgeglichen, auch wenn nur ein Elternteil Verdiener sei.

Auch die Unterhaltszahlungen des Klägers in Höhe von monatlich 100 DM an seine im Altersheim lebende Mutter rechtfertigten nicht die Gewährung eines Freibetrages nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG, weil die Mutter des Klägers eine Rente von monatlich 550 DM bezogen habe. Dies schließe auch die Gewährung eines Freibetrages nach § 25 Abs. 6 BAföG aus.

Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren mit Ausführungen zum Anwendungsbereich des § 25 Abs. 6 BAföG.

II.Die Revision ist nicht begründet. Die angefochtene Überleitungsanzeige vom 14. Oktober 1975 verletzt - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat - den Kläger insoweit in seinen Rechten, als der Beklagte bei der Festsetzung der Höhe des Überleitungsbetrages zu Unrecht davon ausgegangen ist, die in den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzesüber die Anrechnung des Einkommens der Eltern vorgesehene Härteregelung sei in Fällen der vorliegenden Art unanwendbar.

Auszugehen ist für den gesamten Zeitraum, für den die Unterhaltsansprüche der Auszubildenden gegen den Kläger auf den Beklagten übergeleitet wurden, von den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BAföG - in seiner ursprünglichen Fassung vom 26. August 1971 (BGBl. I S. 1409). Zwar ist die Vorschrift des § 37 BAföG, nach der die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige zu beurteilen ist, durch Art. 1 Nr. 27 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (2. BAföGÄndG) vom 31. Juli 1974 (BGBl. I S. 1649) mit Wirkung vom 1. August 1974 (Art. 2 § 3 Abs. 1 des 2. BAföGÄndG), also während des dritten im Streit befindlichen Überleitungszeitraums geändert worden. Diese Änderung ist aber für die Beurteilung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung, weil durch sie eine Pflicht zur Überleitung begründet wurde, während vorher eine bloße Möglichkeit hierzu eingeräumt worden war. Soweit das Zweite BAföG-Änderungsgesetz in Art. 1 Nr. 22 eine Erhöhung der Freibeträge eingeführt hat, greift diese Erhöhung erst für Bewilligungszeiträume ein, die nach dem 31. Juli 1974 besinnen (Art. 2 § 3 des 2. BAföGÄndG); sie ist deshalb im vorliegenden Fall noch nicht zu berücksichtigen.

Für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige hat das Berufungsgericht es mit Recht als unerheblich angesehen, ob die Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht in der übergeleiteten Höhe bestehen (BVerwGE 49, 311) und ob die Rechtswahrungsanzeige nach § 37 Abs. 4 BAföG den Kläger rechtzeitig erreicht hat (BVerwGE 56, 300). Allerdings kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für die Rechtmäßigkeit der Überleitung nicht darauf an, ob der Auszubildenden die Förderungsbeträge als Vorausleistung rechtmäßig gewährt, wurden (BVerwGE 55, 23 [27 ff.]). Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überleitung erstreckt sich aber im öffentlich-rechtlichen Bereich auf alle in § 37 Abs. 1 BAföG vorausgesetzten Umstände, damit darauf, ob die Vorschriften über die Anrechnung des Einkommens und Vermögens der Eltern auf den Bedarf des Auszubildenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz eingehalten sind, einschließlich der Härteregelungen (BVerwGE 49, 316 [318]).

