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Oberverwaltungsgericht Berlin-brandenburg

Entscheidung vom 13.02.2014, Az.: OVG 10 N 111.11

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das ihnen am 7. September 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.000 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in der Nähe eines Sees in der Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ... (…), das u.a. mit einem Wochenendhaus bebaut ist. Sie wenden sich gegen eine Beseitigungsverfügung vom 27. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009, in dem die Beseitigung eines (in einem zum Bescheid gehörenden Lageplan näher beschriebenen) Wintergartens, Carports, Überdachs und Schuppens auf dem vorgenannten Grundstück angeordnet wurde. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Der Erlass der Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig, weil die zu beseitigenden baulichen Anlagen formell illegal ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden seien und sie auch materiell illegal seien. Die planungsrechtlich im Außenbereich (§ 35 BauGB) gelegenen zu beseitigenden Anlagen seien nicht zulässig, da öffentliche Belange entgegen stünden. Es sei die Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedelung zu befürchten (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 7 BauGB). Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Über den Zulassungsantrag kann der Berichterstatter anstelle des Senats entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 87 a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO). Der allein auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Maßgebend für die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts sind allein die innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Diese rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegt auf Grundlage der Darlegungen der Kläger nicht vor. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, juris Rn 16; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - OVG 10 N 90.10 -, LKV 2014, 36, juris Rn.5). Bei der Beurteilung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat das Oberverwaltungsgericht auch solche nach materiellem Recht entscheidungserhebliche und von dem Antragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bis zur Entscheidung über den Zulassungsantrag eingetreten sind (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 – BVerwG 7 AV 2/03 –, NVwZ 2004, juris Ls.). Hat der Antragsteller hingegen mit Blick auf eine bevorstehende Änderung der Rechtslage vor Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt, ist diese Rechtsänderung aber auf Grundlage der Darlegungen des Antragstellers nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag nicht eingetreten, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Nach diesem Maßstab ist das Vorbringen der Kläger nicht geeignet, das angefochtene Urteil ernstlich in Zweifel zu ziehen.

Die Kläger rügen mit Schriftsätzen vom 7. November 2011 und vertiefend mit Schriftsätzen vom 25. September und 25. Oktober 2013 der Sache nach eine bevorstehende Änderung der planungsrechtlichen Rechtslage. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sei „grob ungerecht“, da davon auszugehen sei, dass während des Berufungsverfahrens eine veränderte Rechtslage eintrete. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt … habe zuletzt mit Beschluss vom 4. Juni 2012 im beschleunigten Verfahren die Aufstellung eines Bebauungsplans Nr. 15 „E... B.../T... I...“ beschlossen, der in seiner geänderten Fassung vom August 2013 vom Geltungsbereich auch das Grundstück der Kläger umfasse und dort ein reines Wohngebiet festsetze.

Die Kläger legen damit nicht dar, dass die angegriffene Entscheidung, die davon ausgeht, dass die auf Grundlage von § 74 Abs. 1 BbgBO zu beseitigenden baulichen Anlagen bauplanungsrechtlich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern im Außenbereich (§ 35 BauGB) gelegen sind und danach materiell illegal seien, unrichtig ist.

Zum einen ist nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag die von den Klägern vorgetragene bevorstehende Rechtsänderung nicht eingetreten. Die Kläger haben weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass der Entwurf des Bebauungsplans Nr. 11 „E... B.../T... I...“ von der Gemeinde gemäß § 10 BauGB als Satzung beschlossen wurde und nach ortsüblicher Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Vielmehr befindet sich der Bebauungsplan noch im Aufstellungsverfahren. Die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung findet noch bis zum 6. März 2014 statt (vgl. ... ). Der Ablauf des künftigen Verfahrens ist ungewiss.

Zum anderen wäre für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung selbst eine planungsrechtliche Rechtsänderung durch Inkrafttreten eines Bebauungsplans unmaßgeblich. Nach allgemeinen Grundsätzen kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung nämlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung an (BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992 - BVerwG 4 B 161.92 -, NVwZ 1993, 476, juris Ls. 1; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 15. März 2013 - OVG 10 N 29.11 -; Beschluss vom 28. Februar 2012 - OVG 10 S 32. 11 -, BauR 2012, 990, juris Rn. 8; Beschluss vom 20. Oktober 2006 - OVG 2 N 205.05 -, LKV 2007, 326, juris Rn. 3). Zum Zeitpunkt des Erlasses des behördlichen Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 waren nach der von den Klägern nicht substantiiert angegriffenen Bewertung des Verwaltungsgerichts die zu beseitigenden baulichen Anlagen wegen entgegenstehender öffentlicher Belange nach § 35 BauGB materiell illegal.

Ergänzend sei bemerkt: Sollte künftig eine nachträgliche Änderung der Rechtslage etwa durch Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 11 „E... B.../T... I...“ zugunsten der Kläger eintreten, wäre dies bei einem entsprechenden fristgerechten Antrag im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen. Je nach Lage des Falles kommt auch die Möglichkeit eines ermessensgebundenen Zweitbescheides in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992 - BVerwG 4 B 161.92 -, NVwZ 1993, 476, juris Rn. 7; Bln-Bbg, Beschluss vom 15. März 2013 - OVG 10 N 29.11 -). Soweit die Kläger die auf dieser Rechtslage beruhende angegriffene Entscheidung als „grob ungerecht“ bezeichnen, sei darauf hingewiesen, dass die Kläger den im baulichen Zusammenhang zu ihrem Wochenendhaus errichteten und zu beseitigenden Wintergarten, den Carport, das Überdach und den Schuppen ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet haben. Es stellt insbesondere kein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze dar, wenn die Rechtsordnung den Betroffenen, der ohne bauordnungsrechtlich erforderliche Genehmigung baut, im Fall des tatsächlich künftigen Eintritts einer nachträglichen Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten das Stellen entsprechender Anträge zumutet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 9.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (DVBl 2004 S. 1525), wobei der Senat den Zeitwert der zu beseitigenden Substanz plus Abrisskosten mit dem von den Klägern angegebenen Betrag von 4.000 Euro bemessen hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).