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Oberlandesgericht Bamberg

Entscheidung vom 30.01.2014, Az.: 3 Ss OWi 284/13

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 23.10.2012 unter Aufrechterhaltung der bisherigen Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen tatmehrheitlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach § 8 a Abs. 1 Nr. 2 FPersG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3, Art. 7 Satz 1, Art. 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 bis 7 VO [EG] Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 und nach § 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 FPersV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 VO [EWG] Nr. 3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr i.V.m. §§ 9, 19, 20 OWiG, nämlich jeweils als verantwortlicher Unternehmer und Betriebsinhaber nicht für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung eines Kontrollgeräts am kontrollpflichtigen Fahrzeug Sorge getragen zu haben, zu Geldbußen in Höhe von 1.700 Euro und 18.000 Euro verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich zumindest vorläufig erfolgreich, weil jedenfalls die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts den Schuldspruch nur unzureichend tragen und schon deshalb auch als hinreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch nicht ausreichen.

1. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift ausgeführt:

„Dem Rechtsmittel ist aufgrund der Sachrüge ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen. Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, da die Urteilsgründe lückenhaft sind (§§ 267 Abs. 1 Satz 1, 337 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Dem Betroffenen liegt hier zur Last, gegen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen zu haben. Dementsprechend muss der Tatrichter darlegen, dass der Anwendungsbereich für diese Vorschriften eröffnet ist (vgl. für die VO [EWG] Nr. 3820/85: BayObLGSt 1997, 119; 199, 183). Der Tatrichter teilt nicht mit, dass die gegenständlichen Fahrten im Geltungsbereich der Europäischen Union begangen worden sind (Art. 2 Abs. 2a VO [EU] Nr. 561/2006). Der Betroffene war zwar in der Hauptverhandlung anwesend, hat aber die Verstöße nicht eingeräumt. Aus dem Urteil ergeben sich weder Abfahrtsort noch Zielort der Fahrten, sodass nicht auszuschließen ist, dass die Fahrten außerhalb des Geltungsbereiches der VO [EU] Nr. 561/2006 begangen worden sind.

Auch soweit im Urteil ausgeführt wird, Lkws hätten sich teilweise auf Baustellengelände bewegt, dies sei aber unschädlich, wenn sie im Zusammenhang mit Fahrten auf öffentlicher Straße stünden, fehlen Feststellungen, um welche Fahrten es sich handelt und inwieweit auch öffentliche Straßen benutzt wurden.

Die Bezugnahme auf Schaublattaufzeichnungen und Datenausdrucke ändert an der Lückenhaftigkeit nichts. Zwar kann der Tatrichter gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in den Urteilsgründen auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, wegen der Einzelheiten verweisen. Jedoch kann eine derartige Verweisung auf Aktenbestandteile die Feststellungen nicht ersetzen. Denn die Bezugnahme ist nur wegen der Einzelheiten erlaubt. Die Schilderung des 'Aussageinhalts' der Abbildung darf nicht ganz entfallen. Eine Beschreibung des Wesentlichsten in knapper Form ist erforderlich (Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 267 Rn. 10). Dies ist hier nicht erfolgt.'

2. Über diese zutreffenden und mit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang stehenden Ausführungen hinaus bemerkt der Senat:

a) Soweit das Amtsgericht wegen der vorsätzlich begangenen (tateinheitlichen) Verstöße gegen § 8 a Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG gegen den Betroffenen u.a. eine gesonderte (Einzel-) Geldbuße in Höhe von 18.000 Euro festgesetzt hat, hat es damit den nach § 8 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 FPersG bzw. nach § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1b FPersG jeweils zulässigen Höchstbetrag für die Geldbuße in Höhe von 15.000 Euro überschritten.

b) Hinzu kommt, dass jedenfalls aufgrund der bisherigen Feststellungen die Annahme des Amtsgerichts, allein der Wechsel der dem Betroffenen anzulastenden Schuldform für die Zeit nach der Betriebsrevision am 02.03.2011 durch das zuständige Gewerbeaufsichtsamt bewirke zugleich, dass ab diesem Zeitpunkt auch von einer neuen, im Verhältnis der Tatmehrheit zu dem vorangegangen Tatabschnitt stehenden Tat des Betroffenen auszugehen sei, nicht gerechtfertigt ist.

aa) Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht allerdings davon aus, dass der Tatvorwurf, als verantwortlicher Unternehmer nicht für die Einhaltung der Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen oder Ruhezeiten von Fahrern oder die richtige Verwendung der Kontrollgeräte an kontrollpflichtigen Fahrzeugen Sorge getragen zu haben, obwohl ihm dies z.B. durch geeignete Kontrollmaßnahmen möglich gewesen wäre, an die Verletzung von Aufsichts- und Überwachungspflichten und damit an ein rechtliches Unterlassen im Sinne von § 8 OWiG anknüpft. Aus diesem Grund ist deshalb regelmäßig von nur einem einheitlichen Verstoß auszugehen und demgemäß nur eine Geldbuße festzusetzen (OLG Düsseldorf NJW 2008, 930 ff. = StraFo 2008, 164 f. = VRS 114 [2008], 41 ff. = OLGSt FPersG § 8 Nr. 2 und BayObLG 1996, 81 ff. = wistra 1996, 356 f. = NStZ-RR 1997, 20 f. = VRS 92 [1997], 238 ff.).

bb) Allein ein Wechsel der Schuldform bei zeitlich ununterbrochener Aufrechterhaltung des bußgeldbewehrten rechtswidrigen Verhaltens vermag jedoch bei einer hier gegebenen Dauerordnungswidrigkeit an der Einheitlichkeit der Tat als solcher mangels entsprechender 'Zäsur' nichts zu ändern, weshalb das Amtsgericht schon im Rahmen des Schuldspruchs nur von einer Tat des Betroffenen hätte ausgehen dürfen (BayObLGSt 1980, 13 ff. = VRS 59 [1980], 195 ff. = DAR 1980, 279 f. = MDR 1980, 867 f. = VerkMitt. 1980, Nr. 109; BayObLG, Beschluss vom 29.04.1982 - 2 Ob OWi 53/82 = MDR 1982, 781 = VRS 63 [1982], 221 f.; OLG Koblenz VRS 102 [2002], 291 ff.; vgl. auch Göhler/Gürtler OWiG 16. Aufl. vor § 19 Rn. 18 und KK/Bohnert OWiG 3. Aufl. § 19 Rn. 39, jeweils m.w.N.).

III.

Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache wird daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Allerdings können die bisherigen - lediglich unvollständigen, im Übrigen aber rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen bestehen bleiben (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Verhandlung sind deshalb ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

IV.

Die Entscheidung ergeht durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

V.

Gemäß §§ 80 a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG entscheidet der Senat einheitlich (Göhler/Se/fz § 80 a Rn. 3 m.w.N.) in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden.