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Lsg Baden-württemberg

Entscheidung vom 22.07.2010, Az.: L 7 SO 853/09

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 in vollem Umfang aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Überleitung seines Anspruchs auf Auszahlung eines bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts (AG) Dresden hinterlegten Geldbetrages durch die Beklagte.

Der 1945 geborene Kläger hat (erneut) seit den 1990er Jahren bis zum 31. Dezember 2004 Sozialhilfeleistungen von der Beklagten bezogen. Erst im Jahr 1999 wurde bekannt, dass er zur Hälfte Miterbe eines Nachlasses geworden war, der im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück in Dresden bestand. In diesem Zusammenhang war ihm sowie den vier weiteren Miterben zu je 1/8 (T. Sp., P. Sp., Wo. Sp. und Wa. Sp.) bereits am 12. Dezember 1995 ein gemeinschaftlicher Erbschein ausgestellt worden. Mit Bescheid vom 12. Januar 2000 leitete die Beklagte den Anspruch aus Erbteilversteigerung gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auf sich über. Dies wurde mit Schreiben vom gleichen Tag dem Bevollmächtigten der Miterben mitgeteilt. Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2000 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. März 2000 zurückgewiesen wurde.

Das zum Nachlass gehörende Haus war zunächst vermietet. Innerhalb der Erbengemeinschaft kam es in diesem Zusammenhang zu Streitigkeiten. Die übrigen Miterben warfen dem Kläger vor, die von ihm im Rahmen der Hausverwaltung erhaltenen Mieteinnahmen nicht ordnungsgemäß anteilig an sie weiterzuleiten. Daraufhin kam es am 17. Februar 2000 zur Zwangsversteigerung; am 23. Mai 2000 wurde ein Erlös i.H.v. 184.174,02 DM beim AG Dresden hinterlegt.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2000 nahm die Beklagte ihre Bescheide über die Hilfegewährung vom 7. März 1996, 10. Januar 1997, 22. Januar 1997, 19. Juni 1997, 6. Mai 1998, 9. Juli 1998, 20. Juni 1998, 21. Juni 1999 sowie 13. Oktober 1999 mit Wirkung vom 1. Januar 1996 zurück und forderte vom Kläger zu Unrecht erbrachte Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1999 in Höhe von 28.341,58 DM zurück. Hiergegen legte der Kläger am 14. Juni 2000 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2000 verfügte die Beklagte die lediglich darlehensweise Hilfegewährung für die Zeit ab dem 1. Januar 2000. Das Darlehen sei nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit fällig und in monatlichen Raten von 100,00 DM zu tilgen. Komme das Erbe zur Auszahlung, sei das Darlehen bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe zu tilgen. Die Hilfe zum Lebensunterhalt wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 neu berechnet und auf 377,62 DM festgesetzt. Der Bescheid vom 19. Mai 2000 werde zurückgenommen und durch diesen Bescheid ersetzt. Damit erledige sich auch ein Teil des Widerspruchs vom 14. Juni 2000.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19. Mai 2000 mit der Begründung zurück, dass dieser in der Zeit von 1996 bis 1999 Mieteinnahmen von monatlich ca. 1.500,00 DM erhalten habe, sodass ihm in diesem Bewilligungszeitraum keine Sozialhilfe zugestanden habe. Der Kläger habe es unterlassen, diese monatlichen Mieteinnahmen dem Sozialamt mitzuteilen. Dieser Widerspruchsbescheid ist bestandskräftig geworden.

Den Widerspruch des Klägers vom 30. August 2000 gegen den Bescheid vom 11. Juli 2000 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2001 zurück, weil die Widerspruchsfrist nicht eingehalten sei.

Die vom Kläger gegen die Überleitung des Auszahlungsanspruchs auf die Beklagte beim Verwaltungsgericht (VG) Freiburg erhobene Klage (4 K 1040/00) wurde für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte nach richterlichem Hinweis die Überleitungsanzeige vom 12. Januar 2000 wegen Bedenken im Hinblick auf deren Bestimmtheit zurückgenommen hatte, und das Verfahren mit Beschluss vom 6. Juni 2002 eingestellt.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2002 forderte die Beklagte vom Kläger Leistungen bis vorerst 30. Juni 2002 in Höhe von 6.180,52 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 412,78 Euro zurück. Hiergegen legte der Kläger am 19. August 2002 Widerspruch ein, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2002 zurückgewiesen wurde. Diese Bescheide sind ebenfalls bestandskräftig geworden.

