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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Entscheidung vom 13.04.2012, Az.: 4 Bs 78/12

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. April 2012 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Entscheidungsgründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen das polizeiliche Verbot der Abgabe von Karten an den beigeladenen Gastverein für ein Fußballspiel.

Der Antragsteller und der Beigeladene sind Sportvereine, deren erste Herrenfußballmannschaften in der laufenden Saison 2011/2012 am Spielbetrieb der 2. Bundesliga teilnehmen. Der Antragsteller trägt seine Heimspiele im Millerntorstadion in Hamburg-St. Pauli (Heiligengeistfeld) aus. Das Rückrundenspiel gegen den Beigeladenen ist auf Sonntag, den 22. April 2012, 13.30 Uhr, angesetzt. Am selben Tag wird das ebenfalls auf dem Heiligengeistfeld stattfindende Volksfest „Hamburger Dom“ (Frühlingsdom) enden.

Nach den in der Sachakte der Antraggegnerin befindlichen Berichten der bei den jeweiligen Spielen eingesetzten Polizei, den Aufzeichnungen sogenannter szenekundiger Beamter sowie Verlaufsberichten der Bundespolizei kam es in den vergangenen Jahren anlässlich des Aufeinandertreffens der Mannschaften des Antragstellers und der Beigeladenen immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einem Teil der Anhänger dieser Vereine und der Polizei. Diese Personen werden nach einer internen Definition der Polizei der Zuschauerkategorie B zugeordnet, soweit sie als gewaltbereit/-geneigt eingeschätzt werden, oder der Zuschauerkategorie C, wenn die Polizei sie als gewaltsuchender „Fan“ führt. Bei diesen Auseinandersetzungen, die zunehmend auch mit Angriffen gegen die unter anderem zur Fantrennung eingesetzten Polizeibeamten einher gingen, wurden in der Vergangenheit eine größere Zahl von eingesetzten Polizeibeamten sowie andere Personen – teilweise schwer – verletzt.

Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 16. Februar 2012 über das beabsichtigte Kartenabgabeverbot unterrichtet hatte, untersagte sie ihm mit Bescheid vom 1. März 2012, Eintrittskarten (Sitz- und Stehplatzkarten) für das bevorstehende Heimspiel an den Beigeladenen abzugeben. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Das Kartenabgabeverbot bezieht sich ausweislich der Begründung des Bescheids auf die Verpflichtung des Antragstellers, nach verbandsinternen Regelungen des Deutschen Fußballbundes (DFB) und der Deutschen Fußballliga (DFL) - einem Zusammenschluss der lizensierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußballlizenzligen Bundesliga und 2. Bundesliga - für den jeweiligen Gastverein 10 % der Sitzplatzkarten sowie 10 % der Stehplatzkarten zu reservieren und bei fristgerechter Anforderung an diesen abzugeben. Danach stünde nach den Erklärungen des Antragstellers im Erörterungstermin dem Beigeladenen für das Spiel am 22. April 2012 ein Kontingent von 2.400 Eintrittskarten zu. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, das Kartenabgabeverbot sei erforderlich, um eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Anlässlich der Begegnung vom 22. April 2012 im Millerntorstadion, in dessen unmittelbarer Umgebung zur gleichen Zeit der Frühlingsdom stattfinde, sei mit gewalttätigen Ausschreitungen mit Gefahr für Leib und Leben Dritter zu rechnen. Neben dem Kartenabgabeverbot stünden gleich wirksame polizeiliche Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr nicht zur Verfügung. Das gelte auch im Hinblick auf die Personen, von denen die zu erwartenden Störungen ausgehen würden. Die Untersagung werde deshalb ausnahmsweise gegen den Antragsteller als Nichtstörer im Sinne von § 10 SOG gerichtet.

Der Antragsteller hat gegen die Untersagungsverfügung Widerspruch eingelegt und am 16. März 2012 beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung von dessen aufschiebender Wirkung beantragt. Noch während des erstinstanzlichen Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21. März 2012 die sofortige Vollziehung der Verfügung (erneut) angeordnet und ausführlich begründet.

Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltunggericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. April 2012 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Kartenabgabeverbots bereits im Ausgangsbescheid in einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügenden Weise begründet. Deshalb könne offenbleiben, ob Teile der Begründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden dürften. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Im vorliegenden Fall liege eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 1 SOG bevor. Denn es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es beim Aufeinandertreffen von Problemfangruppen beider Vereine anlässlich des Spiels am 22. April 2012 zu schweren Ausschreitungen und in deren Folge zu Verletzungen von Personen und zu Sachschäden kommen werde. Grundlage dieser Prognose seien die entsprechenden, einem durchweg gleichen Muster folgenden Vorkommnisse bei den Begegnungen beider Vereine in den letzten Jahren. Auch spreche manches dafür, dass der Antragsteller rechtmäßig als Adressat der gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme in Anspruch genommen worden sei. Es sei bereits eine Inanspruchnahme nach § 8 Abs. 1 SOG als Verhaltensverantwortlicher in Betracht zu ziehen. Der Antragsteller als Ausrichter einer kommerziellen Großveranstaltung schaffe durch die Abgabe von Karten für das Fußballspiel an Anhänger des Beigeladenen ein vorhersehbares Sonderrisiko, ohne sicherstellen zu können, dieses zu beherrschen. Ob die Antragsgegnerin den Antragsteller deshalb schon nach § 8 Abs. 1 SOG mit dem streitigen Kartenabgabeverbot habe belegen können, sei im Hinblick die weitreichenden Folgen für die Verhaltenspflichten und die Kostenhaftung von Veranstaltern sportlicher Großereignisse jedoch im Hauptsacheverfahren zu klären. Jedenfalls sprächen nach dem im vorliegenden Eilverfahren geltenden Maßstab hinreichende Gründe für eine rechtmäßige Inanspruchnahme des Antragstellers als sogenannter Nichtstörer im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG. Eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit liege vor. Denn diese Gefahr werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten. Zudem stehe wegen des auf den 22. April 2012 angesetzten Spieltermins genau fest, wann die Verwirklichung dieser Gefahr drohe, und es bestehe deshalb keine Ungewissheit über den Zeitraum, innerhalb dessen sich die Gefahr möglicherweise verwirklichen werde. Ob vorrangig Maßnahmen gegenüber dem Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichen gemäß §§ 8, 9 SOG Aussicht auf eine erfolgreiche Gefahrenabwehr versprächen, lasse sich im vorliegenden Verfahren zwar nicht zweifelsfrei beantworten. Jedoch spräche eine für das Eilverfahren hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass Alternativmaßnahmen gegen potentielle Störer im Vorfeld der Begegnung und am Spieltag selbst – wie etwa Gefährderansprachen, Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote, Präventivgewahrsam und die Einrichtung von Gefahrengebieten - nicht die genügende Gewähr einer wirksamen Abwehr der bevorstehenden Gefahr böten. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfüge, um die bevorstehende Gefahr abzuwenden. Es sei zweifelhaft, ob selbst massive Maßnahmen der Fanüberwachung und -trennung durch die Polizei auf der An- und Abreise und am Spielort die bevorstehende Gefahr wirksam abwehren könnten. Für das hier fragliche Spiel komme hinzu, dass am selben Tag direkt neben dem Stadion ein Volksfest („Hamburger Dom“) stattfinde, das täglich von durchschnittlich mehr als 100.000 Menschen - unter anderem auch von vielen Familien mit Kindern - besucht werde. Schließlich sei noch zu berücksichtigen, dass eine Erhöhung der Polizeikräfte wahrscheinlich noch mehr verletzte Polizeibeamte zur Folge haben würde. Das dürfe bei der Frage, ob die Gefahr mit eigenen Mitteln und Kräften der Antragsgegnerin abgewehrt werden könne, nicht unbeachtet bleiben. Allein das Interesse des Antragstellers an einem ungeschmälerten Ablauf einer kommerziellen Sportveranstaltung rechtfertige es nicht, dass, wie es bei den letzten Spielen beider Vereine der Fall gewesen sei, eine große Anzahl von Polizisten einer erheblichen Gefahr von zum Teil schweren Verletzungen ausgesetzt würden. Bei dieser Ausgangslage sei die Auswahl des Antragstellers als Adressat der polizeilichen Maßnahme und auch die Wahl des Mittels der Gefahrenabwehr nicht zu beanstanden. Die Einschätzung der Antragsgegnerin, durch das Verbot der Abgabe des Kartenkontingents könne verhindert werden, dass Rostocker Problemfans in relevanter Anzahl und geballt zur Begegnung anreisen würden, erscheine bei summarischer Prüfung und unter Berücksichtigung des der Antragsgegnerin zustehenden Prognosespielraums plausibel. Da die Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers danach allenfalls als offen bezeichnet werden könnten, sei letztlich streitentscheidend eine Folgenabwägung. Dabei sei zu berücksichtigen, das bei einem Vollzug des Kartenabgabeverbots der Antragsteller zwar seiner Pflicht nicht nachkommen könne, 10 % des Kartenkontingents an den Beigeladenen zum dortigen Verkauf abzugeben, und seien insoweit auch die Gastmannschaft und deren (friedliche) Fans (mit-)betroffen. Das Spiel selbst dürfe aber stattfinden und jedenfalls 90 % des Kartenkontingents könnten verkauft werden. Ebenso bleibe die mediale Verwertung möglich. Schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für den Antragsteller seien deshalb nicht ersichtlich. Dagegen bezwecke das sofort vollziehbare Kartenabgabeverbot die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben der das Spiel besuchenden Fans, unbeteiligter Dritter sowie der zur Sicherung eingesetzten Polizeikräfte. Das Risiko für Unbeteiligte, anlässlich dieses besonderen Spiels Schaden zu nehmen, erscheine aufgrund des in unmittelbarer Nähe zum Stadion stattfindenden Frühlingsdoms erheblich. Die gruppendynamisch enthemmte Aggressivität der Ausschreitungen bei den vergangenen Begegnungen und die dabei als Waffen eingesetzten Gegenstände zeigten, dass es ohne weiteres möglich sei, dass Personen schwere Gesundheitsschäden erleiden könnten.

