Bundesverwaltungsgericht
Entscheidung vom 09.11.1962, Az.: VII C 36/62
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. August 1959 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der SchluÃentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe
Der am 28. Mai 1906 geborene Kläger ist Inhaber einer mit einem Kolonialwarengeschäft verbundenen Bäckerei, die er von seinem Vater übernommen hat. Er hat von 1920 bis 1923 das Schlosserhandwerk erlernt und war danach in diesem Handwerk tätig. Im Februar 1934 hat er die Bäckerei übernommen, die er bis zum Jahre 1939 mit einem Bäckermeister, von da ab selbständig geführt hat. Seit dem Jahre 1934 ist er in der Handwerksrolle, seit dem Jahre 1954 auch im Handelsregister eingetragen. In der Zeit vom 1. April 1952 bis zum 31. März 1955 ist in seinem Betriebe sein Sohn als Bäckerlehrling ausgebildet worden, der nach Ablauf der Lehrzeit zur Gesellenprüfung zugelassen worden ist und sie mit befriedigendem Ergebnis im praktischen und mit ausreichendem Ergebnis im theoretischen Teil bestanden hat. Im Jahre 1955 nahm der Kläger einen weiteren Bäckerlehrling zur Ausbildung an. Nachdem die Handwerkskammer bei einer Ãberprüfung der Betriebskartei festgestellt hatte, daà sich auf der Karteikarte des Klägers kein Eintragungsvermerk über die Ablegung der Meisterprüfung oder über die Verleihung der Anleitungsbefugnis im Bäckerhandwerk befand und daà der Kläger auch nicht in der Meisterrolle geführt wurde, forderte sie ihn auf, eine amtlich beglaubigte Abschrift des Meisterbriefes, gegebenenfalls der Verfügung über die Verleihung der Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen vorzulegen. Der Kläger stellte daraufhin bei dem beklagten Regierungspräsidenten den Antrag, ihm die Befugnis zum Anleiten von Bäckerlehrlingen zu verleihen, wobei er sich auf seine langjährige selbständige Tätigkeit im Bäckereibetrieb berief. Nach Anhörung der Handwerkskammer lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 10. April 1956 den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe weder das Bäckerhandwerk erlernt noch eine Prüfung abgelegt. Die Verleihung der Anleitungsbefugnis setze hervorragendes meisterliches Können voraus.
Nach erfolglosem Einspruch beschritt der Kläger den Verwaltungsrechtsweg. Seine Klage, mit der er die Aufhebung der ablehnenden Bescheide und die Verpflichtung des Beklagten erstrebt, ihm die Erlaubnis zum Anleiten von Lehrlingen in seinem Bäckereibetrieb widerruflich zu verleihen, blieb im ersten und zweiten Rechtszuge ohne Erfolg. In der Begründung des Berufungsurteils (OVGE Münster/Lüneburg, Bd. 15, S. 136) ist ausgeführt: Auf die Ãbergangsvorschrift des § 115 der Handwerksordnung könne sich der Kläger nicht berufen. Er sei auch nach § 18 Abs. 1 dieses Gesetzes zur Anleitung von Lehrlingen nicht berechtigt. Nach § 18 Abs. 2 der Handwerksordnung könne jedoch die höhere Verwaltungsbehörde Personen, die den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entsprächen, die Befugnis, Lehrlinge anzuleiten, nach Anhörung der Handwerkskammer widerruflich verleihen. Diese Regelung, derzufolge eine solche Entscheidung dem pflichtgemäÃen Ermessen der Behörde überlassen worden sei, unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenngleich die Verleihung der Anleitungsbefugnis in erster Linie davon abhängig sei, ob der Antragsteller zur ordnungsgemäÃen Ausbildung von Lehrlingen befähigt sei, müsse weiterhin auch geprüft werden, ob besondere persönliche Gründe es zu rechtfertigen vermöchten, darüber hinwegzusehen, daà er die übliche Ausbildung im Bäckerhandwerk nicht durchlaufen habe. Solche Gründe lägen hier nicht vor, zumal der Kläger mehrfach erklärt habe, er sei bereit und auch in der Lage, die Meisterprüfung nachzuholen. Unter den gegebenen Umständen könne dem Beklagten kein Ermessensfehler vorgeworfen werden, wenn er schon aus der Tatsache, daà der Kläger nicht einmal eine ordnungsgemäÃe Lehrzeit im Bäckerhandwerk durchlaufen und auch die Gesellenprüfung nicht abgelegt hat, im Einvernehmen mit der Handwerkskammer gefolgert habe, der Kläger habe die meisterlichen Fähigkeiten nicht hinreichend nachgewiesen, und ihm deshalb die Anleitungsbefugnis versagt habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die auf seine Beschwerde durch den erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er seinen Anspruch weiter verfolgt. Er rügt, das Berufungsgericht habe die Vorschrift des § 18 Abs. 2 der Handwerksordnung unrichtig ausgelegt, indem es die Verleihung der Anleitungsbefugnis nicht nur von der für die Lehrlingsausbildung erforderlichen fachlichen Befähigung, sondern darüber hinaus vom Vorliegen besonderer in der Person des Bewerbers liegender Gründe abhängig gemacht und bei der Beurteilung dieser Frage im Widerspruch zu den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1961 (BVerfGE 13, 97) entwickelten Grundsätzen einen zu engen MaÃstab angelegt habe.
Der Beklagte ist den Ausführungen des Klägers mit dem Antrage auf Zurückweisung der Revision entgegengetreten.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und sich eingehend zu der Frage geäuÃert, unter welchen Voraussetzungen die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen gemäà § 18 Abs. 2 HandwO verliehen werden kann.
Das angefochtene Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden.
I.Mit Recht hat das Berufungsgericht vorweg die Anwendbarkeit des § 115 der Handwerksordnung vom 17. September 1953 (BGBl. I S. 1411) - HandwO - geprüft, wonach "die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandene Befugnis zum Halten oder Anleiten von Lehrlingen in Handwerksbetrieben bestehen bleibt". Dabei ist das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daà aus dieser Regelung nichts zugunsten des Klägers gefolgert werden kann. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts niemals die Meisterprüfung abgelegt und ist im Jahre 1934 - wie das der damaligen Rechtslage (§ 104 o GewO in der Fassung des Gesetzes vom 11. Februar 1929 [RGBl. I S. 21]) entsprach - ohne diese Prüfung in die Handwerksrolle eingetragen worden. Diese Eintragung blieb auch nach dem Inkrafttreten der Dritten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 18. Januar 1935/22. Januar 1936 (RGBl. 1935 I S. 15, 1936 I S. 42) gemäà § 20 Abs. 2 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. III § 4 der Verordnung über MaÃnahmen auf dem Gebiet des Handwerksrechts vom 17. Oktober 1939 (RGBl. I S. 2046) und mit § 30 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der Verordnung des Zentralamts für Wirtschaft in der britischen Zone über den Aufbau des Handwerks vom 6. Dezember 1946 (GVBl. NRW 1947 S. 21) bestehen und erhielt dem Kläger die Berechtigung zur selbständigen Ausübung des Bäckerhandwerks auch nach dem Inkrafttreten der Handwerksordnung gemäà § 112 dieses Gesetzes. Diese Berechtigung umfaÃte aber, da sie nicht auf der erfolgreichen Ablegung einer Meisterprüfung beruhte, nicht zugleich die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen. Diese Befugnis setzte bereits zu der Zeit, als der Kläger im Jahre 1934 in die Handwerksrolle eingetragen wurde, nach der damals geltenden Regelung des § 129 GewO entweder die erfolgreiche Ablegung einer Meisterprüfung (Absatz 1) oder eine besondere Verleihung voraus (Absatz 2), für die nach dieser Vorschrift die höhere Verwaltungsbehörde, später auf Grund des Art. II § 3 der schon erwähnten Verordnung vom 17. Oktober 1939 (RGBl. I S. 2046) in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Nr. 3 der ebenfalls bereits angeführten Verordnung über den Aufbau des Handwerks vom 6. Dezember 1946 die Handwerkskammer zuständig war. Auf Grund dieser Regelung, die bis zum Inkrafttreten der Handwerksordnung galt, die in § 122 Nr. 1 erst die Vorschrift des § 129 GewO aufgehoben hat, ist dem Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nicht verliehen worden. Damit entfällt eine Anwendung des § 115 HandwO ohne weiteres.