Mit Bescheid vom 13. März 2008 forderte die Beklagte den Kläger auf, mit Verfügbarkeit des beim AG Dresden hinterlegten Erbteilerlöses die von ihr erbrachten Leistungen auch für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 7.799,40 Euro zuzüglich Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis vorläufig 31. März 2008 in Höhe von 1.902,32 Euro zurückzuzahlen. Soweit von der Hinterlegungsstelle beim AG Dresden im Rahmen einer Überleitung eine Auszahlung aus dem anteiligen Erbteilerlös an die Beklagte erfolge, verringere sich seine Zahlungspflicht sowie die Zahlungspflicht aus dem Bescheid vom 23. Juli 2002 entsprechend. Hinzu komme die mit Bescheid vom 23. Juli 2002 in der Gestalt des bestandskräftigen Widerspruchsbescheids vom 14. November 2002 festgesetzte Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 6.180,52 Euro. Die gesamte Darlehensforderung betrage demnach 13.979,72 Euro zuzüglich der Zinsen von 1.902,32 Euro, insgesamt 15.882,24 Euro. In Höhe dieses Betrages werde der Auszahlungsanspruch durch gesonderten Bescheid übergeleitet. Hiergegen legte der Kläger am 31. März 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2008 zurückwies. Hiergegen hat der Kläger am 9. Mai 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 6 SO 2404/08), die das SG mit Urteil vom 20. November 2008 abgewiesen hat. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 2. April 2008 leitete die Beklagte den Anspruch des Klägers gegen die Erbengemeinschaft Sp./F. auf Auszahlung seines Anteils von 47.083,00 Euro aus dem z. Zt. beim AG Dresden (Az. 170 HL 0213/00) hinterlegten Betrag, der in Folge der Erbauseinandersetzung erzielt worden war, in Höhe von 30.322,86 Euro zur Deckung des in dieser Höhe für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 2004 entstandenen Aufwands aus der nach §§ 11 ff. BSHG an den Kläger geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt auf sich gemäß § 90 BSHG / § 93 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über. Wie dem Bescheid des AG Dresden vom 29. April 2008 zu entnehmen ist, wurden aufgrund Auszahlungsanordnung vom 11. April 2008 insgesamt vier Teilbeträge an die übrigen Miterben ausbezahlt; es verblieb ein Teilbetrag von 47.083,34 Euro (bei dem in dem Bescheid angegebenen Betrag von 57.083,34 Euro dürfte es sich um einen Schreibfehler handeln), der innerhalb der Erbengemeinschaft dem Kläger zustand. Am 28. April 2008 wurde hiervon ein Teilbetrag in Höhe von 16.760,48 Euro ausgezahlt, der dem Kläger unabhängig von der Überleitung zustand. Mit Bescheid vom 29. April 2008 hat das AG Dresden darüber hinaus entschieden, dass der restliche Betrag in Höhe von 30.322,86 Euro erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses verwaltungsgerichtlichen (gemeint: sozialgerichtlichen) Verfahrens ausbezahlt wird.

Den Widerspruch des Klägers vom 21. April 2008 gegen den Bescheid vom 2. April 2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2008 mit der Begründung zurück, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 SGB XII vorlägen. Bei der Entscheidung nach dieser Vorschrift handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Dabei dürfe der Träger der Sozialhilfe davon ausgehen, dass die Überleitung den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe verwirkliche und daher geboten sei. Es müsse lediglich geprüft werden, ob ausnahmsweise ein Absehen von der Überleitung gerechtfertigt sein könnte. Allgemeine sozialhilferechtliche Grundsätze, die ein Absehen von der Überleitung gebieten würden, seien nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.

Mit einem beim SG am 16. Juni 2008 eingegangenen Schriftsatz hat sich der Kläger sinngemäß gegen diese Überleitungsanzeige gewandt. Das SG hat dieses Schreiben als Klage gegen den Bescheid vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 ausgelegt.

Bereits am 20. März 2008 hatte der Kläger beim VG Freiburg einen Eilantrag gestellt. Mit Beschluss vom 14. April 2008 (5 K 543/08) hat das VG den Rechtsstreit an das SG verwiesen. Das SG hat mit Beschluss vom 23. Juni 2008 (S 6 SO 2234/08 ER) die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. Juni 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 insoweit angeordnet, als darin ein Betrag von mehr als 28.470,54 Euro übergeleitet wurde. Im Übrigen wurden die Anträge des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 10. Oktober 2008 zurückgewiesen (L 2 SO 3654/08 ER-B).