II.

Die dagegen erhobene, zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

Allerdings zieht der Antragsteller mit seiner ausführlichen Beschwerdebegründung wesentliche Elemente der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernsthaft in Zweifel. Das gilt insbesondere für die Darlegungen des Verwaltungsgerichts zu den Fragen, ob angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles von einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG sowie davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin diese Gefahr nicht durch ausreichende eigene Kräfte und Mittel abwehren kann. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. 2.a) bb) verwiesen.

Die danach gebotene eigenständige Prüfung des Begehrens des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Beschwerdegericht ohne Beschränkung auf das Antragsvorbringen (vgl. dazu OVG Hamburg, Beschl. v. 16.9.2002, NordÖR 2003, 67) ergibt hier, dass die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung vom 1. März 2012 gleichwohl nicht wiederherzustellen ist.

1. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht schon deshalb stattzugeben, weil die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Kartenabgabeverbots nicht in einer den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet hat. Dabei kann offenbleiben, ob – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – bereits die dem Ausgangsbescheid beigefügte Begründung den formalen Anforderungen der genannten Norm entspricht. Denn die Antragsgegnerin hat mit dem an den Antragsteller gerichteten Schriftsatz vom 21. März 2012 nicht lediglich eine - gegebenenfalls unzureichende - Begründung ergänzt, sondern damit ausdrücklich eine neue Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erlassen. Dazu war die Antragsgegnerin auch in dem bereits anhängigen Eilverfahren 15 E 756/12 berechtigt (vgl. Pütter in: Sodan/Ziekow, VwG-Kommentar, 3. Aufl. § 80 Rn. 99, m.w.N.). Dass die dieser Anordnung beigefügte ausführliche Begründung des Sofortvollzugs den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht genügt, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.

2. Bei der danach gebotenen materiell-rechtlichen Prüfung des Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen das Kartenabgabeverbot gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin abzuwägen, durch den Sofortvollzug dieses Verbots die von ihr befürchteten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die angefochtene polizeiliche Maßnahme mit einzubeziehen. Die danach gebotene, in dem hier anhängigen Eilverfahren aber nur mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren offen sind (a]). Über den Eilantrag ist deshalb auf der Grundlage einer Abwägung der Folgen zu entscheiden, die sich im Fall seiner Stattgabe für die Antragsgegnerin und bei einer Ablehnung für den Antragsteller ergeben. Diese Abwägung fällt zu seinen Lasten aus(b]).

a) Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand lässt sich nicht sicher feststellen, ob die angefochtene polizeiliche Maßnahme fehlerhaft ist oder ob sie im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.

Die Antragsgegnerin hat das gegenüber dem Antragsteller verfügte Verbot, dem Beigeladenen für das Spiel am 22. April 2012 das - nach Abschnitt III, § 3 Nr. 4 der Spielordnung des Ligaverbands („Die Liga – Fußballverband e. V.“) an sich vorgesehene - Kartenkontingent zur Verfügung zu stellen, auf §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 SOG gestützt. Nach § 3 Abs. 1 SOG treffen die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des einzelnen erforderlichen Maßnahmen, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen (Maßnahmen zur Gefahrenabwehr). Nach § 10 Abs. 1 SOG dürfen gegen andere als die in den §§ 8 und 9 genannten Personen Maßnahmen nur gerichtet werden, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewehrt oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht beseitigt werden kann und soweit die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfügt.

aa) Die danach zunächst notwendige Feststellung des Bevorstehens von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 SOG im Hinblick auf die für den 22. April 2012 angesetzte Paarung, die auch der Antragsteller und der Beigeladene nach verbandsinternen Richtlinien als sogenanntes Hochrisikospiel einschätzen, hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage der Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen getroffen, die sich in den letzten vier Jahren anlässlich jeder Begegnung der beiden Mannschaften ergeben haben. Der Annahme einer Gefahrenlage für das kommende Spiel ist die Beschwerde auch nicht entgegengetreten. Auch für das Beschwerdegericht ist nicht ersichtlich, dass die der angefochtenen Verfügung zugrunde liegende Einschätzung bevorstehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 1 SOG, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten werden, unzutreffend sein könnte. Dafür haben sich auch in dem Erörterungstermin vom heutigen Tag, in dem der Senat den Beteiligten verschiedene Vorschläge zur gütlichen Einigung und gerade zum Zweck der Abwehr der zu befürchtenden Störungen unterbreitet hat, keine durchgreifenden Anhaltspunkte ergeben.

bb) Derzeit ist jedoch offen – und muss gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden - , ob sämtliche der darüber hinaus notwendigen Voraussetzungen vorliegen, die die Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG – hier in Form des ihm erteilten Verbots, seiner nach den genannten verbandsinternen Regularien an sich obliegenden Verpflichtung zur Abgabe eines bestimmten Kartenkontingents an den Beigeladenen nachzukommen – rechtfertigen könnten.

(1) So kann zunächst nicht als gesichert angesehen werden, dass die Antragsgegnerin bei Bekanntgabe der streitigen Untersagungsverfügung vom 1. März 2012, mit der sie auf einen wahrscheinlichen Geschehensablauf im Zusammenhang mit dem – erst am 22. April 2012 stattfindenden – Spiel Einfluss nehmen wollte, schon von einer „unmittelbar bevorstehenden“ Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG ausgehen durfte, die nur durch die Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer abgewehrt werden kann. Das Verwaltungsgericht ist insoweit zutreffend von einer zweifachen Qualifizierung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs ausgegangen und hat dementsprechend sowohl eine besondere zeitliche Nähe der Gefahrenentwicklung als auch ein gesteigertes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gefordert (Beschlussausfertigung S. 20, 21). Die danach (auch) notwendige besondere zeitliche Nähe der Gefahr hat es allerdings allein deshalb bejaht, weil seit längerem - seit der frühzeitigen Ansetzung des risikobehafteten Spiels auf den 22. April 2012 - feststehe, wann genau die Verwirklichung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe. Diesem rechtlichen Ansatz - bei der Inanspruchnahme des Nichtstörers könne auf das Erfordernis der unmittelbar bevorstehenden bzw. gegenwärtigen Gefahr (zur inhaltlichen Gleichrangigkeit dieser Begriffe vgl. BVerwG, Urt. v. 26.2.1974, BVerwGE 45,51, juris Rn. 32) im Ergebnis jedenfalls in den Fällen verzichtet werden, in denen in einem genau bestimmbaren bzw. bereits bestimmten, gleichwohl noch in ferner Zukunft liegenden Zeitpunkt (hier: etwa acht Wochen zwischen Bekanntgabe des Kartenabgabeverbots und dem Spiel) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird – ist der Antragsteller mit seiner Beschwerde mit ausführlicher Begründung entgegen getreten. Der Antragsteller macht insoweit unter anderem geltend, von einer „unmittelbar bevorstehenden“ Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG könne nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Schadensnähe in einer Weise gesteigert habe, dass die Störung jederzeit bzw. jeden Moment eintreten und nur durch sofortige Maßnahmen gegen den Nichtstörer abgewendet werden könne.

Für diese zeitliche Begrenzung könnte zunächst sprechen, das das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) den Begriff der unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in solchen Regelungszusammenhängen verwendet, in denen eine polizeiliche Maßnahme offenkundig nur in einer „akuten“, nicht jedoch in einem noch fernen (wenn auch feststehenden) Zeitpunkt geboten ist. So darf etwa nach § 7 Abs. 1 SOG im Wege der unmittelbaren Ausführung eine Maßnahme nur getroffen werden, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewehrt oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht beseitigt werden kann. Ebenso darf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 SOG eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn diese Maßnahme unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Damit sind offenkundig Gefahrenlagen gemeint, in denen eine Störung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.

Gegen eine weite Auslegung des Begriffs der unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in § 10 Abs. 1 SOG dürfte – neben den genannten systematischen Gründen - auch die allgemein anerkannte Begriffsbestimmung dieses qualifizierten Gefahrenbegriffs sprechen, wie er in Polizeigesetzen anderer Länder definiert ist. So sieht etwa § 2 Abs. 1 b) des Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) vor: „Im Sinne dieses Gesetzes ist ...eine gegenwärtige Gefahr eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht“. Da – wie bereits ausgeführt – eine unmittelbar bevorstehende Gefahr einer gegenwärtigen Gefahr inhaltlich gleichzusetzen ist, dürfte eine Gefahrenlage, die sich erst bei Durchführung einer Veranstaltung zu einem noch in der (weiteren) Zukunft liegenden Zeitpunkt einstellen wird, im Sinne dieser Definition nicht „in allernächster Zeit“ bevorstehen. Insoweit ist auch zu beachten, dass der Gesetzgeber diese tatsächliche Besonderheit im Versammlungsrecht in § 15 Abs. 1 VersammlG erfasst und geregelt hat. Denn dort ist bestimmt, dass die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung „bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges“ unmittelbar gefährdet ist. Diese Regelung erlaubt die Prognose einer – erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Versammlungstag eintretenden – unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung und entsprechende Maßnahmen der Behörde im Vorfeld der Veranstaltung.

