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Verwaltungsgericht Augsburg

Entscheidung vom 05.05.2011, Az.: Au 2 K 09.86

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger betreibt in … einen Handel mit Ersatzteilen für Werkzeugmaschinen. Mit seiner Klage wendet er sich gegen seine Heranziehung zu Beiträgen der Industrie- und Handelskammer für … und … (IHK …) und gegen seine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in dieser Kammer.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 setzte die Beklagte für das Beitragsjahr 2004 einen Beitrag in Höhe von 345,90 EUR fest. Hiergegen ließ der Kläger am 21. Januar 2009 Klage erheben. Er beantragt,

1. den Beitragsbescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 aufzuheben und

2. festzustellen, dass der Kläger nicht Zwangsmitglied der Beklagten sei.

Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten verstoße gegen Verfassungsrecht. Sie stelle einen verfassungsrechtlich unzumutbaren Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dar. Der Kläger sei zudem auch in seinen Rechten auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG), Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und sogar in seiner von Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde verletzt. Das Bundesverfassungsgericht sowie die Fachgerichte hätten in ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung bei der engeren Verhältnismäßigkeitsprüfung das erhebliche Legitimationsdefizit der Industrie- und Handelskammern übersehen. Das einzelne Mitglied verfüge nicht über eine adäquate Möglichkeit, sich an staatlichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Zudem seien die Mitglieder der Kammern nicht als Mittler demokratischer Legitimation einzustufen. Die Kammern nähmen zwar Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung wahr, hätten aber im Vergleich zur sonstigen Staatsverwaltung ein erhebliches demokratisches Legitimationsdefizit. Ihre Wahlen entsprächen nicht dem Demokratieprinzip. Diese verstießen gegen das Gleichheitsprinzip, da die Stimmen nur innerhalb der einzelnen Wahlgruppen das gleiche Gewicht hätten. Die Wahlgruppen würden nach dem Maßstab ihrer ökonomischen Bedeutung gebildet, so dass die einzelnen Stimmen einen unterschiedlichen Erfolgswert hätten. Hinzu komme eine geringe Wahlbeteiligung, die im Bundesdurchschnitt nur bei etwa 10 %, bei der Beklagten bei unter 15 % liege. Speziell bei der Beklagten seien verstärkt problematische Elemente mittelbarer Wahl gegeben. Insgesamt fehle den Organen der IHK eine ununterbrochen auf das Volk zurückzuführende Legitimation, ihre Aufgaben und Handlungsbefugnisse seien nicht gesetzlich ausreichend vorherbestimmt und eine Fachaufsicht durch eine staatliche Aufsichtsbehörde fehle gänzlich.

Eine Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pflichtmitgliedschaft in der IHK bestehe nicht, wenn aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Veränderungen oder eines Wandels der allgemeinen Rechtsauffassung eine erneute Überprüfung stattfinden müsse. Dies sei hier der Fall. Es bestehe eine erneute Prüfungspflicht durch den Gesetzgeber. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich im Zuge der Globalisierung grundlegend verändert. Die regionalen Industrie- und Handelskammern hätten bei grundlegenden wirtschaftlichen Fragen keinen Einfluss, da die Wirtschaftspolitik auf europäischer bzw. globaler Ebene stattfinde. Es gebe eine Vielzahl von Wirtschaftsverbänden, die die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen und Branchen repräsentierten. Die Industrie- und Handelskammern hätten die gesellschaftliche Akzeptanz verloren. Es gebe auch weltweit keine vergleichbare Zwangsmitgliedschaft.