Im vorliegenden Verfahren teilte die Beklagte im Hinblick auf den Beschluss des SG im Eilverfahren mit Schriftsatz vom 27. Juni 2008 mit, dass der Bescheid vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 insoweit abgeändert werde, als darin nur noch ein Betrag von 28.470,54 Euro übergeleitet werde. Im Übrigen wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 20. November 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Überleitung gegeben seien. Bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 57/88 - ) komme es weder bei einer Darlehensgewährung noch bei einer Rückforderung wegen rechtswidrig gewährter Leistungen zu einer Übersicherung des Sozialhilfeträgers. Eine Überleitung nach § 93 SGB XII sei insofern möglich. Das ihr zustehende Ermessen, ob die Ansprüche des Klägers übergeleitet werden sollten, habe die Beklagte rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Am 19. Februar 2009 hat der Kläger gegen dieses ihm am 20. Januar 2009 zugestellte Urteil beim SG Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass jeder Hartz IV - Sozialgeldempfänger in seinem Alter ein geschütztes Kleinvermögen in Höhe von 34.200,00 Euro besitzen könne. Der Zweck seines Erbes sei schon seit 1970 von seiner Mutter und seinen Geschwistern dahingehend bestimmt worden, ihm eine Altersvorsorge zu ermöglichen. Auch als Sozialhilfeempfänger gebe es Freigrenzen, die nicht korrekt berücksichtigt worden seien, ganz abgesehen davon, dass seine Eigenleistungen, z.B. Wohngeld und ergänzende Sozialhilfe, dem Sozialamt ausbezahlt worden seien. Jedenfalls seien diese Leistungen nicht ordentlich berücksichtigt worden, sodass die Abrechnungen fehlerhaft seien. Unstrittige 1.852,32 Euro ohne Verzinsung seien an ihn auch noch nicht ausbezahlt worden. Er werde demnächst 65 Jahre alt und müsse dann die volle Grundsicherung in Anspruch nehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 in vollem Umfang aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch im Übrigen kraft Gesetzes statthaft (§ 143 SGG), ohne das es ihrer Zulassung bedarf, weil die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG geltende Beschwerdewertgrenze von 750,00 Euro überschritten ist.

Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 sind in vollem Umfang aufzuheben. Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig und begründet; die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten.

Die Überleitung des Anspruchs des Klägers auf Auszahlung des bei der Hinterlegungsstelle des AG Dresden im Zusammenhang mit seiner Erbschaft hinterlegten Geldbetrages in Höhe von 28.470,54 Euro kann entgegen der Auffassung des SG nicht auf § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gestützt werden. Nach dieser - hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden - Vorschrift kann der Träger der Sozialhilfe, wenn eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat, der kein Leistungsträger i.S.d. § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 und des § 92 Abs. 1 SGB XII Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre (§ 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).

§ 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erlaubt zwar grundsätzlich auch die Überleitung von Ansprüchen, soweit eine leistungsberechtigte Person Leistungen nach dem BSHG erhielt und bis zum 31. Dezember 2004 keine Überleitungsanzeige erfolgt ist LSG Nordrhein-Westfalen FEVS 57, 529). Denn der Gesetzgeber hat, soweit er die bestehenden Regelungen des § 90 BSHG ausdrücklich inhaltsgleich übernommen hat, seinem Willen Ausdruck verliehen, das bisherige System fortzuführen. Die zunächst mit Bescheid vom 12. Januar 2000 von der Beklagten verfügte Überleitung ist im Folgenden wieder zurückgenommen worden und steht damit einer erneuten Überleitung auf der Grundlage des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zunächst nicht entgegen. In der Rücknahme des Bescheids über die Überleitung vom 12. Januar 2000 kann auch keine Zusicherung der Beklagten i.S.v. § 34 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gesehen werden, auf eine Überleitung auch für die Zukunft zu verzichten. Eine solche Zusicherung hätte gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Schriftform bedurft. Ein entsprechender Verzichtswille lässt sich aber weder der schriftlichen Mitteilung der Beklagten an das VG vom 6. Juni 2002 entnehmen, dass die Überleitungsanzeige zurückgenommen wurde, noch ergibt sich ein solcher Wille aus den sonstigen Umständen, weil die Rücknahme der Überleitungsanzeige allein im Hinblick auf deren mangelnde Bestimmtheit erfolgte.