Andererseits könnte daran zu denken sein, ein § 15 Abs. 1 VersammlG vergleichbares Tatbestandsmerkmal („...bei Durchführung der Versammlung...“) auch bei der Auslegung des hier einschlägigen § 10 Abs. 1 SOG zu berücksichtigen. Dann könnte eine unmittelbar bevorstehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglicherweise auch dann zu bejahen sein, wenn (erst) bei Durchführung einer (Groß-)Veranstaltung höchstwahrscheinlich eine Gefahrenlage eintreten wird, die weder durch Maßnahmen gegen potentielle Störer nach § 8 Abs. 1 SOG noch mit eigenen ausreichenden Kräften und Mitteln der Behörde abgewehrt werden könnte. Hierfür könnte sprechen, dass in einer solchen Lage eine enge Auslegung des § 10 Abs. 1 SOG die Polizei dazu zwingen würde, trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm im Übrigen mit – in dieser Lage unausweichlichen - Maßnahmen gegenüber einem Nichtstörer bis kurz vor der gefahrengeneigten Veranstaltung zu warten. Dieses „Zuwarten“ würde nicht nur das Recht des dann ganz kurzfristig mit Maßnahmen nach § 10 Abs. 1 SOG überzogenen Nichtstörers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stark einschränken bzw. im Einzelfall vereiteln; es könnte zudem dazu führen, dass die polizeilichen Maßnahme dann ihren Zweck nicht oder zumindest nur noch eingeschränkt erreichen.

Die insoweit aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei der hier vorliegenden Fallkonstellation - höchstwahrscheinlicher Gefahreneintritt bei Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung zu einem schon länger bekannten Zeitpunkt bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr durch Maßnahmen gegen potentielle Störer und nicht ausreichenden eigenen Kräften und Mitteln der Polizei –, noch (bei weiter Auslegung) von einer „unmittelbar bevorstehenden“ Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG ausgegangen werden kann oder ob es insoweit dem Gesetzgeber obliegt, eine etwaige Regelungslücke für die Inanspruchnahme eines Nichtstörers in einer solchen Lage zu schließen, ist nicht in diesem Eilverfahren zu entscheiden. Diese Frage muss einem gegebenenfalls nachfolgenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

(2) Dagegen dürfte nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen sein, dass in Bezug auf das Hochrisikospiel am 22. April 2012 eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt, dass die Antragsgegnerin nachvollziehbar begründet habe, dass mit polizeilichen Maßnahmen gegen potentielle Störer der Gefahrenlage nicht ausreichend begegnet werden könne (Beschlussausfertigung S. 21 bis 27). Diese Maßnahmen, die die Antragsgegnerin im Schreiben vom 22. März 2012 an das Verwaltungsgericht näher - auch zahlenmäßig – dargestellt und in dem heutigen Erörterungstermin weiter aktualisiert hat, würden unabhängig von dem Kartenabgabeverbot ergriffen bzw. seien bereits ergriffen worden. Die Zahl dieser Maßnahmen (Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote) sei jedoch angesichts der nur wenigen gewaltbereiten Störer, die die von der Rechtsprechung geforderten strengen Voraussetzungen für eine individuelle polizeiliche Inanspruchnahme erfüllten, gering im Vergleich zu der Zahl der insgesamt zu erwartenden Störer.

Diese Darlegungen des Verwaltungsgerichts werden mit der Beschwerdebegründung nicht ernsthaft in Frage gestellt. Dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob die hier fragliche Voraussetzung des § 10 Abs. 1 SOG für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer erfüllt ist, nicht nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, sondern von einer plausibel begründeten Annahme der Antragsgegnerin ausgegangen ist, ist in Bezug auf die Besonderheiten des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, in dem etwa eine Beweisaufnahme aus Zeitgründen regelmäßig ausscheidet, nicht zu beanstanden. Ebenso wenig ist die von der Antragsgegnerin verfügte Zahl von Aufenthaltsverboten und Meldeauflagen in Zweifel zu ziehen, weil – wie der Antragsteller meint – das Beschwerdegericht (und mit diesem die Antragsgegnerin) seine (strenge) Rechtsprechung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verhängung von Stadionverboten, die unter wesentlich leichteren Voraussetzungen verhängt werden dürften, anpassen müsste. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin in Bezug auf die hier fraglichen polizeilichen Maßnahmen ohnehin zutreffend nur die aktuelle Entscheidungspraxis des Beschwerdegerichts zugrunde legt, ist ein „Anpassungsbedarf“ ohnehin nicht ersichtlich. Die Ausübung des Hausrechts der Eigentümer der jeweiligen Platzanlage durch Erteilung eines Stadionverbots bzw. durch die Entscheidung, mit bestimmten Personen keinen Vertrag über den Zugang zu einer Sportveranstaltung zu schließen, ist mit der hier fraglichen Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch die Polizei nicht vergleichbar.

