LAmtsgericht Baden-württemberg
Entscheidung vom 13.03.2014, Az.: 6 TaBV 5/13
Tenor
1. Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.07.2013, Az. 22 BV 13/13, werden zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird weder für den Betriebsrat noch für die Arbeitgeberin zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die I. M. begehrt die Auflösung des im Betrieb W. der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats, hilfsweise den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat. Dem Antrag liegt ein Streit über die ordnungsgemäße Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsversammlungen, ersatzweise Abteilungsversammlungen, ggf. auf Antrag der I. M., zur richtigen Zeit und am richtigen Ort und die Einladung der I.M. zu diesen Versammlungen zu Grunde.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von Hochdruckreinigern. Sie beschäftigte zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im Betrieb des Hauptsitzes in W. 1.900 Arbeitnehmer. Weitere deutsche Betriebe befinden sich in B., O., I. und G.. Insgesamt beschäftigte die Arbeitgeberin 8.700 Arbeitnehmer. Von den 17 Betriebsratsmitgliedern zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gehörten zwei der I. M. an. Der Vorsitzende des Betriebsrats W. war zugleich Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Am 10.03.2014 wählten die Arbeitnehmer des Betriebes W. einen neuen, jetzt 19köpfigen, Betriebsrat. Sechs Sitze errangen Mitglieder der I. M. Der bisherige Betriebsratsvorsitzende geht davon aus, dass er bei der konstituierenden Sitzung des neuen Betriebsrats in der 12. Kalenderwoche des Jahres wieder zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wird.
Mit Beschluss vom 24.07.2013 hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag der I. M. stattgegeben und den Betriebsrat aufgelöst. Betriebsrat und Arbeitgeberin haben den Beschluss am 08.08.2013 zugestellt erhalten. Die Beschwerde des Betriebsrats ist am 02.09.2013 und die Beschwerde der Arbeitgeberin im 06.09.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Betriebsrat hat seine Beschwerde innerhalb der bis 08.11.2013 verlängerten Begründungsfrist am 08.11.2013 begründet. Die Arbeitgeberin hat ihre Beschwerde innerhalb der bis 15.11.2013 verlängerten Begründungsfrist am 15.11.2013 begründet.
Betriebsrat und Arbeitgeberin beantragen,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.07.2013, Az 22 BV 13/13, abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die I. M. beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und Anlagen, den Sachverhalt des Beschlusses des Arbeitsgerichts und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen ergänzend Bezug genommen. Von der weiteren Sachverhaltsdarstellung wird in entsprechender Anwendung von § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen, da dieser Beschluss einem Rechtsmittel nicht unterfällt.
II.
1. Die Beschwerden sind statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG). Sie sind form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet (§§ 89, 87 Abs. 2 iVm. 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
2. Die Beschwerden sind in der Sache unbegründet.
a) Für den Antrag der I. M. ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass im Betrieb der Arbeitgeberin in W. am 10.03.2014 ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist.
(1) Zur Überzeugung der Kammer war der Betriebsrat, um dessen Auflösung es im vorliegenden Verfahren geht, zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung und Entscheidungsverkündung noch im Amt. Eine entsprechende Frage des Vorsitzenden hat der Betriebsratsvorsitzende in der mündlichen Anhörung mit einem klaren Ja beantwortet. Erst sein Verfahrensbevollmächtigter hat erklärt, der Betriebsratsvorsitzende glaube, er sei noch im Amt. Der alte Betriebsrat wisse nicht, wann seine Amtszeit ende. Hierzu müssten nähere Feststellungen getroffen werden. Dies wertet die Kammer als untauglichen Versuch, das Verfahren hinauszuzögern, damit es sich nach Ablauf der Amtszeit des alten Betriebsrats vollends erledigt. Der alte Betriebsrat muss wissen, wann seine Amtszeit endet, sonst kann er sich auch in diesem Punkt nicht gesetzeskonform verhalten und rechtzeitig einen Wahlvorstand zur Durchführung der Neuwahl bestellen. Nach § 16 Abs. 1 BetrVG hat nämlich der Betriebsrat spätestens 10 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden zu bestellen. Diese Vorlaufzeit dient dazu, zu verhindern, dass zwischen Ablauf der Amtszeit des alten Betriebsrats und des Beginns der Amtszeit des neuen Betriebsrats eine betriebsratslose Zwischenzeit entsteht. Nach § 17 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand die als Betriebsratsmitglieder gewählten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverzüglich schriftlich von ihrer Wahl zu benachrichtigen. Erklärt die gewählte Person nicht binnen drei Arbeitstagen nach Zugang der Benachrichtigung dem Wahlvorstand, dass sie die Wahl ablehne, so gilt die Wahl als angenommen. Im vorliegenden Falle hat die Wahl am 10.03.2014 stattgefunden. Frühestens an diesem Tag konnte die Benachrichtigung der gewählten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen. Fristablauf war damit am Tag der mündlichen Anhörung und Verkündung der Entscheidung, dem 13.03.2014. Demzufolge konnte der Wahlvorstand das endgültige Wahlergebnis entsprechend § 18 WO frühestens am 14.03.2014 bekannt machen. Damit war der alte Betriebsrat am 13.03.2014 unabhängig davon im Amt, ob seine Amtszeit gemäß § 21 Satz 2 BetrVG darüber hinaus fortdauerte.
(2) Auch der Einwand der Arbeitgeberin in der mündlichen Anhörung, das Rechtsschutzbedürfnis sei deshalb entfallen, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts den Betriebsrat erst mit ihrer Rechtskraft auflöse, durch Ablauf der Amtszeit des alten Betriebsrats aber nicht mehr rechtskräftig werden könne, greift nicht. Um feststellen zu können, ob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts keinesfalls in Rechtskraft erwächst, wäre eine Einlassung dazu notwendig gewesen, wann die Amtszeit des alten Betriebsrats tatsächlich endet. Nach § 21 Satz 3 BetrVG endet sie spätestens am 31.05.2014. Die Rechtsbeschwerde gegen die vorliegende Entscheidung ist nicht zugelassen. Die vorliegende Entscheidung wird den Beteiligten so rechtzeitig zugestellt sein, dass die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde noch vor dem 31.05.2014 abläuft. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung vor Ablauf der Amtszeit des alten Betriebsrats rechtskräftig wird, weil nicht zwingend davon auszugehen ist, dass einer der beschwerten Beteiligten Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Im Übrigen hat der Beschluss, auch wenn Rechtskraft nicht eintritt, inhaltlich Wirkungen für die Zukunft. Dies haben alle Beteiligten zu Beginn der mündlichen Anhörung, als für sie das Ergebnis der Entscheidung noch nicht feststand, so gesehen. Insbesondere die Arbeitgeberin hoffte, eine Entscheidung zu erhalten, wonach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der vorschreibt, im Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen, im Hinblick auf die behauptete abweichende Rechtswirklichkeit in Deutschland keine Geltung entfalte.
b) Das Arbeitsgericht hat zur Überzeugung der Kammer den Betriebsrat W. bei der Arbeitgeberin vollkommen zu Recht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufgelöst. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer auf II der Gründe des angefochtenen Beschlusses in vollem Umfang Bezug. Mit ihren Beschwerden bringen der Betriebsrat und die Arbeitgeberin im Wesentlichen nichts Neues vor, sondern versuchen nur ihre Rechtsauffassung anstelle der des Arbeitsgerichts zu setzen. Deshalb erübrigt sich eine erneute systematische Darstellung der Anspruchsgrundlagen und der Subsumtion. Die Beschwerden veranlassen lediglich zu den folgenden Anmerkungen.
(1) Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, die im Betrieb vertretene Gewerkschaft könne sich nur auf eine Verletzung ihres eigenen aus § 43 Abs. 4 BetrVG resultierenden Rechts berufen, wonach der Betriebsrat vor Ablauf von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags der Gewerkschaft eine Betriebsversammlung einberufen muss, wenn im vorhergegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung und keine Abteilungsversammlungen durchgeführt worden sind, nicht aber auf eine Verletzung des § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten hat, ist dies unerheblich, weil nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall bereits der Verstoß des Betriebsrats gegen §§ 43 Abs. 4 und 46 BetrVG so eklatant war, dass eine Auflösung des Betriebsrats unvermeidbar ist.
(2) Mit dem Arbeitsgericht ist auch die Kammer der Auffassung, dass ein innerbetrieblicher Konflikt kein Tatbestandsmerkmal iSd. § 23 Abs. 1 BetrVG ist. Daher ist auch dieser Einwand der Arbeitgeberin unbeachtlich.
(3) Formalien in Gesetzen dienen der Rechtsklarheit. Der Vorwurf des Betriebsrats an das Arbeitsgericht, es habe den Formalien zu viel Bedeutung beigemessen, geht daher fehl. Eine Betriebsversammlung ist nicht öffentlich (§ 42 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die Veranstaltung am 23.11.2012 war nicht ausschließlich betriebsöffentlich, weil auch Arbeitnehmer anderer Betriebe der Arbeitgeberin in Deutschland eingeladen waren und teilnahmen. Es war auch nicht gewährleistet, dass diese zu der Halle erst Zutritt erhielten, nachdem eine etwaige Betriebsversammlung für den Betrieb W. der Arbeitgeberin beendet war. Das Arbeitsgericht hat daher vollkommen zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit einer Betriebsversammlung beanstandet und dies als Indiz dafür gewertet, dass es sich bei der Veranstaltung vom 23.11.2014 um keine Betriebsversammlung im Sinne des Gesetzes handelte. Die abweichende Auffassung des Betriebsrats und der Arbeitgeberin kann nicht geteilt werden.
(4) Der Betriebsrat lädt zu einer Betriebsversammlung ein (Richardi BetrVG 14. Aufl. 2014 Rn. 10 ff. zu § 42 mwN). Dieser Einladung hat ein entsprechender Betriebsratsbeschluss zu Grunde zu liegen (Richardi aaO Rn. 10 zu § 42). Zu der Veranstaltung am 23.11.2012 haben zwei Vertreter aus der Geschäftsführung der Arbeitgeberin und in der Hausmitteilung 31/2012 vom 03.08.2012 ein Mitglied des Gesamtbetriebsrats, das nicht Mitglied und nicht Arbeitnehmer im Betrieb W. ist, sowie in der Hausmitteilung 69/2012 vom 15.10.2012 der Betriebsratsvorsitzende des Betriebes W., der zugleich Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, eingeladen. Da die Einladung an alle Beschäftigten der Arbeitgeberin in Deutschland adressiert war, ist eher davon auszugehen, dass der Betriebsratsvorsitzende in seiner Funktion als Gesamtbetriebsratsvorsitzender, denn als Betriebsratsvorsitzender des Betriebes W. die Einladung unterschrieben hat. Von einer Einladung nur der Beschäftigten des Betriebes W. durch den Betriebsrat dieses Betriebes zu der Veranstaltung am 23.11.2012 kann daher nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus war nur in der ersten Hausmitteilung noch von Betriebsversammlung und nachfolgender Jahresfeier, in der zweiten Hausmitteilung aber nur noch von Jahresfeier die Rede. Schon deshalb kann es sich bei der Veranstaltung um keine Betriebsversammlung im Sinne des § 43 Abs. 1 oder Abs. 4 BetrVG gehandelt haben. Maßgeblich ist auch nicht, wie der Betriebsrat die Veranstaltung verstand, sondern zu was für einer Veranstaltung er eingeladen hat.
(4) Auf die ausführliche Einlassung des Betriebsrats zu der Frage, ob die Veranstaltung am 23.11.2012 iSd. § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG während der Arbeitszeit stattgefunden hat, kommt es nicht entscheidungserheblich an, weil es sich aus den oben dargestellten Gründen schon nicht um eine Betriebsversammlung im Sinne des Gesetzes handeln konnte.
(5) Dasselbe gilt für den Streit über die Frage, ob für die Betriebsversammlung eine Tagesordnung zu erstellen und bekannt zu geben ist.
(6) Soweit der Betriebsrat hat vortragen lassen, im Betrieb W. gebe es keinen Raum für 1.900 Arbeitnehmer, mag dies sein. Der Betriebsrat hat aber der I.M. mit Schreiben vom 05.11.2012 mitgeteilt, am 11.12.2012 finde eine Betriebsversammlung in der H.-S.-Halle in W. statt. Also gibt es, wenn nicht im Betrieb, dann doch zumindest am Ort des Betriebes in W., eine geeignete Halle.