Die Ansicht des Beklagten, Einwendungen gegen die Höhe des anzurechnenden Elterneinkommens könnten in einem Rechtsmittelverfahren gegen die Überleitungsanzeige nicht mehr erhoben werden, weil das Berechnungsverfahren mit der Bestandskraft des Vorausleistungsbescheides abgeschlossen sei, trifft nicht zu. An dem Verwaltungsverfahren über den Förderungsantrag des Auszubildenden sind seine Eltern nicht in einer Weise beteiligt, daß auch ihnen gegenüber Entscheidungen über die Bewilligung von Förderungsleistungen bestandskräftig werden könnten. Denn im Gesetz ist nicht vorgesehen, daß ein solcher Bescheid auch den Eltern mitgeteilt wird (vgl. § 50 Abs. 1 BAföG). Die Entbehrlichkeit einer derartigen Mitteilung ist unabhängig von einer etwa den Eltern übermittelten Rechtswahrungsanzeige. Die Rechtswahrungsanzeige ist kein Verwaltungsakt (BVerwGE 49, 322 [324]). Überdies enthält sie keine detaillierten Angaben über die Berechnung des Anrechnungsbetrages, der dem Auszubildenden als Vorausleistung gewährt werden soll.

Zu Unrecht meint die Revision, dem Kläger könne zum Ausgleich der ihm durch die doppelte Haushaltsführung der dauernd getrennt lebenden Eheleute und die Unterhaltsleistungen an seine Mutter erwachsenen außergewöhnlichen Belastungen ein Härtefreibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG nicht gewährt werden, weil seine gesamten Unterhaltsverpflichtungen durch die in § 25 Abs. 1 bis 4 BAföG bestimmten Freibeträge ausreichend und abschließend berücksichtigt seien.

Die Vorschrift des § 25 BAföG schließt die eigenständige Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzesüber die Anrechnung des Einkommens der Eltern des Auszubildenden an das bürgerliche Unterhaltsrecht an. Herkömmlich wird es als Aufgabe der Eltern angesehen, ihrem Kinde eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf zu ermöglichen, indem sie ihm im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Mittel für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Verfügung stellen. Wenn indessen Eltern nicht in der Lage sind, die hohen Aufwendungen während einer oft vieljährigen Ausbildungszeit zu tragen, so daß deswegen ihrem Kinde eine gründliche qualifizierende Ausbildung versagt bleiben müßte, tritt, um eine berufliche Chancengleichheit junger Menschen zu erreichen, die (staatliche) Ausbildungsförderung ein. Diesen Grundsatz des Nachrangs der Ausbildungsförderung bringt § 1 BAföG zum Ausdruck, wonach ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe dieses Gesetzes nur besteht, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Während nach bürgerlichem Unterhaltsrecht die Leistungsfähigkeit der Eltern zur Finanzierung der Ausbildung ihres Kindes nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen ist (vgl. § 1603 Abs. 1 BGB), hat der Gesetzgeber des Bundesausbildungsförderungsgesetzes hierfür das gesetzestechnische Mittel der Pauschalierung und Typisierung verwendet, indem er u.a. in den Absätzen 1 bis 4 des § 25 BAföG pauschal die Einkommensbeträge bestimmt, die für den angemesenen Lebensunterhalt der Eltern, ihrer Kinder und weiterer nach dem bürgerlichen Recht Unterhaltsberechtigten erforderlich erscheinen. Die Pauschale insgesamt setzt sich aus den jeweils angeführten Freibeträgen der Absätze 1 bis 3 des § 25 BAföG sowie einem weiteren Freibetrag nach § 25 Abs. 4 BAföG zusammen, der mindestens 40 v.H. des die festen Freibeträge übersteigenden Einkommens beträgt. Durch den variablen Freibetrag soll einerseits ein Anreiz zum Mehrverdienst erhalten werden und zum anderen berechtigten höheren Lebensansprüchen des überdurchschnittlich Leistenden und in der Regel darum besser Verdienenden Rechnung getragen werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BT-Drucks. VI/1975 S. 33). Mit diesen Freibeträgen vom Einkommen ist regelmäßig der gesamte typische Aufwand für den Lebensunterhalt des Einkommenbeziehers, seines Ehegatten, seiner Kinder und der ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten abgegolten. Zum typischen Unterhaltsbedarf gehören die üblichen Aufwendungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, wie z.B. für Ernährung, Kleidung, Wohnung. Gerade die Aufwendungen für die Wohnung bilden aber einen Posten, bei dem eine Vernachlässigung der Abweichung von dem typischen Erscheinungsbild des Zusammenlebens aller aus dem Einkommen zu unterhaltenden Personen in einer Wohnung zu einer nicht vertretbaren Härte führen könnte.

