LAmtsgericht Baden-württemberg
Entscheidung vom 26.09.2014, Az.: 17 Sa 20/14
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014 - 16 Ca 7533/13 - wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 65.134,51 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Fälligkeit von gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen, die sie als Gratifikationen bezeichnen.
Die Beklagte stellt Heilmittel aus der Natur für den Menschen her. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Mai 1997 bis zum 30. September 2012 als Mitarbeiter im Lager beschäftigt. Sein monatliches Entgelt belief sich zuletzt auf EUR 2.700.00 brutto.
Die Beklagte erläutert „Hintergründe zur Gehaltsfindung und Verteilung von Gewinn und Verlust“ in einer Broschüre (vgl. Anlage B 1, Bl. 129 f. der erstinstanzlichen Akte), die sie ihren Arbeitnehmern aushändigt – so auch dem Kläger. Nach II 3 der Broschüre bildet neben dem monatlichen Entgelt eine „Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg einen weiteren Baustein zum Gesamteinkommen“. Einzelheiten zur Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg sind unter II 4.4. der Broschüre wie folgt geregelt:
„4.4 Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmensergebnis
Da die Bestandteile (4.1 bis 4.3) des Einkommens als Vorauszahlung gelten, wird die Gesamtjahresabrechnung erst dann möglich, wenn das Unternehmensergebnis vorliegt.
Die Gewinnbeteiligung am Gesamteinkommen heißt Gratifikation.Diese wird zum Teil bar ausgeschüttet und fließt zum anderen Teil unbar in Form von Mitarbeiterdarlehen in das Unternehmen zurück.
Im Herbst eines jeden Jahres erfolgt eine Hochrechnung des voraussichtlichen Gewinns. Auf dieser Basis wird eine Barausschüttung an alle berechtigten Mitarbeiter vorgenommen. Bezugsgrundlage hierfür ist das Jahresarbeitsentgelt. Auch die unbare Ausschüttung wird proportional zu den Jahresvorauszahlungs-Einkommen errechnet.
Nach dem Bilanzabschluss, der in der Regel im Frühjahr des Folgejahres erfolgt, entscheidet der Stiftungsvorstand auf Vorschlag der GmbH-Geschäftsführung, ob und in welcher Höhe eine unbare Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter vorgenommen wird. Diese fließt wieder an das Unternehmen zurück und kommt zu einem späteren Zeitpunkt zur Auszahlung, frühestens nach 25 Jahren oder mit dem Bezug einer Rente. Übersteigt die Gesamtsumme der Mitarbeiterdarlehen 70 % der Bilanzsumme, so muss dieser Überschuss ausgezahlt werden. Dabei werden die ältesten Darlehensverträge zuerst berücksichtigt, die jüngsten zuletzt.
Zur Berechnungsmethode für die Verteilung bar und unbar wird das Jahresarbeitsentgelt (4.1 + 4.2 + 4.3) zugrunde gelegt.“
Dementsprechend schlossen die Parteien am 1. Januar 2000 nachfolgende „Gratifikationsvereinbarung“ ab (vgl. Anlage B 3, Bl. 143 erstinstanzliche Akte):
1) W. gewährt dem Mitarbeiter auf rein freiwilliger Basis für die Zukunft von der W. abänderbar und nur nach den vorliegend aufgestellten und vom Mitarbeiter akzeptierten Regeln eine Gratifikation, auf die ein Anspruch lediglich gemäß vorliegendem Text und nur dann erwachsen kann, wenn der Mitarbeiter ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses mindestens 3 Jahre ununterbrochen und ungekündigt bei der W. tätig war; ist dies nicht der Fall, verfallen etwaige Anwartschaften.
Die Höhe der jeweiligen freiwilligen jährlichen Gratifikation wird dem Mitarbeiter nur kurz, mit Hinweis auf die Gratifikationsregelung gemäß vorliegendem Text, jährlich neu bekannt gegeben.