(3) Ob das streitbefangene Kartenabgabeverbot für das Spiel am 22. April 2012 zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darüber hinaus deshalb gegen den Antragsteller als Nichtstörer gemäß § 10 Abs. 1 SOG verfügt werden durfte, weil die Antragsgegnerin nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfügt („polizeilicher Notstand“), erscheint bei summarischer Prüfung offen. Diese Frage kann allerdings nicht - wie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angedeutet hat und wie mit der Beschwerde zu Recht in Frage gestellt wird -, schon deshalb zu Lasten des Antragstellers beantwortet werden, weil sein wirtschaftliches Interesse als Veranstalter einer kommerziellen Sportveranstaltung im Verhältnis zu den weiteren Belastungen, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts mit einer nochmaligen Erhöhung der eingesetzten Polizeikräfte einhergingen, zurückzutreten habe. Insoweit ist es schon nicht zwangsläufig, dass etwa eine Verdoppelung der bisher eingesetzten Polizeibeamten (zwischen 606 Kräften am 26.9.2008 und etwa 2000 am 19.11.2011) immer auch zu einer Verdoppelung oder jedenfalls signifikanten Steigerung der Zahl der Verletzten führt. Vielmehr kommt ebenso in Betracht, dass die Schaffung einer „polizeilichen Übermacht“ durch eine erhebliche Aufstockung der Sicherheitskräfte abschreckend wirkt und potentielle Störer sowohl von Angriffen auf Anhänger des jeweiligen anderen Vereins als auch von Attacken gegen die eingesetzten Polizeibeamten abhält. Im Übrigen sieht § 10 Abs. 1 SOG die von dem Verwaltungsgericht für denkbar gehaltene Verhältnismäßigkeitsprüfung als ein Kriterium zur Begrenzung der eigenen Kräfte und Mittel der Behörde, die sie zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vor der Inanspruchnahme eines Nichtstörers (nur) einsetzen muss, nicht vor. Dass ein Nichtstörer insoweit einen geringeren „Schutz“ vor einer polizeilichen Inanspruchnahme deshalb genießt - und die Voraussetzungen für die Annahme eines polizeilichen Notstandes weniger streng sein könnten- , weil er eine zulässige kommerzielle (Groß-)Veranstaltung ausrichtet, die nicht unter den Schutz des Versammlungsrechts nach Art. 8 GG fällt, ergibt sich jedenfalls nicht zwangsläufig aus § 10 Abs. 1 SOG. Soweit die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Norm in der angefochtenen Untersagungsverfügung angenommen hat, der Antragsteller könne sich wegen seiner – aus Sicht der Antragsgegnerin unzureichenden – eigenen Bemühungen um eine Minderung der befürchteten Störungen am fraglichen Spieltag nicht auf die im Versammlungsrecht entwickelten hohen Maßstäbe für die Inanspruchnahme von Nichtstörern berufen (Bescheidausfertigung S. 14, 15), dürfte dem aus denselben Erwägungen nicht zu folgen sein.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstandes gemäß § 10 Abs. 1 SOG ist gleichwohl als offen anzusehen. Ihr liegt zunächst eine Tatsachenfrage zugrunde, die zu ihrer ausreichenden Beantwortung angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles – Austragung eines Hochrisikospiels in einem im innerstädtischen Großstadtbereich gelegenen Stadion und in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem weiteren Großereignis mit Zehntausenden von Besuchern -, zuerst umfangreiche und komplexe Sachverhaltsfeststellungen erfordert, die in dem hier anhängigen Eilverfahren nicht zu leisten sind. Es erscheint insoweit allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin, die bei dem letzten Aufeinandertreffen der Mannschaften des Antragstellers und des Beigeladenen am 6. März 2009 in Hamburg 1.367 Polizeibeamte eingesetzt hatte (von denen dabei 25 verletzt wurden), in dieser besonderen – und besonders unübersichtlichen - Gefährdungslage ausreichende eigene Kräfte und Mittel nicht zur Verfügung haben könnte, die in der Lage wären, die sich abzeichnenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit an einer Vielzahl unterschiedlicher Stellen (verschiedene An- und Abfahrtswege bei unterschiedlichen Verkehrsmitteln, im Stadion und in dessen näheren Umgebung, gegebenenfalls in angrenzenden Stadtteilen) und in unterschiedlichen Situationen ausreichend abzuwehren. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin an diesem Ort, der wegen des Frühlingsdoms an dem Sonntagnachmittag von vielen Familien mit Kindern besucht wird, erhebliche Schwierigkeiten haben dürfte, ein besonders großes Polizeiaufgebot einzusetzen. Überdies ist die Antragsgegnerin in diesem besonderen Fall nicht mit einem - mehr oder weniger „statischen“ - Gefahrensgeschehen und Gefahrenpotential für das bevorstehende Spiel konfrontiert, sondern es befinden sich die für den Einsatzumfang maßgeblichen Verhältnisse nach wie vor „im Fluss“. Von daher ist es nachvollziehbar, dass – wie Vertreter der Polizei im heutigen Erörterungstermin ergänzend erläutert haben - eine konkrete Einsatzplanung erst wenige Tage vor dem Spieltag erfolgen kann.