Gehören nämlich zu den zu berücksichtigenden Personen noch weitere Unterhaltsberechtigte im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG und dürfte auch dann das Einkommen ausnahmslos nur in Höhe der in den genannten Vorschriften bestimmten Pauschalen geschont werden, so wären die Grenzen überschritten, die einer an sachbezogenen Merkmalen orientierten Typisierung durch den insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verflochtenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen sind (vgl. BVerwGE 55, 54 [60] und Urteil vom 13. Dezember 1979 - BVerwG 5 C 60.78 - [Buchholz 436.36 § 25 BAföG Nr. 1 = FamRZ 1980, 508]). Denn in diesen Fällen besteht hinsichtlich des Aufwandes zur Befriedigung des Unterkunftsbedarfs keine einheitliche Typik. Sowohl der geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatte als auch die Großeltern oder ein Großelternteil des Auszubildenden werden regelmäßig einen von dem des Einkommensbeziehers unabhängigen eigenen Unterkunftsbedarf haben. Im Falle der Wiederverheiratung nach Auflösung der Ehe der Eltern des Auszubildenden pflegt dagegen der Stiefelternteil des Auszubildenden mit dem Einkommensbezieher in einer Gemeinschaftswohnung zu leben.

Ist aus dem Einkommen (§ 21 BAföG) nicht nur der Aufwand für eine Gemeinschaftswohnung zu bestreiten, umfaßt vielmehr der vom Einkommenbezieher geleistete Unterhalt für einen Unterhaltsberechtigten auch dessen eigenen besonderen Unterkunftsbedarf, dann erweist sich die Gesamtregelung des § 25 BAföG allerdings nicht als lückenhaft. Denn der Berücksichtigung atypischer Umstände dient die Vorschrift des § 25 Abs. 6 BAföG. Danach kann zur Vermeidung unbilliger Härten "abweichend von den vorstehenden Vorschriften" ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben. Als Beispiel für berücksichtigungsfähige Aufwendungen nennt § 25 Abs. 6 BAföG außergewöhnliche Belastungen nach den §§ 33, 33 a des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für die maßgebenden Bewilligungszeiträume geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1968 (BGBl. I S. 145). Nach § 33 a EStG gehören zu den außergewöhnlichen Belastungen die Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die der Steuerpflichtige keinen Kinderfreibetrag erhält, wenn die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 EStG) erwachsen. Auf außergewöhnliche Belastungen in diesem Sinne kann sich der Kläger berufen, soweit er zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau und für seine im Altersheim lebenden Mutter hatte.

