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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 18.08.1960, Az.: I C 42/59

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 16. Mai 1958 wird, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe

I.Die Kläger beantragten wegen Belästigung durch Staub und Geräusch ein baupolizeiliches Verbot des in ihrer Nachbarschaft im Wohngebiet betriebenen Kohlen- und Fuhrgeschäfts der Beigeladenen. Die Behörden hielten den Betrieb nicht für baurechtswidrig und lehnten das Einschreiten ab. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Untersagung des Betriebes. Das Oberverwaltungsgericht hat die ablehnenden Bescheide aufgehoben und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:

Für die Vornahmeklage fehle es an einem Rechtsanspruch der Kläger auf ein bestimmtes Handeln der Behörde. Nach der Bauordnung sei die Baupolizei berechtigt, aber nicht verpflichtet, vorschriftsmäßige Zustände herstellen zu lassen; das Einschreiten stehe in ihrem Ermessen. Die in der Vornahmeklage mitenthaltene Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Bescheide sei begründet. Verletzt sei der Rechtsanspruch der Kläger auf ermessensfehlerfreie Anwendung der auch dem Nachbarschutz dienenden Bestimmungen über Wohngebiete. Die Annahme der Behörde, keine rechtliche Handhabe zum Einschreiten gegen den Betrieb der Beigeladenen zu haben, gehe fehl. Nachdem am 31. März 1956 das bislang nur "geschützte" Gebiet zum Wohngebiet erklärt worden sei, dürfe zwar die bisherige Grundstücksnutzung bis zur planmäßigen Bebauung bestehen bleiben. Aber auch in geschützten Gebieten seien Anlagen verboten, die beim Betrieb Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für die Nachbarschaft oder das Publikum u.a. durch ungewöhnliche Geräusche herbeizuführen geeignet seien. Gegen die Lagerung von Brennstoffen, das Befahren des Lagerplatzes und das Be- und Entladen der Fahrzeuge werde dann nichts einzuwenden sein, wenn alle für die Beigeladenen zumutbaren Vorkehrungen gegen belästigende ungewöhnliche Geräusche und Staubentwicklung getroffen würden und der Gewerbebetrieb nicht über den bis zur Umklassierung des Gebiets erlangten Umfang hinausgehe; dabei sei wesentlich, daß die rein gärtnerische Nutzung des den Klägern unmittelbar benachbarten Grundstücks der beigeladenen Ehefrau bereits den größten Teil der belästigenden Einwirkungsmöglichkeiten auf das Maß des in einem geschützten Gebiet Erträglichen herabmindere. Bas gelte jedoch nicht für die im Betrieb benutzte Bandsäge; diese sei wegen ihres ungewöhnlichen Geräusches schlechthin unzulässig. Die Behörde hätte mithin bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen müssen, daß das Unternehmen in der gegenwärtig betriebenen Form möglicherweise auch im geschützten Gebiet nicht uneingeschränkt zulässig sei, daß sie unter diesen Umständen also befugt sei, die Herstellung vorschriftsmäßiger Zustände herbeizuführen. Da sie sich gebunden geglaubt habe, wo sie frei gewesen sei, seien ihre Entscheidungen als fehlerhaft aufzuheben. Im übrigen, d.h. hinsichtlich des Vornahmebegehrens, sei die Klage abzuweisen. Die Behörde werde nunmehr ihr Ermessen zu betätigen haben und prüfen müssen, ob und mit welchen Maßnahmen sie einschreiten solle, um zu gewährleisten, daß das Maß der im geschützten Gebiet statthaften gewerblichen Grundstücksnutzung nichtüberschritten werde.

Die Kläger haben die nachträglich zugelassene Revision eingelegt und sie auf den abweisenden Teil des Berufungsurteils beschränkt.

Sie beantragen, das Berufungsurteil abzuändern und die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, nach dem Klageantrag der ersten Instanz unter Beachtung des § 113 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zu entscheiden.

Die Kläger tragen vor: Sie hätten einen Rechtsanspruch auf das beantragte Vorgehen gegen den baurechtswidrigen Zustand, den die Beigeladenen geschaffen hätten, und die Baupolizei sei zu diesem Vorgehen verpflichtet. Das ergehe sich aus Art. 14 GG und der Berliner Bauordnung sowie aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 242 BGB. Die Abweisung der Vornahmeklage verletze Art. 19 Abs. 4 GG. Der Rechtsschutz sei nur dann gewährleistet, wenn der Beklagte seiner Rechtspflicht gemäß zum Einschreiten verurteilt werde; der Erfolg der Anfechtungsklage genüge nicht. Das Berufungsgericht habe die angestrebte neue Sachentscheidung des Beklagten unzulässig präjudiziert. Durch Nachprüfung des Berufungsurteils solle verhindert werden, daß für das weitere Verfahren eine Bindung des Gerichts an seine eigenen - unzutreffenden - Ausführungen entstehe. Das Gericht hätte prüfen müssen, inwieweit der Betrieb der Beigeladenen jetzt den Umfang der gewerblichen Grundstücksnutzung vor der Umklassierung des Gebietes überschreite; es sei über den Vortrag der Kläger hierzu unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht hinweggegangen. Auch habe es unterlassen zu prüfen, ob das Abstellen von Kraftfahrzeugen und das Lagern von Brennstoffen gegen die Reichsgaragenordnung und gegen das Berliner Planungsgesetz verstoße.

Der Beklagte ist der Revision entgegengetreten.

Der Oberbundesanwalt hält die Ausgestaltung des Nachbarrechts für eine Sache des Landesrechts und daher trotz ihrer Auswirkung auf das Verfahrensrecht für irrevisibel. Gegen Bundesrecht verstoße das Berufungsurteil nicht.

II.1)Die Revision richtet sich, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, nur gegen die Teilabweisung der Klage im Berufungsurteil. Der andere Teil des Urteilsausspruchs, der die Verwaltungsbescheide über die Ablehnung des beantragten baupolizeilichen Einschreitens aufgehoben hat, ist daher rechtskräftig. Die Entscheidungsgründe jedoch sind in ihrem vollen Umfang revisionsgerichtlich nachzuprüfen. Denn die vermeintlich nur der Aufhebung der Ablehnungsbescheide geltenden Gründe lassen sich von den Ausführungen zum Verpflichtungsantrag (Vornahmeantrag) wegen untrennbaren Zusammenhanges nicht scheiden. Daher kann eine Bindung des Berufungsgerichts auch nur an einen Teil seiner in den Entscheidungsgründen entwickelten Rechtsauffassungen für das weitere Verfahren nicht eintreten, insbesondere nicht aus Gründen der Rechtskraft. Verfahrensmäßige Folgerungen ergeben sich aus der scheinbaren Einschränkung des Revisionsbegehrens, die richtig gesehen nur eine Klarstellung ist, nicht.

2)Die Revision gegen die Abweisung des Vornahmeantrages ist zulässig und begründet. Sie führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache.

a)Der Senat kann der Revision nicht dahin folgen, daß Verstöße gegen nachbarschützende Bestimmungen desöffentlichen Baurechts ohne weiteres einen vollausgebildeten Rechtsanspruch des in geschützten Rechten beeinträchtigten Nachbarn auf baupolizeiliches Einschreiten begründen. Das Berufungsgericht hat in Anwendung der Berliner Bauordnung, neben der es sich im gleichen Sinne noch auf das preußische Polizeiverwaltungsgesetz hätte berufen können, also auf Grund von Landesrecht entschieden, die Baupolizei sei zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände zwar im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens berechtigt, dazu aber nicht strikt verpflichtet; bei Verletzung auch nachbarschützender Bestimmungen des öffentlichen Baurechts habe der Nachbar einen Rechtsanspruch nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, nicht aber auf ein bestimmtes Handeln der Baupolizei. Soweit das Berufungsgericht damit nur über das Bestehen und den Inhalt von Landesrecht entschieden hat, ist seine Entscheidung nach §§ 137 Abs. 1 und 173 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) - VwGO - in Verbindung mit § 562 ZPO für die Revisionsentscheidung maßgebend. Zu prüfen bleibt dem Revisionsgericht, ob die Anwendung des Landesrechts in dieser berufungsgerichtlichen Auslegung Bundesrecht verletzt.

Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum, überläßt aber die Bestimmung des Inhalts des Eigentums den Gesetzen. Gesetze in diesem Sinne sind auch die Rechtsvorschriften des Landesrechts. Eine Inhaltsbestimmung kann die Gewährleistung des Eigentums nicht verletzen. Der Wesensgehalt des Eigentumsrechts ist nicht angetastet (Art. 19 Abs. 2 GG), wenn ein Gesetz einerseits den Inhalt des Eigentums durch nachbarschützende Bestimmungen des öffentlichen Baurechts materiell erweitert, andererseits aber zum Schutze der so begründeten Eigentumsrechte die Hilfe der Polizei nur nach Maßgabe des Opportunitätsgrundsatzes, d.h. nicht mit strikter Verpflichtung zum Einschreiten, sondern nur mit der Pflicht zu ermessensfehlerfreier Entschließung über das Ob und Wie des Einschreitens zur Verfügung stellt. Die Berufungsentscheidung verletzt insoweit nicht Art. 14 GG.

Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit hindert den Gesetzgeber nicht, der Verwaltung - hier: der Baupolizei - Ermessensfreiheit zu geben. Die Ermessensfreiheit der Verwaltungsbehörden ist vielmehr ein legitimer Bestandteil der Rechtsordnung und der verfassungsmäßigen Ordnung. Auch insoweit besteht allerdings die Schranke, daß der Wesensgehalt der Grundrechte - hier des Eigentums - unangetastet bleiben muß. Deshalb hat es der Senat im Urteil vom 4. März 1960 (BVerwGE 10, 202 [BVerwG 04.03.1960 - I C 43/59]) nicht für angängig gehalten, die Versagung einer Wohnsiedlungsgenehmigung, die in eins der wesentlichsten Eigentümerrechte, in die Verfügungsmacht über das Eigentum, eingreift, unter der Geltung desGrundgesetzes als Ermessensentscheidung anzusehen. Im gegenwärtigen Falle ist eine solche Erwägung nicht möglich. Es geht hier um Art und Maß des polizeilichen Schutzes für Eigentümerrechte; der Wesensgehalt des Eigentums wird damit nicht berührt. Opportunitätsprinzip und Ermessensfreiheit selbst tragen aber - und eben darum haben sie Platz im Rechtsstaat - gewisse Schranken an sich. Sie geben keine Freiheit der Willkür, sondern decken nur das sogenannte pflichtgemäße Ermessen. Die Behörde muß sich von dem Sinn des Gesetzes leiten lassen, das ihr ein Ermessen einräumt. Andernfalls wird ihre Entschließung ebenso rechtswidrig (Ermessensmißbrauch) wie bei Verkennung der Grenzen des eingeräumten Ermessensspielraums (Ermessensüberschreitung oder Nichtgebrauch des Ermessens). Das hier in Rede stehende polizeiliche Ermessen zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände hat sich nach der leitenden Aufgabe der Polizei, der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zu richten. Soweit die verletzten Vorschriften zugleich dem Nachbarschutz dienen, sind auch die Nachbarn zu berücksichtigen. Für eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung kann neben anderen Umständen auch das Ausmaß oder die Schwere der Störung oder Gefährdung eine maßgebende Bedeutung haben. Bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung kann eine Entschließung der Behörde zum Nichteinschreiten unter Umständen sogar als schlechthin ermessensfehlerhaft erscheinen. Praktisch kann dieserhalb die rechtlich gegebene Ermessensfreiheit derart zusammenschrumpfen, daß nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist und höchstens für das Wie des Einschreitens noch ein ausnutzbarer Ermessensspielraum der Behörde offenbleibt. Unter dieser besonderen Voraussetzung kann der an sich nur auf ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde gehende Rechtsanspruch im praktischen Ergebnis einem strikten Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln gleichkommen. Die Grundauffassung des Berufungsgerichts aber, die dies nicht ausschließt, verletzt den Rechtsstaatsgrundsatz nicht.

Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet und garantiert den Rechtsweg gegen die Verletzung von Rechten durch die öffentliche Gewalt, damit auch gegen die Nichterfüllung von Rechtsansprüchen der Bürger auf Amtshandlungen der Behörden, sagt aber nichts über den materiellrechtlichen Inhalt und Umfang von Rechten und Ansprüchen. Diese Bestimmung kann also nicht durch die Art berührt sein, wie das materielle Recht den polizeilichen Schutz gegen Verletzungen nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts gestaltet. Geschieht das nach Maßgabe des Opportunitätsprinzips, so hängt nicht die Zulässigkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen eine Ablehnung polizeilichen Einschreitens, wohl aber der Erfolg der Klage davon ab, ob ein Ermessensfehler nachweisbar ist, ob also der Behörde unter Aufhebung der Ablehnung Gelegenheit zur nochmaligen Ermessensentschließung zu geben ist oder ob sie gar mangels denkbarer ermessensfehlerfreier Ablehnungsgründe zum Einschreiten zu verpflichten ist. Aus Art. 19 Abs. 4 GG läßt sich demnach nicht herleiten, daß die Baupolizei, statt Ermessensfreiheit zu haben, zum Einschreiten strikt verpflichtet sein müßte.

In diesem Zusammenhang ergeben die - nur teilweise revisible - Verordnung über Garagen und Einstellplätze (Reichsgaragenordnung) vom 17. Februar 1939 (RGBl. I S. 219) und das - nicht revisible - Berliner Gesetz über die städtebauliche Planung vom 22. August 1949/22. März 1956 (VOBl. I 1949 S. 301/GVBl. 1956 S. 261) nichts anderes. Sie regeln nicht die Frage, ob die Baupolizeibehörden zum Einschreiten gegen ihre Verletzung strikt oder nur im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens verpflichtet sind; auch hierfür ist die Bauordnung maßgebend, deren Neufassung durch das Gesetz vom 21. November 1958 (GVBl. S. 1087/1104) insoweit in§ 35 Nr. 6 keine Änderung gebracht hat.

Das Revisionsgericht muß mithin davon ausgehen, daß die Kläger nicht einen strikten Rechtsanspruch auf die beantragte baupolizeiliche Untersagung des Gewerbebetriebes der Beigeladenen, sondern nur den Anspruch auf eine nach Maßgabe des Vorstehenden ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde haben.

b)Das bedeutet nicht, daß die Vornahmeklage - jetzt nach der Ausdrucksweise der Verwaltungsgerichtsordnung: die Verpflichtungsklage - erfolglos sein müßte. Auch bei Ermessensakten ist eine Verpflichtungsklage zulässig, und sie kann, wenn auch in der Regel mangels des Rechtsanspruchs auf ein bestimmtes behördliches Handeln nicht zu einem Vornahmeurteil, so doch wegen des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Verwaltungsentscheidung zu einem Bescheidungsurteil führen. Ein solcher Klaganspruch ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur für die Anfechtung einer Ablehnung der beantragten Amtshandlung, sondern auch für den Verpflichtungsantrag bedeutsam. Abgesehen von der vorher erwähnten Besonderheit, daß die Lage eines Einzelfalles eine ermessensfehlerfreie Ablehnung der beantragten Amtshandlung schlechthin ausschließt, für eine rechtlich gegebene Ermessensfreiheit also praktisch keinen Raum läßt, kann die Verpflichtungsklage bei ermessensmäßigen Amtshandlungen materiellrechtlich nur bis zu dem begrenzten Ziel begründet sein, daß die Behörde unter Aufhebung der Ablehnung zu erneuter Bescheidung unter Vermeidung des bei der Ablehnung vorgekommenen Ermessensfehlers verpflichtet werde. Denn die Verwaltungsgerichte dürfen nicht selber das der Behörde zustehende Ermessen ausüben, sondern müssen sich darauf beschränken, die Behörde zur nochmaligen eigenen Betätigung ihres Ermessens zu verpflichten. Diesem Gedanken hat das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil anscheinend damit Rechnung tragen wollen, daß es in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Behörde werde nunmehr ihr Ermessen zu betätigen, d.h. den Antrag der Kläger nochmals zu bescheiden haben. Mit der weiteren Bemerkung aber, der Vornahmeantrag sei abzuweisen, verkennt das Berufungsgericht, daß es der Sache nach auch der Vornahmeklage als solcher einen Teilerfolg hat geben wollen.