II.Auch nach der in der Handwerksordnung getroffenen Regelung sind zur Anleitung von Lehrlingen ohne weiteres nur solche Personen befugt, die das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet und die einschlägige Meisterprüfung bestanden haben (§ 18 Abs. 1). Hingegen steht - wie hier zur Klarstellung bemerkt werden soll - den Handwerkern, welche die Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Handwerks durch Eintragung in die Handwerksrolle auf Grund einer gemäà §§ 7 Abs. 2, 8 HandwO erteilten Ausnahmebewilligung erworben haben oder diese Berechtigung ohne Meisterprüfung aus § 112 HandwO herleiten können, damit nicht auch die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen zu. Solche Handwerker bedürfen hierfür vielmehr einer besonderen "Verleihung", die nach § 18 Abs. 2 HandwO von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Handwerkskammer widerruflich erteilt werden kann. Um eine solche Verleihung hat sich der Kläger bisher vergeblich bemüht. Die Erwägungen, aus denen das Berufungsgericht die ablehnenden Bescheide des Beklagten bestätigt hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1)Bei seiner Beurteilung geht das Berufungsgericht mit Recht davon aus daà die Entscheidung, ob eine solche Verleihung auszusprechen ist, dem pflichtgemäÃen Ermessen der Behörde überlassen ist. Diese Auffassung entspricht nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch den Absichten der gesetzgebenden Körperschaften, wie sie insbesondere den Ausführungen in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Beilage zu Nr. 4172 der Drucksachen des Deutschen Bundestages - 1. Wahlperiode - 1949 - unter I/7) zu entnehmen sind. Hieraus ergibt sich, daà zwar bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 HandwO ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 dieses Gesetzes gegeben sein, daà dies aber nicht für die Verleihung der Anleitungsbefugnis nach § 18 Abs. 2 HandwO gelten sollte. Dieses Ergebnis trägt auch der Tatsache Rechnung, daà eine solche Verleihung schon deshalb allein im Wege einer Ermessensentscheidung ausgesprochen werden kann weil die Behörde bei ihrer EntschlieÃung wie an späterer Stelle noch darzulegen sein wird, im Einzelfalle auch das Gesamtbild der Persönlichkeit des Lehrherrn berücksichtigen muÃ. Die Auffassung, daà die Behörde in Anwendung des § 18 Abs. 2 HandwO nach pflichtgemäÃem Ermessen zu entscheiden hat, wird auch in dem einschlägigen Schrifttum einhellig vertreten (vgl. die Kommentare zur Handwerksordnung: Eyermann-Fröhler, Anm. II/1, Kolbenschlag-Lessmann-Stücklen, Anm. 3, Hartmann-Philipp, Anm. 3, Schwindt, Anm. 2, Steffens, Anm. II/1, sämtlich zu § 18 HandwO; ebenso Dohrn , GewArch. 1957/58 S. 206 und Drescher a.a.O. S. 208).
2)Auch insoweit ist dem Berufungsgericht zu folgen, als es zu dem Ergebnis gelangt ist, daà verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 18 Abs. 2 HandwO getroffene Regelung nicht zu erheben sind.
a)Dabei ist das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daà § 18 HandwO nur eine Regelung der Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG enthält, die Freiheit der Berufswahl hingegen nicht berührt. Die Erwägungen, aas denen das Bundesverfassungsgericht in seiner nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung vom 17. Juli 1961 (BVerfGE 13, 97) die Einschränkung der freien Berufswahl durch die in den §§ 1 und 7 HandwO getroffene Regelung verfassungsrechtlich für unbedenklich erachtet hat, schlieÃen ohne weiteres verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in ihren Auswirkungen weit weniger eingreifende Regelung der Berufsausübung durch § 18 HandwO aus.