2) Für die Auszahlung der Gratifikation an den Mitarbeiter gelten folgende Bestimmungen:
a) Der Mitarbeiter kann die Auszahlung der Gratifikation nach dem Ablauf von 25 Jahren (seit heute gerechnet) schriftlich verlangen, und zwar auch dann, wenn er vorher aus der W. ausgeschieden ist - gleich auf wessen Veranlassung und gleich aus welchem Grund;
b) sobald die in der konsolidierten Handelsbilanz der W.-Stiftung und der W. ausgewiesenen Rückstellungen für Gratifikationen (i. S. dieser Vereinbarung) 70 % der Bilanzsumme übersteigen, wird W. - unabhängig von den Voraussetzungen des Buchst. a) - jeweils die Rückstellungen durch die Auszahlung von Gratifikationen auf 70 % der Bilanzsumme zurückführen. Dabei werden die Gratifikationen entsprechend der zeitlichen Reihenfolge ihrer Zusage - gegebenenfalls teilweise ausbezahlt, d. h. jeweils die Gratifikationen mit der älteren Zusage vor denen mit der jüngeren Zusage, im übrigen nach dem billigen Ermessen von W.;
c) die Auszahlung der Gratifikation beginnt - unabhängig von den Voraussetzungen der Buchst. a) und b) - spätestens mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters altershalber aus der W. oder mit dem Eintritt seiner Invalidität bzw. seiner Teilinvalidität, maßgeblich ist der Rentenbescheid;
d) scheidet der Mitarbeiter infolge einer von der W. ausgesprochenen ordentlichen Kündigung aus, so kann W. die gesamte Gratifikation sofort in einem Betrag an den Mitarbeiter ausbezahlen;
e) scheidet der Mitarbeiter infolge einer von W. ausgesprochenen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund aus, so kann W. mit einer ihr etwa gegen den Mitarbeiter zustehenden Schadenersatzforderung gegen dessen Gratifikationsanspruch aufrechnen;
f) die Auszahlung der Gratifikation erfolgt in den Fällen der Buchstaben a), b) und c) in zehn gleichen Jahresraten, jeweils am Letzten eines Kalenderjahres, erstmals am Letzten des Kalenderjahres, in dem die in den Buchst. a), b) und c) bestimmten Voraussetzungen eingetreten sind. Unberührt bleibt das Wahlrecht der W. gemäß Buchst. d);
g) bei teilweiser Invalidität erfolgt die Auszahlung entsprechend dem amtlich festgestellten Grad der Invalidität;
h) nach dem Eintritt des Rentenalters kann die in Buchst. f) bestimmte Auszahlungsdauer im gegenseitigen Einvernehmen verkürzt werden;
i) bei Auszahlung der Gratifikation - in Raten oder in einem Betrag - behält W. die entsprechenden Steuern ein, ebenso etwaige anfallende Sozialversicherungsabgaben, einschließlich dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung.
3) Im Todesfall des Mitarbeiters gelten die Bestimmungen dieser Vereinbarung für und gegen die Erben des Mitarbeiters in gleichem Umfange wie vorher für und gegen den Mitarbeiter.
4) Die Verzinsung der Gratifikation beträgt entsprechend der Geschäftslage bis zu maximal 6 % p. a. Aufgrund des in der Mitarbeiter-Information vorgestellten bilanziellen Jahresergebnisses wird die Zinshöhe von der Geschäftsleitung jährlich neu festgelegt, mit der Mitarbeiter-Vertretung beraten und in der Mitarbeiter-Information begründet.
a) Tätigen Mitarbeitern oder wegen Altersrente, wegen Invalidität oder Teilinvalidität ausgeschiedenen Mitarbeitern werden die Zinsen entsprechend den gesetzlichen Regelungen mit oder ohne Steuern bis spätestens 31. Januar des dem Kalenderjahr folgenden Jahres ausbezahlt.
b) Ehemalige, außer der unter 4a) genannten Mitarbeiter, erhalten Zinsen in der jeweils festgesetzten Höhe für das Kalenderjahr ihres Ausscheidens. Danach können Zinsen auch ganz entfallen.
c) Härtefälle werden nach billigem Ermessen der W. entsprechend 4a) oder 4b) entschieden.
5) Der Gratifikationsanspruch darf weder abgetreten noch verpfändet werden.
6) Die Gewährung der Gratifikation gemäß Ziff. 1 begründet für den Mitarbeiter keinen Anspruch auf die Zusage weiterer Gratifikationen in der Zukunft; dies gilt auch dann, wenn ihm bereits für mehrerer Kalenderjahre (gleichgültig für welche Anzahl - mit oder ohne Unterbrechungen) Gratifikationen gewährt worden sind.“
Nummer 10 des Arbeitsvertrags vom 13. Oktober 1998 enthält dazu folgende Regelung (vgl. Anlage K 6, Bl. 244 f. erstinstanzliche Akte):
„Die Geschäftsführung empfiehlt Frauen nach Vollendung des 60. Lebensjahres und Männern nach Vollendung des 63. Lebensjahres, von der Möglichkeit des Bezuges der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente Gebrauch zu machen. In diesen Fällen ist die W. bereit, das aus den Mitarbeiter-Gratifikationen angewachsene Darlehen entsprechend den Vertragsbedingungen vom Zeitpunkt des Rentenbeginns an auszuzahlen.“
Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlung bleiben bei der Ermittlung der Gratifikationen unberücksichtigt.
Die Beklagte sagte dem Kläger auf dieser Basis Gratifikationen in Höhe von insgesamt EUR 65.134,51 zu, im Einzelnen wie folgt (vgl. Anlage B4, Bl. 144 f. der erstinstanzlichen Akte):
Jahr Gratifikationsbetrag1999 7.477,652000 9.059,582001 7.891,282002 6.688,002003 5.895,002004 4.408,002005 4.783,002006 5.370,002007 5.637,002008 7.925,00Insgesamt:65.134,51
In den schriftlichen Mitteilungen zu den einzelnen Gratifikationen spricht die Beklagte jeweils von einer „freiwillige(n) Gratifikation für das Jahr … ohne Rechtsanspruch für die Zukunft“ (vgl. Anlage B4, Bl. 144 f. der erstinstanzlichen Akte). Ab dem Jahr 2004 dankte sie dem Kläger in den Mitteilungen dafür, „dass … (er) durch … (sein) unternehmerisches Handeln an … (seinem) Arbeitsplatz und … (seine) Einsatzfreude die positive Entwicklung der W. und damit diese Gratifikation möglich gemacht …(habe)“ (vgl. Anlage B 4, Bl. 149 f. der erstinstanzlichen Akte).
Die angefallenen Zinsen sind an den Kläger jährlich ausgezahlt worden, insgesamt 1.302,69 EUR.
Nachdem der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juni 2013 erfolglos aufgefordert hat, ihm sein gesamtes Gratifikationsguthaben bis zum 27. Juni 2013 auszuzahlen, hat er Klage auf Auszahlung seines gesamten Gratifikationsguthabens erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat er vorgetragen, die Beklagte habe ihm schon jetzt seine gesamte Gratifikation auszuzahlen. Dem stehe nicht die Fälligkeitsregelung in Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung in Verbindung mit Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung entgegen. Denn dabei handele es sich um eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung. Die Fälligkeitsregelung unterliege der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen, weil sie nicht die Hauptleistung, sondern eine Modifikation derselben in Gestalt der Fälligkeit regele. Die Fälligkeitsregelung sei eine unzulässige überraschende Klausel. Denn eine Fälligkeit nach Ablauf von 25 Jahren in zehn jährlichen Raten sei so ungewöhnlich, dass er - der Kläger - nicht damit habe rechnen müssen. Die Fälligkeitsregelung sei außerdem intransparent. Ihr lasse sich nicht entnehmen, ab wann die Zeit von 25 Jahren zu laufen beginne. Darüber hinaus sei die Fälligkeitsregelung unangemessen. Die hinausgeschobene Fälligkeit diene der Beklagten als Finanzierungsinstrument. Dies gehe zu seinen Lasten. Denn die ihm gutgeschriebenen Gratifikationen seien nicht insolvenzgeschützt mit der Folge, dass er das Insolvenzrisiko trage, obwohl er mit seiner Arbeitsleistung seine Gegenleistung für die Gratifikation bereits erbracht habe. Unabhängig davon gebe es kein billigenswertes Interesse an einer hinausgeschobenen Fälligkeit. Sozialabgabenfreiheit und verminderte Besteuerung bestünden nicht in jedem Fall und seien zudem ungewiss. Im Übrigen gingen ihm mit den Sozialabgaben einhergehende Leistungen, wie höhere Renten-, Arbeitslosengeld- und Krankengeldansprüche, verloren. Entgegen der Angabe der Beklagten sei Zweck der Gratifikation weder der einer Altersversorgung noch der einer Vermögensbildung. Anstatt dessen bezwecke die Gratifikation eine Teilhabe an dem Gewinn und belohne damit erbrachte Arbeitsleistung. Deswegen sei die Gratifikation mit der Gutschrift auszuzahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.134,51 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2013 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass der Anspruch des Klägers auf Auszahlung seiner gutgeschriebenen Gratifikationen noch nicht fällig sei, sondern nach Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung in Verbindung mit Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung erst in 25 Jahren in zehn jährlichen Raten. Die Fälligkeitsregelung sei wirksam. Sie unterliege nicht der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen, da sie eine Nebenbestimmung zu einer zusätzlichen freiwilligen Leistung ohne Rechtsanspruch aufgrund eines Vertrages sui generis sei. Deshalb könne sie – die Beklagte - neben dem Entstehen und der Höhe des Rechtsanspruchs auch dessen Fälligkeit frei regeln. Andernfalls werde ihre Privatautonomie unverhältnismäßig beeinträchtigt. Unabhängig davon sei die Regelung weder überraschend noch intransparent. Überdies sei die Fälligkeitsregelung angemessen. Sie diene entsprechend ihrer anthroposophischen Leitlinien der Kapitalbildung und der Versorgung ihrer Arbeitnehmer. Da die Gratifikationen weder eine betriebliche