Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Entscheidung vom 25.11.2009, Az.: 5 Bs 217/09
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Kündigung eines naturschutzrechtlichen Betreuungsvertrages.
Im Jahre 1989 schlossen der Antragsteller und die Antragsgegnerin einen Vertrag über Betreuungsangelegenheiten im Sinne von § 44 des Hamburgischen Naturschutzgesetzes vom 2. Juli 1981 ( HmbGVBl. S. 167 ) - HmbNatSchG 1981 - , in dem die Antragsgegne-rin dem Antragsteller die Betreuung eines Teilbereichs des Naturschutzgebietes ... ... übertrug. In § 2 des Vertrages heißt es:
„§ 2Zeitdauer (1) Die Betreuung wird dem Betreuer für die Dauer von 1 Jahr (xx),beginnend am 01.07.1989, übertragen. (2) Die Betreuungsdauer verlängert sich jeweils um 1 weitere (s)Jahr (e), sofern der Vertrag nicht 3 Monate vor Ablauf schrift-lich von einer der beiden Parteien gekündigt wird.“In der Folgezeit kam es zwischen dem Antragsteller einerseits und der Antragsgegnerin andererseits bzw. anderen (Naturschutz-)Verbänden oder Bewohnern ... zu Auseinandersetzungen über Fragen des Naturschutzes bzw. bei dieser Gelegenheit getätigter Äußerungen, die zum Teil unter Inanspruchnahme der Hilfe von Gerichten geklärt werden mussten.
Mit Schreiben vom 23. März 2009, vom Antragsteller empfangen am 30. März 2009, kündigte die Antragsgegnerin den Vertrag über Betreuungsangelegenheiten zum 30. Juni 2009. Gleichzeitig bat sie um die Rücksendung erteilter Betreuerausweise.
Gegen die Kündigung legte der Antragsteller unter dem 23. Juni 2009 „Widerspruch“ ein:
Die Kündigung sei unbegründet, unberechtigt und ermessensfehlerhaft. Am 25. Juni 2009 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Hamburg einen „Eilantrag auf aufschiebende Wirkung (des) eingelegten Widerspruchs gegen die Kündigung (des) Betreuungsvertrages“ gestellt.
Mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt:
Für den vom Antragsteller gegen die Kündigung des Betreuungsvertrages erhobenen Widerspruch sei der Anwendungsbereich von § 80 VwGO, der für belastende Verwaltungsakte gelte, nicht eröffnet. Es handele sich bei dem Ausspruch der Kündigung, die allein auf § 2 Abs. 2 des Betreuungsvertrages gestützt sei, um die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Gestaltungsrechtes. Ein solches Handeln der Antragsgegnerin erfülle nicht die Merkmale eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 35 HmbVwVfG. Der begehrte Rechtsschutz sei vielmehr als ein solcher nach § 123 VwGO zu verstehen, habe aber mangels Anordnungsanspruchs keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht von dem ihr nach § 2 Abs. 2 des Betreuungsvertrages eingeräumten Kündigungsrecht ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht haben. Der auf eine unbestimmte Zeit abgeschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag gebe für den Fall seiner Beendigung auf Grund ordentlicher Kündigung außer der Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist keine weiteren Voraussetzungen vor. Demzufolge stehe es der Antragsgegnerin frei, den Betreuungsvertrag ohne Angabe von Gründen zu kündigen.
Gegen die vorgenannte Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Aus ihrer Begründung, auf deren Überprüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen den angefochtenen Beschluss.
1. Sofern die Ausführungen auf Seite 1 unten der Beschwerdebegründung dahingehend zu verstehen sein sollten, dass der Antragsteller dem Verwaltungsgericht unterstellt, den zwischen ihm und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vertrag über Betreuungsangelegenheiten als privatrechtliche Vereinbarung eingestuft zu haben, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. Dies ergibt sich nicht nur aus der nicht eigens begründeten, sondern ohne Weiteres unterstellten Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 Abs. 1 VwGO für die vorliegende Rechtsstreitigkeit, sondern auch aus den Formulierungen auf Seite 5 der Beschlussausfertigung, wo mehrfach von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag die Rede ist. Diese Einstufung der Vereinbarung beanstandet der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr macht er sie sich, wie sich aus den Seiten 1 bis 3 der Begründung ergibt, zu eigen.
2. Im Gegensatz zur Auffassung in der Beschwerdebegründung folgt aus dem geschilderten Charakter des Vertrages indes nicht, dass auf die durch die Antragsgegnerin unter dem 23. März 2009 ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung die Bestimmungen über Verwaltungsakte hinsichtlich der Erfordernisse einer Anhörung und einer Begründung analog anzuwenden seien.
Die in § 2 Abs. 2 des Vertrages vorgesehene Kündigung erfolgte zwar im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses. Sie hätte aber ebenso gut von dem Antragsteller als Vertragspartner und damit von einem Privaten ausgesprochen werden können, da das Kündigungsrecht in § 2 Abs. 2 der Übereinkunft auch für jenen gilt. Daraus folgt, dass der behördlichen Erklärung keine andere Rechtsnatur zugewiesen werden kann und dafür auch keine anderen Maßstäbe gelten können, als für die insoweit in jeder Hinsicht vergleichbare Erklärung des Privaten. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die behördliche Kündigung weder als Verwaltungsakt einzustufen ist, noch die dafür geltenden Bestimmungen analog zur Anwendung kommen können, da dieses - wie keiner näheren Begründung bedarf - für die gleichwertige Kündigung durch die Privatperson ebenfalls nicht gelten kann (vgl. dazu auch Stelkens in: Stelkens u.a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2008, § 60 Rn. 15, jeweils m.w.N.). Auch die zusammen mit der Kündigung ausgesprochene Bitte, Betreuerausweise zurückzuschicken, stellt keinen Verwaltungsakt, sondern die Geltendmachung eines sich aus der Kündigung ergebenden vertraglichen Rückabwicklungsanspruchs dar, die der Antragsteller im Übrigen auch gar nicht angegriffen haben dürfte. Sein „Widerspruch“ vom 23. Juni 2009 richtet sich ausdrücklich nur gegen die Kündigung des Betreuungsvertrages. Auch der beim Verwaltungsgericht gestellte, hier streitbefangene Eilantrag betrifft nach seinem Wortlaut die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs „gegen die Kündigung“ des Vertrages. In seiner Beschwerdebegründung hat der Antragsteller - entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und seiner eigenen Ankündigung in der Beschwerdeschrift - keinen bestimmten Antrag gestellt, dem das Gegenteil zu entnehmen wäre.
3. Aus den Ausführungen oben zu 2. ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers als ein solches nach § 123 VwGO zu bewerten ist. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt jedoch nicht in Betracht, da dafür weder der erforderliche Anordnungsgrund (a) noch Anordnungsanspruch (b) ersichtlich ist.
a) In der Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller zwar geltend gemacht, dass seinem Begehren selbst für den Fall, dass man es als ein solches nach § 123 VwGO auslegte, stattzugeben wäre. Seinen dortigen Ausführungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich sein sollte, weil anderenfalls die Gefahr bestünde, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, bzw. anderenfalls wesentliche Nachteile oder drohende Gewalt drohten (vgl. im Einzelnen § 123 Abs. 1 VwGO). Vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 25. September 2009 geltend gemacht, dass Gefahr im Verzuge bestehe, weil das Naturschutzgebiet seit der Kündigung des Betreuungsvertrages faktisch ohne Betreuung und dadurch eine erhebliche Verschlechterung der Schutzbedingungen und der Schutzgüter eingetreten sei. Die Wahrnehmung von Belangen des Naturschutzes ist indes eine öffentliche Aufgabe. Dies sieht der Antragsteller nicht anders, der den Naturschutz in seiner Beschwerdebegründung, Seite 2 unten, ausdrücklich als „hoheitliche Aufgabe der Verwaltung“ bezeichnet. Mit dem Hinweis auf den angeblich sich verschlechternden Zustand des betroffenen Naturschutzgebietes macht der Antragsteller demnach keine eigenen, einen Anordnungsgrund begründenden Rechte glaubhaft.
b) Darüber hinaus hat der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kündigung des Betreuungsvertrages durch die Antragsgegnerin rechtmäßig ist. Daher sind keine wie auch immer gearteten Rechte des Antragstellers ersichtlich, die durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gesichert werden könnten.
Die zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin geschlossene Vereinbarung dient der Betreuung eines Naturschutzgebietes und damit - wie bereits weiter oben angedeutet - allein einem öffentlichen Interesse. Wie die Antragsgegnerin diesen Belang wahrnimmt, obliegt grundsätzlich allein ihr. Auch ist sie nicht verpflichtet, für Naturschutzgebiete Betreuungen vorzusehen. Vielmehr stellt § 44 HmbNatSchG 1981 dies, wie bereits sein Einleitungssatz verdeutlicht, in das Ermessen der zuständigen Behörde. Auch wenn es zur Übertragung von Betreuungsaufgaben gekommen ist, ist nicht ersichtlich, dass sich daraus eine geschützte Rechtsposition zu Gunsten des Betroffenen ergibt. Wie aus § 44 Satz 2 und 3 HmbNatSchG 1981 hervorgeht, können damit keine hoheitlichen Befugnisse verbunden sein und wird nicht einmal ein Anspruch auf Erstattung von Kosten begründet. An dieser bereits im Jahre 1981 bestehenden Rechtslage hat sich auch nach dem nunmehr geltenden Recht nichts geändert (vgl. § 44 HmbNatSchG i.d.F. v. 9.10.2007, HmbGVBl. S. 356, 392). Vor diesem Hintergrund und der - von der Kündigungsfrist abgesehen - an keine einschränkenden Bedingungen geknüpften Kündigungsmöglichkeit in § 2 Abs. 2 des geschlossenen Betreuungsvertrages ist nicht ersichtlich, woraus sich ein Anspruch des Antragstellers auf Verlängerung des Vertrages ergeben sollte. Offen bleiben kann, ob es der Antragsgegnerin - etwa mit Rücksicht auf die langjährige vertragliche Beziehung zwischen ihr und dem Antragsteller - nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im vorliegenden Fall oblegen hätte, dem Antragsteller die Möglichkeit einer Kündigung rechtzeitig vor Augen zu führen, damit er sich darauf z.B. bei der Abwicklung begonnener Arbeiten o.ä. hätte einstellen können. Das Verhältnis des Antragstellers zur Antragsgegnerin sowie zu Bewohnern ... und anderen Akteuren des Umweltschutzes war - wie sich aus den vorgelegten Akten ergibt - zumindest in den letzten Jahren nicht konfliktfrei. Im Zusammenhang z.B. mit dem nicht abgesprochenen Einbau von Kormoransitzstangen hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 19. Januar 2007 mitgeteilt, dass darin ein schwerwiegender Verstoß gegen den Betreuungsvertrag liege und sich damit die Frage seiner Fortsetzung stelle. In dem Protokoll einer Besprechung zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin vom 8. März 2007 heißt es aus Anlass im Einzelnen erörterter Vorfälle, dass der Antragsteller aus Sicht der Antragsgegnerin die Wirklichkeit vollkommen verkenne und die Antragsgegnerin von vielen Seiten angesprochen worden sei, dem Antragsteller die Betreuung zu entziehen. In einem Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 6. Oktober 2008 lautet es, dass sich die angestrebten naturschutzfachlichen Ziele nur verwirklichen ließen, wenn alle Beteiligten vertrauensvoll und konstruktiv miteinander umgingen. Das gelte erst recht für das Verhalten und die Kommunikation der drei im fraglichen Gebiet eingeschalteten Betreuungsverbände untereinander. Dabei scheine es nach Durchsicht der voluminösen Betreuungsakten deutliche Defizite zu geben. Die Antragsgegnerin erwarte von den drei Verbänden, dass sie den Naturschutz im fraglichen Bereich künftig kooperativ praktizierten. Anderenfalls würden die bestehenden Betreuungsaufträge vertragsgemäß gekündigt werden (was dann in der Folgezeit auch im Hinblick auf alle drei Verbände, darunter der Antragsteller, geschehen ist).
Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass der Antragsteller schwerlich davon ausgehen konnte, auf unabsehbare Zeit mit den in Frage stehenden Betreuungsaufgaben betraut zu werden und auch nicht in einer die Grundsätze von Treu und Glauben berührenden Art und Weise von der schließlich ausgesprochenen Kündigung überrascht sein konnte.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO, §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.