b)Auch daraus, daà § 18 Abs. 2 HandwO ausdrücklich nichts darüber aussagt, unter welchen Voraussetzungen die Anleitungsbefugnis verliehen werden kann, läÃt sich gegen die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift nichts herleiten. Allerdings würde eine gesetzliche Regelung der Berufsausübung, die eine Entscheidung im Einzelfall völlig in das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden stellt, ohne zugleich hinreichende Anhaltspunkte zu geben, unter welchen Gesichtspunkten und in welchem Rahmen die Behörden von ihrem Ermessen Gebrauch machen können, verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen. Denn der Gesetzgeber darf sich des ihm in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vorbehaltenen Rechtes, die Grenzen für eine einschränkende Regelung der Berufsausübung zu bestimmen, nicht dadurch begeben, daà er durch eine vage Generalklausel die Grenzziehung im einzelnen völlig dem Ermessen der Verwaltung überläÃt und damit zugleich die den Verwaltungsgerichten übertragene Rechtskontrolle, ob die Behörden die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben (so jetzt § 114 VwGO; früher für den hier in Betracht kommenden Bereich der ehemaligen britischen Besatzungszone: § 23 Abs. 3 MRVO 165), praktisch unmöglich machen würde (vgl. BVerfGE 6, 32 [42] und auch 8, 274 [325]). Solche Bedenken sind indessen gegenüber der in § 18 Abs. 2 HandwO getroffenen Regelung nicht begründet. Denn die von den Verwaltungsbehörden bei der Handhabung dieser Vorschrift zu beachtenden Gesichtspunkte und Grenzen ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit aus der Zielsetzung, die der in der Handwerksordnung getroffenen Berufsregelung zugrunde liegt.
3)Aus dieser Regelung ergibt sich für die Kernfrage des hier zu entscheidenden Streitfalles, welche Gesichtspunkte die Behörde bei der Anwendung des § 18 Abs. 2 HandwO zu berücksichtigen hat, folgendes:
a)Die in der Handwerksordnung getroffene Regelung bezweckt die Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks in seiner Gesamtheit und zugleich die Sicherung eines angemessen vorgebildeten Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft. Gerade aus diesen - aus gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebilligten - Erwägungen des Gesetzgebers hat auch das Bundesverfassungsgericht unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes in der bereits an früherer Stelle genannten Entscheidung vom 17. Juli 1961 (BVerfGE 13, 97 [107 ff.]) verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den erschwerenden Voraussetzungen, von denen die Berechtigung zur selbständigen Ausübung eines Handwerks als stehendes Gewerbe abhängig gemacht wird, als unbegründet erachtet. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 13, 97 [110/112]) auf die Bedeutung des Handwerks im Gesamtbereich der Wirtschaft und auch auf die Tatsache hingewiesen, daà in den Betrieben des Handwerks etwa 2/3 des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft herangebildet wird (vgl. hierzu aus neuerer Zeit auch die Ausführungen des Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks anläÃlich der Jahrestagung dieses Verbandes am 10. Juli 1962, mitgeteilt im "Bulletin" des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 140 vom 2. August 1962 -S. 1206). Hiernach versteht es sich von selbst, daà die Ausbildung des Nachwuchses in Handwerksbetrieben nur in den Händen solcher Personen liegen kann, welche das Arbeitsgebiet eines Handwerkers aus eigener Befähigung selbst so beherrschen, daà sie in der Lage sind, Lehrlingen, die gegebenenfalls den Handwerksberuf ergreifen wollen, die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, deren sie bedürfen, um dereinst selbständig einen Handwerksbetrieb einwandfrei leiten und die in einem solchen Betrieb "gebräuchlichen Arbeiten selbständig nach den allgemeinen handwerklichen Grundsätzen werkgerecht ausführen" zu können (vgl. BVerfGE 13, 119 [BVerfG 17.07.1961 - 1 BvL 44/55]). Diese Befähigung wird nach § 41 HandwO durch die erfolgreiche Ablegung der Meisterprüfung erwiesen, die deshalb in § 18 Abs. 1 des Gesetzes ohne weiteres als ausreichende fachliche Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen anerkannt wird. Wenn das Gesetz in § 18 Abs. 2 die Möglichkeit eröffnet, die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen auch an Personen zu verleihen, welche die einschlägige Meisterprüfung nicht abgelegt haben, so kann das im Hinblick auf die zuvor erörterte Zielsetzung des Gesetzes nicht dahin verstanden werden, daà bei einer solchen Verleihung geringere Anforderungen an die eigene fachliche Befähigung des Ausbildenden zu stellen wären. Vielmehr müssen auch diese Personen das gleiche fachliche Können nachweisen, das von einem Handwerker erwartet wird, wenn er sich der Meisterprüfung mit Erfolg unterziehen will. Bei der Beurteilung der Eignung gerade zur Ausbildung von Lehrlingen müssen auch die pädagogischen Fähigkeiten des Ausbildenden berücksichtigt werden, die nicht in jedem Falle mit eigenen Können gepaart zu sein brauchen. Andererseits gilt auch für die Handhabung des § 18 Abs. 2 HandwO das gleiche, was das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 13, 97 [119]) bezüglich der bei der Abnahme der Meisterprüfung zu stellenden Anforderungen zum Ausdruck gebracht hat: es sollen auch für den im Falle des § 18 Abs. 2 HandwO notwendigen Befähigungsnachweis keine übermäÃigen Anforderungen verlangt werden. Diese Anforderungen werden überspannt, wenn der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid davon ausgegangen ist, als Voraussetzung für die Verleihung der Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen müsse "hervorragendes meisterliches Können" verlangt werden.
Bei der hiernach erforderlichen Prüfung der Befähigung des Ausbildenden wird nach den gleichen Grundsätzen zu verfahren sein, die der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 26. Januar 1962 (BVerwGE 13, 317 [BVerwG 26.01.1962 - VII C 68/59] [319/320]) für den Befähigungsnachweis im Falle des § 7 Abs. 2 HandwO entwickelt hat.
b)In persönlicher Hinsicht wird für die Verleihung der Anleitungsbefugnis weiterhin die für die Führung junger Menschen erforderliche Lebensreife des Ausbildenden vorausgesetzt. Wann diese Lebensreife erreicht wird; läÃt sich altersmäÃig nicht einheitlich festlegen, hängt vielmehr von der Veranlagung, der Erziehung und der Entwicklung des einzelnen und von den Einflüssen der Umwelt ab, denen er unterworfen ist. Der Gesetzgeber hält deshalb nicht starr an der in § 18 Abs. 1 HandwO vorgesehenen Altersstufe von 24 Jahren fest, eröffnet vielmehr im zweiten Absatz der Vorschrift die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse hiervon nach unten abzuweichen und überläÃt auch diese Entscheidung dem Ermessen der Behörde, die diese Frage nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Bewerbers zu beurteilen hat.
c)Darüber hinaus versteht es sich von selbst, daà die Ausbildungsbefugnis nur solchen Personen verliehen werden darf, denen junge Menschen unbedenklich zur Ausbildung anvertraut werden können. Für Personen, welche die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzen, ist diese Befugnis in § 17 HandwO schlechthin ausgeschlossen. Darüber hinaus werden aber die Behörden auftretenden Bedenken auch gegenüber solchen Personen nachzugehen haben, die sich nach ihrer charakterlichen Veranlagung und sittlichen Haltung für die Berufserziehung und die fachliche Berufsausbildung junger Menschen als ungeeignet erwiesen haben. Das wird insbesondere auch für Personen zu gelten haben, von denen auf Grund gegebener Tatsachen eine lautere Haltung im gewerblichen Verkehr - die eine maÃgebende Richtlinie für die Ausbildung sein muà - oder eine einwandfreie Erfüllung der Pflichten nicht erwartet werden kann, die einem Ausbilder gegenüber den Auszubildenden obliegen.
d)In einem engen Zusammenhang mit den Anforderungen, die an die persönliche fachliche Befähigung der für eine Verleihung der Anleitungsbefugnis in Betracht kommenden Personen zu stellen sind, steht das Erfordernis, daà diese Personen auch die geeigneten Räumlichkeiten sowie die notwendigen Einrichtungen, Geräte und Materialien zur Verfügung stellen können, die erforderlich sind, um den anzuleitenden Lehrlingen eine praktische Ausbildung in einer bestimmten handwerklichen Tätigkeit zu vermitteln, insbesondere auch ihre manuellen Fertigkeiten zu entwickeln und zu fördern (vgl. auch hierzu den bereits an früherer Stelle erwähnten AusschuÃbericht - I/7).
e)Hingegen kann - entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung - die Verleihung der Anleitungsbefugnis nicht davon abhängig gemacht werden, ob es gerechtfertigt ist, aus in der Person des Bewerbers liegenden Gründen darüber hinwegzusehen, daà er nicht den in der Handwerksordnung vorgesehenen Ausbildungsgang durchlaufen und ihn nicht mit der erfolgreichen Meisterprüfung abgeschlossen hat. Der Wortlaut des § 18 Abs. 2 HandwO bietet für eine solche Auslegung - anders als bei der Anwendung des § 7 Abs. 2 HandwO, in dem ausdrücklich von "Ausnahmefällen" die Rede ist - keinen Anhalt. Eine solche einengende Handhabung des § 18 Abs. 2 HandwO läÃt sich aber auch aus dem Sinn der Vorschrift nicht rechtfertigen. Das Gesetz will in § 18 Abs. 2 HandwO die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen gerade auch solchen Personen erschlieÃen, welche die Meisterprüfung nicht abgelegt haben. Dem Sinn und Zweck dieser Regelung wird unter Berücksichtigung der der Handwerksordnung insgesamt zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielsetzung genügt, wenn bei der Handhabung des § 18 Abs. 2 HandwO eine Auslese unter den zuvor behandelten Gesichtspunkten erfolgt.
Genügt der Bewerber um eine Anleitungsbefugnis den dort näher erörterten Anforderungen, ist insbesondere seine Befähigung zur Anleitung von Lehrlingen erwiesen, so ist es ohne Bedeutung, auf welchem Wege er diese Befähigung erworben hat und welche Gründe hierfür maÃgebend waren.
Das Berufungsgericht glaubt eine einengende Handhabung der Vorschrift auch mit dem Hinweis darauf rechtfertigen zu können, "eine eingehende Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller die erforderliche Befähigung zur Ausbildung eines Lehrlings - also die meisterlichen Fähigkeiten - besitzt, erfordere langwierige und schwierige Ermittlungen", und meint, eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zu solchen Ermittlungen würde im Ergebnis zur Anerkennung eines Rechtsanspruchs auf Verleihung der Anleitungsbefugnis führen. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt ausgesprochen (vgl. u.a. die Entscheidungen vom 29. November 1955 - BVerwGE 2, 345 [346], vom 26. Juli 1956 - BVerwG I C 47.55 - [DVBl. 1956 S. 789 = DÃV 1956 S. 733] und vom 24. Oktober 1957 - BVerwGE 5, 283 [BVerwG 24.10.1957 - I C 121/55] [285]), daà in einem Rechtsstaat die Rechte der Staatsbürger nicht deswegen verkürzt werden dürfen, weil den Behörden bei der Durchführung ihrer Aufgaben vermehrte Arbeit und gewisse Erschwerungen entstehen mögen, ohne daà sie dabei vor unlösbare Aufgaben gestellt werden. Das gilt in gleicher Weise für Ermessensentscheidungen der Behörden wie für die Fälle, in denen der Staatsbürger sich auf einen Rechtsanspruch beruft.
III.Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt sich für die Beurteilung des hier zur Entscheidung stehenden Falles folgendes:
Auf Grund der durch das Berufungsgericht bisher festgestellten Tatsachen konnte die Befähigung des Klägers für eine sachgemäÃe Ausbildung von Lehrlingen nicht ohne weiteres verneint, aber auch nicht bejaht werden. Dabei ist davon auszugehen, daà der bis dahin völlig berufsfremd tätige Kläger nach seinen eigenen Ausführungen den Bäckereibetrieb seiner Eltern zwar bereits im Jahre 1934 übernommen, diesen Betrieb aber bis zum Jahre 1939 unter der Aufsicht eines dort beschäftigten Backmeisters geführt und anschlieÃend sechs Jahre im Wehrdienst gestanden hat. Deshalb kann allein aus der Tatsache, daà der Kläger Inhaber des Bäckereibetriebes und für dieses Handwerk seit dem Jahre 1934 in die Handwerksrolle eingetragen war, unter den hier gegebenen Umständen nichts für die Beurteilung der Frage gefolgert werden, ob und in welchem Ausmaà er sich bis zu seiner Entlassung aus dem Wehrdienst die fachliche Befähigung erworben hat, die für eine sachgemäÃe Anleitung von Lehrlingen im Bäckerhandwerk erforderlich ist. Aber auch für die spätere - nach Abschluà seines Wehrdienstes verstrichene - Zeit läÃt sich aus der Berufstätigkeit des Klägers auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen kein zuverlässiges Bild über diese Befähigung gewinnen. Zwar kann insoweit nichts zuungunsten des Klägers schon aus der Tatsache gefolgert werden, daà er sich bisher der Meisterprüfung im Bäckerhandwerk nicht unterzogen hat. Hierfür hat der Kläger im Berufungsverfahren die bisher nicht nachgeprüfte Begründung gegeben, er habe wegen eines schweren Nierenleidens nach Beendigung des Krieges noch jahrelang ärztlicher Behandlung in einem Krankenhaus bedurft. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, daà sich der Kläger - der, als der hier angefochtene Bescheid erging, fast das 50. Lebensjahr vollendet hatte - bei dem Umfang seines Geschäfts, dessen Gesamtumsatz er im Berufungsverfahren für das Jahr 1956 auf 250.000 DM angegeben hat, nicht die nötige Zeit für die Vorbereitung auf die Meisterprüfung gefunden hat. Andererseits ist aber angesichts des Umstandes, daà nach den eigenen Angaben des Klägers von dem genannten Gesamtumsatz seines Betriebes - der in der Hauptsache ein Kolonialwarengeschäft ist - nur 1/5 auf den Bäckereibetrieb entfiel, bisher völlig ungeklärt, inwieweit sich der Kläger dem letztgenannten Betrieb gewidmet hat und gerade in diesem hat praktische Erfahrungen sammeln können. Unter diesen Umständen bedarf vorweg die Frage der fachlichen Befähigung des Klägers zur Anleitung von Lehrlingen im Bäckerhandwerk noch einer weiteren Nachprüfung. Auch aus der vom Kläger in diesem Zusammenhang betonten Tatsache, daà sein Sohn im väterlichen Betrieb die Lehrzeit durchgemacht und diese mit erfolgreicher Gesellenprüfung abgeschlossen hat, können für sich allein noch keine sicheren Schlüsse über die fachliche Befähigung des Klägers zur Anleitung von Bäckerlehrlingen gezogen werden. Denn es ist bisher noch nicht geklärt, ob und in welchem MaÃe sich der Kläger angesichts seiner Inanspruchnahme bei dem Gesamtumfang seines Geschäfts persönlich der Ausbildung seines Sohnes gewidmet hat. Insoweit konnte dem Kläger allerdings nicht - wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint - entgegengehalten werden, daà die Ausbildung seines Sohnes in seinem eigenen Betriebe "gesetzwidrig" erfolgt sei. Denn die Frage, ob diese Ausbildung des Sohnes mit dem Gesetz in Einklang stand, ist für die Beurteilung der hier allein erheblichen Frage, ob der Kläger zu einer solchen Ausbildung fachlich befähigt ist, ohne rechtliche Bedeutung, zumal dem Kläger auch schwerlich nachzuweisen sein wird, daà er mit der Ausbildung seines Sohnes bewuÃt gegen das Gesetz verstoÃen habe. Denn es liegt eine auch in dem Berufungsurteil erwähnte - sachlich allerdings unrichtige - Bescheinigung der Bäckerinnung vom 23. April 1953 vor, der Kläger habe die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen.
Bei der Ãberprüfung der Befähigung des Klägers wird zu berücksichtigen sein, daà dieser bei seinen Erörterungen mit dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer auch nach dessen in dem Schriftsatz des Beklagten vom 21. August 1957 wiedergegebener Stellungnahme eine gewisse Voreingenommenheit gegen sich feststellen zu können glaubte. Das Berufungsgericht wird deshalb erwägen müssen, ob es unter diesen Umständen angebracht ist, mit einer etwa erforderlich werdenden Ãberprüfung der Befähigung des Klägers solche Personen zu betrauen, die einer EinfluÃnahme der Handwerkskammer nicht unterliegen.
Hiernach muÃte die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Sollte das Berufungsgericht auch auf Grund der weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangen, daà der Kläger die erforderliche Befähigung nicht besitzt oder die sonstigen Voraussetzungen für die Verleihung der Anleitungsbefugnis nicht erfüllt, so würde es bei der Abweisung der Klage verbleiben, anderenfalls würde die Anfechtungsklage Erfolg haben müssen.