Die Überleitungsanzeige vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 ist aber rechtswidrig, weil es an einem überleitungsfähigen Anspruch fehlt. Zwar gehört zu den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige im Sinne des § 93 SGB XII nicht, dass der vom Träger der Sozialhilfe geltend gemachte, übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht. Rechtswidrig ist eine Überleitungsanzeige lediglich dann, wenn das Bestehen des behaupteten Anspruchs objektiv ausgeschlossen ist (sogenannte Negativevidenz), wenn die Überleitung also offensichtlich sinnlos ist (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. BVerwGE 34, 219, 220 f.; Buchholz 436.0 § 90 BSHG Nr. 19 S. 5 und BVerwGE 92, 281, 283 zu § 90 BSHG; vgl. auch Senatsurteil vom 22. November 2007 - L 7 SO 73/06 - ). Das ist hier aber der Fall. Bei der hier gegebenen Anfechtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung; bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens kommt es also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids an (Bundessozialgericht , BSGE 85, 98; BVerwG, Beschlüsse vom 27. Dezember 1994 - 11 B 152.94 - und vom 4. Juli 2006 - 5 B 90/05 - ; Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 54 Rdnr. 55; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 54 Rdnrn. 33 f.). Dies gilt insbesondere auch für Ermessensentscheidungen (Castendiek, a.a.O.; Keller, a.a.O. jeweils m.w.N.). Vorliegend ist damit auf den Erlass des Widerspruchsbescheids am 13. Mai 2008 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt ging die Überleitung des Anspruchs des Klägers gegen die Erbengemeinschaft aber bereits ins Leere. Dem Kläger stand zwar ursprünglich ein Anspruch auf Auseinandersetzung gemäß § 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu, der gegen alle anderen Miterben gerichtet war (vgl. Edenhofer in Palandt, BGB, 69. Auflage, § 2042 Rdnr. 2). Auseinandersetzung ist dabei die Beendigung der nur für eine Übergangszeit vorgesehenen und nicht auf Dauer angelegten Erbengemeinschaft durch Aufteilung der Bestandteile des Reinnachlasses auf die einzelnen Miterben, also der nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten noch vorhandenen einzelnen Nachlassgegenstände. Hier erfolgte eine Teilungsversteigerung des Nachlassgrundstückes gemäß §§ 180 ff. des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, das damit in einen teilbaren Erlös umgewandelt wurde. Erst durch den dinglichen Vollzug der beschlossenen Verteilung wird die nach dem Erbfall entstandene Gemeinschaft zur gesamten Hand (§ 2032 BGB) aufgehoben (Edenhofer, a.a.O.). Nachdem sich die Miterben offenbar über die Aufteilung des Erlöses geeinigt hatten und eine entsprechende Auszahlung mit Ausnahme des zwischen dem Kläger und der Beklagten strittigen Betrags bereits am 11. April 2008 erfolgte, war die Erbengemeinschaft aufgelöst. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des 13. Mai 2008 bestanden die Erbengemeinschaft und damit auch der gegen die übrigen Miterben gerichtete Anspruch folglich nicht mehr; die Überleitung ging ins Leere.

Der Anspruch des Klägers gegen die Hinterlegungsstelle auf Herausgabe des restlichen hinterlegten Betrags gemäß §§ 372 ff. BGB, §§ 12 ff. der Hinterlegungsordnung vom 10. März 1937 (RegBl. I 1937, 285; vgl. ab dem 1. Juli 2010 §§ 21 ff. des Gesetzes über das Hinterlegungsverfahren im Freistaat Sachsen - Sächsisches Hinterlegungsgesetz - vom 11. Juni 2010, SächsGVBl. 2010, 154) kommt als eigener überleitungsfähiger Anspruch nicht in Betracht, weil die Hinterlegungsstelle nicht Dritter i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist. Der durch die Hinterlegung begründete öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle ist vielmehr - dem Charakter der Hinterlegung als Erfüllungssurrogat entsprechend - dem Vermögen des Klägers zuzuordnen. Eine Überleitung von Ansprüchen, die zum Einkommen und Vermögen des Empfängers der Sozialhilfeleistungen gehören, ist aber ausgeschlossen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen FEVS 58, 448; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, § 93 Rdnr. 27).

