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Landgericht Hamburg

Entscheidung vom 09.04.2014, Az.: 318 S 66/13

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen einer Beschlussanfechtung um die Ordnungsgemäßheit eines Beschlusses der Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft M... /Ü..., H... vom 13.07.2012, durch welchen der Heizkostenverteilungsschlüssel für das Jahr 2011 geändert werden sollte.

Die Wohnungseigentümer beschlossen unter TOP 3 dieser Versammlung mit einer Mehrheit von 9708,65 zu 250,09 / 10.000 MEA, den Heizkostenverteilungsschlüssel für die Wohngeldabrechnung 2011 von 50/50 auf 70/30 (Verbrauch/Fläche) zu ändern. Das Gebäude wird über Fernwärme beheizt.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird im Übrigen auf die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss mit Urteil vom 13.06.2013 "für unwirksam" erklärt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dieser Beschluss entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn eine rückwirkende Änderung für abgeschlossene Abrechnungszeiträume sei "grundsätzlich nicht zulässig". Soweit davon im Einzelfall aus besonderen Gründen abgewichen werden könne, lägen derartige Gründe nicht vor. Ein "Ausnahmefall" vom Rückwirkungsausschluss könne nur begründet werden, wenn § 7 Abs. 1 S. 2 HeizKV, der unter bestimmten Bedingungen eine zwingende Verteilung der Heizkosten im Verhältnis 70/30 vorsehe, "anwendbar" wäre. Das sei hier jedoch nicht der Fall, weil § 7 Abs. 1 S. 2 HeizKV Gebäude mit Öl- oder Gasheizung betreffe, während das Gebäude dieser WEG über Fernwärme beheizt werde. Aus § 7 Abs. 3 HeizKV ergebe sich nichts Gegenteiliges. Denn dem hohen Grundkostenanteil der Fernwärme werde bei einem "festen Anteil von 30 % für die verbrauchsunabhängigen Kosten nicht Rechnung getragen".

Gegen dieses ihnen am 17.06.2013 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagten mit der am 25.06.2013 eingelegten und - nach Fristverlängerung bis einschließlich 19.09.2013 - am 18.09.2013 begründeten Berufung.

Die Beklagten sind der Auffassung, das Amtsgericht habe zu Unrecht angenommen, der § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV beziehe sich nur auf Gebäude mit Öl- oder Gasheizung. Über § 7 Abs. 3 HeizKV ergebe sich die sinngemäße Einbeziehung auch von Fernwärme.

Sie beantragen,

Die Kläger beantragen,

Sie halten die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils für zutreffend. Weil "Fernwärmelieferung" im Sinne von § 7 Abs. 3 HeizKV auch aus Gas- oder Ölheizungen entspringende Wärmelieferungen erfasse, sei dort keine weitere Wärmeproduktionsart genannt. Somit sei die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV eindeutig.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die erforderliche Beschwer der Beklagten liegt vor.

2.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat den Beschluss zutreffend für ungültig erklärt. Die Erklärung des Beschlusses für "unwirksam" bedeutet dasselbe.

Der angefochtene Beschluss widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 4 WEG. Eine rückwirkende Änderung des Heizkostenverteilungsschlüssels ist unzulässig.

Nach § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizKV ist die Festlegung und die Änderung der Abrechnungsmaßstäbe nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Diese Regelung gilt auch im Wohnungseigentumsrecht (vgl. Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEGKommentar 10. Auflage, § 16 Rdnr. 55).

Schon nach allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung sind rückwirkende Änderungen von Verteilungsschlüsseln, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, in der Regel unzulässig. Sie können nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hingenommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in höherem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (BGH, Urteil vom 09.07.2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654, Rn. 11; Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 162/10, NJW 2011, 2202, Rn. 11). Hinsichtlich der Verteilung der Kosten für Wärme und Warmwasser sieht die Heizkostenverordnung in § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizKV ein Rückwirkungsverbot vor. Die Regelung ist als strikter Rückwirkungsausschluss zu verstehen. Der BGH hat im Urteil vom 09.07.2010, V ZR 202/09, ausgeführt: "Das Wohnungseigentumsgesetz enthält keine der mietrechtlichen Vorschrift des § 556a Abs. 2 Satz 2 BGB vergleichbare Einschränkung, wonach der Vermieter einen neuen Umlageschlüssel durch einseitige Erklärung nur vor Beginn eines Abrechnungszeitraumes festlegen kann. Den Materialien ist zwar zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber bei den Fragen, was unter Betriebskosten zu verstehen ist und ob den Wohnungseigentümern die Befugnis zustehen soll, darüber zu befinden, ob verbrauchsabhängig abzurechnen ist, an den Regelungen der §§ 556 Abs. 1, 556a Abs. 2 Satz 1 BGB orientiert hat (BT-Drucks. 16/887 S. 22 f.). Auf das in § 556a Abs. 2 Satz 2 BGB normierte Rückwirkungsverbot hat er jedoch gerade keinen Bezug genommen. Für die hier in Rede stehenden (Betriebs-)Kosten besteht auch im Übrigen - anders als etwa bei Heiz- und Warmwasserkosten nach § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenVO - kein striktes Rückwirkungsverbot."

Der BGH geht mithin hinsichtlich der Kosten für Heizung und Warmwasser von einem spezialgesetzlich geregelten strikten "Rückwirkungsverbot" aus (vgl. dazu auch schon Urteil der Kammer vom 30.10.2013, 318 S 113/12; BGH, Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 162/10, NJW 2011, 2202, Rn. 11; vgl. auch Jennißen/Jennißen, WEG, 3. Auflage, § 16 Rdnr. 41c; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O., § 16 Rdnr. 55).

Ob ein Beschluss über eine rückwirkende Änderung des Schlüssels zur Verteilung der Heizkosten dann möglich ist, wenn der bisherige Verteilungsschlüssel der Heizkostenverordnung deshalb nicht entsprach, weil in Bezug auf das Gebäude die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV vorlagen und deshalb ein Verteilungsschlüssel von 70/30 (Verbrauch/Fläche) nach der Heizkostenverordnung zwingend ist, kann hier dahinstehen (zweifelnd insoweit Becker, in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 11. Aufl., § 16 Rn. 64). So erfasst zwar - worauf die Berufungsklägerin zutreffend hinweist - der Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizKV diesen Fall nicht, weil sich die Regelung nur auf die in § 6 Abs. 4 Satz 1 HeizKV in Bezug genommenen Regeln zur Wahl des Abrechnungsmaßstabs (§§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 1, 8 und 9 HeizKV) bezieht und die zwingende Verteilungsregel des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV dort gerade nicht aufgeführt ist (dazu auch LG Berlin, Beschluss vom 20.04.2011, Az. 65 S 60/11).

Jedoch liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV hier nicht vor. Das Gebäude der WEG wird hier über Fernwärme beheizt. Zwar gilt nach § 7 Abs. 3 HeizKV der § 7 Absatz 1 HeizKV für die Verteilung der Kosten der Wärmelieferung entsprechend. Die Kammer teilt jedoch im Ergebnis die Auffassung des Amtsgerichts, wonach dies sich nicht auf Gebäude bezieht, die mit Fernwärme versorgt werden.

Denn die Gründe, die den Verordnungsgeber zur Einführung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV veranlasst haben, treffen auf Gebäude, die anstatt durch eine zentrale Öl- oder Gasheizung über Fernwärme beheizt werden, nicht zu.

In der Begründung des Bundesrates betreffend die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV aus dem Verfahren zur Neufassung der Heizkostenverordnung, welche in ihrer heutigen Formulierung am 5. Oktober 2009 bekannt gemacht wurde, heißt es:

Hintergrund dieser Stellungnahme des Bundesrates sind Untersuchungen, wonach bei Gebäuden, die nicht die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16.04.1994 erfüllen und die über eine zentrale Öl- oder Gasheizung beheizt werden, der verbrauchsabhängige Anteil an den Heizkosten besonders hoch ist.

Da dies auf mit Fernwärme beheizte Gebäude nicht in gleicher Weise zutrifft, erfasst der zwingende Schlüssel des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizKV, der eben die Verteilung der Kosten des Betriebs zentraler Öl- oder Gasheizungen unter den weiteren genannten Voraussetzungen betrifft, solche Objekte trotz des Wortlauts des § 7 Abs. 3 HeizKV nicht.

Die Voraussetzungen des Rückwirkungsverbot des § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizKV sind somit hier erfüllt.

Aus dem Vorstehenden folgt nicht, dass eine Verteilung von 70/30 (Verbrauch/Fläche) nicht auch für über Fernwärme belieferte Gebäude ein im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung angemessener Verteilungsschlüssel sein kann. Dieser Schlüssel ist jedoch auch dann, wenn die so belieferten Gebäude die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16.08.1994 nicht erfüllen und die freiliegenden Strangleitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, kein nach der Heizkostenverordnung zwingenderVerteilungsschlüssel.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision gegen dieses Urteil nicht zulässt und die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 62 Abs. 2 WEG gesetzlich ausgeschlossen ist.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.