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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 22.05.1958, Az.: I C 57/55

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1954 - OVG Bf. III 18/54 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin sandte im August 1951 einen Kesselwagen mit italienischem Wein an die Firma D. nach H. Auf der von der Firma E. beantragten Zollabfertigung beanstandete das Hauptzollamt St. A. in H. am 9. August 1951 den Wein. Am 10. August 1951 stellte das Laboratorium der Triester Industrie- und Handelskammer ein Attest aus, in welchem die Ware als "Dessertwein" bezeichnet wurde. In der Folgezeit führte das Hygienische Institut der Hansestadt Hamburg auf Veranlassung des Hauptzollamts eine Nachuntersuchung des Weines durch. Es kam zu dem Ergebnis, daß der von ihm untersuchte Wein der gleiche sei, für den das Triester Attest ausgestellt sei, es handele sich aber bei ihm nicht um Dessertwein, da er den diesen eigentümlichen Geschmack nicht besitze. Etwa ein halbes Jahr später beantragte die Beigeladene zu 1) namens und im Auftrage der E. GmbH bei dem Hygienischen Untersuchungsamt Hamburg erneut eine Nachprüfung des Weines. Das Hygienische Institut kam nach nochmaliger Prüfung des Weines unter Hinzuziehung eines weiteren amtlichen und eines gewerblichen Sachverständigen wiederum zu der Feststellung, daß es sich nicht um Dessertwein handele. Nach Angaben der Klägerin soll nunmehr die E. GmbH ihr den Wein zu Händen der Beigeladenen zu 1) wieder zur Verfügung gestellt haben. Daraufhin beantragte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten die Entscheidung der Oberfinanzdirektion. Diese wies zunächst darauf hin, daß ihre Entscheidung nur vom Verfügungsberechtigten beantragt werden könne, und fragte an, ob der Antrag auch im Namen der Beigeladenen zu 1) gestellt werde. Als dies bejaht wurde, holte die Oberfinanzdirektion ein Obergutachten der Staatlichen Chemischen Untersuchungsanstalt München ein. Dieses kam wiederum zu dem Ergebnis, daß dem Wein die einem Dessertwein eigentümliche Note fehle und er daher nicht einfuhrfähig sei. Daraufhin beschied die Oberfinanzdirektion den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) am 3. Dezember 1952 dahin, daß der Wein gemäß § 14 Abs. 1 des Weingesetzes vom 25. Juli 1930 (RGBl. I S. 356) - WG - von der Einfuhr zurückgewiesen werden müsse, die Entscheidung des Hauptzollamts mithin zu Recht bestehe. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid nicht. Nach Erlaß des Bescheides erstattete das Laboratorium der Industrie- und Handelskammer Triest auf Grund einer vom Hauptzollamt erhaltenen Probe erneut ein Gutachten vom 3. April 1953 über den Wein, in dem dieser als "guter roter Dessertwein für den direkten Konsum" bezeichnet wird. In einem weiteren Gutachten des "Vereins des Einfuhr- und Großhandels in Weinen und Spirituosen Hamburg e.V." vom 18. April 1953 und in einer am 1. Juni 1953 von vier vereidigten Sachverständigen in Bremen vorgenommenen "Sinnenprobe" wird der Wein ebenfalls als Dessertwein gekennzeichnet.

Am 1. Juni 1953 erhob die Klägerin Klage im Verwaltungsstreitverfahren und beantragte, den Bescheid des Hauptzollamtes vom 9. August 1951 und den Bescheid der Oberfinanzdirektion vom 3. Dezember 1952 aufzuheben. Auf Veranlassung des Landesverwaltungsgerichts Hamburg haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) bei der Oberfinanzdirektion Einspruch gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1952 eingelegt. Dieser Einspruch ist von der Oberfinanzdirektion durch Bescheid vom 30. Juli 1953 zurückgewiesen worden. Daraufhin haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) beantragt, auch den Bescheid vom 30. Juli 1953 aufzuheben.

