Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 13.08.1965, Az.: IV B 213/65
Tenor
Der Antrag der Kläger, ihnen das Armenrecht für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des ... Verwaltungsgerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 21. Mai 1965 zu bewilligen, wird abgelehnt.
Entscheidungsgründe
I.Die Kläger sind Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren in G.. Sie haben ihre Abfindung im Flurbereinigungsplan in mehreren Punkten beanstandet. Ihre Beschwerde bei der oberen Flurbereinigungsbehörde und die Klage beim Flurbereinigungsgericht blieben ohne Erfolg. Das Flurbereinigungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Die Kläger seien wertgleich und auch zweckmäßig abgefunden worden. Für die Zuwegung zum Anwesen der Kläger sei die nach Lage der Dinge günstigste Lösungsmöglichkeit gefunden worden. Die bisherige Zufahrt, an der die Kläger festzuhalten wünschten, hätte nicht beibehalten werden können. Denn sie hätte die Zusammenlegung des zerplitterten Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkter: unmöglich gemacht. Die an den Hof der Kläger herangelegte neue Fläche weise für die Bearbeitung zwar Schwierigkeiten auf, die Schwierigkeiten ließen sich aber vermindern, wenn die Kläger ihre Wirtschaftsweise der neuen Feldeinteilung anpaßten, wie dies jeder Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren in größerem oder geringerem Ausmaß tun müsse. Daß sich eine in jeder Hinsicht befriedigende Lösung nicht finden lasse, liege an der ungünstigen Lage des Anwesens der Kläger am Rande des Bereinigungsgebietes. Die Kläger könnten nicht erwarten, daß ihr Anwesen bei der Schaffung des Wegenetzes und der Gewannen als Ausgangspunkt genommen werde, wenn dies im weiteren zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck der Flurbereinigung widersprächen. Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht hat das Flurbereinigungsgericht nicht zugelassen.
Die Kläger haben, ohne nach § 67 Abs. 1 VwGO anwaltlich vertreten zu sein, gegen die Versagung der Revision Nichtsulassungsbeschwerde eingelegt und zugleich beantragt, ihnen für das Beschwerdeverfahren das Armenrecht zu bewilligen und einen Rechtsanwalt zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen. Das Flurbereinigungsgericht hat über das Armenrechtsgesuch durch Beschluß vom 15. Juli 1965 entschieden und das nachgesuchte Armenrecht wegen mangelnder hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hat zur Frage der Zuständigkeit ausgeführt: "Zur Entscheidung über dieses Gesuch ist derzeit noch das Flurbereinigungsgericht zuständig, da die Verwaltungsstreitsache hier bis zur Entscheidung darüber anhängig bleibt, ob der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen wird oder nicht (vgl. § 132 Abs. 5 Satz 1 VwGO)." Es hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.1)Über das Armenrechtsgesuch der Kläger ist unbeschadet des Beschlusses des ... Verwaltungsgerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 15. Juli 1965 noch nicht entschieden. Das Flurbereinigungsgericht hat seine Zuständigkeit in Verkennung von § 132 Abs. 5 Satz 1 VwGO rechtsirrig angenommen. Über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 132 Abs. 3 VwGO entscheidet gemäß § 49 Ziff. 3 VwGO das Bundesverwaltungsgericht. § 132 Abs. 5 Satz 1 VwGO gibt dem Gericht, dessen Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angegriffen wird, nur die Möglichkeit, der Beschwerde abzuhelfen. Es soll - aus prozeßwirtschaftlichen Gründen - die Möglichkeit haben, seine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers zu berichtigen. Zu einer negativen Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ist es in keinem Falle berufen. § 132 Abs. 5 Satz 1 VwGO regelt unmißverständlich: "Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, so entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß." Daraus ergibt sich zugleich die alleinige Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über das Armenrecht in Fällen, in denen die Vorinstanz nicht bereits auf das Armenrechtsgesuch hin die Revision zuläßt. Denn über den Armenrechtsantrag entscheidet das für die Hauptsache zuständige Gericht (§§ 166 VwGO, 118 ZPO: "Prozeßgericht"). Der Armenrechtsbeschluß des Flurbereinigungsgerichts vom 15. Juli 1965 ist hiernach wirkungslos.
2)Das Armenrechtsgesuch der Kläger ist nicht begründet. Nach §§ 166 VwGO, 114 Abs. 1 ZPO ist einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, auf Antrag das Armenrecht zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Daß die Kläger arm im Sinne der Vorschriften sind, kann angenommen werden. Die von ihnen beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht jedoch nicht die nach dem Gesetz erforderliche "hinreichende Aussicht auf Erfolg". Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nur zuzulassen, wenn die Rechtssache entweder grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil, das angefochten werden soll, von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. In der Beschwerdeschrift, mit der die Nichtzulassung der Revision beanstandet wird, muß demgemäß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Urteil der Vorinstanz abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Den Schriftsätzen der Kläger vom 11. und 20. Juli 1965 läßt sich nicht entnehmen, daß die Kläger entsprechend der ihnen im Urteil des Flurbereinigungsgerichts zutreffend erteilten Rechtsmittelbelehrung einen der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO geltend machen wollen oder können. Sie wollen sich gegen das Urteil des Flurbereinigungsgerichts vielmehr lediglich mit eben den Gründen wenden, die das Flurbereinigungsgericht als sachlich nicht gerechtfertigt befunden hat: Sie halten ihre Abfindung hinsichtlich der Neuzuwegung ihres Anwesens und hinsichtlich der herangelegten Grundstücke für unzweckmäßig. Dieser Auffassung hat das Flurbereinigungsgericht die Anerkennung versagt, ohne daß dabei Fragen zu entscheiden gewesen sind, denen über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Flurbereinigungsgericht ist in seinem Urteil auch nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Seine Entscheidung ist auch nicht erkennbar verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Keiner der - ausschließlichen - gesetzlichen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO ist mithin dargetan oder ersichtlich.
Hiernach konnte den Klägern das nachgesuchte Armenrecht für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden.
3)Über die von den Klägern bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kann noch nicht entschieden werden. Die Beschwerde ermangelt zwar sowohl der vorgeschriebenen Form des § 67 Abs. 1 VwGO (Vertretungszwang) als auch der des § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO (Begründungs- und Darlegungszwang). Die Kläger haben jedoch nach Zustellung der vorstehenden Entscheidung über den Armenrechtsantrag die Möglichkeit, diese Zulässigkeitsmängel, die bei Nichtbehebung zur Verwerfung der Beschwerde führen müssen, durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu beheben. Der Antrag muß durch einen Bevollmächtigten im Sinne von § 67 Abs. 1 VwGO in der Frist und Form des § 60 Abs. 2 VwGO gestellt werden. Wollen die Kläger den Antrag wegen unzureichender Erfolgsaussicht (siehe oben 2.) nicht stellen lassen, so können sie die Nichtzulassungsbeschwerde binnen einer hiermit gesetzten Frist von drei Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung zwecks Ersparnis von Gerichtskosten zurücknehmen. Für die Rücknahme bedürfen die Kläger eines Prozeßbevollmächtigten nicht.