c)Ob es in einem solchen Falle nach bisherigem Recht genügte, im Urteilsausspruch nur die Ablehnung aufzuheben und die Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Bescheidung lediglich in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck zu bringen, kann hier auf sich beruhen. Für die Revisionsentscheidung über den Verpflichtungsantrag ist die während des Revisionsverfahrens in Kraft getreteneVerwaltungsgerichtsordnung maßgebend. Soweit die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und dadurch der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, hat das Gericht nach § 113 Abs.4 VwGO im Urteil, wenn die Sache spruchreif ist, die Verpflichtung der Behörde zur Vornahme der beantragten Amtshandlung auszusprechen, andernfalls die Verpflichtung, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - erneut - zu bescheiden. Über die Bedeutung der Worte "spruchreif" und "andernfalls", nach denen sich die Wahl zwischen Vornahme- und Bescheidungsurteil richtet, hat sich Bettermann (NJW 1960 S. 649 ff.) zutreffend geäußert. Danach kann ein Streit über die Verpflichtung zur Vornahme einer im Ermessen der Behörde stehenden und abgelehnten Amtshandlung in der Regel nicht weiter spruchreif sein oder gemacht werden als bis zu der Feststellung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der begehrten Amtshandlung erfüllt sind und, wenn ja, ob die gleichwohl ausgesprochene Ablehnung auf Ermessensfehlern beruht. Die Frage, wie die Behörde im Rahmen der ihr verbleibenden Ermessensfreiheit neu entscheiden soll oder will, entzieht sich in der Regel dem Spruch des Gerichts. Weiter ergibt§ 113 Abs. 4 VwGO: Die Verpflichtungsklage kann, soweit es nicht zu einem bloßen Prozeßurteil kommt, nur dann abgewiesen werden, wenn es an gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der begehrten Amtshandlung fehlt, oder bei Erfüllung dieser Voraussetzungen, wenn die Ablehnung der Amtshandlung frei von Ermessensfehlern ist; bei Erfüllung der Voraussetzungen und Vorliegen von Ermessensfehlern ist in der Regel ein Bescheidungsurteil zu erlassen. Die Revision ist demnach bei der für eine Verpflichtungsklage gebotenen Anwendung des jetzigen Rechts jedenfalls insoweit begründet, als im Urteilsausspruch eine Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Bescheidung des Antrags der Kläger auf Untersagung des Gewerbebetriebes der Beigeladenen fehlt. Da der Revisionsvortrag sinngemäß eine entsprechende Rüge enthält, führt schon das zur Aufhebung der Teilabweisung der Klage im angefochtenen Urteil.

