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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 31.08.1988, Az.: 9 B 163/88

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Januar 1988 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.000 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die von ihr als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob eine asylrechtlich relevante politische Verfolgung auch dann festzustellen ist, "wenn die Gewährung gleicher staatsbürgerlicher Rechte davon abhängig gemacht wird, daß die eigene kulturelle Identität zugunsten der Mehrheit aufgegeben wird", rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich nicht stellen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Konvention eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung voraussetzt (vgl. etwa Urteil vom 17. Mai 1983 - BVerwG 9 C 36.83 - BVerwGE 67, 184 <185, 186> m.w.N.). Das bedeutet indessen nicht - wie der Senat in seinem Urteil vom 15. März 1988 - BVerwG 9 C 278.86 - JZ 1988, 709 (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt) klargestellt hat, daß eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ausschließlich und allein auf Zugriffe wegen der in Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Konvention ausdrücklich genannten persönlichen Merkmale beschränkt wäre; vielmehr können für eine asylrechtliche politische Verfolgung auch solche dauerhaften persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen in Betracht kommen, die den genannten Merkmalen des Art. 1 A Nr. 2 GK vergleichbar sind, was insbesondere dann naheliegt, wenn sie sich in der Vergangenheit ebenfalls bereits als verfolgungsträchtig erwiesen haben (Urteil vom 15. März 1988 - BVerwG 9 C 278.86 -, a.a.O.).

Das Berufungsgericht hat hier die Asylberechtigung der Kläger nicht deshalb verneint, weil sie ethnisch zum Volk der Zigeuner - und zwar zur Bevölkerungsgruppe der jugoslawischen Romi - gehören, sondern weil das Gesamtbild, welches sich zur Überzeugung des Berufungsgerichts aus den zahlreichen von ihm verwerteten Erkenntnisquellen und aus dem eigenen Vorbringen der Kläger ergibt, nicht die Aussage zuläßt, Angehörige dieser Volksgruppe, die Wander-Zigeuner als solche oder speziell die Kläger würden in Jugoslawien aus asylerheblichen Gründen politisch verfolgt (UA S. 22 ff, 58). Die Auffassung der Beschwerde, das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob durch den Zwang zur Assimilierung eine asylrechtliche politische Verfolgung entsteht und ob verlangt werden könne, daß die Zigeuner sich den Lebensgewohnheiten der Mehrheitsbevölkerung anpassen, oder ob sie ihre ethnischen Eigenschaften im jugoslawischen Staatsverband ausleben könnten, läßt die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil außer Betracht: Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage unter Berücksichtigung der Verfassungslage sowie der faktischen Verhältnisse in Jugoslawien eingehend erörtert, allerdings mit einem für die Kläger asylrechtlich negativen Ergebnis. Das Berufungsgericht hat insbesondere festgestellt, daß Jugoslawien den Zigeunern als einer in ihrem Land lebenden Minderheit, auch wenn es ihr nicht den Status einer Nationaliät einräumt, jedenfalls nicht die Möglichkeit nimmt, sich in ihren kulturellen, sprachlichen und religiösen Eigenheiten zu entfalten (UA S. 41). Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, daß Zigeuner in Jugoslawien unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit - wie alle Bürger - insbesondere das Recht auf Arbeit, auf Freizügigkeit und Siedlungsfreiheit genießen; Zigeuner sind ebensowenig wie die Angehörigen anderer Nationen oder Nationalitäten gezwungen, sich als Romi zu bekennen (UA S. 30 ff, 41). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ferner nicht zu erkennen, daß der jugoslawische Staat in einer ihm asylrechtlich zurechenbaren Weise die auch Zigeunern von der Verfassung eingeräumten Rechte tatsächlich vorenthält (UA S. 41 ff). Von einem Zwang zur Assimilierung oder zur Aufgabe der kulturellen Identität und Eigenheit der ethnischen Minderheit der Zigeuner in Jugoslawien, die als politische Verfolgung gewertet werden könnte, kann demnach nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gesprochen werden.

Die mit der Beschwerde gegen diese Feststellungen vorgebrachten Verfahrensrügen im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greifen nicht durch. Eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör ist entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht ersichtlich. Dieser Grundsatz umfaßt nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. etwa Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfaßt hingegen nicht die Pflicht des Gerichts, seine Beweiswürdigung und seine daraus gezogenen Schlußfolgerungen mit den Beteiligten vorab zu erörtern, zumal sich deren Einzelheiten vielfach erst in der Schlußberatung ergeben; der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise außer Acht lassen (vgl. Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 310§ 108 VwGO Nr. 87; Beschluß vom 24. August 1983 - BVerwG 3 CB 44.82 - Buchholz 3.10 § 108 VwGO Nr. 137). Die nach Auffassung der Beschwerde im Ergebnis für unzutreffend gehaltene Beweiswürdigung zur Lage der Zigeuner in Jugoslawien läßt revisionsrechtlich nachprüfbare Verstöße nicht erkennen. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Berufungsgerichts gegenüber den Klägern und daraus resultierende Verstöße gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze sind entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht ersichtlich.

Auch die schließlich von der Beschwerde gerügte Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Sachaufklärung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der Kläger ist nicht begründet. Ob die Kläger staatenlos oder jugoslawische Staatsbürger sind, hat das Berufungsgericht geprüft und seine Auffassung unter Zugrundelegung des jugoslawischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sowie der eigenen Angaben der Kläger eingehend begründet (UA S. 20 bis 22). Revisionsrechtlich nachprüfbare Verstöße gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sind insoweit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hiervon abgesehen kam es darauf nach der insoweit maßgebenden, imübrigen aber auch zutreffenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an, zufolge der auch Staatenlose Schutz vor politischer Verfolgung durch das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts genießen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, [...].