Landgericht Hamburg
Entscheidung vom 24.10.2006, Az.: 324 O 633/06
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 5. September 2006 wird bestätigt.
II. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 5. September 2006, durch die der Antragsgegnerin verboten worden ist, die folgende Äußerung zu verbreiten:
'(Rechtsanwalt ...:) 'Wir haben aus der Zeitung erfahren, dass sich Frau ... offenbar ins Ausland absetzen will.' Entsprechende Berichte seien bislang unwidersprochen geblieben.'
Die Antragstellerin stand nach Presseberichten hinter einer Anlagegesellschaft, die Insolvenz angemeldet hat. Die Antragsgegnerin unterhält einen Informationsdienst, über den im Internet Nachrichten über Investitionen und Finanzanlagen verbreitet werden. Über diesen Internetauftritt wurde unter dem 4. August 2006 die angegriffene Meldung (Anlage Ast. 2) verbreitet, als deren Quelle die Antragsgegnerin 'Fondsprofessionell' angegeben hatte. Der Internetdienst wiederum hatte eine Pressemitteilung der Rechtsanwaltsgesellschaft ... vom 4. August 2006 (Anlage Ast. 2) wiedergegeben. Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert hatte, nahm die Antragsgegnerin innerhalb von 2 Stunden die beanstandete Meldung aus ihrem Internetangebot heraus und teilte der Antragstellerin mit, dass sie die Meldung entfernt habe, obwohl ihr die ... auf Anfrage nicht bestätigt habe, dass die von ihr wiedergegebene Meldung falsch sei. Die begehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung gab sie nicht ab, woraufhin die Antragstellerin die einstweilige Verfügung der Kammer erwirkt hat, gegen die sich der Widerspruch der Antragsgegnerin richtet.
Die Antragsgegnerin beantragte,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den zugrunde liegenden Antrag zurückzuziehen.
Die Antragstellerin beantragte,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Antragstellerin behauptet unter Vorlage einer eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 30. August 2006, dass sie weder einen Umzug ins Ausland plane noch sich ins Ausland absetzen wolle. Entsprechenden Berichten habe sie durch Schreiben ihres Rechtsanwalts an die Bremer Tageszeitung widersprochen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, weil sie sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren als zu Recht ergangen erweist. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 186 StGB, denn die angegriffene Äußerung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin durch Verbreitung einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung.
Die Antragsgegnerin ist, da die Verbreitung der angegriffenen Äußerung über ihren Internetauftritt erfolgt ist, Störer im Sinne von § 1004 BGB. Dass auch andere die Äußerung verbreitet haben, ändert daran, dass auch die Antragsgegnerin ihre Quelle genannt hat; denn nach § 186 StGB ist - wie auch nach § 824 BGB - die bloße Verbreitung nicht erweislich wahrer Tatsachenbehauptungen bereits rechtswidrig (s. z.B. BGH, Urt. v. 26.10.1999, NJW 2000, S. 656 ff., 658). Ob der Verbreiterhaftung durch eine hinreichende Distanzierung begegnet werden kann, bedarf hier keiner Erörterung, weil eine solche Distanzierung jedenfalls nicht erfolgt ist.
Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich um eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung im Sinne von § 186 StGB. Behauptet wird eine innere Tatsache (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.4.1951, MDR 1951, S. 404), nämlich eine Absicht der Antragstellerin. Ehrenrührig ist diese Behauptung, weil es geeignet ist, das Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit herabzusetzen, wenn ihr nachgesagt wird, sie beabsichtigte, sich einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch Flucht in das Ausland zu entziehen. Dass auch andere Publikationsorgane ähnliche Äußerungen verbreitet haben, nimmt ihr nicht den rufschädigenden Charakter. Vielmehr ist es jeder weitere Verbreiter dieser Behauptung, der diesen verstärkt (BVerfG, Beschl. v. 9.10.1991, NJW 1992, S. 1439 ff., 1442); ob die Antragstellerin alle anderen Verbreiter der angegriffenen Äußerung in Anspruch genommen hat, spielt hierbei keine Rolle, denn hierzu ist sie nicht gehalten (s. BVerfG, Beschl. v. 9.10.1991, S. 1439 ff., 1442).
Die angegriffene Äußerung ist nicht erweislich wahr. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast trägt nach der Beweislastregel des § 186 StGB die Antragsgegnerin. Auf das Bestreiten der Wahrheit der behaupteten Tatsache durch die Antragstellerin hat sie keine Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt, die die Wahrheit der angegriffenen Behauptung belegen könnten.
Die Verbreitung der angegriffenen Äußerung ist auch rechtswidrig erfolgt. Sie ist nicht durch die Grundrechtsgarantie des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt; denn an der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, von denen davon auszugehen ist, dass sie unzutreffend sind, kann kein berechtigtes Interesse bestehen, weil derartige Behauptungen keine geeignete Grundlage für die öffentliche Meinungsbildung sein können (BVerfG, Beschl. v. 11.11.1992, NJW 1993, S. 1845 f., 1845; Beschl. v. 31.8.2000, NJW-RR 2000, S. 1712 f., 1712; Beschl. v. 16.7.2003, NJW 2004, S. 277 ff., 278). Auch auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen entsprechend § 193 StGB kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg berufen. Anzulegen ist, da die Antragsgegnerin einen Informationsdienst betreibt, der Maßstab presserechtlicher Sorgfalt. Danach könnte - die Tauglichkeit der streitigen Tatsache als Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung im Übrigen einmal unterstellt - die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn ihr eine hinreichend sorgfältige Recherche vorangegangen ist, wozu in der Regel auch die Anhörung des Betroffenen gehört (BGH, Urt. v. 30.1.1996, NJW 1996, S. 1131 ff., 1133 f.). Die Anforderung hat die Antragsgegnerin in ihrem Vertrauen auf den Inhalt einer Pressemitteilung Dritter nicht genügt; denn Mitteilungen von Rechtsanwaltsbüros sind nicht wie Pressemitteilungen von Behörden oder Meldungen allgemein anerkannter Presseagenturen (vgl. dazu LG Oldenburg i.O., Urt. v. 18.5.1987, AfP 1988, S. 79 ff., 80) eine 'privilegierte Quelle', auf deren Zuverlässigkeit ein Presseorgan u.U. vertrauen darf. Dies gilt hier umso mehr, als die betreffende Quelle sich ihrerseits nur auf eine nicht spezifizierte andere Quelle - 'aus der Zeitung erfahren' - beruft.
Die den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auslösende Wiederholungsgefahr ist aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung indiziert. Sie ist insbesondere nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin die gerügte Meldung sogleich nach Erhalt der Abmahnung aus ihrem Internetangebot entfernt hat. Denn eine durch die rechtswidrige Verbreitung einer Äußerung entstandene Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer ernsthaften, hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt werden (BGH, Urt. v. 8.2.1994, NJW 1994, S. 1281 ff., 1283). Dass die Antragstellerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung begehrt hat, wonach die Antragsgegnerin sich verpflichten sollte, die Verbreitung und Behauptung der angegriffenen Äußerung zu unterlassen, schadet ebenso wenig wie die entsprechende Tenorierung der Kammer in dem angefochtenen Beschluss; denn hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs - und nur ein solcher wird in diesem Verfahren verfolgt - sind das Behaupten und das Verbreiten von Tatsachen grundsätzlich gleich zu behandeln, wie sich aus § 186 StGB oder § 824 BGB ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.