Das Landesverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Urteilsgründen ist ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben. Die Voraussetzungen der §§ 44 ff. der Militärregierungsverordnung Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone (Amtsbl. der brit. MilReg. 1948 S. 799) - MRVO 165 - seien auch erfüllt. Sei die Klägerin "verfügungsberechtigt" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 der einzollordnung - WZO - und damit beschwerdebefugt gewesen, so habe sie mit der Beschwerdeeinlegung dem § 49 Abs. 1 Satz 1 MRVO 165 genügt. Sei sie nicht verfügungsberechtigt gewesen, so habe sie durch nachträgliche Einlegung des Einspruchs die Voraussetzung des § 44 MRVO 165 erfüllt. Fristen seien mangels Rechtsmittelbelehrung nicht versäumt worden. Die Klägerin sei nach ihrem Vorbringen auch in einem Rechte, nämlich zumindest in ihrem Anspruch gegen die E. GmbH auf Abnahme und Bezahlung des Kaufpreises aus Kaufvertrag, beeinträchtigt und damit nach § 23 Abs. 1 MRVO 165 klagebefugt. Die Klage sei aber nicht begründet. Nach den §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 und 4 Abs. 1 Satz 3 des Weingesetzes in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes vom 16. Juli 1932 (RGBl. I S. 353) - AVOWG - dürfe mit Alkohol versetzter Wein nur dann eingeführt werden, wenn er den Charakter von Dessertwein habe. Diese Eigenschaft hätten das Hygienische Institut Hamburg und die Staatliche Chemische Untersuchungsanstalt München dem strittigen Wein nicht zuerkannt. Die Beklagte sei nun allerdings entgegen ihrer Auffassung nicht gemäß Art. 10 Abs. 3 AVOWG und § 10 WZO an das Obergutachten des Münchener Instituts gebunden gewesen. Das mache ihre Entscheidung aber nicht falsch, denn sie habe keinen Ermessensspielraum bei der Frage gehabt, ob der strittige Wein Dessertwein sei oder nicht. Die Beklagte sei mit Recht davon ausgegangen, daß es in erster Linie von dem Geschmack eines Weines, abhänge, ob man ihn als Dessertwein bezeichnen könne. Es stehe nicht fest, ob der strittige Wein zu der Zeit, als die Bescheide der Beklagten ergingen, den typischen Dessertweingeschmack gehabt habe. Eine Beweiswürdigungsregel, die das Gericht zwänge, das Ergebnis des Gutachtens des Triester Instituts unbesehen zu übernehmen, bestehe nicht. Die Handelsabkommen, auf die die Klägerin sich dafür beziehe, enthielten keine solche Regel. Für das Gericht wäre sie im übrigen unbeachtlich. Bei den entgegengesetzten Ergebnissen der Gutachten könne das Gericht sich nicht davon überzeugen, daß das der Klägerin günstigere Ergebnis das richtige sei. Weitere Beweiserhebungen seien zwecklos. Sie konnten allenfalls ergeben, wie der Wein gegenwärtig schmecke. Es komme aber nur darauf an, wie er zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte geschmeckt habe. Inzwischen könne er durch Lagerung seinen Geschmack geändert haben. Die Beweislast treffe die Klägerin. Das Weingesetz habe Bedenken gegen gespritete Weine. Es habe sie nur bei Dessertweinen überwunden. Wo der Dessertweincharakter zweifelhaft sei, bleibe es somit bei dem Einfuhrverbot. Die Klage habe daher abgewiesen werden müssen.

Die Revision ist von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen worden.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) haben Revision eingelegt. Sie beantragen Aufhebung des angefochtenen Urteils und Entscheidung nach Klagantrag, hilfsweise Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Zur Begründung ihrer Revision machen sie geltend:

Das Oberverwaltungsgericht habe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Vor Anwendung von Beweislastregeln habe es gemäß § 61 MRVO 165 den Sachverhalt soweit wie möglich aufklären müssen. Das Gericht habe § 65 Abs. 1 MRVO 165 verletzt, da es die Parteien nicht mit seiner Rechtsauffassung vertraut gemacht habe. Auch § 72 Abs. 2 MRVO 165 habe das Gericht außer acht gelassen, da es den Parteien keine Gelegenheit gegeben habe, zu seinen Ansichten über die Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen. In sachlicher Hinsicht habe das Gericht § 8 Abs. 1 WZO zu Unrecht nicht angewandt. Nach dieser Vorschrift sei Wein italienischer Erzeugung regelmäßig ohne Untersuchung zur Einfuhr zuzulassen, wenn die Sendung von einem Zeugnis über die Einfuhrfähigkeit des Erzeugnisses seitens einer wissenschaftlichen Anstalt des Erzeugungslandes begleitet sei. Da das hier der Fall sei, sei die Untersuchung und damit auch der Ablehnungsbescheid rechtswidrig. Hierdurch gewinne zugleich die irrtümliche Vorstellung der Beklagten, an die von ihr eingeholten Gutachten gebunden zu sein, eine andere Bedeutung. Wäre die Beklagte diesem Irrtum nicht erlegen und hätte sie sich in ihrer Entscheidungsbefugnis frei gefühlt, dann wäre sie zweifellos auf den § 8 Abs. 1 WZO gestoßen. Das angefochtene Urteil habe daher zu Unrecht den Irrtum der Beklagten für unerheblich gehalten. Es habe damit gegen Art. 10 Abs. 3 AVOWG und gegen § 10 Abs. 1 WZO verstoßen. Schließlich habe das Berufungsgericht auch die §§ 1 und 2 WG verletzt. Für den Begriff Dessertwein könne nur die Herstellungsart, nicht der Geschmack entscheidend sein. Die Auffassung des Berufungsgerichts verstoße gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) - GG -, gegen das Grundrecht der Vertragsfreiheit und gegen die Art. 12 und 14 GG. Eine etwaige Beweislast müsse auf jeden Fall immer die Zollbehörde treffen.

Die Beklagte hält die Zulässigkeit des Rechtsweges vor den Verwaltungsgerichten wegen einer etwaigen Zuständigkeit der Finanzgerichte für zweifelhaft. Im übrigen ist sie dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hat sich im wesentlichen der Begründung des Berufungsurteils angeschlossen.

Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges ist von den Vorinstanzen mit Recht bejaht worden. Nach § 22 Abs. 3 MRVO 165 ist die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Angelegenheiten ausgeschlossen, die durch Gesetz den ordentlichen Gerichten oder einem anderen bestehenden Gericht zugewiesen sind. Die von der Beklagten vertretene Ansicht, daß der vorliegende Rechtsstreit unter die Zuständigkeit der Finarizgerichte falle, trifft nicht zu. Die Reichsabgabenordnung begründet in den §§ 228 ff. für den vorliegenden Fall keine Zuständigkeit der Finanzgerichte. Der Bundesfinanzhof hat zwar in seinem Gutachten vom 17. April 1951 (BStBl. 1951 III S. 107 ff.) ausgeführt, daß die Finanzgerichte trotz Fehlens einer ausdrücklichen allgemeinen Zuständigkeitsnorm für alle Streitigkeiten über Abgaben nach §§ 3 und 4 der Reichsabgabenordnung zuständig seien. In der Entscheidung vom 7. Februar 1952 (BStBl. 1952 III S. 76) hat er diesen Grundsatz dahin erweitert, daß die Finanzgerichte nicht nur in ausgesprochenen Steuersachen, sondern in allen Fällen zuständig seien, in denen es sich um Verfügungen der Finanzbehörden handele, die diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen hätten (ebenso Beschluß des BFH vom 2. März 1955 [Betrieb 1955 S. 376]). Diese Ausweitung kommt jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung. In seinem Urteil vom 31. Oktober 1957 (BStBl. 1958 III S. 8) hat der Bundesfinanzhof die Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über die Zurückweisung von weinen von der Einfuhr (§ 10 Abs. 1 WZO) für zuständig erklärt. Diese Entscheidung deckt sich mit der Auffassung des Senats. Die Zollverwaltung ist im vorliegenden Falle nicht auf dem Gebiete des Abgabenwesens, sondern auf dem Gebiete der Überwachung der Einfuhr von Lebensmitteln tätig gewesen. Diese Aufgabe ist den Zollbehörden aber nur aus Zweckmäßigkeitsgründen mitübertragen werden, weil sie bei der Einfuhr von Weinen aus dem Ausland im Rahmen der Zollabfertigung eingeschaltet werden müssen (OVG Münster in MDR 1957 S. 189). Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 31. Oktober 1957 wird die Zollbehörde beim Eingang ausländischer Weine nur im Wege der Amtshilfe tätig. Daneben mag noch ein besonderes fiskalisches Interesse bestehen, daß das Branntweinmonopolgesetz nicht durch die Einfuhr hochgespriteter Weine umgangen wird. Aber dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nach Ansicht des Senats nicht, den vorliegenden, im Weingesetz, also im Lebensmittelrecht wurzelnden Rechtsstreit an die Finanzgerichtsbarkeit zu verweisen.

Die Voraussetzungen der §§ 44 ff. MRVO 165 sind nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts erfüllt.

In sachlicher Hinsicht liegen den angefochtenen Bescheiden die Vorschriften der §§ 4, 13, 14 WG und des Art. 8 AVOWG zugrunde, die gemäß Art. 125, 74 Nr. 11, 17 und 20 GG dem Bundesrecht angehören. Nach § 14 Abs. 1 WG ist die Einfuhr von Erzeugnissen, die nach § 13 vom Verkehr ausgeschlossen sind, verboten. Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 3 WG ergibt, ist ein Wein, dem Alkohol irgendwelcher Art zugesetzt worden ist, grundsätzlich vom Verkehr ausgeschlossen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 WG können aber für ausländische Erzeugnisse, die den für den Verkehr innerhalb des Ursprungslandes geltenden Vorschriften entsprechen, durch die Ausführungsbestimmungen Ausnahmen zugelassen werden. Die Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes hat von dieser Ermächtigung in Art. 8 Gebrauch gemacht. In Abs. 1 dieser Vorschrift ist Wein ausländischen Ursprungs, der den Vorschriften des § 4 WG nicht entspricht, unter der Voraussetzung zum Verkehr zugelassen, daß er den für den Verkehr innerhalb des Ursprungslandes geltenden Vorschriften genügt. Abs. 2 des Art. 8 AVOWG macht von dieser generellen Zulassung wieder einige Ausnahmen. Nach Buchst. d dieses Absatzes sind Erzeugnisse, die einen Zusatz von Alkohol erhalten haben, vom Verkehr ausgeschlossen, soweit es sich nicht um Dessertweine handelt, die im Ursprungsland mit Alkohol versetzt worden sind. Die Regelung des Weingesetzes und der Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes geht also dahin, daß mit Alkohol versetzter Wein aus dem Ausland nur dann eingeführt werden darf, wenn er den für den Verkehr im Ursprungsland geltenden Vorschriften genügt und es sich um Dessertwein handelt, der im Ursprungsland mit Alkohol versetzt worden ist. Die Zuständigkeit der Zollbehörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren regeln die Vorschriften der Art. 10 und 11 AVOWG und der §§ 1, 2, 7 bis 11 und 17 a WZO.

Das Landesverwaltungsgericht hat die Gültigkeit der Vorschriften des Art. 10 AVOWG und des § 10 WZO in Zweifel gezogen, weil die Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes nicht von der Reichsregierung, sondern von dem Reichsminister des Innern erlassen worden sei und es hinsichtlich der Weinzollordnung an einer amtlichen Veröffentlichung der geltenden Fassung fehle. Diese Begründungen können jedoch nicht als stichhaltig anerkannt werden. Nach § 25 Abs. 2 WG ist zwar die Ermächtigung zum Erlaß von Ausführungsbestimmungen der Reichsregierung erteilt worden. Der Ausdruck "Reichsregierung" in Art. 52 der Weimarer Reichsverfassung ist jedoch nicht ein für allemal festgelegt. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist das Wort "Reichsregierung" für den jeweils fachlich zuständigen Reichsminister gewählt worden (RGSt. Bd. 58 S. 407, Thoma-Anschütz, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I S. 516 und Bd. II S. 246/47; ferner die Zitate bei Anschütz, Kommentar zur Reichsverfassung, 12. Aufl., Anm. 2 zu Art. 57; a.A. Anschütz selbst a.a.O.). Die Weinzollordnung ist im Zentralblatt für das Deutsche Reich 1909 S. 333 veröffentlicht worden (Änderungen und Ergänzungen siehe Zentralblatt für das Deutsche Reich 1910 S. 404). Durch Verordnung des Reichsministers der Finanzen über Änderung des Teiles III der Anleitung für die Zollabfertigung vom 30. März 1931 ist der für die Einfuhr von Dessertweinen wesentliche § 17 a eingefügt und im Reichsministerialblatt 1931 S. 298 verkündet worden. Seine jetzt geltende Fassung hat der hier zunächst maßgebliche § 10 WZO durch die Verordnung des Reichsministers der Finanzen über Änderung des Teiles III der Anleitung für die Zollabfertigung vom 17. August 1932 erhalten, die im Reichsministerialblatt 1932 S. 501 veröffentlicht worden ist. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 13. Oktober 1923 (RGBl. I S. 959) sind also hinsichtlich der Weinzollordnung erfüllt.

