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Bundesverwaltungsgericht

Entscheidung vom 29.08.1957, Az.: II C 83/54

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 27. Januar 1954 - V OVG A 280/53 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger will statt seines Namens Jü. den Namen Jö. führen, um damit ein Bekenntnis zum Dänentum abzulegen. Er macht geltend, daß noch sein Großvater Jö. geheißen habe, bis diesem im Jahre 1879 antragsgemäß die Änderung des Namens in Jü. gestattet worden sei.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers, eine neuerliche Änderung des Namens - jetzt wieder in Jö. - zu genehmigen, durch Bescheid vom 12. September 1952 ab und hielt diese Entscheidung durch Einspruchsbescheid vom 24. Oktober 1952 aufrecht. Die vom Kläger im Verwaltungsstreitverfahren hiergegen erhobene Klage blieb im ersten und zweiten Rechtszuge erfolglos. In den Gründen des Berufungsurteile ist ausgeführt:

Der Beklagte habe den Antrag des Klägers in Anwendung des Namensänderungsgesetzes zu Recht abgelehnt, weil kein wichtiger Grund für die Namensänderung vorliege. Die Ansicht des Klägers, das genannte Gesetz gelte nicht fort, weil es zu dem in Art. 2 des Grundgesetzes anerkannten Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Widerspruch stehe, sei unrichtig. Das Namensrecht liege auf einer anderen Ebene als das Grundrecht; die Pflicht, einen bestimmten Namen zu führen, habe für die Persönlichkeit in ihren sittlichen, rechtlichen und sozialen Beziehungen und für das Ausleben der Persönlichkeit grundsätzlich keine Bedeutung. Der Wert eines Menschen richte sich nicht nach seinem Namen, sondern nach dem Charakter und den Leistungen seines Trägers. Der an sich denkbare Fall, daß die Führung eines Namens etwa anstößig wirke oder eine Verbindung seines Trägers zu einer Straftat oder einem politischen Ereignis herstelle und dadurch die Entfaltung der Persönlichkeit hemme, liege hier nicht vor. Im Sinne des Namensänderungsgesetzes sei auch die Änderung der Schreibweise des Namens eine nur aus wichtigem Grunde zulässige Namensänderung, Weder Gründe der Familientradition noch politische Gesichtspunkte rechtfertigten hier die vom Kläger begehrte Änderung, Selbst wenn - was zweifelhaft erscheine - der Name Jö. bis zum Jahre 1879 bereits der Familientradition entsprochen habe, so sei diese doch seit mehr als 70 Jahren unterbrochen. Die vom Kläger angeführten politischen Gründe rechtfertigten die Namensänderung schon deshalb nicht, weil die Schreibweise mit "ü" oder mit "ö" keiner Schluß auf die Volkszugehörigkeit zulasse. Das ergebe sich aus den dem Gericht vorliegenden Gutachten und aus Stichproben im Kieler Fernsprechverzeichnis. Der Name "Jö." sei kein typisch dänischer Name. Daß der Kläger in unrichtiger Würdigung dieser Sachlage mit der Namensänderung ein Bekenntnis zum Dänentum ablegen wolle, könne als wichtiger Grund für die Namensänderung um so weniger gelten, als der Kläger selbst nicht behaupte, daß der Name "Jü." im Jahre 1879 unter Zwang angenommen worden sei.

Das Berufungsgericht hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil und die Bescheide des Beklagten aufzuheben.

Zur Begründung hat er geltend gemacht, das Berufungsgericht habe den Art. 2 des Grundgesetzes zu eng ausgelegt und es versäumt, hierbei den in Art. 1 des Grundgesetzes verankerten Grundsatz der Menschenwürde heranzuziehen. Es dürfe nicht nur gefragt werden, ob die überkommene Namensgesetzgebung mit ihren Einschränkungen die Freiheit des Handelns beeinträchtige, sondern es komme auch darauf an, ob sie die Würde des Menschen antaste. Die Wahl des Namens müsse grundsätzlich frei sein. Das Namensänderungsgesetz sei, wenn überhaupt, dann nur noch dergestalt anwendbar, daß jedem Antrag auf Namensänderung entsprochen werden müsse, wenn dem keine zwingenden Gründe des öffentlichen Wohles entgegenstünden. Hin übrigen handele es sich bei der hier in Frage stehenden Änderung der Schreibweise entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um eine Namensänderung, zumal die Namen Jü. und Jö. in Schleswig-Holstein kaum verschieden ausgesprochen würden. Wenn es auch objektiv nicht zutreffe, daß die Schreibweise Jö. die dänische sei, so habe doch der Beklagte selbst in einem früheren Bescheide gerade mit dieser Begründung die vom Kläger schon damals beantragte Namensänderung abgelehnt. Da er sich auf diesen früheren Bescheid auch jetzt noch berufen habe, laufe seine Entscheidung auf eine nationalpolitische Diskriminierung hinaus und verstoße hierdurch gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes.