(4) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist schließlich auch als offen anzusehen, ob die dem Antragsteller in der angefochtenen Verfügung verbotene Abgabe von etwa 2.400 Karten an den Beigeladenen bzw. über diesen an dessen Anhänger für das Spiel am 22. April 2012 im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 SOG zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Die Antragsgegnerin - und mit ihr das Verwaltungsgericht - gehen insoweit von der Annahme aus, der übergroße Teil der – auch gewaltbereiten bzw. gewaltsuchenden - Anhänger des Beigeladenen werde an dem genannten Tag die Reise nach Hamburg zu dem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft erst gar nicht antreten (vgl. Bescheidausfertigung S. 13, 14; Beschlussausfertigung S. 30, 31). Sie gründen diese Annahme im Wesentlichen auf die Erfahrungen, die die Antragsgegnerin mit dem Verbot der Abgabe von mehr als 500 Karten an den Beigeladenen für das Spiel am 28. März 2010 in Hamburg gemacht hat und zu dem nach den damaligen polizeilichen Feststellungen nur etwa 160 Anhänger des Beigeladenen (ohne Karten) nach Hamburg gekommen und überwiegend friedlich geblieben sind. Dem ist die Beschwerde unter anderem mit dem gewichtigen Grund entgegen getreten, dass das damalige Kartenabgabeverbot der Polizei zu einem Boykottaufruf des Spiels durch die Anhänger des Beigeladenen geführt habe und deshalb mit der jetzigen Situation, in der ein komplettes Kartenabgabeverbot verfügt worden sei, nicht vergleichbar sei.

Das Beschwerdegericht geht insoweit davon aus, dass das Kartenabgabeverbot die Anhänger des Beigeladenen – anders als dies etwa für polizeiliche Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote zu erwarten wäre – wohl zu einem Großteil nicht davon abhalten wird, am Spieltag mit ihrer Mannschaft nach Hamburg zu fahren und zu versuchen, sich in den (weiteren) Stadionbereich zu begeben und - soweit sie gewaltgeneigt sind – dort möglicherweise Auseinandersetzungen mit den Anhängern des Antragstellers und der Polizei zu suchen. Gleichwohl hält es der Senat unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere der ergänzenden Erklärungen, die die Antragsgegnerin in dem heutigen Erörterungstermin gemacht hat, noch für möglich, dass das Kartenabgabeverbot zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Dabei ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SOG eine polizeiliche Maßnahme auch geeignet, wenn die Gefahr nur vermindert oder vorübergehend abgewehrt wird.

Die Antragsgegnerin hat insoweit anschaulich geschildert, welche Schwierigkeiten aus polizeilicher Sicht bei der Abwehr von Gefahren anlässlich des Spiels bestehen, wenn sich unter den in Hamburg mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln eintreffenden Anhängern des Beigeladenen auch gewaltsuchende bzw. gewaltbereite Personen (mit oder ohne Eintrittskarten) mischen. In diesem Fall obliegt der Polizei einerseits die Aufgabe, die friedlichen, mit einer Eintrittskarte ausgestatteten Anhänger zum Millerntorstadion zu geleiten, andererseits aber aus - in der Regel großen - Gruppen die potentiellen Störer „herauszufiltern“, die häufig auch keine Karten besitzen. Für den Fall des Vollzugs des Kartenabgabeverbots kann die Polizei dagegen schon zu einem sehr frühen Stadium und vor allem in einem Bereich, der noch weit vom Stadion entfernt ist, mit der Kontrolle der gleichwohl am Spieltag anreisenden Anhänger des Beigeladenen beginnen und diesem Personenkreis gegebenenfalls die Weiterfahrt zum Stadion untersagen oder ihren weiteren Weg begleiten. Es erscheint nicht fernliegend, dass dieses Einsatzkonzept dazu geeignet ist, gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden oder jedenfalls ihre Anzahl und Intensität zu verringern.

