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Oberlandesgericht Oldenburg

Entscheidung vom 23.08.2011, Az.: 13 U 59/11

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. April 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.899 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe der im Fahrzeug Peugeot, amtliches Kennzeichen …, eingebauten LPG-Autogasanlage des Herstellers K. mit den Komponenten Verdampferdruckregler Genehmigungsnummer … und LPG-Steuergerät mit der Genehmigungsnummer …

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der zu 1 genannten Autogasanlage in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ausbaukosten in Höhe von 1.122,41 € zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.216,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem  21. März 2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 446,13 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den in erster Instanz entstandenen Kosten haben die Klägerin 27 % und die Beklagte 73 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 22 % und der Beklagten zu 78 % zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin ließ im April 2008 von der Beklagten zum Preis von 1.899 € eine LPG-Autogasanlage in ihren Pkw Peugeot 206 einbauen. Anschließend wurde das Fahrzeug mehrfach wieder bei der Beklagten vorgestellt. Dabei wurden Einstellarbeiten an der Anlage vorgenommen und unter anderem die Einspritzdüsen ausgetauscht. Wegen anhaltender Probleme bei Nutzung des Fahrzeugs im Gasbetrieb holte die Klägerin im Januar 2009 ein Privatgutachten ein. Im März 2009 beantragte sie die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Auf Anregung des im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen ließ die Klägerin im November 2009 von einem anderen Unternehmen ein neues Steuergerät für die Gasanlage einbauen. Auch danach kam es aber zu Problemen im Gasbetrieb. Dies wurde vom Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren im Ergänzungsgutachten vom 15. Februar 2010 festgestellt. Die Klägerin verlangte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 10. März 2010 unter anderem die Rückzahlung des gezahlten Entgelts Zug um Zug gegen Herausgabe der Gasanlage, was von der Beklagten abgelehnt wurde.

Mit der Klage hat die Klägerin die Rückabwicklung des Vertrages und Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Dabei hat sie neben den infolge der (versuchten) Mangelbeseitigung und Mangelerforschung entstandenen Kosten sowie den Ausbaukosten auch Ersatz dafür verlangt, dass sie das Fahrzeug nur im Benzinbetrieb habe nutzen können, wodurch Mehrkosten in Höhe von 1.586,79 € entstanden seien. Sie hat im Wesentlichen beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 1.899 € nebst Zinsen (Zug um Zug gegen Herausgabe der Autogasanlage), Ausbaukosten in Höhe von 1.122,41 €, weitere Beträge von 1.940,40 € (darin enthalten 723,71 € für Mehrkosten im Benzinbetrieb) und 863,08 € (Mehrkosten im Benzinbetrieb) nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 489,45 € zu zahlen.

Wegen der Feststellungen und der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), mit dem das Landgericht der Klage ganz überwiegend stattgegeben hat. Lediglich im Hinblick auf die im Benzinbetrieb entstandenen Mehrkosten hat das Landgericht nur einen Betrag von insgesamt 1.200 € für begründet erachtet und die Klage wegen des darüber hinaus gehenden Betrages (386,79 €) abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet. Nur der vom Landgericht zuerkannte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.200 € wegen der fehlenden Möglichkeit, das Auto im - sparsamen - Gasbetrieb zu fahren, steht der Klägerin nicht zu. Im Übrigen ist das angefochtene Urteil zutreffend.

71. Mit Recht hat das Landgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über den Einbau der LPG-Autogasanlage als Werkvertrag und nicht als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung angesehen (zur Abgrenzung siehe BGH, Urteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, NJW-RR 2004, 850, unter II 1). Auch wenn es sich, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung insoweit ausführt, um die Montage einer serienmäßig hergestellten Anlage handelt, stellt diese Maßnahme nach Auffassung des Senats einen grundlegenden Eingriff in die Technik des Fahrzeugs dar, die wichtige Anpassungsarbeiten erforderlich macht - gleichsam eine 'Operation am offenen Herzen'. Deswegen wird, anders als die Beklagte annimmt, das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses wesentlich durch die geschuldete Montageleistung geprägt (so auch OLG Hamm, NJW-RR 2010, 1213; LG Stendal, Urteil vom 20. Januar 2009 - 23 O 437/07, juris, Rn. 16).

2. Fehlerfrei hat das Landgericht auch angenommen, dass die von der Beklagten erbrachte Werkleistung mangelhaft war (§§ 633, 634 BGB). Der Sachverständige I. ist schließlich zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass das Fahrzeug mit der montierten Gasanlage nicht einwandfrei zu betreiben, ein störungsfreier Gasbetrieb nicht möglich und eine Rückrüstung der Anlage unumgänglich ist. Die Probleme mit der Gasanlage sind vom Sachverständigen in nachvollziehbarer Weise festgestellt und dargelegt worden. Dass die Feststellungen des Sachverständigen auch auf Schilderungen des Zeugen B…, des Stiefsohns der Klägerin, und auf von diesem gefertigte Handy-Video-Aufnahmen beruhen, ist nicht zu beanstanden. Aus der Aussage des Zeugen B… ergibt sich auch, dass die Probleme von Anfang an bestanden haben, also nicht etwa erst durch spätere Maßnahmen, insbesondere den Tausch des Steuergeräts im November 2009, verursacht wurden.

3. Die Klägerin konnte deshalb gemäß §§ 634 Nr. 3, 636 BGB vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist - konkludent - durch das Rückabwicklungsverlangen im Schreiben vom 10. März 2010 erklärt worden. Soweit, was unklar ist, bereits zuvor ein Rücktritt durch Schreiben vom 18. Februar 2009 erfolgt sein sollte (das trägt die Beklagte - erstmals - mit der Berufungsbegründung vor), hat die Klägerin davon durch den im November 2009 von einer Drittfirma unternommenen Mangelbeseitigungsversuch (Einbau eines neuen Steuergeräts) Abstand genommen. An einem (erneuten) Rücktritt nach dem Scheitern dieses Mangelbeseitigungsversuchs im Wege der Selbstvornahme (§ 637 BGB) war sie indessen nicht gehindert (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 634 Rn. 4 m.w.N.). Einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung bedurfte es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 326 Abs. 5 BGB nicht, weil es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen um einen unbehebbaren Mangel handelt (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 326 Rn. 18 m.w.N.).

4. Aufgrund des Rücktritts kann die Klägerin gemäß §§ 346, 348 BGB Rückzahlung des Werklohns in Höhe von 1.899 € Zug um Zug gegen Herausgabe der Gasanlage verlangen.

5. Auch die - allein im Hinblick auf die vollstreckungsrechtliche Regelung des § 756 Abs. 1 ZPO relevante - Feststellung, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme der Gasanlage in Annahmeverzug befindet, ist mit Recht erfolgt. Die Klägerin muss die von der Beklagten montierte Gasanlage zurückgeben. Sie muss den dazu erforderlichen Ausbau aber nicht durch die Beklagte vornehmen lassen, sondern kann von der Beklagten die Erstattung der Ausbaukosten verlangen (siehe dazu sogleich unter 6). Diesen Anspruch hat die Klägerin mit dem Aufforderungsschreiben vom 10. März 2010 - neben der Rückzahlung des Werklohns - auch geltend gemacht. Die Beklagte hat allerdings bisher die Zahlung verweigert und damit eine für die Rücknahme der Gasanlage notwendige Mitwirkungshandlung nicht erbracht.

6. Die Ausbaukosten in Höhe von 1.122,41 €, also die Kosten für die Beseitigung des mangelhaften Werks, kann die Klägerin als Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB verlangen (vgl. Palandt/Sprau, aaO, § 634 Rn. 8).

7. Der vom Landgericht weiter zugesprochene Betrag von 1.936,69 € setzt sich wie folgt zusammen:

1. TÜV-Vorstellung (neue Einspritzdüsen bei Einstellungsarbeiten)36,79 €2. Zulassungsbescheinigung (neue Einspritzdüsen bei Einstellungsarbeiten)11,70 €3. zerschnittene Motorabdeckung49,20 €4. Gutachterkosten (Privatgutachten)  1.032,10 €5. TÜV-Vorstellung (nach Einbau der Anlage im April 2008)14,90 €6. Eintragung in Fahrzeugpapiere (nach Einbau der Anlage im April 2008) 12,00 €7. restliche Kosten für Austausch des Steuergeräts60,00 €8. Mehrkosten für Benzinbetrieb (Teilbetrag von insgesamt 1.200 €)720,00 €    Summe1.936,69 €a) Hinsichtlich der Positionen 1 bis 4 handelt sich insgesamt um Kosten der (versuchten) Mangelbeseitigung oder Mangelerforschung, die gemäß § 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatz neben der Leistung verlangt werden können. Es ist nicht ersichtlich, warum die Gutachterkosten, wie die Beklagte meint, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient haben sollen.

b) Bei den Positionen 5 und 6 handelt es sich um - gemäß § 284 BGB erstattungsfähige - vergebliche Aufwendungen.

c) Der Anspruch im Hinblick auf Position 7 ergibt sich nach Auffassung des Senats aus § 280 Abs. 1 BGB (fehlgeschlagener Mangelbeseitigungsversuch).

d) Im Hinblick auf Position 8 (Mehrkosten für Benzinbetrieb) wird auf die nachstehenden Ausführungen (unter 8) verwiesen.

8. Das Landgericht hat der Klägerin einen Betrag von insgesamt 1.200 € (720 € + 480 €) zugesprochen, weil der Betrieb des Fahrzeugs mit Benzin statt mit Gas Mehrkosten verursacht habe. Dies hält einer Überprüfung nicht stand.

20Der Ausgangspunkt des Landgerichts ist allerdings zutreffend. Die Klägerin kann gemäß § 325 BGB neben den aus dem Rücktritt folgenden Rückabwicklungsanspruch Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB verlangen. Sie kann auch nach dem Erlöschen ihrer Erfüllungsansprüche verlangen, vermögensmäßig so gestellt zu werden, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426, Rn. 13, 18; Palandt/Grüneberg, aaO, § 281 Rn. 17; jeweils m.w.N.). Das Landgericht hat dazu zutreffend festgestellt, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung, also dem Einbau einer funktionierenden Gasanlage und dem dadurch möglichen Betrieb des Fahrzeugs mit Gas geringere Treibstoffkosten entstanden wären. Dies hätte zu einer Ersparnis geführt, die regelmäßig alleiniger Beweggrund des Kunden ist, der sich für den Einbau einer Autogasanlage entscheidet. Wenn der Kunde das Fahrzeug, wie hier, infolge eines Mangels der Autogasanlage nicht im Gasbetrieb, sondern nur im Benzinbetrieb nutzen konnte, hat er die angestrebte Ersparnis und damit das von ihm mit dem Einbau der Autogasanlage verfolgte Ziel nicht erreicht. Deshalb kann er verlangen so gestellt zu werden, als wäre ein Gasbetrieb möglich und damit eine Ersparnis an Treibstoffkosten zu erzielen gewesen.

Die Klägerin hat dazu Benzinrechnungen über einen Betrag von insgesamt 3.173,57 € vorgelegt und behauptet, die Kosten im Gasbetrieb wären um mindestens 50 % niedriger gewesen. Auf Grundlage dieser Berechnung hat sie einen Betrag von 1.586,79 € als Schaden geltend gemacht. Das Landgericht ist dieser Berechnung bei der Schadensbemessung (§ 287 Abs. 1 ZPO) im Ansatz gefolgt, hat allerdings anhand der durchschnittlichen Preise für Autogas und Benzin im maßgeblichen Zeitraum nur einen Schaden von 1.200 € errechnet. Es bedarf indessen keiner Entscheidung, ob der Berechnung des Landgerichts zu folgen ist. Auch muss nicht geklärt werden, welche Folgen sich hier daraus ergeben, dass die Benzinkosten nicht von der Klägerin selbst, sondern von ihrem Stiefsohn getragen wurden, der das Fahrzeug genutzt hat (die Klägerin hat dazu im Berufungsverfahren vorgetragen, sie habe wegen der höheren Benzinkosten einen Betrag von monatlich 100 € an ihren Stiefsohn gezahlt).

22Denn der Gläubiger, hier die Klägerin, kann zwar gemäß § 325 BGB Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung kombinieren. Er kann also die erbrachte Gegenleistung gemäß § 346 BGB herausverlangen und Schadensersatz statt der Leistung fordern. Er muss sich aber die zurückverlangte Gegenleistung auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen. Der Schaden besteht also in der Differenz zwischen den Werten der gestörten Leistung, hier des Einbaus der Autogasanlage, und der rücktrittsbedingt ersparten Gegenleistung (Schadensberechnung nach der Differenzmethode - vgl. MünchKommBGB/Ernst, 5. Aufl., § 325 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, aaO, § 281 Rn. 22; jeweils m.w.N.). Deshalb liegt im Streitfall auch nach den Berechnungen der Klägerin kein gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB zu erstattender Schaden infolge entgangener Ersparnis von Treibstoffkosten vor. Die Klägerin hat vorgetragen, die Treibstoffkosten seien im Gasbetrieb um 1.586,79 € niedriger gewesen. Sie hat aber eine Gegenleistung von 1.899 € erbracht. Diese kann sie nun infolge des Rücktritts zurückverlangen; bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte die Beklagte das gezahlte Entgelt indessen behalten. Bei der von der Klägerin vorgetragenen Ersparnis hätten die Einbaukosten also die eingesparten Treibstoffkosten überstiegen - die Anlage hätte sich (noch) nicht amortisiert.

Hiernach liegt im Streitfall ein erstattungsfähiger Schaden auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht vor. Deshalb bedarf es auch keiner Erörterung, ob und unter welchen Umständen, gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt, der Kunde unter Berücksichtigung der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) gehalten ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den mit dem Einbau der Anlage erstrebten Einspareffekt doch noch zu erzielen (und welche Folgen dies für die Schadensberechnung hätte, wenn die Maßnahmen - etwa den Einbau einer anderen Autogasanlage - mit weiteren Kosten für den Kunden verbunden wären).

9. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten können - allerdings nur aus einem geringeren Gegenstandswert (Gebührenstufe bis 4.500 €), also in Höhe von 446,13 € - als Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden. Die Zinsforderung ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

10. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.