Ein im Sinne der Freibetragsregelung des § 25 BAföG atypischer Unterhaltsaufwand für die getrennt lebende Ehefrau ist dem Kläger zwangsläufig erwachsen. Er konnte sich ihm aus rechtlichen Gründen (vgl. § 1361 BGB) nicht entziehen. Dieser Aufwand war auch notwendig, soweit er höher als die anteiligen Aufwendungen bei einer sonst Üblichen gemeinsamen Haushaltsführung war (vgl. BFH in BStBl. III 1958 S. 329). Was die angemessene Höhe der zwangsläufigen Mehrbelastung des Klägers anbetrifft, ist es zwar ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, daß der Kläger an seine getrennt lebende Ehefrau eine monatliche Rente von 400 DM, also mehr als den Betrag zahlt, der nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BAföG von seinem Einkommen freizulassen ist. überschreiten die tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen im Einzelfall die gesetzliche Pauschale, dann vermag dieser Umstand allein eine abweichende Handhabung nicht zu rechtfertigen. Das gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - aus den höheren Unterhaltsleistungen nur ein Teil des Unterhaltsbedarfs des Berechtigten zu decken ist. Wie aus der vom Kläger vorgelegten Ausfertigung des am 1. März 1973 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Mannheim - 5 C 410/72 - hervorgeht, ist bei der Bemessung der Höhe der vom 1. August 1972 an zu zahlenden Unterhaltsrente nicht unberücksichtigt geblieben, daß die im Hause des Klägers wohnende Ehefrau keine Miete zu zahlen hat und auch - abgesehen von den Kaminfegergebühren - mit aus dem Hauseigentum anfallenden laufenden Verpflichtungen nicht belastet ist. Das schließt indessen nicht aus, daß dem Kläger über die Unterhaltsrente hinaus für den selbständigen und deshalb atypischen Unterkunftsbedarf seiner getrennt lebenden Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennende Aufwendungen entstanden sind, für die ein weiterer Teil seines Einkommens nach § 25 Abs. 6 BAföG anrechnungsfrei bleiben kann. Der Beurteilung, in welchem Umfange atypische Aufwendungen zur Befriedigung des Unterkunftsbedarfs der Ehefrau berücksichtigungsfähig sein können, sind allerdings entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Kosten zugrunde zu legen, die für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Hausgrundstücks oder - soweit getrennt ermittelbar - der von der Ehefrau bewohnten Wohnung entstanden sind. Nach der Systematik des Bundesausbildungsförderungsgesetzes werden diese Aufwendungen bereits bei der Ermittlung des Einkommens nach § 21 BAföG berücksichtigt. Danach gilt als Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Nach § 2 Abs. 2 EStG ist der Gesamtbetrag der Einkünfte die Summe der Einkünfte aus den in § 2 Abs. 3 EStG bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben. Nach den hier anzusetzenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 3 Nr. 6 EStG) sind Einkünfte der Überschuß aus den Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG). Soweit der Kläger Aufwendungen hatte, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus seinem Hausgrundstück dienten, sind sie als Werbungskosten (vgl. § 9 EStG) von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abgezogen, also bereits bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte berücksichtigt worden. Für dieselben Aufwendungen kann mithin ein Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG nicht in Betracht kommen. Indessen gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG). Dieser Nutzungswert ist bei der Einnahmen-Überschuß-Rechnung als Einnahme anzusetzen. Er stellt den Wert dar, den der Kläger durch die unentgeltliche Überlassung der Wohnung aufgewendet hat, um im Rahmen seiner Unterhaltspflicht den Unterkunftsbedarf seiner Ehefrau zu befriedigen. Als außergewöhnliche Belastungen sind ferner berücksichtigungsfähig die Aufwendungen, die der Kläger für die Beheizung der Wohnung seiner Ehefrau sowie - möglicherweise - für Wasserlieferung und Abwässerbeseitigung getragen hat.

Soweit der Unterhaltsanspruch der Auszubildenden hinsichtlich der seit dem 1. Juli 1973 geleisteten Förderungsaufwendungen übergeleitet worden ist, hat das Berufungsgericht im Ergebnis auch zutreffend entschieden, daß dem Kläger ein Freibetrag nach § 25 Abs. 6 BAföG zustehen kann für die Aufwendungen zugunsten seiner im Altersheim lebenden Mutter. Auch die Mutter hat einen - wie oben dargelegt worden ist - atypischen Unterhaltsbedarf für die Unterkunft. Ob der Kläger nach seinen Einkommensverhältnissen rechtlich verpflichtet ist, auch seiner Mutter Unterhalt zu gewähren, ist zwar zweifelhaft; indessen ist ein jedenfalls nicht als unangemessen anzusehender Unterhaltsaufwand von monatlich 100 DM ihm deshalb als außergewöhnliche Belastung zwangsläufig erwachsen, weil er sich dieser Unterstützungsleistung aus sittlichen Gründen nicht entziehen kann (vgl. § 33 Abs. 2 EStG).

Da der Beklagte sich zu Unrecht an der Anwendung des § 25 Abs. 6 BAföG gehindert gesehen und deshalb sein ihm nach dieser Vorschrift zustehenden Ermessen nicht ausgeübt hat, ist die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.