Die Anwendung der genannten Vorschriften auf den vorliegenden Sachverhalt ist durch das angefochtene Urteil zutreffend erfolgt.

Wenn die Klägerin zunächst geltend macht, daß nach Art. 8 Abs. 1 AVOWG die Zollbehörde in eine Prüfung der Einfuhrfähigkeit des Weines gar nicht hätte eintreten dürfen, da es einzig und allein auf die Feststellung der ausländischen Untersuchungsanstalt ankomme, so läßt sich damit die Revision nicht rechtfertigen. Die Beklagte weist demgegenüber mit Recht auf die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Buchst. d AVOWG hin, nach der ausländische Erzeugnisse, die einen Zusatz von Alkohol erhalten haben, vom Verkehr ausgeschlossen sind, soweit es sich nicht um Dessertweine handelt, die im Ursprungsland mit Alkohol versetzt worden sind. Art. 10 Abs. 2 AVOWG schreibt auch bei ausländischen Weinen eine Untersuchung auf Einfuhrfähigkeit allgemein vor. Nach Abs. 6 kann die Untersuchung unterbleiben, wenn die Einfuhrfälligkeit durch das Zeugnis einer wissenschaftlichen Fachanstalt des Ursprungslandes nachgewiesen wird, deren Berechtigung zur Ausstellung solcher Zeugnisse durch die Reichsregierung anerkannt worden ist. Auch die Sonderregelung, die nach § 8 Abs. 1 WZO für italienische und ungarische Erzeugnisse getroffen worden ist, zwingt die Zollbehörden nicht, die Ursprungszeugnisse dieser Weine auf jeden Fall und unter allen Umständen als ausreichende Legitimation für die Einfuhrfähigkeit anzuerkennen. Vielmehr können auch diese Weine einer Einfuhrprüfung unterzogen werden, wenn besondere Zweifel an der Richtigkeit des Ursprungszeugnisses bestehen (vgl. § 8 Abs. 1 und 4 WZO, für Dessertweine vgl. § 17 a Abs. 4 WZO). Die Handelsabkommen zwischen der Beklagten und der Italienischen Republik vom 30. Juni 1951 (Bundesanzeiger 1951 Nr. 156) und vom 19. April 1952 (Bundesanzeiger 1952 Nr. 92) geben schon deshalb keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung, weil Anlage 17 des Handelsabkommens vom 30. Juni 1951 unter Ziff. 4 ausdrücklich vorsieht, daß in Zweifelsfallen die beiderseitigen Verwaltungsbehörden berechtigt sind, den Untersuchungsbefund der mit den Ursprungsattesten eingeführten Erzeugnisse nachzuprüfen (vgl. hierzu Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 5. Dezember 1951 - III-Z 2506-134/51 -, Bundeszollblatt 1951 S. 633, besonders S. 634 unter a und c). Wegen der fehlenden Gesetzeskraft dieser Abkommen vgl. weiter unten.

Die weitere Frage, ob die Behörden an der Einfuhrfähigkeit Zweifel haben durften oder nicht, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits schon deshalb unerheblich, weil die von ihnen eingeholten Gutachten - wie noch näher auszuführen sein wird - auf jeden Fall die Berechtigung solcher Zweifel ergeben haben.