Darüber hinaus ist § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nach Auffassung des Senats nach seinem Sinn und Zweck nicht auf Fälle anwendbar, in denen - wie hier - in der Vergangenheit bewilligte (Sozialhilfe-)Leistungen aufgrund einer bestandskräftigen Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom Hilfebedürftigen selbst zu erstatten sind. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (NJW 1992, 3313; BVerwGE 42, 198 ), der sich - soweit ersichtlich - auch die Sozialgerichtsbarkeit (LSG Nordrhein-Westfalen FEVS 58, 448; Hessisches LSG, Urteil vom 1. November 2007 - L 9 SO 79/07 ER - ) und ein Teil der Literatur angeschlossen haben (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage § 93 Rdnr. 7; Wolf in Fichtner/Wenzel, SGB XII - Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Auflage, § 93 SGB XII Rdnr. 9;a.A.Münder in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 93 Rdnr. 14; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, SGB XII, § 93 Rdnr. 29; Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, 55. Ergänzungslieferung , § 93 Rdnr. 41) kommt es im Rahmen der Überleitung nach § 90 BSHG bzw. § 93 SGB XII grundsätzlich nicht darauf an, ob die Sozialhilfe rechtmäßig gewährt wurde. Das BVerwG hat insofern zu § 90 BSHG ausgeführt, dass Sinn und Zweck dieser Vorschrift die Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe ist. Sie stellt dem Träger der Sozialhilfe ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung, das diesen in die Lage versetzt, durch Eintritt in die Gläubigerposition den vom Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtungen anderer, die dem Hilfeempfänger die erforderliche Hilfe hätten gewähren können, nachträglich zu verwirklichen. Das Bedürfnis danach bestehe im allgemeinen aber schon dann, wenn die Hilfe als Sozialhilfe gewährt worden sei, unabhängig davon, ob zu Recht oder zu Unrecht. Denn das Nachrangprinzip sei eines der Grundprinzipien des Sozialhilferechts; seine Geltung gegenüber Drittverpflichteten bleibe auch dann unberührt, wenn der Sozialhilfeträger in anderer Hinsicht fehlerhaft Sozialhilfe gewähre. Es erscheine nämlich unbillig, wenn der Drittverpflichtete aus einem solchen Fehler des Sozialhilfeträgers einen Vorteil in dem Sinne ziehen könne, dass ein Rechtsübergang nicht stattfinde und er von einer Klage des Sozialhilfeträgers verschont bleibe. Aus dieser Sicht sei auf die Frage, ob die Sozialhilfe rechtmäßig gewährt worden sei, im Rahmen der Überleitung nur dann Bedacht zu nehmen, wenn andernfalls die Belange des Drittverpflichteten in unzulässiger Weise verkürzt würden (BVerwG NJW 1992, 3313; BVerwGE 42, 198 ). Andererseits geht das BVerwG davon aus, dass für den Fall, dass Sozialhilfe zu Unrecht gewährt worden ist, die §§ 45, 50 SGB X eine abschließende Regelung der Erstattung, d.h. der Rückabwicklung der entsprechenden Leistungen enthalten; eine kumulative Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs gegen den Hilfeempfänger und des Zahlungsanspruchs gegen den Dritten kommt nicht in Betracht (BVerwG, NJW 1992, 3313; BVerwGE 78, 165 ).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt hier nach Auffassung des Senats Folgendes: Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2000, mit dem die Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bewilligungsbescheide zurückgefordert wurden, ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2000 bestandskräftig geworden. Er wurde auch nicht mit Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2000 aufgehoben. Zwar enthält dieser Bescheid, mit dem die nur darlehensweise Bewilligung von Sozialhilfe ab dem 1. Januar 2000 verfügt wurde, in der weiteren Begründung die Aussage, dass der Bescheid vom 19. Mai 2000 hiermit zurückgenommen und durch diesen Bescheid ersetzt werde. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Dies folgt bereits daraus, dass der Bescheid vom 19. Mai 2000 ausschließlich die Rückforderung für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1999 regelt; die Neuregelung mit Bescheid vom 11. Juli 2000 betrifft demgegenüber die Leistungsgewährung für die Zeit ab dem 1. Januar 2000. Vor diesem Hintergrund ist der Bescheid vom 19. Mai 2000 dahingehend auszulegen, dass insoweit entgegenstehende Leistungsbescheide aufgehoben werden sollten. Liegt aber ein bestandskräftiger Bescheid über die Rücknahme und die Rückforderung nach §§ 45, 50 SGB X vor, so scheidet eine Überleitung nach § 93 SGB XII aus. Dies ergibt sich aus einer am Sinn und Zweck der genannten Vorschrift orientierten Auslegung. Denn einer Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe bedarf es in diesem Fall nicht. Der Sozialhilfeträger kann vielmehr unmittelbar aus dem (bestandskräftigen) Rückforderungsbescheid vollstrecken. Dabei kann der Sozialhilfeträger entweder nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren vorgehen (§ 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X) oder die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) betreiben (§ 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X). In beiden Fällen ist dabei auch eine Vollstreckung in Geldforderungen möglich. So bestimmt § 13 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG -), dass Verwaltungsakte, die zu einer Geldleistung verpflichten, durch Beitreibung vollstreckt werden. Nach § 15 Abs. 1 LVwVG ist auf die Beitreibung unter anderem § 309 der Abgabenordnung (AO) anwendbar, der die Pfändung einer Geldforderung regelt. Nach § 309 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO erfolgt die Pfändung einer Geldforderung durch Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner. Die ZPO enthält eine Regelung zur Pfändung von Geldforderungen in § 829. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe lässt sich bei Vorliegen eines bestandskräftigen Rückforderungsbescheids damit im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen; eines Rückgriffs auf § 93 SGB XII bedarf es in diesem Zusammenhang nicht (vgl. auch VG Arnsberg, Urteil vom 23. November 1984 - 5 K 2656/83 - zu § 90 BSHG).

Entsprechendes gilt für die Rückforderung der darlehensweise erbrachten Sozialhilfeleistungen mit Bescheid vom 23. Juli 2002 für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2002 sowie mit Bescheid vom 13. März 2008 für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2004. § 93 SGB XII ist auch in dieser Fallkonstellation nicht anwendbar; denn aus dem oben dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich, dass es einer Überleitung hier zur Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs des Sozialhilfe nicht bedarf, weil der Sozialhilfeträger aus gegenüber dem Hilfebedürftigen ergangenen Rückforderungsbescheiden vollstrecken kann. Der Bescheid vom 23. Juli 2002 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2002 bestandskräftig geworden. Gegen den Bescheid vom 13. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2008 hat der Kläger Klage erhoben, die mit (rechtskräftigem) Urteil des SG vom 20. November 2008 abgewiesen wurde (S 6 SO 2404/08). Zum Zeitpunkt der Überleitungsanzeige vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 war dieser Rückforderungsbescheid zwar noch nicht bestandskräftig. Wie das SG in seinem Urteil vom 22. November 2008 (S 6 SO 2404/08) aber zutreffend festgestellt hat, ergibt sich der Rückzahlungsanspruch dem Grunde nach bereits aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 11. Juli 2000, mit dem die Gewährung der Leistungen als Darlehen verfügt wurde; er wurde lediglich hinsichtlich der Höhe durch den Bescheid vom 13. März 2008 konkretisiert. Im Übrigen haben Widerspruch und Anfechtungsklage auch keine aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden (§ 12 Satz 1 LVwVG). Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Anwendung des § 93 SGB XII bei einer Leistungsgewährung in Form von Darlehen auch unter dem Aspekt einer Übersicherung des Sozialhilfeträgers ausscheidet (so Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 6; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB XII, 9. EL, § 93 Rdnr. 13; einschränkend für eine Anwendung auf Darlehen nur, wenn der Darlehensnehmer dieses nicht zurückzahlt: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2007 - L 23 B 150/07 SO ER - ; Münder, a.a.O., Rdnr. 16; Decker, a.a.O., Rdnr. 36a; Falterbaum, a.a.O., Rdnr. 20; Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 28).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die höchstrichterlich bislang nicht geklärten Fragen der Überleitungsfähigkeit von Herausgabeansprüchen gegen die Hinterlegungsstelle nach §§ 372 ff. BGB sowie der Anwendung des § 93 SGB XII in Fällen, in denen der Sozialhilfeträger aus gegenüber dem Hilfebedürftigen ergangenen Rückforderungsbescheiden nach §§ 45, 50 SGB X oder aus Bescheiden über die Rückforderung von Darlehen vollstrecken kann, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen