Verwaltungsgericht Arnsberg
Entscheidung vom 28.12.2012, Az.: 12 L 904/12
Tenor
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, unverzüglich die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens 'Für eine zukunftsfähige Schullandschaft' festzustellen.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig - bis zur Erfüllung der einstweiligen Anordnung zu Ziffer 1. - untersagt, ein vorgezogenes Anmeldeverfahren für die von ihr am 3. Juli 2012 beschlossene Errichtung einer Gesamtschule in J entsprechend der Verwaltungspraxis nach dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 6. Mai 1997 durch- bzw. fortzuführen sowie weitere Auftrags- und Planungsleistungen für die Schulerrichtung zu vergeben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem tenorierten Inhalt ist als Antrag der Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens 'Für eine zukunftsfähige Schullandschaft' zu verstehen, denn nur diese - und nicht etwa die Gesamtheit der Unterzeichner eines Bürgerbegehrens oder das Bürgerbegehren selbst - sind berechtigt, die Interessen der Unterzeichner des Begehrens zu vertreten, und im gerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 9. Dezember 1997 - 15 A 974/97 - und vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 -, jeweils abrufbar in JURIS.
Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsschutzantrag bei verständiger Würdigung nur als Antrag der - in der Antragsschrift im Einzelnen aufgeführten - Vertretungsberechtigten selbst angesehen werden, zumal die Ermittlung der 'richtigen' Beteiligten namentlich in kommunalrechtlichen Verfahren mitunter schwierig ist.
Vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG NRW, Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 -, JURIS.
Die Kammer hat daher - wie das OVG NRW in der genannten und von der Antragsgegnerin herangezogenen Entscheidung vom 9. Dezember 1997 - das Rubrum auf die Vertretungsberechtigten persönlich umgestellt.
Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
Gemäß § 123 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs.1 S.2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller muss dabei sowohl das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer sofortigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs.3 VwGO i.V.m. § 920 Abs.2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Hiernach ist das Begehren der Antragsteller zulässig und begründet.
Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem erstrebten Inhalt steht zunächst nicht entgegen, dass das Begehren der Sache nach darauf zielt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes dazu anzuhalten, ab sofort keine dem Bürgerbegehren entgegenstehenden Entscheidungen mehr zu treffen bzw. zu vollziehen, d.h. eine Sperrwirkung des Bürgerbegehrens im Sinne des § 26 Abs. 6 S.6 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen (GO NRW) herbeizuführen.
Gemäß § 26 Abs.6 S.6 GO NRW kommt einem Bürgerbegehren zwar erst dann eine Sperrwirkung im vorbezeichneten Sinne zu, wenn die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den hierfür gemäß § 26 Abs.6 S.1 GO NRW zuständigen Rat der Gemeinde festgestellt ist. Daran fehlt es bislang, denn der Rat der Antragsgegnerin hat es in seiner Sitzung vom 30. Oktober 2012 mehrheitlich abgelehnt, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens 'Für eine zukunftsfähige Schullandschaft' festzustellen.
Die gesetzliche Regelung lässt jedoch ohne weiteres Raum dafür, einer Gemeinde bzw. dem innerhalb der Gemeinde letztlich hierfür zuständigen Rat nicht nur im Wege einer Verpflichtungsklage,
vgl. zur Statthaftigkeit einer Verpflichtungsklage in der Hauptsache: OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 -, JURIS
sondern - soweit die allgemeinen, namentlich in § 123 VwGO normierten Voraussetzungen hierfür erfüllt sind - im Einzelfall schon im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich aufzugeben, die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festzustellen
vgl. zur Möglichkeit einer solchen Eilrechtsschutzentscheidung nach der früheren Rechtslage: OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2007
- 15 B 1744/07 -, JURIS
und so die Sperrwirkung herbeizuführen. Nur dieses Verständnis wird dem Zweck der Vorschrift gerecht, die in bewusster Abkehr von der früheren Rechtslage, nach der ein parallel betriebenes Verfahren zur Herbeiführung eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids grundsätzlich keine Entscheidungssperre für den Rat oder andere Organe oder Behörden bewirkte,
vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 2004 - 15 B
522/04 -, vom 29. März 2004 - 15 B 674/04 - und vom 6. Dezember 2007 - 15 B 1744/07 -, jeweils JURIS
nunmehr eine solche Sperrwirkung normiert hat, um die demokratische Beteiligung der Bürger zu stärken.
Vgl. Landtagsdrucksache (LT- DrS) 14/3979, S.127 und 133.
Dieses Ziel würde in zahlreichen Fällen verfehlt, wenn man eine gerichtliche Óberprüfung der vom Rat getroffenen Feststellung der Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens lediglich im Wege einer Klage und nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für möglich halten wollte. Denn dann wäre es den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens häufig unmöglich, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, da - wie auch der vorliegende Fall zeigt, vgl. unten - bis zu einer Entscheidung im gerichtlichen Klageverfahren durch den Rat oder andere Stellen vielfach vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten, die dem Bürgerbegehren die Grundlage entziehen. Die Sperrwirkung, die einem materiell zulässigen Bürgerbegehren nach dem Willen des Gesetzgebers offenkundig zukommen soll, wäre mithin nicht wirksam durchsetzbar.
Zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken kann deshalb der Rat nötigenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung zu der erforderlichen Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens angehalten werden,
vgl. Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Dezember 2007 - 1 L 2054/07 -, vom 8. Juli 2008 - 1 L 1114/08 - und vom 31. März 2009 - 1 L 440/99 -, jeweils JURIS; vgl. zur Möglichkeit, sich nach der gesetzlichen Neuregelung die Zulassung und damit die Sperrwirkung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstreiten auch OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 15 B 1744/07 -, JURIS; a.A. Rehn / Cronauge / von Lennep / Knirsch, GO NRW, Stand: März 2012, § 26 GO NRW, Anm. IV, mit weiteren Nachweisen zu beiden Ansichten
wovon im Óbrigen auch die Antragsgegnerin selbst ausgeht.
Da eine solche Entscheidung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings erhöhte Anforderungen zu stellen.
Im Hinblick auf den Anordnungsanspruch kann der Rat gerade mit Rücksicht auf die dann eintretende Sperrwirkung nur zur Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtet werden, wenn nach der allein möglichen summarischen Prüfung die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ganz überwiegend wahrscheinlich ist.
Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 31. März 2009 - 1 L 440/09 -, JURIS.
Dies ist hier der Fall, denn es spricht alles dafür, dass das Bürgerbegehren 'Für eine zukunftsfähige Schullandschaft' zulässig ist.
Das Bürgerbegehren, das auf die Aufhebung des Beschlusses des Rates der Antragsgegnerin vom 3. Juli 2012 gerichtet ist, nach dem am Standort der Hauptschule I eine zweite J Gesamtschule errichtet werden soll, ist fristgerecht eingereicht worden.
Gemäß § 26 Abs.3 S.1 und 2 GO NRW muss ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Beschluss des Rates richtet, der nicht der Bekanntmachung bedarf, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Sitzungstag eingereicht sein.
Bedenken dagegen, dass diese Frist unter Berücksichtigung der weiteren Regelung des § 26 Abs.3 S.3 GO NRW in Bezug auf den Ratsbeschluss vom 3. Juli 2012 eingehalten wurde, sind weder von der Antragsgegnerin vorgetragen worden noch sonst erkennbar.
Das Bürgerbegehren ist auch nicht deshalb verfristet, weil - wie die Antragsgegnerin geltend macht - der Rat bereits am 18. Oktober 2011 beschlossen hätte, am Standort Hennen eine zweite städtische Gesamtschule zu errichten mit der Folge, dass die Drei- Monats- Frist bereits mit diesem Beschluss zu laufen begann. Der fragliche Ratsbeschluss vom 18. Oktober 2011 beinhaltete vielmehr ersichtlich noch keine verbindliche Festlegung des Rates dahin, dass eine zweite Gesamtschule in I errichtet werden sollte.
Dies ergibt sich schon eindeutig daraus, dass der betreffende Beschluss (Beschluss A.1 zum Tagesordnungspunkt - TOP - 6) und die anderen Beschlüsse vom gleichen Tage im Unterabschnitt A ausdrücklich als 'Absichtserklärungen zur Entwicklung des Gesamtschulangebots' tituliert wurden, während weitere, in den Unterabschnitten B und C gefasste Beschlüsse - darunter der Beschluss zur externen Vergabe der Planungen für die Errichtung der zweiten Gesamtschule und der Beschluss zur Auflösung der Hauptschule I - eine solche Einschränkung nicht enthielten. Bereits dies lässt klar erkennen, dass der Rat der Antragsgegnerin lediglich den in den Unterabschnitten B und C gefassten Beschlüssen, nicht aber den zuvor kundgegebenen Absichtserklärungen verbindliche Wirkung beimessen wollte.
Diese Einschätzung wird durch die Niederschrift der den Ratsbeschlüssen vom 18. Oktober 2011 vorausgegangenen Beratungen bestätigt.
Grundlage für die Beratung zum TOP 6 war hiernach der interfraktionelle Antrag des sog. Bildungsbündnisses vom 12. Oktober 2011. Bereits hierin wurde zwischen 'Absichtserklärungen zur Entwicklung des Gesamtschulangebots' (Unterabschnitt A) und den 'weiteren Beschlüssen' (Unterabschnitte B und C) differenziert und im Anschluss an die 'Absichtserklärungen' ausgeführt, dass die Verwaltung beauftragt werde, die baldige Beteiligung der Gremien und der sonstigen Mitwirkungsberechtigten - die seitens der Verwaltung angeregt worden war, vgl. die Verwaltungsvorlage 8/1329 - zu gewährleisten, damit noch ausstehende Stellungnahmen rechtzeitig für die endgültige Beschlussfassung durch den Rat im Dezember 2011 vorliegen. In Anknüpfung hieran führte die Erste Beigeordnete des Bürgermeisters der Antragsgegnerin in der Beratung vom 18. Oktober 2011 im Zusammenhang mit der Standortfrage für eine mögliche zweite Gesamtschule aus, dass durch den Beschluss lediglich das Verfahren in Gang gebracht werde und der Beschluss dann zur Beteiligung in die Schulkonferenzen, in den Schulausschuss und zum Abschluss in den Rat gehe. Dies lässt unzweifelhaft erkennen, dass über die Frage der Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I nicht schon am 18. Oktober 2011 entschieden werden sollte, sondern dass vor einer Entscheidung zunächst Stellungnahmen insbesondere der Schulkonferenzen eingeholt werden sollten und eine verbindliche Entscheidung erst in der Ratssitzung am 13. Dezember 2011 getroffen werden sollte. Dementsprechend sind in der Folge auch Stellungnahmen der Schulkonferenzen eingeholt worden, ohne dass es indes in der Ratssitzung vom 13. Dezember 2011 zu einem Beschluss betreffend die Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I gekommen wäre; seinerzeit wurde vielmehr beschlossen, zunächst eine Elternbefragung in Form einer 'Trendabfrage' ohne Standortnennung durchzuführen (vgl. dazu noch näher unten).
Beinhaltete der Beschluss vom 18. Oktober 2011 demnach offensichtlich noch keine Festlegung des Rates zugunsten der Errichtung einer zweiten Gesamtschule am Standort der Hauptschule I, so wird dies auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Rat am 18. Oktober 2011 im Unterabschnitt C bereits verbindlich die Auflösung der Hauptschule I beschloss. Die Auflösung der Hauptschule stand nach Einschätzung des Rates nicht etwa in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Errichtung der Gesamtschule an deren Standort, sondern wurde ausdrücklich deshalb beschlossen, weil die Hauptschule seit 2003 nicht mehr die vorgeschriebene Mindestgröße erreicht habe. Die Auflösung der Hauptschule erfolgte mithin aus einem von der Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I unabhängigen Grund, was durch die abschnittsweise Trennung der Beschlussfassung - Absichtserklärungen betreffend die Entwicklung des Gesamtschulangebots einerseits und Auflösungsbeschluss betreffend die Hauptschule I andererseits - nochmals verdeutlicht wird.
Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, dass im Ratsbeschluss vom 18. Oktober 2011 auch deshalb noch keine Festlegung des Rates zu sehen sein dürfte, am Standort I eine zweite Gesamtschule zu errichten, weil es seinerzeit - soweit nach Aktenlage ersichtlich - an auch nur ansatzweise belastbaren Angaben zu den Kosten einer solchen Maßnahme gefehlt haben dürfte, so dass es insbesondere in haushaltsrechtlicher Hinsicht (vgl. nur § 75 Abs.1 GO NRW) erkennbar an einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage mangelte.
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen wäre das Bürgerbegehren aber selbst dann nicht verfristet, wenn man in dem Ratsbeschluss vom 18. Oktober 2011 entgegen dem Gesagten bereits eine Festlegung des Rates zugunsten der Errichtung einer zweiten Gesamtschule am Standort der Hauptschule I sehen wollte.
Denn der Rat der Antragsgegnerin hat sich in seiner Sitzung am 22. Mai 2012 selbst wieder von seinem Ratsbeschluss vom 18. Oktober 2011 gelöst und hier in Kenntnis des sog. Assmann- Gutachtens - in dem alleine die Baukosten einer zweiten Gesamtschule in I je nach Variante mit rund 25 bzw. 27 Mio. EUR veranschlagt wurden - mehrheitlich beschlossen, zu überprüfen, ob das Ziel, die Zahl der in Iserlohn vorhandenen Gesamtschulplätze zu erhöhen, kostengünstiger an einem anderen Standort realisiert werden kann. Er hat hierzu die Schulverwaltung beauftragt, nach näherer Maßgabe seiner Vorgaben mögliche alternative Lösungen darzustellen bzw. für eine detaillierte Untersuchung vorzuschlagen. Selbst wenn man also in dem Ratsbeschluss vom 18. Oktober 2011 bereits die Entscheidung sehen wollte, am Standort I eine zweite Gesamtschule zu errichten, wäre diese Beschlusslage mit dem Ratsbeschluss vom 22. Mai 2012 wieder hinfällig geworden, nach dem die Frage, an welchem Standort weitere Gesamtschulplätze geschaffen werden sollen, wieder offen war. Der Rat der Antragsgegnerin hat mithin ein etwa anzunehmendes Regelungsprogramm im Sinne einer Festlegung auf die Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I später durch ein neues Regelungsprogramm - Entwicklung anderer Alternativen und neue, ergebnisoffene Prüfung - ersetzt,
vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 15 B 1680/09 -, JURIS
so dass auch deshalb die in § 26 Abs.3 GO NRW normierte Frist erst mit dem (neuerlichen) Ratsbeschluss zugunsten des Standorts I am 3. Juli 2012 zu laufen begann.
Ist das Bürgerbegehren 'Für eine zukunftsfähige Schullandschaft' mithin fristgerecht eingereicht worden, so ist es auch nicht deshalb unzulässig, weil seine Begründung mangelhaft wäre.
Gemäß § 26 Abs.2 S.1 GO NRW muss ein Bürgerbegehren schriftlich eingereicht werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung enthalten.
Die Begründung dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Dabei darf nicht verkannt werden, dass die Begründung auch dazu dient, für das Bürgerbegehren zu werben und damit auch Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum Ausdruck bringen kann, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Auch mag die Begründung eines Bürgerbegehrens im Einzelfall Óberzeichnungen und Unrichtigkeiten in Details enthalten dürfen, die zu bewerten und zu gewichten Sache des Unterzeichners bleibt. Diese aus dem Zweck des Bürgerbegehrens folgenden Grenzen der Óberprüfbarkeit sind jedoch überschritten, wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden, die für die Begründung tragend sind. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob dem eine Täuschungsabsicht der Initiatoren des Bürgerbegehrens zu Grunde lag. Denn maßgebend für eine inhaltliche Kontrolle der Begründung ist allein das Ziel, Verfälschungen des Bürgerwillens vorzubeugen. Auf den Grund der unrichtigen Sachdarstellung kommt es deshalb nicht an.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 -, JURIS.
Nach diesen Maßstäben ist die Begründung des Bürgerbegehrens nicht zu beanstanden, denn sie ist namentlich nicht in wesentlichen Elementen unrichtig oder unvollständig.
Soweit die Antragsgegnerin die in der Begründung des Bürgerbegehrens verwendete Formulierung bemängelt, die neue Gesamtschule werde gegen den Willen von Schülern, Eltern und Lehrern errichtet, handelt es sich nicht in erster Linie um eine verifizierbare Darstellung von Tatsachen, sondern ersichtlich um eine wertende, zur Werbung für das Bürgerbegehren eingesetzte Aussage, die im übrigen in Anbetracht der zahlreichen negativen Stellungnahmen der Schulkonferenzen der schon bestehenden J Schulen zur Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I (vgl. Bl. 40 ff. des Verwaltungsvorgangs) jedenfalls insoweit zutrifft, als das Vorhaben von zahlreichen Schülern, Eltern und Lehrern abgelehnt wird. Als weitergehende Tatsachenbehauptung etwa in dem Sinne, dass die Maßnahme von der Mehrheit oder gar von sämtlichen Schülern, Eltern und Lehrern abgelehnt werde, kann die Angabe angesichts ihres offenkundig werbenden Charakters nicht ernstlich verstanden werden.
Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang weiter geltend macht, die Begründung des Bürgerbegehrens unterschlage, dass eine Trendabfrage unter den potentiellen Eltern der Schüler einer (zweiten) Gesamtschule durchgeführt worden sei, handelt es sich hierbei nicht um eine für den Gegenstand des Bürgerbegehrens wesentliche Frage. Dies gilt schon deshalb, weil sich die aufgrund des Ratsbeschlusses vom 13. Dezember 2011 im Frühjahr 2012 durchgeführte Trendabfrage nicht auf die Errichtung einer zweiten Gesamtschule am Standort der Hauptschule I bezog. Es wurde hier vielmehr nur allgemein abgefragt, welche Form weiterführender Schulen die Eltern damaliger Drittklässler bevorzugten, so dass der Trendabfrage eine maßgebliche Aussagekraft allenfalls in Bezug auf die Beliebtheit der Schulform der Gesamtschule als solcher zukommt. Das in Rede stehende Bürgerbegehren wendet sich jedoch nicht gegen die Schaffung weiterer Gesamtschulplätze - etwa durch eine Erweiterung der bestehenden Gesamtschule - bzw. gegen die Errichtung einer weiteren städtischen Gesamtschule überhaupt, sondern allein gegen die am 3. Juli 2012 beschlossene Errichtung einer Gesamtschule am Standort der Hauptschule I.
Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, die Begründung des Bürgerbegehrens lasse den Ratsbeschluss unerwähnt, mit dem das sogenannte Assmann-Gutachten eingeholt worden sei. Mit der Einholung des Gutachtens habe der Rat aber bereits dokumentiert, dass er grundsätzlich eine zweite Gesamtschule errichten wolle, so dass hierdurch der unzutreffende Eindruck erweckt werde, die Neuerrichtung der Schule erfolge ohne sachliche Begründung.
Der Kammer erschließt sich nicht, inwieweit hiermit eine unzutreffende oder unvollständige Begründung des Bürgerbegehrens dargetan werden soll. In der Begründung des Bürgerbegehrens wird ausdrücklich ausgeführt, dass 'gemäß des vom Rat der Stadt J in Auftrag gegebenen Gutachtens' auf die Stadt Investitionskosten in Höhe von bis zu 30 Millionen EUR zukämen. Dies lässt klar erkennen, dass zu den Kosten der Errichtung einer Gesamtschule am Standort I auf Veranlassung des Rates ein Gutachten eingeholt wurde, und das Bürgerbegehren nimmt gerade die hierin prognostizierten Kosten zum Anlass für sein Ansinnen, den am 3. Juli 2012 gefassten Ratsbeschluss aufzuheben.
Soweit die Antragsgegnerin schließlich ausführt, das Bürgerbegehren täusche über seine Stoßrichtung, da es nicht deutlich mache, dass es sich nicht generell gegen die Planungen zum Bau einer weiteren Gesamtschule richte, sondern nur gegen eine bestimmte bauliche Ausgestaltung der zu errichtenden Schule, greift auch dies ersichtlich nicht durch. Gegenstand des Bürgerbegehrens ist eindeutig die Aufhebung des am 3. Juli 2012 gefassten Ratsbeschlusses zur Errichtung einer weiteren Gesamtschule am Standort I und damit weder allein die bestimmte bauliche Ausgestaltung einer Schule an diesem - vom Bürgerbegehren abgelehnten - Standort noch die Errichtung einer weiteren Gesamtschule an einem anderen Standort, so dass weitere Ausführungen zu diesen Gesichtspunkten in der Begründung des Bürgerbegehrens nicht veranlasst waren.
Haben die Antragsteller mithin aller Voraussicht nach einen Anspruch darauf, dass der Rat der Antragsgegnerin die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellt, also einen dahingehenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so liegt auch ein Anordnungsgrund vor, der es rechtfertigt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die unverzügliche Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens aufzugeben. Denn es besteht die Gefahr, dass dem mit hoher Wahrscheinlichkeit zulässigen Bürgerbegehren ohne die beantragte einstweilige Anordnung alsbald die Grundlage entzogen wird und die Rechte der Antragsteller hierdurch vereitelt werden, so dass die Gewährung von Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu spät käme.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, im Januar oder Februar 2013 ein sog. vorgezogenes Anmeldeverfahren für die geplante zweite Gesamtschule in I durchzuführen, das nach Ziffer 2.1 des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 6. Mai 1997 'Errichtung, Änderung und Auflösung von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs' alternativ zur sog. förmlichen Elternbefragung eine anerkannte Methode zur Ermittlung des schulrechtlichen Bedürfnisses zur Errichtung einer Schule (vgl. § 78 Abs.4 S.2 und Abs.5 sowie § 80 Abs.1 S.2 des Schulgesetzes - SchulG -) darstellt.
Sollte das vorgezogene Anmeldeverfahren eine zur Erreichung der Mindestzügigkeit ausreichende Schülerzahl ergeben - wofür unter Berücksichtigung der ebenfalls geplanten Verkleinerung der schon bestehenden Gesamtschule, bei der es in der Vergangenheit zu erheblichen Bewerberüberhängen kam, vieles spricht - , ist damit nach dem genannten Erlass der für die Errichtung einer Schule erforderliche Elternwille gegeben und das Bedürfnis festgestellt mit der Folge, dass die Antragsgegnerin nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet ist, eine entsprechende Schule zu errichten (vgl. näher Ziffern 2.1 lit c) und 2.2. des Erlasses). Da sonstige Gründe für eine Versagung der Genehmigung zur Schulerrichtung derzeit nicht erkennbar sind, ist bei Erreichen der für eine Mindestzügigkeit erforderlichen Anzahl von vorgezogenen Anmeldungen folglich damit zu rechnen, dass die zweite Gesamtschule in I alsbald schulrechtlich genehmigt werden wird. Spätestens dann sind - in geringerem Ausmaß schon jetzt erfolgte - Investitionen der Antragsgegnerin in die Errichtung der neuen Schule zu erwarten, die im Falle ihrer Tätigung wegen ihres Umfangs eine Aufgabe des Vorhabens als untunlich erscheinen lassen und die Erfolgsaussichten eines hierauf gerichteten Bürgerbegehrens daher zunichte machen würden.
Das gegenläufige Interesse an der sofortigen Errichtung einer zweiten Gesamtschule in I erscheint demgegenüber weit weniger gewichtig. Denn es bliebe der Antragsgegnerin - sollte das Bürgerbegehren ohne Erfolg bleiben - unbenommen, die Schule zu einem späteren Zeitpunkt an dem vom Rat vorgesehenen Standort zu errichten und es ist auch nicht erkennbar, dass der schon in früheren Zeiten zu verzeichnende Óberhang an Bewerbern auf Gesamtschulplätze bis dahin nicht - wie in der Vergangenheit - in hinnehmbarer Weise bewältigt werden könnte.
Haben die Antragsteller mithin in Bezug auf die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, so hat die Kammer im Rahmen des ihr nach § 123 VwGO bei der Auswahl geeigneter Sicherungsmaßnahmen zustehenden Ermessens auch dem weiteren Antrag entsprochen, der Antragsgegnerin vorläufig - bis zur Erfüllung der unter Ziffer 1. tenorierten einstweiligen Anordnung - die Durchführung eines vorgezogenen Anmeldeverfahrens und die Vergabe weiterer Auftrags- und Planungsleistungen für die Schulerrichtung zu untersagen.
Dies erscheint sachgerecht, weil der Rat der Antragsgegnerin zunächst zusammentreten muss, um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens in Erfüllung der insoweit ausgesprochenen einstweiligen Anordnung festzustellen. Da die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des Bürgerbegehrens erst mit dem entsprechenden Ratsbeschluss greift, bestünde bis dahin ohne die zugleich ausgesprochene gerichtliche Untersagung weiterer Vollzugsmaßnahmen kein rechtliches Hindernis, den Ratsbeschluss vom 3. Juli 2012 weiter umzusetzen. Für eine vorläufige Untersagung von Vollzugsmaßnahmen über den Zeitpunkt der Erfüllung der unter Ziffer 1. tenorierten einstweiligen Anordnung hinaus besteht kein Anlass, da dann gemäß § 26 Abs.6 S.6 GO NRW die gesetzliche Sperrwirkung greift und die Kammer davon ausgeht, dass die Antragsgegnerin diese beachten wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs.1 und 2, 53 Abs.2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer hat mit Blick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache von einer Reduzierung des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Auffangstreitwertes abgesehen.