Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 09.01.1989, Az.: 9 B 454/88
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. September 1988 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die aus der Sicht des Beigeladenen völkerrechtswidrige Behandlung der Tamilen durch srilankische und indische Streitkräfte im Zuge bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen politische Verfolgung indiziere, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgrundsätzlichkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich grundsätzlich eine politische Verfolgung auch aus Bürgerkriegsverhältnissen herleiten. Es versteht sich von selbst, daà eine aus politischen Gründen stattfindende Verfolgung nicht deshalb asylrechtlich unbeachtlich ist, weil sie die Form und die AusmaÃe eines Bürgerkrieges annimmt (vgl. bereits Beschluà vom 17. Januar 1980 - BVerwG 1 B 573.79 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 18; ebenso Urteil vom 3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 33.85 u.a. - BVerwGE 72, 269 <277>[BVerwG 03.12.1985 - 9 C 33/85]). Ob unter solchen Bürgerkriegsverhältnissen Personen wegen ihrer Rasse und anderer asylerheblicher Merkmale getroffen werden sollen, läÃt sich jedoch nicht rechtsgrundsätzlich, sondern nur in Würdigung der im jeweiligen konkreten Fall gegebenen tatsächlichen Verhältnisse beantworten (Beschluà vom 4. November 1986 - BVerwG 9 B 200.86 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 57). Dabei sind völkerrechtswidrige Ãbergriffe, wie sie in der Beschwerde unter Hinweis auf Art. 3 der Genfer Rot-Kreuz-Konventionen von 1949 und Völkergewohnheitsrecht angesprochen werden, zwar in ihrer Ãberreaktion in besonderem Maà verabscheuungswürdig, können aber allein wegen ihrer Schwere einen Asylanspruch nicht begründen (Urteil vom 3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 33.85 u.a. - a.a.O. S. 276, ferner Senatsurteil vom 17. Mai 1983 - BVerwG 9 C 36.83 - BVerwGE 67, 184 <188>[BVerwG 17.05.1983 - 9 C 36/83]). Selbstverständlich muÃ, falls eine gegen allgemeine Grundsätze des Völkerrechts verstoÃende Verfolgung einer Minderheit festgestellt wird, die sie auslösende staatliche Motivation besonders sorgfältig geprüft werden. Eine Indizwirkung, wie sie der Senat der Anwendung von Foltermethoden deswegen zugemessen hat, weil ihr in der Vergangenheit typischerweise politische oder religiöse Motive zugrunde gelegen haben, kommt einer Bürgerkriegssituation, die durch militante separatistische Bestrebungen einerseits und - auch wahllose - Vergeltungsschläge der Sicherheitskräfte andererseits geprägt ist, jedoch nicht zu. Dies bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren und wäre dort auch im Hinblick auf die Feststellung des Berufungsgerichts, daà seit dem Friedensabkommen zwischen Sri Lanka und Indien vom Juli 1987 keine Ãbergriffe der srilankischen Sicherheitskräfte gegen die tamilische Zivilbevölkerung mehr bekanntgeworden sind und die veränderte Lage keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Gruppenverfolgung tamilischer Volkszugehöriger bietet, nicht entscheidungserheblich.
Ebensowenig kommt eine Revisionszulassung wegen der weiteren in der Beschwerdeschrift formulierten Frage in Betracht, ob die an terroristischen Aktionen unbeteiligten Zivilpersonen als politisch verfolgt anzusehen sind, wenn gegen sie MaÃnahmen allein wegen Zugehörigkeit zu einer Minderheit ergriffen werden, aus der Guerillakämpfer kommen. Wie der Senat im Urteil vom 3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 33.85 u.a. - (a.a.O.) entschieden hat, sind nämlich Vergeltungsschläge staatlicher Sicherheitskräfte gegen eine nach Guerilla-Taktik kämpfende Bürgerkriegspartei auch dort nicht vom unmittelbaren Kampfgeschehen zu trennen und damit nicht schon ohne weiteres asylrechtsbegründend, wo die Zivilbevölkerung davon betroffen wird. Im übrigen würde sich auch diese Frage angesichts des Beweisergebnisses, wonach im entscheidungserheblichen Zeitpunkt die tamilische Zivilbevölkerung nicht unter den staatlichen Sicherheitskräften, wohl aber unter erheblichen Ãbergriffen der tamilischen "Befreiungs-Tiger" zu leiden hatte, in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen.
SchlieÃlich ist entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht klärungsbedürftig, ob im Asylverfahren die nach ihrer Auffassung nur an eine subjektive Verfolgungsfurcht geknüpfte Eigenschaft des Beigeladenen als Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK hätte geprüft werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daà die Asylgewährung die begründete Furcht vor politischer Verfolgung im Heimatstaat des Asylsuchenden voraussetzt. Begründete Furcht ist anzunehmen, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so daà ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (vgl. bereits Urteil vom 29. November 1977 - BVerwG 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82 <83>[BVerwG 29.11.1977 - 1 C 33/71]). Einem Asylbewerber, der bereits politische Verfolgung zu erdulden hatte, kann darüber hinaus der Schutz des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nur dann versagt werden, wenn bei Rückkehr in seinen Heimatstaat eine Wiederholung von VerfolgungsmaÃnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. Urteil vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169). Weiter ist geklärt, daà für die "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK insoweit nichts grundsätzlich anderes gilt (vgl. Urteil vom 4. November 1965 - BVerwG 1 C 54.63 - Buchholz 402.22 Art. 1 GK Nr. 15) und daà ferner der Begriff des politisch Verfolgten in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in der Weise in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention entwickelt worden ist, als den dort genannten Merkmalen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und der politischen Ãberzeugung exemplarischer Charakter für die Beurteilung einer hieran anknüpfenden Verfolgung als einer politischen zuzumessen ist (vgl. Urteil vom 17. Mai 1983 - BVerwG 9 C 36.83 - a.a.O.). Dies bedeutet jedoch nicht, daà alle Sachverhalte, wegen derer die Konvention die Flüchtlingseigenschaft zuerkennt, stets auch den Tatbestand der politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG erfüllen. Nur der im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG verfolgungsbedrohte Personenkreis kommt aber in der Bundesrepublik Deutschland für die von dem Beigeladenen beantragte förmliche Anerkennung als Asylberechtigter in Betracht. Eine solche Anerkennung ist nach Aufhebung des früheren § 28 des Ausländergesetzes gesetzlich in § 1 AsylVfG nur für solche Ausländer vorgesehen, die Schutz als politisch Verfolgte nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beantragen. Rechte, die einem Ausländer daneben nach anderen Rechtsvorschriften zustehen können, sind weder Gegenstand des Anerkennungsverfahrens, noch können sie zu einer Anerkennung als Asylberechtigter führen (vgl. Beschlüsse vom 5. November 1985 - BVerwG 9 B 346.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 40 und vom 12. Juni 1986 - BVerwG 9 B 91.86 -; Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 76.87 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, [...].