d) Die Sache ist jedoch noch nicht zur abschließenden Entscheidung durch ein Bescheidungs- oder Vornahmeurteil spruchreif. Die hier begehrte Amtshandlung ist nicht unteilbar in dem Sinne, daß sie nur im ganzen entweder abgelehnt oder vorgenommen werden könnte; vielmehr ist denkbar, daß der Gewerbebetrieb, dessen Untersagung die Kläger begehren, möglicherweise nur mit einem Teil seiner Anlagen und Betriebsvorgänge gegen das Baurecht, insbesondere gegen nachbarschützende Baugebietsbestimmungen verstößt, imübrigen aber baurechtlich unbedenklich ist. Hiervon ist offenbar auch das Berufungsgericht ausgegangen, indem es die Benutzung der Bandsäge in dem Betrieb für schlechthin unzulässig, bezüglich anderer Betriebsteile und -vorgänge aber eine andere Beurteilung für möglich erklärt hat. Für einen solchen Fall bedarf das oben zu§ 113 Abs. 4 VwGO Ausgeführte einer Ergänzung: Ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der begehrten Amtshandlung gegeben sind, muß dann für jeden als selbständig denkbaren Teil der vom Kläger summarisch beantragten Amtshandlung einzeln festgestellt werden. Entsprechend sind die Ausführungen des erkennenden Senats über den Umfang der Pflicht und Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Sachaufklärung und -entscheidung in dem Urteil vom 4. März 1960 (BVerwGE 10, 202 [BVerwG 04.03.1960 - I C 43/59]) zu ergänzen. Dort ist im Anschluß an die Urteile des III. Senats vom 26. Mai 1955 (BVerwGE 2, 135 = NJW 1955 S. 1247 [BVerwG 26.05.1955 - III C 83/54]) und vom 15. November 1956 (NJW 1957 S. 515 = DÖV 1957 S. 403) ausgeführt: Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt in dem zur Sachentscheidung erforderlichen Umfang aufzuklären und selbstüber den Klagantrag zu entscheiden. Es gehe nicht an, eine an zwingendes Recht gebundene Verwaltungsentscheidung schon deshalb, weil die von der Behörde geltend gemachten Gründe widerlegt seien, mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung aufzuheben und der Behörde die Prüfung etwaiger weiterer Gründe zwingenden Rechts zu überlassen; vielmehr müsse das Gericht in solchem Falle die Sache unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Gründe selbst klären und abschließend entscheiden. Anders sei es bei einem Streit um eine Ermessensentscheidung der Behörde. Habe die Behörde verkannt, daß oder in welchen Grenzen ihr ein Ermessen zustehe, oder habe sie ihr Ermessen mißbraucht, so habe das Gericht nur dies aufzuzeigen und die Verwaltungsentscheidung aufzuheben, damit die Behörde ihr Ermessen unter Vermeidung des aufgezeigten Fehlers nochmals ausübe oder die bisher unterbliebene Ermessensausübung nachhole; das Gericht brauche dabei nicht durch eigene Sachaufklärung die Grundlage für die neue Ermessensentscheidung der Behörde zu schaffen. Eine Verkennung dieses Umfangs der verwaltungsgerichtlichen Pflicht und Befugnis zur Aufklärung und Entscheidung stelle gegebenenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Diese Ausführungen sind ebenso wie die obigen Ausführungen zu§ 113 Abs. 4 VwGO auf den Streit um eine einheitliche, unteilbare Amtshandlung abgestellt. Im hier gegebenen Falle einer komplexen und teilbaren, aber summarisch beantragten Amtshandlung, die unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder zum Teil rechtlich zulässig sein kann, dann aber noch im Ermessen der Behörde steht, ist es denkbar, daß die Verpflichtungsklage auch bei Beschränkung des Klagantrags auf ein Bescheidungsurteil nicht in vollem Umfang begründet oder unbegründet, sondern möglicherweise nur hinsichtlich eines Teiles des begehrten Komplexes begründet, hinsichtlich des Restes aber unbegründet ist. Dann muß das Gericht klären und entscheiden, für welchen Teil der summarisch begehrten Amtshandlung die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite vorliegen und für welchen Teil sie fehlen. Andernfalls kann es zu einem Urteil kommen, das auch dem unbegründeten Teil des Klagbegehrens stattgibt. Allerdings mag es Fälle geben, in denen dieser Umfang der verwaltungsgerichtlichen Aufklärungs- und Entscheidungspflicht aus dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie überspannt erscheinen kann; so kann nach Widerlegung eines von der Behörde als alleinentscheidend geltend gemachten Ablehnungsgrundes die Begründetheit der Klage von bisher nicht berücksichtigten Umständen abhängen, deren Klärung umfangreiche und daher besser von der Behörde als vom Gericht zu treffende Ermittlungen erfordert. Dem trugen u.a. die süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetze in ihren §§ 59 Rechnung, die eine Zurückverweisung an die Behörde, jedoch nicht durch ein den anhängigen Rechtsstreit beendendes Urteil, sondern durch einen zum vorübergehenden Stillstand des gerichtlichen Verfahrens führenden Beschluß (Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, Anm. 3 und 5 zu § 59) zuließen. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt eine solche Möglichkeit nicht. Der gegenwärtige Fall gibt keinen Anlaß zu prüfen, ob der gedachte Gesichtspunkt eine Modifikation der Rechtsprechung über den Umfang der verwaltungsgerichtlichen Aufklärungs- und Entscheidungspflicht nahelegt; denn hier sind keine Hindernisse für eine umfassende Erfüllung dieser Pflicht durch das Berufungsgericht erkennbar. Überdies nötigt § 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO zu einer weitgehenden tatsächlichen und rechtlichen Klärung durch das Gericht; anders läßt sich die Rechtsauffassung des Gerichts, an die das Bescheidungsurteil die Behörde binden soll, nicht gewinnen und darlegen.

Soweit sich in Betracht ziehen läßt, daß die vorerwähnte Besonderheit einer rechtlich gegebenen, aber praktisch durch die Lage des Einzelfalles ausgeschalteten Ermessensfreiheit vorliegen kann, richtet sich der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts nach dem, was oben für rechtlich gebundene Amtshandlungen ausgeführt ist. Auch in solchem Falle ist die Sache bis zur völligen Spruchreife zu klären und gegebenenfalls ein Vornahmeurteil zu erlassen.

e)Das Berufungsgericht hätte sich somit - und dafür kommt es auf die Neuregelung durch die Verwaltungsgerichtsordnung nicht an in bezug auf Verstöße des Gewerbebetriebes der Beigeladenen gegen nachbarschützende Bestimmungen des öffentlichen Baurechts nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, daß die Bandsäge schlechthin unzulässig sei. Es hätte die Frage nach der Baurechtswidrigkeit der sonstigen Betriebsteile und -vorgänge nicht ungeklärt lassen dürfen. Es hätte vielmehr tatsächlich aufklären und rechtlich entscheiden müssen, inwieweit der Betrieb wegen einer seit der Umklassierung des Geländes vom geschützten Gebiet zum Wohngebiet vorgenommenen Betriebserweiterung und inwieweit er im übrigen auch bei Anwendung der Bestimmungen über geschützte Gebiete baurechtswidrig im Sinne des Nachbarschutzes ist. Je nachdem Ergebnis dieser tatsächlichen und rechtlichen Klärung hätte sich dann herausgestellt, ob und hinsichtlich welcher einzelnen Betriebsteile und -vorgänge außer der Bandsäge die Ablehnung des beantragten baupolizeilichen Einschreitens an dem Fehler der Nichtbetätigung eines der Behörde zustehenden Ermessens krankt. Mangels solcher Klärung ist es nicht ausgeschlossen, daß die Aufhebung der ein baupolizeiliches Einschreiten ablehnenden Bescheide, abgesehen von der Bandsäge, nicht in vollem Umfange begründet war; hieraus läßt sich jedoch auf die Revision der Kläger hin wegen Unzulässigkeit einer reformatio in peius keine Folgerung ziehen. Andererseits wäre zu prüfen gewesen, ob eine Duldung der als schlechthin unzulässig bezeichneten Bandsäge ohne Ermessensfehler überhaupt denkbar ist; verneinendenfalls wäre insoweit bereits die Verpflichtung der Behörde zu einer Untersagung auszusprechen gewesen.

f)Bei dieser Lage der Sache kann das Revisionsgericht nicht abschließend entscheiden. Es muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen. Dieses wird nunmehr die versäumte tatsächliche und rechtliche Klärung unter Berücksichtigung der vorstehend entwickelten Rechtsauffassungen, des dabei nicht im einzelnen behandelten weiteren Revisionsvortrages der Kläger, des Berliner Planungsgesetzes, der Reichsgaragenordnung und der Neufassung der Bauordnung in geeignet erscheinender Weise, wobei eine Augenscheineinnahme ratsam sein dürfte, nachzuholen und alsdann auf die Verpflichtungsklage ein - möglicherweise entsprechend einzuschränkendes und mit Teilabweisung zu verbindendes - Bescheidungsurteil zu erlassen oder, soweit eine ermessensfehlerfreie Ablehnung des baupolizeilichen Einschreitens als schlechthin ausgeschlossen erscheinen sollte, die Verpflichtung zur Vornahme eines untersagenden Verwaltungsaktes auszusprechen haben. Wenn und soweit sich ein Bescheidungsurteil ergeben sollte, wird das Berufungsgericht auch die Bestimmung einer Frist für die erneute Bescheidung im Urteilsausspruch in Erwägung zu ziehen haben.