Der angegriffene Beitrag sei auch in der festgesetzten Höhe nicht gerechtfertigt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der durch die Errichtung und die Tätigkeit der Beklagten verursachten Kosten durch die gebotene Entnahme von Rücklagen hätte gedeckt werden können. Es werde insbesondere bestritten, dass die Mitgliederinteressen an einer Senkung der Beiträge bei der Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt worden seien und sich die Rücklagenbildung auf einen konkret begründeten Eigenmittelbedarf in einem überschaubaren Zeitraum beziehe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte seit ihrer Gründung ein großes Vermögen an Rücklagen aufgebaut habe. Deshalb werde die Vorlage von Unterlagen beantragt, die hierüber Auskunft geben. Die Beklagte betreibe eine unangemessen hohe Ausgleichsrücklagenbildung. Diese betrage gemessen am Gesamthaushalt von rund 20 Mio. Euro etwa 50 %. Deshalb müsse eine erhebliche Beitragsreduzierung vorgenommen werden, da lediglich ein Maß in Höhe von maximal 20 % des Gesamthaushaltes angemessen sei. Zudem verwende die Beklagte Beiträge nicht in einer dem gesetzlichen Aufgabenbereich entsprechenden Art und Weise. Soweit die Rechtsprechung hierzu auf die Möglichkeit einer Unterlassungsklage des einzelnen Mitglieds gegen die Kammer verweise, sei dies eine unzulässige Verkürzung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Schaden bereits eingetreten und mit einer Unterlassungsklage nicht wieder gutzumachen sei. Auf die weitere Begründung der Klage wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2009 beantragten die Bevollmächtigten der Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der IHK sei bereits Gegenstand zahlreicher verwaltungsgerichtlicher Verfahren gewesen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2001 entfalte gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung, so dass eine erneute Befassung des BVerfG mit diesen Rechtsfragen nur bei einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder bei einem Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung geboten sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Das Bundesverfassungsgericht habe die grundsätzliche Legitimationsgrundlage der Kammern ausführlich begründet. Auch das Wahlsystem sei ausreichend repräsentativ demokratisch geprägt. Die Gruppenwahl finde sich in zahlreichen Wahlordnungen, sie sei keine Besonderheit der Industrie- und Handelskammern. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2001 bestehenden Verhältnisse derart geändert hätten, dass die Entscheidung keinen Bestand mehr haben könne. Bei der Beitragsbemessung sei das Äquivalenzprinzip gewahrt worden, da die Höhe der Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zu dem Vorteil stehe, der durch den Beitrag abgegolten werde. Dieser bestehe in der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Kammer. Zudem erbringe die Beklagte auch direkte Leistungen für ihre kammerzugehörigen Unternehmen. Die Beiträge würden durch die Vollversammlung festgelegt. Der Jahresabschluss und die gesamte Wirtschaftsplanung mit Rücklagenbildung und Verwendung würden hier mehrheitlich verabschiedet und damit legitimiert. Es sei nicht erkennbar, weshalb der Beitrag nicht zutreffend kalkuliert worden sein solle.

Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da dem Kläger hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis fehle. Auf die weitere Klageerwiderung wird ergänzend verwiesen.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte, auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass er nicht Zwangsmitglied der Beklagten sei (Klageantrag Nr. 2). Denn der Kläger kann hier den mit der Klage ausschließlich verfolgten Zweck, von der Beklagten nicht mehr zu Beiträgen herangezogen zu werden, ebenso gut mit der (unter Nr. 1 erhobenen) Anfechtungsklage erreichen. Nachdem er seine Klage insgesamt damit begründet, dass die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten gegen Verfassungsrecht verstoße, müssen die damit zusammenhängenden Rechtsfragen ohnehin im Rahmen der gegen den Beitragsbescheid erhobenen Anfechtungsklage geprüft werden. Die Feststellungsklage ist somit im vorliegenden Fall gegenüber der Anfechtungsklage subsidiär (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Im Übrigen wäre der Feststellungsantrag, dessen Zulässigkeit unterstellt, auch unbegründet, wie sich aus den folgenden Gründen ergibt. Das Anfechtungsbegehren ist zulässig, aber unbegründet; der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Heranziehung zu Beiträgen durch die Beklagte ist § 3 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) i.V.m. der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung der IHK für das Geschäftsjahr 2004. Danach werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß der Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG). Die Kammerzugehörigkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 1 IHKG. Danach ist der Kläger als natürliche Person des privaten Rechts, die im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhält und dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt wird, Kammerzugehöriger der Beklagten und somit grundsätzlich zur Zahlung eines Beitrags verpflichtet.

1. Entgegen der von der Klägerseite vertretenen Auffassung verstößt die gesetzliche Zugehörigkeit des Klägers zur Beklagten nicht gegen höherrangiges innerstaatliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, oder Gemeinschaftsrecht.

Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 GG, ist nicht ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer erhobene Verfassungsbeschwerde zuletzt mit Beschluss vom 7. Dezember 2001 (Az. 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111 ff.) nicht zur Entscheidung angenommen und ausgeführt, dass diese keine grundsätzliche Bedeutung habe. Die Frage nach der Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer und der daraus folgenden Beitragspflicht mit dem Grundgesetz ließen sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vom 19.12.1962, Az. 1BvR 541/57, BVerfGE 15, 235; vom 18.12.1974, Az. 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281) beantworten. Die Pflichtmitgliedschaft verstoße danach weder gegen Art. 9 und 12 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG und genüge dem verfassungsmäßigen Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Mitgliedschaft aller Gewerbetreibenden in den Industrie- und Handelskammern sei zur sachgerechten Erfüllung deren Aufgaben erforderlich. Wegen des Gemeinwohlauftrags der Industrie- und Handelskammern und ihrer vielfältigen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben sei ein alle Branchen und Betriebsgrößen umfassender Mitgliederbestand von Nöten. Für die wirtschaftliche Selbstverwaltung bedürfe es der Mitwirkung aller Unternehmen, gerade auch der mittleren und kleinen, damit die Kammern ihre Aufgaben umfassend erfüllen könnten. Der Wert der von den Kammern erarbeiteten Vorschläge und Gutachten beruhe auf der Unabhängigkeit ihres Urteils und auf der Vollständigkeit des Überblicks, den die Kammern im Bereich der zu beurteilenden Verhältnisse besäßen.

Das erkennende Gericht ist an diese Entscheidung gebunden und schließt sich ihr an. § 31 BVerfGG bindet alle Gerichte im Geltungsbereich des Gesetzes generell an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Soweit das Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesbestimmung für nichtig oder für gültig erklärt, hat seine Entscheidung nach § 31 Abs 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Aber auch in anderen Fällen entfalten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs 1 BVerfGG eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen ( BVerfGE 19, 377 (391f); 20, 56 (87); 24, 289 (297)). § 31 BVerfGG erkennt den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen Bindungswirkung insoweit zu, wie die Funktion des Bundesverfassungsgerichts als maßgeblicher Interpret und Hüter der Verfassung dies erfordert. Die Bindungswirkung beschränkt sich deshalb auf die Teile der Entscheidungsgründe, welche die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen (vgl. BVerfG vom 10.6.1975, 2 BvR 1018/74 ).

Danach können Verstöße der im IHKG festgelegten Pflichtmitgliedschaft gegen Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 12 GG nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht in den genannten Entscheidungen das IHKG auf solche Verstöße geprüft und diese verneint hat.

Auf die umfangreichen Ausführungen des Klägers zu den von ihm behaupteten demokratischen Defiziten u.a. bei der Wahl der Organe der IHK und im Hinblick auf eine ausreichende Fixierung der Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe der IHK muss daher nicht näher eingegangen werden. Denn es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Fragen im Rahmen seiner Prüfung zu einer möglichen Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG bedacht hat. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere die in § 1 IHKG formulierte Aufgabe der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft, die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet und die Beratung der Staatsorgane als legitime öffentliche Aufgaben angesehen, deren Organisation in einer Selbstverwaltungskörperschaft mit Zwangsmitgliedschaft geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei (BVerfG vom 7.12.2001, a.a.O. Rdnr. 30, 40 ff.). Dass die Industrie- und Handelskammern keiner Fachaufsicht unterliegen, erscheint in diesem Zusammenhang unbedenklich, weil sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben keine Befugnisse besitzen, die mit Eingriffen in Rechte oder mit sonstigen erheblichen Auswirkungen für ihre Mitglieder oder die Allgemeinheit verbunden wären; dies unterscheidet sie von den Wasserverbänden, deren Aufgaben und Befugnisse vom Bundesverfassungsgericht in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 5. Dezember 2002 (BVerfGE 107, 59) überprüft worden sind (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, Az. 6 A 10282/10, Rdnr. 40 ff. ).

Die vom Kläger geäußerten Bedenken gegen die Grundsätze der Wahl zur Vollversammlung der Beklagten hält das Gericht im Übrigen mit dem OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.9.2010, a. a. O.) für unbegründet. Danach ist außerhalb des Bereichs der Staats- und Kommunalverwaltung, z.B. in der funktionalen Selbstverwaltung, dem die Industrie- und Handelskammern zugeordnet sind, das Demokratieprinzip offen für andere, insbesondere vom Erfordernis der lückenlosen personellen demokratischen Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Es erlaubt, durch Gesetz für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG und ihm folgend die Wahlordnung der Beklagten (vgl. §§ 7, 22 der Wahlordnung vom 14.6.2007) die Aufteilung der Kammermitglieder in besondere Wahlgruppen vorschreiben und diesen eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Vollversammlung zuordnen. Dies trägt der im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung erforderlichen angemessenen Berücksichtigung unterschiedlicher Einzel- und Gruppeninteressen Rechnung. Der für die Volksvertretungen in der unmittelbaren und kommunalen Staatsverwaltung geltende Grundsatz der Gleichheit der Wahl (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 GG) tritt demgegenüber im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung zurück. Dies bedeutet allerdings gerade nicht, dass insoweit ein Mangel an demokratischer Legitimation festzustellen wäre. Vielmehr ist die gewählte Vollversammlung das demokratisch legitimierte höchste Entscheidungsgremium der Beklagten; dies hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 31. März 2004 ausdrücklich festgestellt (Az. 6 C 25/03, Rdnr. 16 ).

Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, dass seine Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten in Anbetracht des von ihm behaupteten Legitimations- und Demokratiedefizits einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) darstelle, folgt ihm das Gericht nicht. Nachdem die Besonderheiten des Wahlsystems bei den Industrie- und Handelskammern und deren organisatorischer Aufbau nach der Rechtsprechung schon keinen durchgreifenden Bedenken unterliegen, kann auch ein rechtswidriger Eingriff in die Gewissensfreiheit nicht vorliegen. Abgesehen davon hat der Kläger nicht näher dargelegt oder gar glaubhaft gemacht, worin seine Gewissensentscheidung bzw. seine Überzeugung besteht. Eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1 GG ist daher nicht gegeben. Der Kläger ist jedenfalls nicht gezwungen, an vermeintlich undemokratischen Wahlen oder Handlungen der Beklagten teilzunehmen oder überhaupt aktiv (gegen sein Gewissen) zu handeln. Die grundlegende Entscheidung, wonach der Kläger Pflichtmitglied der Beklagten ist, hat der Gesetzgeber für ihn getroffen. Im Übrigen kann niemand aus der Gewissensfreiheit das Recht herleiten, die Rechtsordnung nur nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten, und verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird (vgl. BVerfG vom 13.12.2006, 1 BvR 2084/05, Rdnr. 26 ).

Ebenso wenig ist die Behauptung nachvollziehbar, dass ein Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Klägers vorliegen soll. Eine Verletzung dieses Grundrechts ist vielmehr nicht ersichtlich. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1998 (Az. 1 C 32/97 ) ausgeführt hat, ist es einem Pflichtmitglied der IHK unbenommen, seine eigene Meinung unabhängig von einer durch die Beklagte ggf. vertretenen Ansicht zu äußern. Er ist nicht gezwungen, Meinungsäußerungen der Beklagten zu teilen. Niemand verbietet ihm auch, seine Meinung zu verschweigen.

Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten schließlich als Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) zu bezeichnen, scheint dem Gericht abwegig zu sein.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hält die Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer in ständiger Rechtsprechung für verfassungskonform (vgl. Urteil vom 21.7.1998, Az. 1 C 32.97, BVerwGE 107, 169; Urteil vom 19.1.2008, Az. 6 C 10/04, BVerwGE 122, 344 ff.).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte allgemein anerkannt ist, dass die Pflichtmitgliedschaft eines in Deutschland ansässigen Gewerbetreibenden in einer deutschen Industrie- und Handelskammer auch im Hinblick auf das Recht der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union unbedenklich ist (vgl. OVG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 20.9.2010, Az. 6 A 10282/10; SächsOVG, Beschluss vom 16.4.2008, Az. 5 B 49/07; OVG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 17.7.2007, Az. 6 A 11414/06; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.5.2000, Az. 14 S 353/00; VG Ansbach, Urteil vom 4.2.2010, Az. AN 4 K 09.157; VG Meiningen, Urteil vom 1.7.2009, Az. 2 K 650/06 Me; VG Hannover, Urteil vom 8.10.2008, Az. 11 A 3467/07; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4.12.2007, Az. 7 K 1099/07; VG Ansbach, Urteil vom 31.8.2007, Az. AN 4 K 07.590; VG Greifswald, Urteil vom 5.12.2006, Az. 4 A 535/04; VG Gießen, Urteil vom 26.10.2005, Az. 8 E 1697/05; VG Darmstadt, Urteil vom 8.5.2002, Az. 3 E 2167/01 (4); alle zitiert nach juris).