Altersversorgung noch ein Wertguthaben seien, bestehe keine Verpflichtung zur Insolvenzsicherung. Entgegen der Annahme des Klägers sei die Erbringung einer Arbeitsleistung als Gegenleistung keine Voraussetzung für die Gewährung der Gratifikation. Vielmehr belohne sie mit der Gratifikation Betriebstreue. Die hinausgeschobene Fälligkeit bringe für ihre Arbeitnehmer Vorteile wegen einer geringeren Besteuerung und wegen der Sozialabgabenfreiheit bei Auszahlung nach Verrentung. Unabhängig davon sei zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Fälligkeitsregelungen vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vereinbart worden seien. Daher sei im Falle einer Unwirksamkeit der Fälligkeitsregelungen angesichts des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlich, die jedenfalls keine sofortige Fälligkeit ergäbe.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25. März 2014 die Klage abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der gutgeschriebenen Gratifikation sei derzeit noch nicht fällig, sondern nach Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung in Verbindung mit Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung erst nach Ablauf von 25 Jahren in zehn jährlichen Raten. Die Fälligkeitsregelung sei weder überraschend noch intransparent. Darüber hinaus sei die Fälligkeitsregelung angemessen. Denn sie betreffe eine freiwillige Gratifikation ohne Rechtsanspruch aufgrund eines wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts. Eine Verpflichtung zur Insolvenzsicherung bestehe nicht. Schließlich belohne die Beklagte mit der Gratifikation in erster Linie die Betriebstreue ihrer Arbeitnehmer, die mindestens drei Jahre ununterbrochen beschäftigt seien und in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit ihr stünden, indem sie ihre Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg beteilige und zugleich deren Versorgung im Rentenfall, spätestens nach Ablauf von 25 Jahren absichere. Demgegenüber trete der Entgeltcharakter der Gratifikation zurück. Deswegen könne die Fälligkeit der Gratifikation hinausgeschoben werden.
Gegen das ihm am 4. April 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, die am 30. April 2014 eingegangen ist. Mit Verfügung vom 9. Mai 2014 ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 10. Juli 2014 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 10. Juli 2014 per Fax und am 14. Juli 2014 im Original eingegangen.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor,
das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es ausschließlich um die Fälligkeitsregelung und nicht um den Freiwilligkeitsvorbehalt gehe. Denn die Beklagte habe dem Kläger die streitgegenständlichen Gratifikationen gutgeschrieben. Die Fälligkeitsregelung sei eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung, da überraschend, intransparent und unangemessen. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts ändere der Freiwilligkeitsvorbehalt daran nichts. Im Weiteren vertieft der Kläger seine erstinstanzlich vorgetragenen Argumente zu der seiner Meinung nach bestehenden Unangemessenheit der Fälligkeitsregelung. Darüber hinausgehend beruft er sich erstmals im Berufungsverfahren auf eine unzulässige mittelbare Altersdiskriminierung dadurch, dass nach der Gratifikationsvereinbarung jüngere Arbeitnehmer erst nach Ablauf von 25 Jahren einen Anspruch auf Auszahlung gutgeschriebener Gratifikationen hätten, während ältere Arbeitnehmer vor Ablauf von 25 Jahren ab Verrentung einen Anspruch auf Auszahlung gutgeschriebener Gratifikationen hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 65.134,51 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2013 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals eine mittelbare Altersdiskriminierung durch die Fälligkeitsregelung rügt, führt die Beklagte aus, dass die mittelbare Altersdiskriminierung aufgrund der Fälligkeitsregelung durch ihr legitimes Ziel gerechtfertigt sei „ihren Beschäftigten freiwillige Leistungen in Form einer Mitarbeiterbeteiligung als eine Art Altersversorgung für die Zeit nach dem Erwerbsleben oder für den Zeitpunkt einer späteren Lebensphase (nach Ablauf von 25 Jahren) zukommen zu lassen“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Absatz 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Außerdem wurde sie entsprechend § 66 Absatz 1 ArbGG, § 64 Absatz 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Berufung ist begründet.
