Oberverwaltungsgericht Berlin-brandenburg
Entscheidung vom 09.03.2012, Az.: OVG 12 L 67.11
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2011 und die Verweisung der Sache an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg begehrt, ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Wege der Vorabentscheidung nach § 17 a Abs. 3 GVG angenommen, dass für den vorliegenden Rechtsstreit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass § 17 a GVG im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren nicht anwendbar sei (so Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 41 Vorb § 17 GVG Rn. 20; a.A. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 41 Rn. 4; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 17 GVG Rn. 12 m.w.N.), ist dies nicht entscheidungserheblich, nachdem das Verwaltungsgericht das Prozesskostenhilfeverfahren nicht in einen anderen Rechtsweg verwiesen, sondern auf der Rechtsgrundlage von § 17 a Abs. 3 GVG vorab ausgesprochen hat, dass es den von dem Antragssteller eingeschlagenen Verwaltungsrechtweg für zulässig hält. Das Verwaltungsgericht war verpflichtet, über die von dem Antragsgegner erhobene Rechtswegrüge nach § 17 a Abs. 3 GVG vorab zu entscheiden (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O., § 41 Rn. 29; Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., § 17 Rn. 28).
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist im vorliegenden Streitfall nicht der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO gegeben. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei dem auf Zusendung eines Kontoauszugs durch das Finanzamt gerichteten Auskunftsbegehren um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt. Die Streitigkeit ist auch nicht aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Zuweisungsregelung einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2, Satz 2 VwGO); das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG Bln) enthält keine spezielle Rechtswegzuweisung.
Im Streitfall handelt es sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht um eine Abgabenangelegenheit im Sinne von § 33 Abs. 2 FGO. Auch wenn das ausschließlich auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz gestützte Informationsbegehren einen abgabenrechtlichen Hintergrund hat, geht es dabei nicht um die Verwaltung der Abgaben oder die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden (vgl. Schoch, IFG, Kommentar, § 9 Rn. 68; OVG Hamburg, Beschlüsse vom 16. Februar 2009 – 5 So 31/09 – und vom 21. Dezember 2011 – 5 So 111/11 – juris; zum Auskunftsanspruch eines Insolvenzverwalters auf Zusendung der Jahreskontoauszüge der Insolvenzschuldnerin nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 26. August 2009 – 8 E 1044/09 – und vom 15. Juni 2011 – 8 A 1150/10 – juris). Nach Angabe des Antragsgegners handelt es sich bei dem Kontoauszug um einen Ausdruck von bis dahin lediglich elektronisch erfassten Informationen, die durch das steuerliche Verfahren veranlasst sind. Soweit der Bundesfinanzhof für ein auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG) gestütztes Begehren auf Auskunft über alle in der Vollstreckungsakte dokumentierten Vorgänge und Schriftstücke den Finanzrechtsweg für eröffnet gehalten hat, weil ein abgabenrechtlicher Bezug gegeben sei (BFH, Beschluss vom 10. Februar 2011 – VII B 183/10 – juris Rn. 9), ist dies auf den vorliegenden Streitfall, in dem es lediglich um die Übermittlung eines Kontoauszugs geht, nicht übertragbar. Das Informationsbegehren des Antragstellers betrifft – soweit ersichtlich – weder die Steuererhebung noch die Durchsetzung von Steuerforderungen in einem laufenden Verwaltungs- bzw. Vollstreckungsverfahren. Der Antragsteller macht als Insolvenzverwalter und damit nicht am steuerlichen Verwaltungsverfahren Beteiligter im Sinne des §§ 78, 359 der Abgabenordnung (AO) auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 IFG Bln einen eigenständigen Informationszugangsanspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend, ohne dass dies im Zusammenhang mit einer abgabenrechtlichen Angelegenheit der Insolvenzschuldnerin steht. Ob der Senat der Auffassung des Bundesfinanzhofs folgt, kann daher offen bleiben.
Die Eigenständigkeit des Auskunftsanspruchs nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz gegenüber bereichsspezifischen Vorschriften, denen die Behörden bei der Erledigung ihrer Aufgaben unterliegen, hat der Landesgesetzgeber in der Ausgestaltung der Regelungen über das Verwaltungsverfahren, das die Behörde zur Sachentscheidung verpflichtet, zum Ausdruck gebracht (vgl. §§ 13 ff. IFG Bln). Soweit das Berliner Informationsfreiheitsgesetz – wie das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (vgl. § 9 Abs. 4 IFG) – in § 14 Abs. 3 auf das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO als gesetzliches Vorverfahren verweist, spricht dies für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (zum Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz s. OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2011, a.a.O.; vgl. auch Schoch, IFG, a.a.O., § 9 Rn. 68, 71). Das Verwaltungsgericht weist schließlich zu Recht darauf hin, dass die nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz beanspruchte Akteneinsicht gebührenpflichtig ist (§ 16 IFG Berlin).
Ob dem Antragsteller nach den Vorschriften des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes ein Anspruch auf Übersendung des begehrten Kontoauszugs der Insolvenzschuldnerin zusteht, ist nicht im Rahmen des Verfahrens über die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs zu klären. Maßgeblich ist allein, dass eine Abgabenangelegenheit im Sinne von § 33 Abs. 2 FGO nicht vorliegt (vgl. BFH, a.a.O., Rn. 7). Einen im finanzgerichtlichen Verfahren zu verfolgenden Anspruch auf fehlerfreie Ermessenentscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht (vgl. dazu Schoch, IFG, § 1 Rn. 209; BFH, a.a.O., Rn. 7) hat der Antragsteller gegenüber den Finanzbehörden nicht geltend gemacht. Er hat seinen Antrag ausschließlich auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz gestützt (vgl. Schreiben vom 18. Mai und 1. Juni 2011).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG) nicht.
Gründe für eine Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (§ 17 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG) liegen nicht vor; eine Abweichung von der genannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10. Februar 2011 ist nicht gegeben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 1994 – 4 B 223.93 – NVwZ 1994, 782).