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Lsg Baden-württemberg

Entscheidung vom 18.09.2012, Az.: L 11 KR 472/11

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.10.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen H. K. Krankengeld für die Zeit vom 05.04.2008 bis zum 06.01.2009 unter Anrechnung des in diesem Zeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes zu bezahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit steht ein Anspruch auf Krankengeld (Krg) vom 05.04.2008 bis zum 06.01.2009.

Der 1961 geborene (und 2011 verstorbene) Ehemann der Klägerin (im Folgenden: K) war Mitglied der Beklagten und zuletzt seit 2004 als Taxifahrer bei einem Taxiunternehmen versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.09.2007.

Bereits seit dem 13.08.2007 war K wegen einer depressiven Störung und Alkoholkrankheit arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte zunächst Krg vom 24.09.2007 bis zum 30.09.2007. Im Anschluss bezog K Arbeitslosengeld. Ab dem 22.10.2007 wurde Arbeitsunfähigkeit wegen einer schweren depressiven Episode festgestellt. Nach Ende der Leistungsfortzahlung gewährte die Beklagte wieder Krg. In einem sich anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) anerkannte die Beklagte Arbeitsunfähigkeit seit dem 30.09.2007 und bewilligte durchgehend Krg (S 1 KR 1700/08). Während der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit befand sich K vom 13.12.2007 bis 11.01.2008 in stationärer Behandlung. Am 11.01.2008 stellte der Hausarzt von K, Dr. M., fest, dass weiter Arbeitsunfähigkeit bestehe (Folgebescheinigung). Vom 21.01.2008 bis 04.03.2008 war K erneut im Krankenhaus. Im vorläufigen Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie R. vom 04.03.2008 wird aus psychiatrischer Sicht Arbeitsfähigkeit angenommen. Im endgültigen Entlassungsbericht der Klinik R. vom 23.04.2008 werden die Diagnosen kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-selbstunsicheren und abhängigen Anteilen, depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, Alkoholabhängigkeit, Nikotinabhängigkeit, Va alkoholtoxisch bedingte Leberzirrhose, Osteoporose mit Wirbelkörpereinbrüchen und Zn Fersenbeinfraktur 2006 genannt. Im Verlaufsbericht ist dokumentiert, dass K über eine Schmerzhaftigkeit in mehreren Gelenken, insbesondere im rechten Schultergelenk klagte. Röntgenologisch sei eine Verkalkung im Bereich des rechten Schultergelenks festgestellt worden. Eine kernspintomographische Abklärung müsse vorgenommen werden. Gegen die Schmerzen habe K Diclofenac erhalten. K werde in zufriedenstellender psychischer Verfassung entlassen.

Am 05.03.2008 stellte der Hausarzt des K, Dr. M., eine AU-Folgebescheinigung aus. Als Diagnose gab er Arthrose an. Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis 21.03.2008. Am 06.03.2008 ging bei der Beklagten die Mitteilung von Dr. M. ein, wonach K bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei. Am 25.03.2008 bescheinigte er Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 31.03.2008. Unter demselben Datum erstellte er einen Auszahlschein. Am 01.04.2008 bescheinigte er Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 04.04.2008. Weitere Auszahlscheine stellte der Orthopäde Dr. Sch. unter dem 30.04.2008, dem 20.05.2008, dem 05.06.2008, dem 01.07.2008, dem 17.07.2008, dem 18.08.2008, dem 16.09.2008, dem 14.10.2008, dem 17.11.2008, dem 10.12.2008 und dem 07.01.2009 aus (jeweils mit offenem Ende der Arbeitsunfähigkeit). Die Auszahlscheine gingen alle innerhalb von zwei bis sieben Kalendertagen nach der Ausstellung bei der Beklagten ein.

Bereits am 01.04.2008 meldete sich K arbeitslos. Er bezog vom 05.04.2008 bis 06.01.2009 Arbeitslosengeld. Im Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 13.05.2008 wird ausgeführt, K könne vollschichtig leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Stressfaktoren ausüben. Unter anderem müssten Tätigkeiten mit Fahr-, Überwachungs- und Steuerungsfunktion ausgeschlossen werden.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Arbeitsfähigkeit des K. Unter dem 14.03.2008 teilte dieser mit, die Entlassung der Klinik als arbeitsfähig sei verbindlich. Ein Widerspruch liege nicht vor. Mit Bescheid vom 26.03.2008 stellte die Beklagte daraufhin das Ende des Krankengeldbezugs zum 04.04.2008 fest. Vom 05.03.2008 bis 04.04.2008 bestehe nur ein nachgehender Leistungsanspruch, da K aus der stationären Behandlung arbeitsfähig entlassen worden sei. Hiergegen legte K am 26.04.2008 Widerspruch ein. Er sei lediglich bezüglich seiner Depression arbeitsfähig entlassen worden. Laut Auskunft des Krankenhauses habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen der Schulterbeschwerden nicht erteilt werden dürfen. Wegen der körperlichen Beschwerden sei er vom Krankenhaus an seinen Hausarzt verwiesen worden, den er in der Folge aufgesucht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 30.10.2008 hat K beim SG Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, es sei auf die letzte Tätigkeit als Taxifahrer abzustellen. Diese Tätigkeit könne er durchgehend seit dem 13.08.2007 nicht mehr ausüben. Die orthopädischen Erkrankungen seien während des stationären Aufenthalts hinzugetreten und hätten ab dem 05.03.2004 die Arbeitsunfähigkeit allein verursacht. Aus dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur gehe zudem hervor, dass Tätigkeiten mit Fahr-/Überwachungs- und Steuerungsfunktion ausgeschlossen seien. Demnach habe durchgehend Arbeitsunfähigkeit für die frühere Tätigkeit als Taxi- und Kurierfahrer bestanden.

Das SG hat den Hausarzt des K als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Er gab an, bei K bestünden seit Jahren orthopädische Beschwerden (ua ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits) und eine Alkoholkrankheit. Die Schulterbeweglichkeit sei eingeschränkt. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe sich auf alle Tätigkeiten bezogen. Bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit seien alle Diagnosen maßgebend gewesen, auch die Schulter-Armschmerzen. Die Erkrankungen seien seit Jahren bekannt. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit sei wegen der AU-Richtlinie nicht möglich gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 05.10.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Krankengeldanspruch bestehe über den 04.04.2008 hinaus nicht. Seit dem 04.03.2008 sei K nicht mehr aufgrund seiner Beschäftigung Versicherter gewesen. Auch ein anderer Versicherungspflicht begründender Tatbestand habe nicht vorgelegen. Der Krankengeldanspruch habe am 04.03.2008 geendet, da die erneute Arbeitsunfähigkeit erst am 05.03.2008 und damit nicht durchgehend festgestellt worden sei. Ob K tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei, könne dahinstehen. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem eine unterbliebene ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden könne, seien nicht ersichtlich. Im Übrigen sei nicht nachweisbar, dass die am 05.03.2008 festgestellte Arbeitsunfähigkeit schon während des stationären Aufenthalts vorgelegen habe. Die Feststellungen im Entlassungsbericht genügten hierfür nicht.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des K am 12.01.2011 zugestellte Urteil hat K am 01.02.2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Während des stationären Aufenthalts sei er aufgrund der Schmerzzustände im rechten Schultergelenk untersucht und behandelt worden. Er sei von gymnastischen Übungen befreit gewesen. Am 04.03.2008 sei er nach dem Mittagessen mit dem Hinweis entlassen worden, er müsse sich wegen der orthopädischen Beschwerden umgehend zum Arzt begeben. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit habe er mit dem Schulterleiden nicht ausüben können. Es hätten dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnende Umstände verhindert, dass Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Schultererkrankung rechtzeitig festgestellt habe werden können. K habe sich in psychiatrischer stationärer Behandlung befunden. Es sei K daher nicht möglich gewesen, einen Orthopäden aufzusuchen. Da die Krankenhausärzte die Schultererkrankung dokumentierten, hätten sie K entweder einem Orthopäden konsiliarisch vorstellen oder sich zur Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Erkrankung im Entlassungsbericht äußern müssen. Eine objektiv unrichtige Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.10.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des am 17./18.11.2011 verstorbenen H. K. Krankengeld für die Zeit vom 05.04.2008 bis zum 06.01.2009 unter Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung für zutreffend. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die verspätete Feststellung von Arbeitsunfähigkeit falle nicht in ihren Verantwortungsbereich. K habe die Möglichkeit gehabt, während des stationären Aufenthalts eine ambulante ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Die Klinik sei nicht daran gehindert gewesen, im Entlassungsbericht eine Gesamtbewertung zur Arbeitsfähigkeit unter Einschluss der orthopädischen Beschwerden abzugeben. Bemerkenswert sei, dass die Schultererkrankung in der Aufstellung der Diagnosen nicht erwähnt sei und auch keine konkreten Funktionseinschränkungen benannt würden. Die Klinik habe noch eine kernspintomographische Abklärung für notwendig erachtet. Es läge nahe, dass überhaupt keine Arbeitsunfähigkeit ab dem 05.03.2008 mehr bestanden habe.

Das LSG hat Dr. S., Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie R., schriftlich befragt. Er hat mitgeteilt, dass der damals behandelnde Arzt mittlerweile verstorben sei. Die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit habe jedoch idR einen allgemeinen Charakter und sei zunächst nicht auf bestimmte Tätigkeiten gerichtet. In Fällen, in denen besonders verantwortungsvolle Arbeiten durchgeführt werden sollen, habe ggf eine erneute Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Die Beurteilung bei K sei ausschließlich aus psychiatrischer und nicht aus orthopädischer Sicht erfolgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin von K in ihren Rechten.

Die Klägerin ist im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG klagebefugt, da sie Sonderrechtsnachfolgerin des K ist. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten vorrangig dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).

K war während des vorliegend streitigen Zeitraums vom 05.04.2008 bis zum 06.01.2009 versichertes Mitglied der Beklagten. Der Anspruch von K auf Krg entstand am 24.09.2007. An diesem Tag war er als Beschäftigter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg versichert. Diese Pflichtversicherung bestand nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 06.01.2009 fort.

Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange ein Anspruch auf Krg besteht oder diese Leistung in Anspruch genommen wird. K bezog bis zum 04.04.2008 durchgehend Krankengeld. Allerdings gewährte die Beklagte für die Zeit vom 05.03.2008 bis 04.04.2008 Krg nur als nachgehende Leistung gemäß § 19 Abs 2 SGB V. Nach dieser Regelung werden dem Betroffenen zur Vermeidung sozialer Härten lediglich Leistungsansprüche verschafft, ohne die Mitgliedschaft aufrechtzuerhalten. Die Mitgliedschaft nach § 192 SGB V lebt nach Ende des Monatszeitraums des § 19 Abs 2 SGB V auch nicht wieder auf (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4). Die Mitgliedschaft von K als Pflichtversicherter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V blieb jedoch über den 04.03.2008 hinaus erhalten, weil er weiterhin Anspruch auf Krg hatte (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Dem steht die Arbeitslosmeldung des K und der Bezug von Arbeitslosengeld ab dem 05.04.2008 nicht entgegen. Denn in solchen Fällen hat der Versicherungspflichttatbestand, der den Erhalt der Mitgliedschaft begründet, Vorrang. Er geht der (subsidiären) Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) vor (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, BSGE 94, 247 mwN).

K war über den 04.03.2008 hinaus bis jedenfalls zum 06.01.2009 arbeitsunfähig krank. Aufgrund der aufrechterhaltenen Mitgliedschaft als Pflichtversicherter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V ist Maßstab für die Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit die Tätigkeit als Taxifahrer sowie gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten.

Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber 'verweisen', die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung nämlich gerade die Möglichkeit offen gehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Danach war bei Entstehen des Kg-Anspruchs der Arbeitsplatz des K als Taxifahrer maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Endet das Arbeitsverhältnis wie hier nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nur insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am (früheren) Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten 'verwiesen' werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krg eng zu ziehen ist (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19; BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9 S 23 f ; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, SozR 3-2500 § 49 Nr 4).

Gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten sind solche, die mit der bisherigen Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, so dass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (BSG 14.02.2001, B 1 KR 30/00 R, SozR 3-2500 § 44 Nr 9; BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271). Auch bei ungelernten Tätigkeiten - wie der vorliegenden - ist demnach eine generelle Verweisung auf leichte oder mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht möglich. Es ist vielmehr ebenso eine enge Anlehnung an die bisherige Erwerbstätigkeit vorzunehmen. Arbeiten, die mit der bisherigen ungelernten Tätigkeit im Wesentlichen überstimmen, sind daher nur solche, die nicht nur hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen, sondern ein entsprechendes Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen fordern. Bei Maschinenarbeiten ist darüber hinaus der konkrete Tätigkeitsablauf zu berücksichtigen (vgl BSG 16.09.1986, 3 RK 27/85, juris). Da K als Taxifahrer tätig war, kann K nur auf Fahrertätigkeiten verwiesen werden. Nur solche Tätigkeiten stimmen mit der eines Taxifahrers im Wesentlichen überein.

Tätigkeiten unter den Arbeitsbedingungen eines Taxifahrers sowie gleich oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten konnte K im fraglichen Zeitraum nicht ausüben. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie R. vom 23.04.2008 litt K ua an einer depressiven Störung mittelgradiger Episode sowie unter Alkoholabhängigkeit. Dieses Krankheitsbild ist nicht vereinbar mit der Tätigkeit eines Taxifahrers oder anderer Fahrertätigkeiten. Bestätigt wird diese Einschätzung durch das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 13.05.2008, wonach eine Alkoholabhängigkeit mit deutlichen Folgeschäden und eine psychische Minderbelastbarkeit vorlag. Die Gutachterin stellte zwar ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten fest. Ausdrücklich wurden jedoch Tätigkeiten mit Fahr-, Überwachungs- und Steuerungsfunktion ausgeschlossen. Diese Leistungsbeurteilung ist vor dem Hintergrund der im Entlassungsbericht der Klinik R. genannten Diagnosen und Befunde schlüssig und nachvollziehbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Ärzte der Klinik K in zufriedenstellender psychischer Verfassung entließen und ihn für arbeitsfähig befanden. Denn nach Mitteilung des Chefarztes, Dr. S., erfolgte damals nur eine Beurteilung bezogen auf leichte Tätigkeiten, die vorliegend aber nicht maßgeblich sind. Die Arbeitsunfähigkeit bestand zur Überzeugung des Senats während des gesamten streitigen Zeitraums. Anhaltspunkte für eine wesentliche Besserung der psychischen Störung und insbesondere der Alkoholkrankheit liegen nicht vor.

Arbeitsunfähigkeit war vom 05.03.2008 bis 06.01.2009 durchgehend ärztlich festgestellt. Dem Krg-Anspruch steht nicht entgegen, dass für den 04.03.2008 Arbeitsunfähigkeit nicht festgestellt wurde. Zwar müssen grundsätzlich die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs - also auch die ärztliche Feststellung der AU nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V - bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (stRspr, zB BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12; BSG 13.07.2004, B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2). Eine nur rückwirkende Feststellung der AU lässt einen Krg-Anspruch grundsätzlich nicht entstehen (vgl BSG 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 2). Grundsätzlich konnte mithin nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V ein Krg-Anspruch erst wieder am 06.03.2008 entstehen.

Es ist jedoch anerkannt, dass das Unterlassen der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung einem Anspruch auf Krg nicht entgegengehalten werden darf, wenn die rechtzeitige Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1 mwN). Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) - zusätzlich - seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).

Vorliegend wurde die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert, die der Beklagten zuzurechnen sind. Denn die Klinik R. hat K irrtümlich gesundgeschrieben, da sie die unzutreffende Bezugstätigkeit zugrundegelegt hat. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass ein Krg-Anspruch nicht an der fehlenden Meldung scheitert, wenn dies auf der unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Krankenkasse beruhte, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit habe sich wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten (BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271, 277 f). Eine entsprechende Fallsituation ist vorliegend gegeben. Die Fehlbewertung des Krankenhauses ist der Beklagten zuzurechnen. Der Versicherte muss sich in einem solchen Fall nicht selbst um eine Korrektur (etwa durch Aufsuchen weiterer Ärzte) bemühen, da die unrichtige Feststellung der Arbeitsfähigkeit rechtlich begründet ist und nur durch die Kasse selbst richtiggestellt werden könnte (BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271, 277 f). Es kann sich in einer solchen Situation für den Betroffenen auch nicht nachteilig auswirken, wenn er die Entscheidung der Krankenkasse zunächst unwidersprochen hinnimmt (BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271, 277 f). Es ist mithin unerheblich, dass sich K nicht in Bezug auf seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit bzw gleichgelagerte Tätigkeiten auf Arbeitsunfähigkeit berufen hat. Ebenso unschädlich ist, dass sich K in der Folgezeit nicht auf das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wegen der psychiatrischen Gesundheitsstörungen, sondern wegen orthopädischer Beschwerden seinen Arzt aufgesucht hat.

Die (fortbestehende) Arbeitsunfähigkeit meldete K der Beklagten jeweils rechtzeitig im Sinne des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Danach ruht der Anspruch auf Krg, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Bereits am 06.03.2008 ging bei der Beklagten die Mitteilung des Hausarztes ein, dass K bis auf Weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei. Auch in der Folgezeit wurde die Beklagte jeweils rechtzeitig vom Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit unterrichtet. Weitere Ruhens- oder Ausschlussgründe liegen nicht vor. Insbesondere ruhte der Anspruch auf Krg nicht aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld ab dem 05.04.2008. § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V greift nicht ein. Diese Regelung findet nur im Fall einer Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III (in der bis 31.03.2012 gültigen Fassung; jetzt: § 146 SGB III) Anwendung (Brandts in Kasseler Kommentar, SGB V, § 49 RdNr 24; BSG 10.03.1987, 3 RK 31/86, BSGE 61, 193). Da vorliegend Arbeitsunfähigkeit nicht während des Bezugs von Arbeitslosengeld eingetreten ist, liegt kein Fall der Leistungsfortzahlung vor.

Der Anspruch des K auf Krg war im streitigen Zeitraum noch nicht erschöpft. K hatte noch keine 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Krg bezogen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V).

Der Anspruch auf Krg war jedoch auf den Differenzbetrag zwischen Krg und dem bezogenen Arbeitslosengeld zu beschränken, da mit der Zahlung des Arbeitslosengeldes der Anspruch auf Krg bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes als erfüllt gilt (§ 107 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin ihr Begehren als Sonderrechtsnachfolgerin eines Versicherten geltend macht, fällt sie unter das Kostenprivileg des § 183 SGG. Gerichtskosten fallen deshalb keine an.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).