1. Der Kläger hat unstreitig einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer als Gratifikation bezeichneten Gewinnbeteiligung in Höhe von EUR 65.134,51 brutto aus Nummer 1 der Gratifikationsvereinbarung vom 1. Januar 2000 in Verbindung mit der Mitteilung der Beklagten vom 29. November 2011.
2. Der Anspruch ist auch fällig.
a) Wie aus II 4.4 2. Absatz Satz 1 der Broschüre „Hintergründe zur Gehaltsfindung und Verteilung von Gewinn und Verlust“ folgt, geht es vorliegend um eine als Gratifikation bezeichnete Gewinnbeteiligung. Sondervergütungen in Form von Gewinnbeteiligungen werden fällig, sobald die Bilanz für das betreffende Geschäftsjahr festgestellt ist oder sobald die Bilanz für das betreffende Geschäftsjahr hätte festgestellt werden können (vgl. BAG 3. Juni 1958 - 2 AZR 406/55 - , juris, Rn. 23; Preis, in: Erfurter Kommentar, 14. Auflage, § 611 Rn. 502; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 614 Rn.6). Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus § 614 Satz 2 BGB, da der Bilanzabschluss kein Zeitabschnitt ist, aber aus § 271 Absatz 1 BGB, da sich die Fälligkeit ab Bilanzabschluss aus den Umständen ergibt. Denn Gewinnbeteiligungen können erst ab Bilanzabschluss ermittelt werden. Dies bestätigt vorliegend die Regelung in II. 4.4. Absatz 4 Satz 1 der Broschüre „Hintergründe zur Gehaltsfindung und Verteilung von Gewinn und Verlust“. Danach entscheidet der Vorstand nach Bilanzabschluss darüber, ob und in welcher Höhe die Beklagte eine Gewinnbeteiligung gewährt. Folglich ist die Gewinnbeteiligung fällig.
b) Der Fälligkeit stehen nicht Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung in Verbindung mit Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung entgegen. Nach Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung erfolgt die Auszahlung der als Gratifikation bezeichneten Gewinnbeteiligung erst auf Verlangen des Arbeitnehmers nach Ablauf von 25 Jahren und nach Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung in zehn jährlichen Raten. Sowohl die Regelung in Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung als auch die Regelung in Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung sind nach § 308 Nummer 1 BGB unwirksam. Nach § 308 Nummer 1 BGB ist eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Frist für die Erbringung einer Leistung vorbehält.
aa) Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung und Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung sind unstreitig allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 310 Absatz 3 Nummern 1 und 2 BGB. Sie wurden von der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert und einseitig gestellt.
bb) Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung und Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung unterliegen gemäß § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB der Kontrolle nach § 308 Nummer 1 BGB. Denn sie weichen von der gesetzlichen Fälligkeitsregelung in § 271 Absatz 1 BGB ab.
cc) Die Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung der gutgeschriebenen Gewinnbeteiligung unterfällt § 308 Nummer 1 BGB.
(1) § 308 Nummer 1 BGB erfasst auch Zahlungspflichten einschließlich einer Verpflichtung zur Entgeltzahlung (vgl. Coester-Waltjen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 308 Rn. 13).
(2) Die streitgegenständliche Gewinnbeteiligung ist eine Sondervergütung mit Entgeltcharakter, weil sie als Gegenleistung für die in dem betreffenden Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird, die den Gewinn beeinflusst (vgl. BAG18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - , juris, Rn. 10; 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 -, juris Rn. 35). Dies bestätigt II 2 letzter Absatz der Broschüre: Darin ist von einer „Mitverantwortung“ der Arbeitnehmer am „wirtschaftlichen Erfolg“ der Beklagten die Rede. Die Beklagte hat dies zudem seit 2004 in ihren Mitteilungen an den Kläger über seine jährliche Gratifikation ausgedrückt, indem sie ihm für sein unternehmerisches Handeln und seine Einsatzfreude gedankt hat. Deswegen ist die „Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg“ nach II 3 der Broschüre ein weiterer „Baustein zum Gesamteinkommen“. Ihrer Berechnung liegt nach II 4.4 letzter Absatz der Broschüre neben dem Gewinn das Jahresentgelt zugrunde mit der Folge, dass die Gewinnbeteiligung nur für Zeiten mit einem Anspruch auf Entgelt oder auf Entgeltfortzahlung gewährt wird. Dem Entgeltcharakter steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Gewinnbeteiligung entsprechend Nummer 1 der Gratifikationsvereinbarung nur Arbeitnehmern gewährt, die mit ihr seit drei Jahren ununterbrochen in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen. Denn eine Sondervergütung kann sowohl Entgelt- als auch Treuecharakter haben. Folglich ist die streitgegenständliche Gewinnbeteiligung eine Leistung im Sinne von § 308 Nummer 1 BGB.
Daran ändert der Freiwilligkeitsvorbehalt nichts. Denn streitgegenständlich sind gutgeschriebene, mithin zugesagte, Gewinnbeteiligungen. Deswegen spielt der Freiwilligkeitsvorbehalt keine Rolle. Es kommt daher nicht auf dessen Wirksamkeit an. Soweit die Beklagte meint, sie könne bei einer freiwilligen zusätzlichen Leistung auch die Fälligkeit frei regeln, verkennt sie, dass sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nur auf das Entstehen und die Höhe – also das „OB“ - der Gewinnbeteiligung, nicht aber auf die Nebenbestimmungen - also das „WIE“ - der Gewinnbeteiligung bezieht. Gegenstand einer Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen sind gerade die Nebenbestimmungen zu einer frei ausgehandelten Hauptleistung, nicht die Hauptleistungen an sich (vgl. BAG, 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 -, juris, Rn. 27 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Annahme der Beklagten beeinträchtigt die Kontrolle von Nebenbestimmungen zu freiwilligen Sondervergütungen ohne Rechtsanspruch nicht ihre in Art. 12 Absatz 1 GG verbürgte Privatautonomie. Sie verkennt, dass auch der Kläger das Grundrecht auf Privatautonomie aus Art. 12 Absatz 1 GG inne hat. Die inhaltliche Kontrolle von Nebenbestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen bringt die jeweils grundrechtlich geschützte Privatautonomie der Beklagten als Verwenderin einerseits und des Klägers als ihres Vertragspartners anderseits im Wege der praktischen Konkordanz miteinander in Einklang. Denn die Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 f. BGB gewährleistet den Schutz der Vertragspartner gegenüber den Verwendern von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die regelmäßig ihren Vertragspartnern überlegen sind, da sie regelmäßig geschäftserfahrener und wirtschaftlich stärker sind, in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise (vgl. BVerfG, 7. September 2010 - 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10 -, juris, Rn. 34; 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 -, juris, Rn. 45 f.).
Schließlich haben die Parteien in der Gratifikationsvereinbarung keine Darlehensvereinbarung getroffen. Soweit unter II 4.4. der Broschüre von einem „Mitarbeiterdarlehen“ die Rede ist, führt dies zu keiner vertraglichen Abrede zwischen den Parteien. Die Gratifikationsvereinbarung verweist insoweit nicht auf die Broschüre. Vielmehr haben die Parteien in Nummer 1 der Gratifikationsvereinbarung hervorgehoben, dass die Gratifikationen ausschließlich Regeln „gemäß vorliegendem Text“ - dem Text der Gratifikationsvereinbarung - unterliegen.
Mithin bleibt es dabei, dass die streitgegenständliche Gewinnbeteiligung eine Sondervergütung mit Entgeltcharakter ist, die unter § 308 Nummer 1 BGB fällt.
dd) Die Beklagte behält sich in Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung und in Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung eine unangemessen lange Frist zur Auszahlung der gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen vor.
(1) Ob eine Frist für die Erbringung einer Leistung unangemessen lang im Sinne von § 308 Nummer 1 BGB ist, beurteilt sich nach Abwägung der widerstreitenden Interessen des Verwenders einerseits und seines Vertragspartners andererseits unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, wie der Art der geschuldeten Leistung, des Interesses des Vertragspartners an einer alsbaldigen Zahlung/Lieferung sowie der üblichen Beschaffungs- und Herstellungszeiten (vgl. BGH, 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - , juris, Rn. 24; 28. Juni 1984 - VII ZR 276/83 -, juris, Rn. 17; Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Auflage, § 308 Nummer 1 BGB Rn. 38; Wurmnest, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 308 Rn. 19). Dabei sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Absatz. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen.
(2) Vorliegend sind weder die 25jährige Frist nach Nummer 2a der Gratifikationsvereinbarung noch die zehn jährlichen Raten nach Nummer 2f der Gratifikationsvereinbarung angemessen.
(a) Ob die hinausgeschobene Fälligkeit mit einem vermögensbildenden Zweck an sich gerechtfertigt werden kann, kann dahin stehen. Denn vorliegend ist die hinausgeschobene Fälligkeit auch dann unangemessen, wenn man eine Vermögensbildung grundsätzlich als anerkennenswerten Zweck billigt, weil sowohl eine Insolvenzsicherung als auch ein angemessener Verzinsungsanspruch fehlen.
Das Fehlen einer Insolvenzsicherung führt dazu, dass der Kläger wie die anderen Arbeitnehmer auch das Insolvenzrisiko der Beklagten trägt. Dies wird nicht ausreichend durch die Regelung in Nummer 2 Buchstabe b der Gratifikationsvereinbarung aufgefangen, nach der Gratifikationen vor Ablauf von 25 Jahren auszuzahlen sind, wenn und soweit Rückstellungen für die Gratifikationen 70 % der Bilanzsumme übersteigen. Auch Rückstellungen schützen nicht hinreichend im Falle einer Insolvenz. Deswegen trägt der Kläger wie die anderen Arbeitnehmer auch letztlich das Insolvenzrisiko der Beklagten. Dies ist nicht hinzunehmen, da der Kläger wie die anderen Arbeitnehmer auch seine Arbeitsleistung in dem Geschäftsjahr, für das ihm die Beklagte eine Gratifikation in Form einer Gewinnbeteiligung gutgeschrieben hat, bereits erbracht hat. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Insolvenz der Beklagten tatsächlich droht oder nicht, da künftige Entwicklungen über mehrere Jahrzehnte nicht vorhersehbar und nicht immer beeinflussbar sind. Dies bestätigt der Rechtsgedanke, der den Regelungen zur Insolvenzsicherung betrieblicher Altersversorgungen in § 7 BetrAVG und zur Insolvenzsicherung von Wertguthaben in § 7e SGB IV und der Richtlinie des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG) zugrunde liegt: Schutz der Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern im Falle einer Insolvenz ihrer Arbeitgeber.
Hinzu kommt vorliegend, dass der Kläger wie die anderen Arbeitnehmer auch nach Nummer 4 der Gratifikationsvereinbarung keinen Anspruch auf Verzinsung hat. Nach Nummer 4 der Gratifikationsvereinbarung legt die Geschäftsleitung die Zinsen jährlich ohne Vorgaben fest. Daher droht eine Geldentwertung im Falle einer Inflation. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beklagte in der Vergangenheit gutgeschriebene Gratifikationen verzinst hat. Entscheidend ist, dass der Kläger wie andere Arbeitnehmer auch darauf keinen Anspruch hat. Dies ist wiederum nicht hinzunehmen - zumal der Kläger wie die anderen Arbeitnehmer auch seine Arbeitsleistung in dem Geschäftsjahr, für das ihm die Beklagte eine Gratifikation in Form einer Gewinnbeteiligung gutgeschrieben hat, bereits erbracht hat.
(b) Die hinausgeschobene Fälligkeit ist wegen der fehlenden Insolvenzsicherung und der fehlenden Verzinsungspflicht auch dann unangemessen, wenn sie einer Versorgung der Arbeitnehmer dienen sollte. Allerdings bestehen Zweifel daran, dass die hinausgeschobene Fälligkeit einer Versorgung der Arbeitnehmer dienen soll, da die streitgegenständliche Fälligkeit nach Ablauf von 25 Jahren unabhängig davon eintritt, ob ein Versorgungsfall vorliegt. Dagegen spricht weiterhin die Verpflichtung zur Auszahlung, wenn und soweit Rücklagen für die Gratifikationen 70 % der Bilanzsumme übersteigen. Demgegenüber handelt es sich bei den Auszahlungsverpflichtungen im Falle einer Verrentung oder Invalidität nach Nummer 2 Buchstaben c, g und f der Gratifikationsvereinbarung um Ausnahmeregelungen, die im Übrigen nicht streitgegenständlich sind. Ungeachtet dessen gibt es eine weitere Ausnahmeregelung im Falle einer ordentlichen Kündigung durch die Beklagte nach Nummer 2 Buchstaben d der Gratifikationsvereinbarung, die keinen Versorgungsfall voraussetzt. Insgesamt gesehen ist daher zweifelhaft, ob die hinausgeschobene Fälligkeit eine Versorgung bezweckt.
(c) Eine etwaige Sozialabgabenfreiheit und eine etwaige günstigere Besteuerung der Gratifikation rechtfertigen ebenso wenig die hinausgeschobene Fälligkeit. Sie sind ungewiss. Zum einen hängen sie von weiteren Faktoren als dem Auszahlungszeitpunkt ab, wie der Art und dem Umfang anderweitiger Einkünfte. Zum anderen können sich die gesetzlichen Regelungen zur Besteuerung und Abführung von Sozialabgaben im Laufe der Zeit ändern. Unabhängig davon begründen Sozialabgaben Ansprüche auf Sozialleistungen, wie Renten-, Krankengeld- und Arbeitslosengeldansprüche, so dass eine etwaige Sozialabgabenfreiheit nicht zwingend vorteilhaft ist.
(d) Die Beklagte beruft sich auf keine weiteren Zwecke zur Rechtfertigung der hinausgeschobenen Fälligkeit, insbesondere nicht auf einen Finanzierungsbedarf. Ungeachtet dessen dürften auch andere Zwecke wegen der fehlenden Insolvenzsicherung und des fehlenden Verzinsungsanspruchs die hinausgeschobene Fälligkeit nicht als angemessen rechtfertigen.
ee) Darum sind die Regelungen in Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung und in Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung nach § 308 Nummer 1 BGB unwirksam mit der Folge, dass nach § 306 Absatz 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften greifen - also die Fälligkeitsregelung in § 271 BGB, so dass die als Gratifikation bezeichnete Gewinnbeteiligung bereits fällig ist. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt. Dem steht nicht entgegen, dass die Gratifikationsvereinbarung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes und damit vor Inkrafttreten der Regelungen in §§ 305 f. BGB zum 1. Januar 2002 vereinbart worden ist. Auch mit Blick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot kommt hier eine ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BAG, 20. April 2011 - 5 AZR 193/10 -, juris, Rn. 13f.; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 -, juris Rn. 33f.) nicht in Betracht. Zum einen kann die Lücke über § 271 BGB durch dispositives Gesetzesrecht geschlossen werden (vgl. BAG, 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - , juris, Rn. 35; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 -, juris, Rn. 33). Zum anderen ist es für die Beklagten wegen ihrer Rückstellungen (vgl. Ausführungen der Beklagten auf S. 19 ihres Schriftsatzes vom 17. September 2014, Bl. 176 d. A.) zumutbar, an dem Vertrag auch ohne die Regelungen in Nummer 2 Buchstabe a der Gratifikationsvereinbarung und in Nummer 2 Buchstabe f der Gratifikationsvereinbarung festzuhalten (vgl. BAG, 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - , juris, Rn. 35; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - , juris, Rn. 36; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - , juris, Rn. 35). Es kann daher dahinstehen, ob überhaupt ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, was die Parteien anstelle der unwirksamen Regelungen vereinbart hätten (vgl. BAG, 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 -, juris, Rn. 35). Ebenso wenig bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Problematik, wie sich eine ergänzende Vertragsauslegung in Altfällen auf die bei der Beklagten ebenfalls vorhandenen Neufälle auswirken würde. Jedenfalls bleibt es vorliegend aus den oben genannten Gründen bei der Fälligkeitsregelung in § 271 Absatz 1 BGB.
Demnach ist der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Auszahlung der gutgeschriebenen Gratifikationen fällig.
3. Der Zahlungsanspruch ist gemäß §§ 288 Absatz 1, 286 Absatz 1 Satz 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. Juni 2013 zu verzinsen, nachdem die Beklagte der Zahlungsaufforderung des Klägers mit Schreiben vom 11. Juni 2013 unter Fristsetzung zum 27. Juni 2013 nicht nachgekommen ist.
Aus diesen Gründen war auf die Berufung des Klägers hin das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.
III.
Der Beklagte hat nach § 91 Absatz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
1. Die Revision war gemäß § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in einem gleichgelagerten Fall nach Anerkenntnis der Beklagten der Klage auf Auszahlung der als Gratifikation bezeichneten Gewinnbeteiligung durch Anerkenntnisurteil vom 20. März 2013 - 10 AZR 660/13 - stattgegeben. Da aber streitig ist, ob das Anerkenntnis aus individuellen Gründen oder aus generellen rechtlichen Erwägungen erfolgt ist, sind die grundsätzlichen Rechtsfragen nach wie vor ungeklärt. Soweit ersichtlich, gibt es noch keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu § 308 Nummer 1 BGB. Diese Regelung dürfte über den streitgegenständlichen Fall hinaus von Bedeutung sein.
2. Hingegen war keine Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 Nummer 2 ArbGG wegen Divergenz veranlasst, nachdem das Bundesarbeitsgericht mit dem oben genannten Anerkenntnisurteil die anderweitige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. Juli 2011 – 15 Sa 110/10 - in einem gleich gelagerten Fall aufgehoben hat.