Soweit der Antragsteller und der Beigeladene in dem heutigen Erörterungstermin darauf hingewiesen haben, dass Anhänger des Beigeladenen (Fanszene Rostock e.V.) für den 22. April 2012 eine Versammlung mit einer Abschlusskundgebung in der Feldstraße oder auf dem Millerntorplatz angemeldet hätten (die Antragsgegnerin hat insoweit eine „Aufzugsanmeldung“ vom 11.4.2012 für den genannten Tag unter dem Motto „Gegen polizeiliches Kartenverbot in Fußballstadien“ vorgelegt) und dass nach der neuesten Entwicklung an dieser Versammlung auch Unterstützergruppen aus dem gesamten Bundesgebiet teilnehmen würden, dürfte dadurch die Eignung der hier streitigen Maßnahme nicht (nachträglich) in Frage gestellt sein. Soweit sich im Zusammenhang mit dieser angemeldeten Versammlung Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage ergeben sollten, wird die Antragsgegnerin hierauf gegebenenfalls unter Anwendung der Regelungen des Versammlungsgesetzes reagieren können.

cc) Bei diesem Sachstand – nicht offenkundig fehlerhafte Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer nach § 10 Abs. 1 SOG und mögliche Eignung des Kartenabgabeverbots zur Gefahrenabwehr im Sinne von § 4 Abs. 1 SOG – kann die Frage offenbleiben, ob der Antragsteller als Ausrichter des fraglichen Fußballspiels polizeirechtlich – sogar - als Störer im Sinne von § 8 Abs. 1 SOG, d.h. hier als sogenannter unechter Zweckveranlasser, anzusehen sein könnte. Davon ist die Antragsgegnerin bei der streitigen Untersagungsverfügung selbst nicht ausgegangen. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht erstmals in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfenen (Beschlussausfertigung S. 13 bis 20). Das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, die streitige Untersagungsverfügung habe möglicherweise auf § 8 Abs. 1 SOG gestützt werden können, im Wesentlichen mit der Erwägung begründet, der Antragsteller schaffe mit der an sich zulässigen Ausrichtung des Spiels und der Abgabe von Eintrittskarten auch an Anhänger des Beigeladenen ein von ihm nicht zu beherrschendes „Sonderrisiko“. Der Antragsteller ist dieser Annahme des Verwaltungsgerichts in seiner Beschwerde mit ausführlicher Begründung entgegen getreten. Darin wird unter anderem zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht für möglich gehaltene polizeirechtliche Verhaltensverantwortlichkeit der Veranstalter von Großveranstaltungen jeder Art (etwa sportliche Großereignisse, Open-Air-Konzerte, Public-Viewing, Love-Parade) für Störungen von - durch diese Veranstaltung angezogenen - Personen (mittels Ausgabe von Eintrittskarten, freiem Eintritt oder wegen bloßer Attraktivität des „Events“) in einem örtlich nicht näher eingegrenzten Bereich zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der einzelnen polizeirechtlichen Störerbegriffe führen würde. Das wäre auch aus Sicht des Beschwerdegerichts unter anderem wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit von Normen, die hoheitliche Eingriffsbefugnisse regeln, problematisch.

Diese Fragen müssen jedoch – da sie hier nicht entscheidungserheblich sind – in dem hier anhängigen Eilverfahren nicht vertieft erörtert werden.

b) Über den Eilantrag ist angesichts des offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens auf der Grundlage einer Abwägung der Folgen zu entscheiden, die sich für den Antragsteller ergeben, sofern sein Eilantrag abgelehnt, er aber mit seinem Rechtsmittel gegen das Kartenabgabeverbot Erfolg haben sollte, und den Folgen, die im Fall einer Aussetzung des Sofortvollzugs der Untersagungsverfügung eintreten könnten und für den Fall der Bestätigung von dessen Rechtmäßigkeit nicht mehr rückgängig zu machen wären. Diese Abwägung muss aus den Gründen, die das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen aufgeführt hat (Beschlussausfertigung S. 33 bis 35) zum Nachteil des Antragstellers ausfallen. Das gilt auch, soweit dabei die immateriellen Interessen des Beigeladenen, der sich aktuell im Abstiegskampf der 2. Bundesliga befindet und gerade bei Auswärtsspielen auf die Unterstützung durch seine (friedlichen) Anhänger angewiesen ist, berücksichtigt werden. Diese Interessen und die eher wirtschaftlichen Belange des Antragstellers müssen angesichts der erheblichen Gefahren anlässlich des bevorstehenden Hochrisikospiels, die mit der angefochtenen Verfügung abgewehrt werden sollen, zurückstehen.

Soweit der Antragsteller in dem heutigen Erörterungstermin seinen voraussichtlichen wirtschaftlichen Schaden durch das Kartenabgabeverbot – bei gleichzeitiger Annahme des Verbots des Verkaufs des betroffenen Kartenkontingents an eigene Mitglieder durch die DFL bzw. den DFB – auf annähernd 50.000 Euro beziffert hat, wiegt auch dieser Umstand nicht so schwer, dass deshalb das öffentliche Interesse an der genannten Abwehr von Gefahren für Leib und Leben Dritter zurücktreten müsste. Im Übrigen ist insoweit zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller durch seine Inanspruchnahme als Nichtstörer nach § 10 Abs. 3 SOG auf Antrag gegebenenfalls eine angemessene Entschädigung zusteht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.