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Oberlandesgericht Bamberg

Entscheidung vom 24.03.2010, Az.: 7 UF 275/08

Tenor

I. Auf die Berufungen der Klägerin und des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Würzburg vom 29.9.2008 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.400,00 Euro zu bezahlen und zwar wie folgt: a) 10.200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus:

- 1.500,00 Euro seit dem 16.10.2007

- 300,00 Euro seit dem 1.11.2007

- 300,00 Euro seit dem 1.12.2007

- 300,00 Euro seit dem 1.1.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.2.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.3.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.4.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.5.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.6.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.7.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.8.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.9.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.10.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.11.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.12.2008

- 300,00 Euro seit dem 1.1.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.2.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.3.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.4.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.5.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.6.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.7.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.8.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.9.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.10.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.11.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.12.2009

- 300,00 Euro seit dem 1.1.2010

- 300,00 Euro seit dem 1.2.2010

- 300,00 Euro seit dem 1.3.2010

b) monatliche Raten in Höhe von 300,00 Euro, beginnend ab 1.4.2010 bis 31.5.2013.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Klägerin zu 7/8, der Beklagte zu 1/8 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 14/15, der Beklagte zu 1/15 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 110.600,00 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Erfüllung eines Morgengabeversprechens. Das Amtsgericht - Familiengericht - Würzburg hat den Beklagten mit Endurteil vom 29.9.2008 verurteilt, an die Klägerin 21.600,00 Euro zu bezahlen, wobei ein Teilbetrag von 4.800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 16.10.2007 zuerkannt worden ist, der restliche Betrag in monatlichen Raten von 300,00 Euro, beginnend ab 1.10.2008 bis 31.5.2013. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Endurteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen das Endurteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Klägerin fordert unter Abänderung des Ersturteils Zahlung in Höhe von 150.000,00 US-Dollar nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2007. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte an die vertragliche Vereinbarung gebunden sei, weil Verträge zu halten sind. Eine Herabsetzung der Morgengabe sei weder wegen geringer Ehedauer noch aus Gründen des ordre public möglich. Dem Beklagten sei die Zahlung auch zuzumuten. Er sei Zahnarzt und verdiene sehr gut. Zudem habe der Beklagte der Klägerin den vereinbarten Betrag unter Berücksichtigung seiner Konkurrenten und der Besonderheiten der Klägerin bewusst angeboten, um die Zustimmung zur Vermählung zu bekommen. Hätte der Beklagte von Anfang an die Morgengabe in dieser Höhe nicht zahlen können und dies der Klägerin mitgeteilt, dann wäre die Vermählung nicht zu Stande gekommen. Diese Täuschungshandlung habe das Erstgericht nicht berücksichtigt.

Der Beklagte begehrt die Abänderung des Ersturteils und Abweisung der Klage, soweit die Klägerin mehr als 14.400,00 Euro, zahlbar in Raten von 300,00 Euro ab dem 1.9.2007 bis zum 31.8.2011 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab der jeweiligen Fälligkeit fordert. Der vom Erstgericht ausgeurteilte Betrag sei schon deshalb zu hoch, weil das Erstgericht von einer Ehedauer von sechs Jahren ausgegangen ist, der Beklagte aber erst zwei Jahre nach der Eheschließung durch einen Vertreter anlässlich der Hochzeitsfeier im August 2003 sein Einverständnis zur Heirat erteilt habe, so dass die Ehe bis zur Rechtskraft der Scheidung nur vier Jahre gedauert habe. Dann wären bei Raten von 300,00 Euro monatlich insgesamt nur 14.400,00 Euro geschuldet. Nach deutschem Recht wäre zudem kein nachehelicher Unterhalt geschuldet, da die Ehe von der Hochzeitsfeier im August 2003 bis zur Zustellung des Scheidungsantrags am 25.7.2005 keine zwei Jahre gedauert habe. Nach deutschem Recht könnten deshalb allenfalls 7.200,00 Euro verlangt werden. Eine Morgengabe in Höhe von 150.000,00 US-Dollar habe der Beklagte nicht gewollt. Er habe von diesem Betrag erst während der Hochzeitsfeier erfahren und auf Vorhalt, dass ein solcher Betrag von ihm gar nicht bezahlt werden könne, von dem Brautvater zu verstehen bekommen, dass eine solche Morgengabe gar nicht gezahlt werden müsse. Zudem sei die Einhaltung der Formalien hinsichtlich der Vereinbarung der Morgengabe zweifelhaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 16.9.2009 Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 16.9.2009 angehört (Protokoll Bl. 163-166 d. A.) und mit Beweisbeschluss vom 28.10.2009 (Bl. 175-176 d. A.) ein Rechtsgutachen über die Höhe einer üblichen Morgengabe nach Art. 99 Satz 2 des Afghanischen Zivilgesetzbuchs erholt. Auf das Rechtsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 20.11.2009 und sein ergänzendes Schreiben vom 23.11.2009 (Bl. 184 ff., 193 d. A.) wird Bezug genommen. Auf Antrag der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 11.2.2010 (Bl. 213 d. A.) eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

II.

Die Berufung der Klägerin ist - mit Ausnahme zusätzlicher Verzugszinsen aus weiteren, im Verlauf des Rechtsstreits fällig gewordenen Raten - unbegründet. Die Berufung des Beklagten hingegen ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten keine höhere Zahlung als 14.400,00 Euro verlangen zuzüglich der Zinsen aus den bereits fällig gewordenen Raten zu je 300,00 Euro.

Zur Begründung ist in der gebotenen Kürze (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) auszuführen:

1) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Morgengabe (mahr) richtet sich nach dem afghanischen Recht, weil beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung afghanische Staatsangehörige waren, so dass sowohl die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut gemäß Art. 14 EGBGB, als auch an das Güterrechtsstatut gemäß Art. 15 EGBGB sowie an das Recht, nach dem die Ehe der Parteien geschieden wurde (Art. 18 Abs. 4 EGBGB), zur Maßgeblichkeit des Afghanischen Rechts führen (Rechtsauskunft Prof. Dr. E. vom 5.12.2007 Seite 3 Bl. 24 d. A.). Auf die in Rechtsprechung und Literatur bislang kontrovers diskutierte Frage der kollisionsrechtlichen Einordnung der Morgengabe, die vom Bundesgerichtshof erst jüngst zu Gunsten des Ehewirkungsstatuts entschieden worden ist (Urteil vom 9.12.2009, XII ZR 107/08, vorgesehen zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung), kommt es daher nicht an.

2) Die Klägerin hat unabhängig davon, ob bei der Eheschließung in Pakistan eine wirksame Morgengabevereinbarung getroffen wurde, aus der unstreitig vollzogenen Ehe einen Anspruch auf Zahlung einer Morgengabe. Gemäß Art. 99 Satz 2 des Afghanischen Zivilgesetzbuchs ist dann, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung die Morgengabe nicht bestimmt ist oder ausgeschlossen wurde, die übliche Morgengabe (mahr messel) geschuldet.

3) Die Höhe der von der Klägerin zu beanspruchenden Morgengabe übersteigt die von der Berufung des Beklagten nicht angegriffene Verurteilung zu einer ratenweisen Zahlung in Höhe von 14.400,00 Euro, davon zur Zeit der Entscheidung des Senats bereits fällig 10.200,00 Euro, nicht.

12Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung anlässlich der Eheschließung zwischen den Parteien nach dem insoweit maßgeblichen afghanischen Recht wirksam zu Stande gekommen ist oder nicht. Denn auch im Fall einer Vereinbarung einer Morgengabe in Höhe von 150.000,00 US Dollar wäre wegen der von dem Senat zu beachtenden Vereinbarkeit des afghanischen Rechts mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public, Art. 6 EGBGB) kein höherer Betrag zuzusprechen als derjenige, welcher unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Beteiligten üblich ist (E., Rechtsauskunft vom 5.12.2007, Seite 6 unter Hinweis auf E., Festschrift für Sonnenberger, Seite 399). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Brautgabe in exzessiver Höhe zum finanziellen Ruin des Ehemannes führen oder ihn auf längere Zeit durch unzumutbare finanzielle Lasten derart binden könnte, dass ihm die Möglichkeit einer Scheidung und einer anschließenden Wiederverheiratung entgegen dem Grundrecht der Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) genommen wäre.

Im hier zu entscheidenden Einzelfall ist der Beklagte, der bei der Eheschließung noch Student war, trotz seiner mittlerweile abgeschlossenen Ausbildung und Tätigkeit als angestellter Zahnarzt nicht in der Lage, aus seinem Vermögen die geforderte Brautgabe von 150.000,00 US-Dollar zu zahlen oder diesen Betrag aus seinen Einkünften in wenigen Jahren abzuzahlen. Der Senat ist daher der Auffassung, dass eine Begrenzung auf das übliche Maß der Morgengabe nach Art. 99 Satz 2 Afghanisches Zivilgesetzbuch geboten ist. Dabei erscheint für die Frage der Zumutbarkeit von langwierigen finanziellen Einschränkungen des Beklagten durch Ratenzahlungen auch der Umstand von Bedeutung, dass die Ehe der Parteien seit der Hochzeitszeremonie, mit der das Zusammenleben der Parteien begann, und bis zur Zustellung des Scheidungsantrags nur knapp zwei Jahre dauerte.

Das Rechtsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. ist hinsichtlich der Höhe der üblichen Morgengabe zu dem Ergebnis gekommen, dass Rechtsgewohnheiten zur üblichen Höhe einer Brautgabe in Afghanistan nicht zu ermitteln sind. Für den Fall, dass die Parteien Schiiten sind, betrage die Höhe der üblichen Brautgabe jedoch eindeutig bestimmt 500 Dirham, was etwa 1.069,00 Euro entspreche (Gutachten Seite 8 Bl. 191 d. A.). Sollten die Parteien Sunniten sein, so sei Kriterium für die Bestimmung der üblichen Brautgabe die soziale Stellung der Familie der Ehefrau, ihre persönlichen Qualifikationen (Alter der Ehefrau zur Zeit der Heirat, ihre Schönheit, ihr eigenes Vermögen, die Landes- und Zeitverhältnisse, ihre Geistesgaben, Jungfräulichkeit, ihre Tugend und Frömmigkeit), Höhe der Brautgaben ihrer Schwestern zum Vergleich, das Vermögen des Vaters der Braut (zur Zeit der Eheschließung) und auch der Status des Ehemannes und dessen Vermögen wiederum zur Zeit der Heirat, wobei jedoch keine feste Regel hinsichtlich des Betrags der üblichen Brautgabe im Einzelfall bestehe (Gutachten Seite 6, 8 Bl. 189, 191 d. A.). Mit weiterem Schreiben vom 23.11.2009 hatte der Sachverständige nachgetragen, dass er in einem rund 40 Jahre alten Beleg der rechtsethnologischen Literatur Angaben zu Brautgaben in Höhe von umgerechnet 800,00 DM und auch einmal bei Wohlhabenden von 4.000,00 DM in den Jahren 1970/1971 gefunden habe, wobei es sich jedoch nicht um die übliche Brautgabe gehandelt habe (Bl. 193 d. A.).

Die religiöse Zugehörigkeit der Parteien kann letztlich dahin gestellt bleiben. Auch wenn die Parteien, wie von dem Beklagten ausgeführt, Sunniten und nicht Schiiten sein sollten, sind von der Klägerin keine Umstände substantiiert vorgetragen, dass sie so vermögend wäre, dass ein höherer Betrag als der von dem Sachverständigen ermittelte von 4.000,00 DM im Jahr 1970/71 für Wohlhabende angemessen wäre. Ein solcher Betrag wäre im Hinblick auf die Zeitdauer von 40 Jahren und der zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung angemessen nach oben zu korrigieren auf rund 6.000,00 Euro (Preisindex auf der Basis der allgemeinen Verbraucherpreise in Deutschland im Jahr 2005 für 1970 von 35,2, für 2008 von 106,6). Eine weitergehende Forderung als die von dem Beklagten nicht angegriffenen Ratenzahlungen von insgesamt 14.400,00 Euro erscheint jedoch nach Auffassung des Senats auch unter Beachtung der beiderseitigen Verhältnisse der Parteien und der Ausführungen des Rechtssachverständigen Prof. Dr. H. zu den afghanischen Rechtsgepflogenheiten der Morgengabe nicht geschuldet.

4) Soweit die Stadt D. wegen der von der Klägerin bezogenen Sozialleistungen auf einen möglichen Forderungsübergang hingewiesen hat, wirkt sich dies auf die Entscheidung des Senats schon deshalb nicht aus, weil der von dem Senat letztlich zugesprochene Betrag der Morgengabe zwischen den Parteien in der Berufung nicht mehr im Streit stand und deshalb auch nicht aufgrund der Berufung des Beklagten abgewiesen werden konnte.

5) Der Auffassung des Senats stehen auch nicht die von dem Klägervertreter zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg vom 29.5.2008 (10 UF 83/06, Vorinstanz zu der bereits genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.12.2009) und Stuttgart vom 3.11.2008 (17 UF 155/08, NJW RR 2009, 585) entgegen. Beide Entscheidungen befassen sich mit einer Morgengabe nach dem iranischen Recht. Zu den vorliegend aufgeworfenen Fragen des afghanischen Rechts äußern sich die Entscheidungen nicht.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97 (Kosten) und § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 543 Abs. Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Soweit in der Rechtsprechung die kollisionsrechtliche Anknüpfung der Morgengabe bislang unterschiedlich behandelt wird, ist dies zum einen nicht entscheidungserheblich. Zum anderen ist nunmehr eine Klärung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.12.2009 erfolgt.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens errechnet sich nach der Festsetzung des ersten Rechtszugs in Höhe von 115.000,00 Euro abzüglich 14.400,00 Euro für den von der Berufung des Beklagten nicht angegriffenen Teil, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.