Die Entscheidung hing somit von der Frage ab, ob die Beklagte den strittigen Wein mit Recht gemäß den §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 WG, Art. 8 Abs. 2 Buchst. d AVOWG von der Einfuhr ausgeschlossen hat, d.h. ob er den weinrechtlichen Voraussetzungen des Begriffs "Dessertwein" nicht entsprach. Das Berufungsgericht hat sich der Ansicht der Beklagten angeschlossen, nach der es in erster Linie von dem Geschmack eines Weines abhängt, ob man ihn als Dessertwein bezeichnen kann. Diese Auffassung steht auch mit dem Gutachten des Hygienischen Instituts der Stadt Hamburg und dem Obergutachten der Staatlichen Chemischen Untersuchungsanstalt München in Einklang, die eine wesentliche Grundlage der angefochtenen Entscheidung bilden. Nach Auffassung des Senats entspricht die Ansicht des Berufungsgerichts sowohl der Entstehungsgeschichte des Gesetzes als auch dem Gesetz selbst.

Das Weingesetz und seine Ausführungsbestimmungen erläutern den Begriff "Dessertwein" nicht. Das Gesetz verwendet ihn vielmehr im Sinne der Verkehrssprache. So heißt es bereits in den technischen Erläuterungen zu dem Entwurf des Weingesetzes vom 20. April 1892 (RGBl. S. 597):"Unter Dessertweinen sind im allgemeinen solche Weine zu verstehen, welche an Alkohol bezw. an Alkohol und Zucker reich sind und sich dabei durch eine eigenartige Feinheit des Geschmacks auszeichnen. Dabei würde z.B. ein Sherry oder Madeira als ein Dessertwein anzusehen sein, während der als Verschnittwein auch in Deutschland viel Verwendung findende Benicarlo als Dessertwein nicht gelten könnte, da derselbe zwar einen hohen Alkoholgehalt zeigt, allein durch Feinheit des Geschmacks sich nicht auszeichnet. Als Süßweine gelten insbesondere solche an Alkohol verhältnismäßig reiche Weine, welche nach vollendeter Gärung, also als fertige Weine, einen ausgeprägt süßen Geschmack zeigen. Eine scharfe, für alle Fälle gültige Begriffsbestimmung läßt sich kaum geben. In zweifelhaften Fällen wird stets die Zunge des erfahrenen Weinkenners, nicht aber die Analyse des Chemikers den Ausschlag geben müssen."(vgl. Hieronimi, Getränkegesetze, S. 303).

Anläßlich der Beratungen der Regierungsvorlage zum Weingesetz vom 7. April 1909 (RGBl. S. 393) ist von dem Regierungsvertreter folgende, von den Kommissionsmitgliedern gebilligte Erklärung abgegeben worden, die später auch in die amtliche Begründung zu § 2 des Entwurfs des Gesetzes von 1930 aufgenommen wurde:"Unter Dessertwein (Süd-, Süßwein) versteht der Verkehr gemeinhin Wein, der zur Erzielung eines durch die Gärung des Saftes frischer Trauben allein nicht erreichbaren hohen Gehalts an Alkohol oder an Alkohol und Zucker besonderen Verfahren (Eindicken des Mostes und dergl.), in der Regel unter Verwendung gewisser Zusätze (Alkohol, Trockenbeeren u.a.) unterworfen worden ist und sich durch den solchen Getränken eigentümlichen Geschmack auszeichnet. In diesem Sinne, sind die Ausdrücke Dessertwein (Süd-, Süßwein) auch in § 2 des Entwurfes gebraucht."(Hieronimi a.a.O.).

Diese Verkehrsauffassung spiegelt sich schließlich auch in dem Gesetz selbst wider. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 WG ist es gestattet, einem Dessertwein, der zur Ausfuhr gelangt, Wein anderer Art zuzusetzen, "sofern die Eigenart des Dessertweins gewahrt bleibt". Zur Feststellung dieser Eigenart ist man naturgemäß weitgehend auf die Sinnenprobe angewiesen (siehe Holthöfer-Nüse, Das Weingesetz, Anm. 9 zu § 2 WG). Für die Vornahme der Sinnenprobe hat der Gesetzgeber in Art. 9 der Grundsätze für die einheitliche Durchführung des Weingesetzes vom 2. November 1933 (RGBl. I S. 801) auch besondere Vorschriften erlassen. Auch in den hier einschlägigen Vorschriften des Art. 10 AVOWG und des § 8 WZO ist die Notwendigkeit einer Geschmacksprobe vorgesehen (vgl. I B der Anweisung für die Untersuchungsstellen zur chemischen Untersuchung von Wein, Traubenmost und Traubenmaische, Anlage 2 zur WZO). Die Auffassung, daß die Eigentümlichkeit des Geschmacks für die Zugehörigkeit eines Weines zur Klasse der Dessertweine wesentlich ist, entspricht auch der herrschenden Meinung (RGSt. Bd. 48 S. 112; Hieronimi a.a.O. und S. 491, Anm. 3 zu § 14 WG; Holthöfer-Nüse a.a.O., Anm. 7 zu § 2 WG; siehe auch Holthöfer im Handbuch der Lebensmittelchemie, Anm. 9 zu § 2 WG).

Muß die Eigentümlichkeit des Geschmacks bei der Einfuhr von Dessertwein somit festgestellt werden, so wird man der Sinnenprüfung hierbei auch eine entscheidende und ausschlaggebende Bedeutung zuerkennen müssen. Der von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) vertretenen Ansicht, daß eine Beurteilung allein auf Grund der Sinnenprüfung infolge der ihr anhaftenden Subjektivität und fehlenden Nachprüfbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Die Rechtspflege kann solche auf reine Sinneswahrnehmung gestützte Beweise nicht entbehren. Sie hat den Beweis durch Augenschein in den §§ 371 ff. ZPO, § 62 Abs. 1 Satz 2 MRVO 165 zugelassen, der sich auf alle Sinneswahrnehmungen, also auch auf den Geschmack erstreckt (Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Vorbemerk. II 1 vor § 371; Wieczorek, Zivilprozeßordnung, Anm. B zu § 371; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 117 I). Auch die Geschmacksprüfung des Weines im Prozeß ist nur eine Augenscheinseinnahme, die der Richter wegen fehlender eigener Sachkunde unter Zuziehung eines Sachverständigen vornehmen läßt. Es mag freilich nicht immer einfach sein, einen solchen Wahrnehmungsbeweis zur Ermöglichung des gerichtlichen Urteils in Begriffe zu übersetzen. Solche Schwierigkeiten tauchen aber bei jedem Wahrnehmungsbeweis auf. Es entspricht nach der Auffassung des Senats weit eher rechtsstaatlichen Grundsätzen, einem so wichtigen Erkenntnismittel wie der Geschmacksprobe bei der Weinprüfung auch eine maßgebende Rolle zuzuerkennen, als darauf zu verzichten und die Rechtslage materiell unentschieden zu lassen. Dies steht nicht nur mit der Rechtsprechung des früheren Reichsgerichts (vgl. RGSt. Bd. 48 S. 112) und den führenden Kommentaren zum Weingesetz (Hieronimi S. 491, Holthöfer-Nüse a.a.O.), sondern auch mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1956 - III ZR 270/54 - in Einklang.

Mit diesen Ausführungen erledigen sich im wesentlichen auch die von der Klägerin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 2 GG ist auf jeden Fall schon deshalb nicht verletzt, weil die Handlungsfreiheit des einzelnen danach ihre Grenze an der verfassungsmäßigen Ordnung findet und zu dieser auch diejenigen Vorschriften gerechnet werden müssen, die der Gesetzgeber zur Abstellung der Mißstände auf dem Gebiet des Weinverkehrs erlassen hat (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 1957 [NJW 1957 S. 297]). Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG kommt für den vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die Klägerin durch die organoleptische Kontrolle bei der Einfuhr der von ihr gekauften Weine in der Freiheit ihrer Berufswahl in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Es handelt sich vielmehr um eine nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsmäßig zulässige Regelung der Berufsausübung durch Gesetz. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG berufen. Die im Interesse der Reinerhaltung des Weines erlassenen Verbote (Einführung eines mit Alkohol versetzten Weines, der nicht Dessertwein ist) gehören zu den Inhaltsbindungen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Da die Entscheidung auf der Anwendung vorkonstitutionellen Rechts beruht, kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht (BVerfGE 2, 124).

Schließlich geben auch die Handelsabkommen zwischen der Beklagten und der Italienischen Republik vom 30. Juni 1951 und vom 19. April 1952, insbesondere die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 der Anlage 5 zum Handelsabkommen vom 19. April 1952 keinen Anlaß, der Sinnenprüfung im vorliegenden Falle eine nur beschränktere Bedeutung zuzuerkennen. Diesen Verträgen fehlt die nach Art. 59 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 73 Nr. 5 GG erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes (vgl. von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Anm. 6 zu Art. 59, S. 320). Erst diese Zustimmung hätte den Inhalt der Verträge zum innerstaatlichen Recht erhoben und ihn mit Gesetzeskraft ausgestattet (von Mangoldt a.a.O. S. 321). Da dies nicht geschehen ist, sind die gesetzlichen Bestimmungen der Verordnung zur Ausführung des Weingesetzes und der Weinzollordnung über die Prüfung der Einfuhrfähigkeit bei Dessertwein auf jeden Fall unberührt geblieben.

Wendet man sich nun der Frage zu, ob die strittige Weinlieferung den danach an einen Dessertwein zu stellenden Geschmackserfordernissen entsprochen hat, so gehen die Gutachten der Sachverständigen auseinander. Den behördlichen Gutachten vom 21. August 1951, 15. Februar 1952 und 23. Oktober 1952, welche die Dessertweineigenschaft des strittigen Postens Wein verneinen, stehen die italienischen Zertifikate vom 10. August 1951 und 3. April 1953, das Zeugnis des Vereins des Einfuhr- und Großhandels in Weinen und Spirituosen Hamburg e.V. vom 18. April 1953 und das Ergebnis der von vier Sachverständigen in Bremen vorgenommenen Sinnenprobe vom 1. Juni 1953 gegenüber. Das Berufungsgericht hat hierbei mit Recht angenommen, daß die Einholung weiterer Gutachten zwecklos ist, da diese allenfalls ergeben können, wie der Wein gegenwärtig schmeckt, nicht aber, wie er zu der Zeit geschmeckt hat, als die Verwaltungsakte ergangen sind, gegen die sich die Klage richtet. Die Rüge der Verletzung des § 61 MRVO 165 ist daher unbegründet. Vielmehr ist davon auszugehen, daß nach der Regelung des Gesetzes auch ein ausländischer mit Alkohol versetzter Wein selbst dann, wenn er den für den Verkehr innerhalb des Ursprungslandes geltenden Vorschriften genügt, grundsätzlich von der Einfuhr ausgeschlossen ist und die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d AVOWG für Dessertweine enthaltene Vorschrift eine Ausnahme darstellt. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahmebewilligung bedürfen einer besonders sorgfältigen Prüfung. Nun haben sowohl das Hygienische Institut der Stadt Hamburg als auch die Staatliche Chemische Untersuchungsanstalt München die Einfuhrfähigkeit des Weines verneint. Beide Institute sind öffentliche, von der obersten Landesbehörde bestellte Fachanstalten im Sinne des Art. 10 Abs. 2 AVOWG und des § 2 Abs. 2 WZO (vgl. Runderlaß des RMdI vom 30. August 1940 betr. Untersuchung von Dessertweinen bei der Einfuhr [RMBliV. S. 1748] und Runderlaß des RMdF vom 28. September 1940 betr. Untersuchung von Dessertwein bei der Einfuhr [RGesundhBl. S. 925 unter II]). Sie sind daher kraft Gesetzes zunächst und vor allem dazu berufen, ein Urteil über die Einfuhrfähigkeit des Weines abzugeben. Bei Berücksichtigung dieser Rechtslage läßt sich eine Aufhebung der mit der Klage angegriffenen Bescheide nicht rechtfertigen. Dem Ergebnis der angefochtenen Entscheidung ist vielmehr beizutreten. Dem können auch die von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) erhobenen verfahrensrechtlichen Bedenken nicht entgegengehalten werden. Der Streitstoff ist in den vorangegangenen Instanzen eingehend erörtert und behandelt worden. Von einer Verletzung der §§ 65 Abs. 1 und 72 Abs. 2 MRVO 165 kann keine Rede sein.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 65 Abs. 1, 68, [...].