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Oberlandesgericht Bamberg

Entscheidung vom 07.01.2013, Az.: 6 W 51/12

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Coburg vom 06.11.2012 abgeändert:

Der Streitwert des Rechtsstreits wird einheitlich auf 59.469,80 € festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 06.03.2012 folgenden Antrag angekündigt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 59.469,80 € nebst Zinsen zu zahlen.

Den angekündigten Zahlungsantrag hat die Klägerin auf die den Rechnungen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 zugrunde liegenden Kaufverträge gestützt. Mit Schriftsatz vom 06.08.2012 hat die Klägerin unter anderem infolge des Erfüllungseinwandes der Beklagten ihr Vorbringen teilweise abgeändert und den beanspruchten Zahlbetrag reduziert. Geltend gemacht hat sie nunmehr Forderungen aus den Rechnungen Nr. 5, Nr. 6 sowie Nr. 4 und im Termin zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.908,50 € nebst Zinsen zu zahlen.

Das Landgericht Coburg hat mit Teil-Versäumnis- und Endurteil vom 18.10.2012 die Klage insgesamt abgewiesen. Der von der Klägerin ursprünglich schriftsätzlich angekündigte Zahlungsantrag wurde auf Antrag der Beklagten teilweise (Forderungen aus den Rechnungen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3) per Teil-Versäumnisurteil rechtskräftig abgewiesen, da die Klägerin diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt hat. Den auf Rechnung Nummer 4 gestützten Klageanspruch in Höhe von 11.997 € hat das Landgericht rechtskräftig aberkannt, da die Beklagte insoweit wirksam die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt habe. Die auf die Rechnungen Nr. 5 und Nr. 6 bezogene Klageänderung hat es als unzulässig erachtet, da weder eine Einwilligung der Beklagten zur Klageänderung vorgelegen habe, noch die Klageänderung als sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO zu werten sei. Auch diesbezüglich hat die Klägerseite kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit Beschluss vom 06.11.2012 hat das Landgericht Coburg den Streitwert des Rechtsstreits bis zum 06.08.2012 auf 59.469,80 € und ab dem 06.08.2012 auf 34.908,50 € festgesetzt. Eine Erhöhung des Streitwerts scheide aus, soweit über den ursprünglich gestellten Antrag kein Sachurteil mehr erlassen worden sei.

Hiergegen hat der anwaltliche Vertreter der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.11.2012, eingegangen beim Landgericht Coburg am 15.11.2012, Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass der Streitwert ab der mündlichen Verhandlung auf 82.381,30 € festgesetzt werde. Er ist der Ansicht, dass eine Streitwerterhöhung zwar nicht eintrete, soweit sich die Forderungen der beiden Anträge decken (Rechnung Nr. 4 in Höhe von 11.997 €). Im übrigen jedoch seien die Werte gemäß § 39 Abs. 1 GKG, § 22 Abs. 1 RVG zu addieren, da die Klageänderung den bisherigen Klageantrag erst mit Einwilligung der Beklagten oder mit Bejahung der Sachdienlichkeit verdränge. Da dies nicht der Fall sei, sei die ursprüngliche Klage Prozessstoff geblieben und sowohl über den ursprünglichen Antrag als auch über die unzulässige Klageänderung verhandelt und eine Entscheidung getroffen worden.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzlich vorgenommene Festsetzung des Streitwerts. Sie habe ihr Klagebegehren lediglich eingeschränkt, d.h. die Klageforderung reduziert und im Übrigen die Klage wirksam zurückgenommen. Somit lägen infolge der Klageänderung keine zwei verschiedenen Sachanträge vor. Das Interesse der Klägerin habe sich nur auf eine Verurteilung zur Zahlung bezogen. Mit Schriftsatz vom 06.08.2012 habe sie unmissverständlich klargestellt, mit welchen Tatsachen sie ihr Klagebegehren, d.h. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 34.908,50 €, begründe.

Das Landgericht Coburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.12.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Eine Zusammenrechnung der Ansprüche nach § 39 GKG scheide aus, weil die Klagepartei die Ansprüche ersichtlich nicht nebeneinander geltend gemacht habe. Der Streitwert könne nicht anders bestimmt werden als beim Vorliegen einer (eindeutigen und klaren) Prozesserklärung zur Teilrücknahme oder bei einer zulässigen Klageänderung. Bei einer unzulässigen Teiländerung der Klage scheide eine Zusammenrechnung der Gegenstände aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts Coburg verwiesen.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- (§ 68 Abs. 1 S. 5, § 66 Abs. 5 GKG) und fristgerecht (§ 68 Abs. 1 S. 3 Halbs. 1, § 63 Abs. 3 S. 2 GKG) eingelegt. Der anwaltliche Vertreter der Beklagten kann sich bei einer zu niedrigen Festsetzung des Streitwertes im eigenen Namen hiergegen mit der Beschwerde zur Wehr setzen (Meyer, GKG/FamGKG 2012, 13. Auflage, § 68 Rn. 7 m.w.N.).

2.

Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.

a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 06.08.2012 nicht nur den Klageantrag geändert, sondern diesen auch teilweise auf neue Lebenssachverhalte gestützt, indem sie ihn mit Hilfe anderer als in der ursprünglichen Klageschrift genannter Rechnungen, die sich auch auf bis dahin nicht streitgegenständliche Lieferungen bezogen haben, begründet hat. Die angestrebte Klageänderung hat das Landgericht Coburg in dem mittlerweile rechtskräftigen Teil-Versäumnis- und Endurteil als unzulässig angesehen.

Die Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage endet - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - mit der Zulassung der Klageänderung bzw. der Zustimmung der Beklagtenseite (Zöller/Greger, ZPO, § 263 Rn. 16 mit Hinweis auf BGH NJW 1990, 2682; BGH NJW 1992, 2235/6). Beide Fälle sind vorliegend nicht gegeben. Von einer wirksamen Klagerücknahme ist das Landgericht ebenso nicht ausgegangen. Dies führte konsequenterweise zu der Annahme des Landgerichts, dass der ursprünglich angekündigte Antrag weiterhin rechtshängig blieb, und mangels Antragstellung durch die Klägerseite zur Zurückweisung des Antrags per Versäumnisentscheidung. Das Landgericht hat somit auch sachlich über die ursprüngliche Klage entschieden (Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 17 mit Hinweis auf BGH NJW 1988, 128). Hieraus folgt ebenso, dass der Streitwert aufgrund der mit Schriftsatz vom 06.08.2012 beabsichtigten Klageänderung nicht reduziert wurde.

b) Jedoch werden durch den erfolglosen Versuch, im Wege der Klageerweiterung einen höheren - oder wie hier (teilweise zusätzlich) einen anderen - Anspruch geltend zu machen, keine Mehrkosten ausgelöst.

Das Landgericht Coburg hat über den geänderten - und damit angesichts der fortwirkenden Rechtshängigkeit des ursprünglichen Antrags weiteren - Klageantrag keine Entscheidung getroffen. Die Klage ist insoweit weder als unzulässig abgewiesen, noch ist eine Sachentscheidung erlassen worden. Mit rechtskräftiger Verneinung der Zulässigkeit der Klageänderung endet die Rechtshängigkeit des neuen Streitgegenstands rückwirkend (Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 16).

Für einen solchen Fall ist anerkannt, dass die Nichtzulassung keine besonderen Gebühren auslöst. Dies gilt auch, wenn sie nicht in einem gesonderten Zwischenurteil, sondern im Endurteil erfolgt. Es entstehen weder besondere Gerichtsgebühren noch Mehrkosten im Verhältnis zwischen Anwalt und Partei (OLG Schleswig AGS 2002, 64 = WM 2002, 859; Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 18). Da die nachträgliche Klageerweiterung von der prozessualen Bedingung der Einwilligung des Gegners oder aber der Zulassung als sachdienlich abhängig ist, ist die nicht zugelassene Klageerweiterung wie ein Eventualantrag zu behandeln, über den - mangels Eintritts der Bedingung - keine Entscheidung getroffen wird (OLG Schleswig, a.a.O.). In Anlehnung an § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist es deshalb nicht veranlasst, für den mit Schriftsatz vom 06.08.2012 eingereichten Antrag einen zusätzlichen Wert in Ansatz zu bringen.

c) An der Einschätzung des Senats kann auch die vom Beschwerdeführer zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung herangezogene Literaturansicht nichts ändern. So vertritt auch Blomeyer (JuS 1970, 233) die Auffassung, dass über eine erfolglos versuchte Klageänderung entweder in einem Zwischenurteil oder erst im Endurteil - wenn auch nicht ausdrücklich im Tenor - zu entscheiden sei und dass dies gerade keine Mehrkosten verursache (Blomeyer, a.a.O., Fußnote 49 mit Hinweis auf Tschischgale NJW 1962, 2136). Wenn dagegen der neue Anspruch als wirksam erhoben gelte, die Klage aber als unzulässig abgewiesen werde, sei die Annahme konsequent, dass Mehrkosten entstehen (ebenso Schwab ZZP 91, 493, 494, nach dessen Auffassung der neue Anspruch allerdings als unzulässig abzuweisen sei). Da jedoch - wie zuvor dargestellt - die erfolglose Klageänderung nicht zu einer Abweisung des Klageantrags vom 06.08.2012 als unzulässig führt, was vom Landgericht Coburg auch beachtet wurde, besteht schon kein echter Widerspruch zu der vom Beklagten angeführten Literaturansicht.

d) Soweit der auf Rechnung Nummer 4 gestützte Klageantrag in Höhe von 11.997 € als unbegründet abgewiesen wurde, handelt es sich um einen bereits in der ursprünglichen Klageschrift vom 06.03.2012 behaupteten Anspruch, der weiter verfolgt wurde. Eine Streitwerterhöhung scheidet folglich aus. Die von der Beklagten gegen diese Forderung geltend gemachte Aufrechnung ist als sogenannte Primäraufrechnung bei der Bemessung des Streitwerts ebenfalls nicht zu berücksichtigen. § 45 Abs. 3 GKG setzt ausdrücklich eine Hilfsaufrechnung voraus (Meyer, a.a.O., § 45 Rn. 30).

3.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gemäß § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Eine weitere Beschwerde findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 S. 5, § 66 Abs. 4 GKG). Ebenso scheidet eine Rechtsbeschwerde aus (Meyer, a.a.O., § 68 Rn 15; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 68 GKG, Rn. 19).