(7) Soweit Betriebsrat und Arbeitgeberin meinen, das Arbeitsgericht habe die sich aus § 43 Abs. 1 und Abs. 4 BetrVG ergebenden Anforderungen an Anzahl und Einladungsformalien von und für Betriebsversammlungen überzogen, geht auch dieser Einwand fehl. Das Gesetz ist hinsichtlich der Anzahl der Betriebsversammlungen und ersatzweise Abteilungsversammlungen sowie den Anforderungen für die Durchführung von Abteilungsversammlungen klar und eindeutig. Es gilt für alle Betriebe, die diesem Gesetz unterfallen, gleichermaßen. Die gelebte Wirklichkeit bei der Arbeitgeberin und die behauptete abweichende, sonstige Kommunikationskultur verschaffen weder Betriebsrat noch Arbeitgeberin eine Ausnahmesituation.
(8) Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den gesetzlichen Voraussetzungen für die Einberufung von Abteilungsversammlungen befassen sich die Beschwerdebegründungen überhaupt nicht. Mit dem Arbeitsgericht ist daher nach wie vor davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die ersatzweise Abhaltung von Abteilungsversammlungen nicht vorlagen. Auch Abteilungsversammlungen müssen vom Betriebsrat beschlossen werden (Richardi BetrVG 14. Auflage 2014 Rn. 56 zu § 42). Entsprechende Beschlüsse des Betriebsrats zu den vom Betriebsrat aufgelisteten Informationsveranstaltungen sind nicht vorgetragen worden. Daher steht für die Kammer fest, dass der Betriebsrat im Halbjahr vor dem Antrag der I. M., eine Betriebsversammlung einzuberufen, weder eine Betriebsversammlung noch Abteilungsversammlungen durchgeführt hat.
(9) Soweit der Betriebsrat erstmals im Beschwerdeverfahren rügt, dass die I. M. im Betrieb vertreten sei, habe er erst durch die Einleitung des vorliegenden Verfahrens erfahren, ist auch dies unerheblich. Unbestritten ist die I. M. im Betrieb schon zu dem Zeitpunkt vertreten gewesen, zu dem sich ihr neuer 1. Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle W. zum ersten Mal beim Betriebsrat gemeldet hat. Der Betriebsrat hat sich zuvor auch gegenüber der I. M. nie darauf berufen, er sei nicht verpflichtet, auf ihren Antrag hin eine Betriebsversammlung einzuberufen, weil sie nicht im Betrieb vertreten sei. Erst dann hätte die I. M. Anlass gehabt, ihre Vertretung im Betrieb nachzuweisen (dazu grundlegend BAG 25.03.1992 7 ABR 65/90).
(10) Die Arbeitgeberin versucht in ihrer Beschwerdebegründung, einen etwaigen Pflichtverstoß des Betriebsrats zu relativieren. Soweit sie sich hierfür auf die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 20.12.2012 (9 TaBV 5/12) beruft, hilft dies nicht weiter. Die erkennende Kammer legt dieselben Rechtsgrundsätze wie die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts zu Grunde, hat aber einen anderen Sachverhalt zu subsumieren und kommt daher zu einem anderen Ergebnis. Schon unter oben (7) ist dargestellt, dass das in Deutschland geltende Betriebsverfassungsgesetz auch für den Betriebsrat der Arbeitgeberin und die Arbeitgeberin gilt. Dass der Betriebsrat die Kommunikation mit der Belegschaft nicht generell verweigert hat, dass es bei der Arbeitgeberin eine fehlerhafte abweichende Tradition gab und dass niemand außer der I. M. die Einhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes reklamiert hat, kann den Betriebsrat allenfalls geringfügig entlasten. Hinsichtlich der Frage einer „Abmahnung“ haben Arbeitgeberin und Betriebsrat widersprüchlich argumentiert. Der Betriebsrat ist der Auffassung, es gebe keine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, während die Arbeitgeberin jedenfalls in der mündlichen Anhörung die Auffassung vertreten hat, es sei eine solche durch die I. M. erforderlich gewesen. Die von der Arbeitgeberin geäußerte Anlehnung an das Kündigungsschutzrecht ist nach Auffassung der Kammer nicht überzeugend. Allerdings kann der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bemüht werden. Danach kann man verlangen, dass vor der Auflösung des Betriebsrats mildere Mittel ausgeschöpft werden. Was die Arbeitgeberin entscheidend verkennt ist, dass die I. M. dies getan hat. Sie hat mit Schreiben vom 03.12.2012 dem Betriebsrat eine letzte Frist zur Einberufung einer Betriebsversammlung bis 17.12.2012 gesetzt. Deshalb erscheint der Kammer auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.
c) Die Schwere der Pflichtverletzung des Betriebsrats ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus der unstreitigen zeitlichen Abfolge des Geschehens und den Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden auf der Veranstaltung am 23.11.2012.
(1) Per E-Mail vom 23.10.2012 beantragte die I. M. beim Betriebsrat, eine Betriebsversammlung durchzuführen. Hierauf hat der Betriebsratsvorsitzende, ohne dass ein Beschluss des Betriebsrats zu Grunde gelegen hätte, der I. M. unter Angabe von Ort und Uhrzeit mitgeteilt, am 11.12.2012 finde eine Betriebsversammlung statt. Am 22.11.2012 hat der Betriebsrat beschlossen, keine (weitere) Betriebsversammlung abzuhalten. Zu der aus Sicht des Betriebsrats am 23.11.2012 stattfindenden Betriebsversammlung hat er die I. M. nicht eingeladen. Erst mit Schreiben vom 26.11.2012 unterrichtete der Betriebsrat die I. M. über die Absage der Betriebsversammlung vom 11.12.2012. Auf die weitere Fristsetzung bis 17.12.2012 hat der Betriebsrat am 17.12.2012 beschlossen, es werde keine weitere Betriebsversammlung stattfinden. Auf diese Weise hat der Betriebsrat die I. M. ausgebootet.
(2) Das Motiv für diese Handlungsweise lieferte der Betriebsratsvorsitzende in seiner Rede am 23.11.2012. Dort sagte er auszugsweise:
„Ein Vertreter I. M. möchte Einfluss auf unsere Firma nehmen und ebenso an unserem Erfolg als Weltmarktführer teilhaben.
…
Ich sage Ihnen hier und heute. Wir brauchen keine dritte Kraft in unserem Unternehmen. Wir stehen für eine Betriebsratsarbeit ohne die I. M..
…
Aus diesem Grund wird die von der I. M. W. geforderte weitere Betriebsversammlung nicht stattfinden.“
Der Betriebsratsvorsitzende bringt damit in nicht zu überbietender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass der Betriebsrat die I. M. von ihren in §§ 43 Abs. 4 und 46 BetrVG gesetzlich verbrieften Rechten ausschließen will. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Betriebsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden, die I. M. bewusst darüber getäuscht hat, am 11.12.2012 eine Betriebsversammlung antragsgemäß abhalten zu wollen. Genauso bewusst hat er die I. M. zu der Veranstaltung am 23.11.2012 nicht eingeladen. Damit hat er sein erklärtes Ziel, die I. M. aus dem Betrieb W. der Arbeitgeberin fernzuhalten, zunächst erreicht.
(3) Die Kammer hat in der mündlichen Anhörung nicht erkennen können, dass der Betriebsratsvorsitzende gewillt ist, seine Haltung durchgreifend zu ändern. Er zeigte sich selbstsicher bis selbstgefällig und ging wie selbstverständlich davon aus, dass er vom neuen Betriebsrat wieder zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt werden würde. Statt Einsicht zu zeigen, für die Zukunft die Einhaltung des Gesetzes zu geloben und das für die Arbeitgeberin imageschädliche Verfahren durch Beschwerderücknahme zu beenden, ließ er seinen Verfahrensbevollmächtigten mit seinen Versuchen, das Verfahren mit prozessualen Einwänden bis zur Erledigung hinauszuzögern, gewähren. Das Argument der Arbeitgeberin, es bedürfe einer Wiederholungsgefahr, verkehrt sich in sein Gegenteil. Deutlicher kann Wiederholungsgefahr nicht bestehen. Wenn ein Betriebsrat so massiv die gesetzlichen Rechte eines anderen Organs der Betriebsverfassung zu beschneiden versucht, ist er nicht mehr im Amt zu halten. Das Arbeitsgericht hat den Begriff der groben Pflichtwidrigkeit nicht verkannt und den Betriebsrat vollkommen zu Recht aufgelöst.
Die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberin sind als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 92 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG. Auf § 92a ArbGG wird hingewiesen.