Der Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es ist den Ausführungen des Klägers entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision konnte keinen Erfolg haben.

Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Beklagte die vom Kläger beantragte Namensänderung wegen Fehlens eines sie rechtfertigenden wichtigen Grundes nicht genehmigen konnte (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938 [RGBl. I S. 9] - Namensänderungsgesetz -).

Daß es sich bei dem Namensänderungsgesetz um Bundesrecht handelt, dessen Anwendung das Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen berufen ist, hat der Senat bereits entschieden (BVerwGE 1, 138).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch die Änderung der Schreibweise eines Familiennamens eine Namensänderung im Sinne der genannten Vorschrift. Es ist ein rechtmäßiges, im Namensänderungsgesetz zum Ausdruck gelangtes Anliegen des neuzeitlichen Staates, durch grundsätzliche Sicherung der Stetigkeit des Familiennamens die Feststellung der Identität der Namensträger zu gewährleisten oder jedenfalls zu erleichtern. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Änderung der Schreibweise keine andere Beurteilung erfahren als eine Namensänderung, die sich auch auf die Aussprache auswirkt; deshalb konnte dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger erstrebte Änderung sich nicht auch in der Aussprache bemerkbar machen würde.

Wie das Berufungsgericht zutreffend weiter ausgeführt hat, wird durch die einer freien Namensänderung entgegenstehende Vorschrift des § 3 Abs. 1 des Namensänderungsgesetzes das in Art. 2 des Grundgesetzes gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Für Fälle, in denen der Name ausnahmsweise die freie Entfaltung der Persönlichkeit behindert, wird eine Namensänderung durch das Gesetz nicht ausgeschlossen.

Daß der Gesetzgeber die Namensänderung nur aus wichtigem Grunde zu genehmigen gestattet und nicht den Staat auf die Befugnis beschränkt hat, einer Namensänderung zu widersprechen, wenn wichtige Gründe gegen diese Änderung angeführt werden können, bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Beeinträchtigung der nach Art. 1 des Grundgesetzes unantastbaren Würde des Menschen. Daß die Führung des überkommenen Namens die grundsätzlich verbindliche Regel, die Namensänderung aber die Ausnahme ist, entspricht der durchaus herrschenden, die Begriffe der Menschenwürde und der persönlichen Freiheit insoweit prägenden Rechtsüberzeugung und nicht nur den vom Kläger in ihrer Berechtigung angezweifelten praktischen Verwaltungsbedürfnissen. Die Auffassung des Klägers, der Gesetzgeber habe mit der im Namensänderungsgesetz getroffenen Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels mißachtet, ist deshalb unzutreffend.

Wenn somit die Freiheitsrechte des einzelnen durch die hier in Frage stehende Regelung des § 3 Abs. 1 des Namensänderungsgesetzes nicht beeinträchtigt werden, so entfällt die zwischen den Parteien streitige Frage, ob diese Vorschrift als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung aufzufassen ist, der gegenüber nach dem Grundgesetz selbst die Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht versagen müßte (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - JZ 1957, 167 - zum Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes).

Das Berufungsgericht hat - für das Revisionsgericht bindend - festgestellt, daß der Kläger durch die Führung des Namens Jü. nicht gehindert wird, sich seinem Wunsche entsprechend zum Dänentum zu bekennen, daß vielmehr die erstrebte Namensänderung nicht einmal ein geeignetes Mittel für ein solches Bekenntnis wäre; es hat weiter festgestellt, daß auch Gründe der Familientradition die Namensänderung unter den gegebenen Umständen nicht zu rechtfertigen vermögen und daß schließlich irgendwelche Nachteile mit der Führung des bisherigen Namens nicht verbunden sind. Das Berufungsgericht hat deshalb das Vorliegen eines die Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grundes zutreffend verneint, ohne dessen Wesen verkannt zu haben.

Ob der Beklagte den Antrag des Klägers auch deshalb abgelehnt hat, weil er die Annahme eines ausländischen Namens verhindern wollte, und ob ein derartiger Ablehnungsgrund mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes vereinbar wäre, konnte unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Wegen Fehlens eines wichtigen Grundes durfte die Namensänderung ohnehin nicht genehmigt werden.

Nach alledem war, wie geschehen, zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 65 Abs. 1 BVerwGG.