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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 30.10.1958, Az.: I C 128/58

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1958 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

Der Kläger, deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft in ... beantragte bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung, die Gültigkeit seines deutschen Reisepasses zu verlängern. Mit Rücksicht darauf, daß der Kläger im Fahndungsbuch zwecks Verbüßung zweier Strafen von insgesamt über sieben Monaten Gefängnis zur Festnahme ausgeschrieben ist und außerdem gegen ihn zwei weitere Strafverfahren anhängig sind, lehnte der Beklagte den Antrag ab und wies die Auslandsvertretung an, die Gültigkeit des Reisepasses auf die Rückkehr nach Deutschland zu beschränken. Die Klage war in zwei Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht erklärte die angefochtene Maßnahme auf Grund des § 7 Abs. 1 Buchst. b des Paßgesetzes für gerechtfertigt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er beruft sich auf das Grundgesetz und ist der Meinung, daß die angefochtene Maßnahme keinen Sinn habe. Das Verfahren weist nach seiner Ansicht erhebliche Mängel auf. Auf seine Schriftsätze wird Bezug genommen. Der Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision konnte keinen Erfolg haben.

Die Ansicht des Klägers, daß das Verfahren an Mängeln leide, trifft nicht zu. Dem Kläger ist rechtliches Gehör gewährt worden. Er hat Abschrift jedes Schriftsatzes erhalten. Ihm ist ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den gegnerischen Schriftsätzen Stellung zu nehmen und seine Meinung zu den Rechts- und Tatfragen eingehend vorzutragen. Die Schriftsätze des Klägers sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und vom Gericht gewürdigt worden. Unter diesen Umständen lag kein Anlaß vor, dem vom Kläger zuletzt noch gestellten Antrag auf Vertagung zu entsprechen. Die mündliche Verhandlung konnte ohne den Kläger stattfinden (§ 36 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 [BGBl. I S. 625] - BVerwGG -).

Die angefochtene Maßnahme beruht auf § 7 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes über das Paßwesen vom 4. März 1952 (BGBl. I S. 290). Danach ist der Paß zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßbewerber sich einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung, die im Inland gegen ihn schwebt, entziehen will. Nach § 7 Abs. 3 des Paßgesetzes darf aber auch in diesem Falle der Paß zur Rückkehr in das Gebiet des Geltungsbereichs des Grundgesetzes einschließlich des Gebiets des Landes Berlin nicht versagt werden. Die Meinung des Klägers, daß diese Vorschriften mit dem Grundgesetz nicht in Einklang stünden, trifft nicht zu.

Art. 11 des Grundgesetzes - GG - scheidet aus. Nach Art. 11 GG genießen alle Deutschen das Recht auf Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Daraus ist zu entnehmen, daß dem Kläger der Paß zur Rückkehr in das Bundesgebiet nicht verweigert werden darf. Eine entsprechende Vorschrift ist in § 7 Abs. 3 des Paßgesetzes auch enthalten. Der Kläger hätte, wie den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu entnehmen ist, einen solchen Paß auch jederzeit erhalten können. Ihm liegt jedoch nichts an der Rückkehr nach Deutschland. Er will den Paß für seinen Aufenthalt im Ausland haben. Insoweit kommt allein Art. 2 GG in Betracht. Danach hat jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz, verstößt. Die Versagung des Passes mag zwar für den Kläger eine Einschränkung seiner Rechte aus Art. 2 GG bedeuten. Die Einschränkung ist aber im Rahmen des Art. 2 GG zulässig.

Mit einer gleichgelagerten Frage hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. Januar 1957 (BVerfGE 6, 32 ff.) befaßt. In dem Fall, der vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, ging es u.a. um die Frage, ob § 7 Abs. 1 Buchst. a des Paßgesetzes mit Art. 2 GG vereinbar sei. Nach § 7 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über das Paßwesen ist der Paß zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller als Inhaber eines Passes die innere oder die äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland oder eines deutschen Landes gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bejaht. Gleiches muß für § 7 Abs. 1 Buchst. b des Paßgesetzes gelten. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausgeführt hat, garantiert Art. 2 GG die Handlungsfreiheit lediglich unter dem Vorbehalt jedes verfassungsmäßigen Gesetzes. Danach aber ist auch § 7 Abs. 1 Buchst. b des Paßgesetzes nicht zu beanstanden; denn diese Vorschrift stellt sich als ein verfassungsmäßiges Gesetz dar. Gegen § 7 Abs. 1 Buchst. b des Paßgesetzes ist im übrigen aber auch dann nichts einzuwenden, wenn man den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung enger auslegen will als das Bundesverfassungsgericht; denn das Recht des Staates auf Strafverfolgung und Strafvollstreckung wird durch Art. 2 GG nicht berührt. Hieraus ergibt sich der Sinn der vom Kläger angefochtenen Maßnahme. Seine Meinung, daß sie eines Sinnes entbehre, trifft nicht zu.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 65 Abs. 1 BVerwGG.