Wegen der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG wäre eine erneute Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage, ob die Pflichtmitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern mit dem Grundgesetz vereinbar ist, und damit auch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG allenfalls dann veranlasst, wenn rechtserhebliche tatsächlich oder rechtliche Veränderungen oder ein Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung festzustellen wären (vgl. BVerwG vom 21.7.1998, a. a. O., mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen diese Voraussetzungen nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. So sind die Vorschriften des IHKG seit der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 weitgehend unverändert geblieben. Insbesondere sind die Vorschriften über die Wahlen in § 5 IHKG bis auf redaktionelle Veränderungen unverändert geblieben. Daneben hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahr 2001 ausgeführt, dass es nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber nach wie vor von der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die IHK ausgehe. Es begegne keinen Bedenken, wenn der Staat sich bei der öffentlichen Aufgabe der Wirtschaftsförderung der Hilfe von Selbstverwaltungseinrichtungen bediene, die er aus der Wirtschaft selbst heraus sich bilden lasse und die durch ihre Sachkunde die Grundlage dafür schaffen helfen, dass staatliche Entschließungen auf diesem Gebiet ein möglichst hohes Maß an Sachnähe und Richtigkeit gewinnen. Gerade die Kombination von Bündelung und ausgewogener Einbringung von Sachverstand und Interessen und die gleichzeitige Entlastung des Staates in der Wirtschaftsverwaltung rechtfertige die Annahme einer öffentlichen Aufgabe, ohne dass es darauf ankomme, ob einzelne dieser Aufgaben auch in anderer Form wahrgenommen werden könnten.

Nach Auffassung des Gerichts bestehen diese Aufgaben weiterhin und haben auch in einer zunehmend international ausgerichteten Wirtschaft nach wie vor nicht an Bedeutung verloren. Es spricht sogar bedeutend mehr dafür, dass die Vertretungs- und Beratungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern angesichts der schwieriger und komplexer werdenden wirtschaftlichen Verhältnisse eher eine größere als eine geringere Bedeutung für Staat und Wirtschaft haben werden (vgl. VG Minden, Urteil vom 2.6.2010, Az. 7 K 2650/09). Das Gericht teilt daher nicht die Auffassung des Klägers, wonach ein „wesentlicher Wandel der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ eingetreten sei, der u.a. zu einer „Auflösung des Gesamtinteresses der Deutschen Wirtschaft“ und zum „Verlust der gesellschaftlichen Akzeptanz der Industrie- und Handelskammern“ geführt habe. Gegen eine derart weitreichende Annahme spricht schon die Tatsache, dass die weit überwiegende Mehrzahl der IHK-Mitglieder die bestehenden Regelungen offensichtlich akzeptiert, während der Kläger eher einer Minderheit von Kritikern anzugehören scheint.

Auch ein Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht eingetreten. Insbesondere bejaht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung weiterhin die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtzugehörigkeit (vgl. BVerwG vom 19.1.2005, Az. 6 C 10/04; OVG Rheinland-Pfalz vom 17.7.2007, Az. 6 A 11414/06; OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, Az. 6 A 10282/10; BayVGH vom 22.7.2010, Az. 22 ZB 10.1518; VG Ansbach vom 4.2.2010, Az. AN 4 K 09.157; vom 18.6.2010, Az. AN 4 K 09.1825; VG Oldenburg vom 27.1.2011, Az. 12 A 837/09; VG Münster vom 5.4.2011, Az. 3 K 1672/10; ).

Schließlich hält auch die Bundesregierung ausdrücklich an der Pflichtmitgliedschaft fest, wie sich aus ihrem Bericht gegenüber dem Deutschen Bundestag über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie- und Handelskammern vom 29. Mai 2002 (BT-Drs.14/9175) und aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Abgeordneten des Deutschen Bundestags zur Zukunft der Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern vom 28. Mai 2004 (BT-Drs. 15/3265) ergibt. In diesen Stellungnahmen kommt die Bundesregierung unter Abwägung zahlreicher Aspekte zu dem Schluss, dass die Industrie- und Handelskammern „in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaften als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft weiterhin erforderlich und sachgerecht sind“ (Bericht vom 29.5.2002, Ziffer 2 d). Der Bundestag als Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2001 geforderte ständige Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Zwangskorporation noch bestehen, somit mehrfach unternommen.

Da nach allem an der Vereinbarkeit der Pflichtzugehörigkeit des Klägers zur Beklagten mit dem Verfassungsrecht für das Gericht kein Zweifel besteht, kommt die vom Kläger angeregte Vorlage des Rechtsstreits an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht.

2. Die Heranziehung des Klägers zu Mitgliedsbeiträgen erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, von der abzuweichen das erkennende Gericht auch insoweit keinen Anlass sieht, sind die Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern Beiträge im Rechtssinn, deren Rechtmäßigkeit an den für Beiträge geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen ist. Beiträge sind danach Gegenleistungen für Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammer zieht oder ziehen kann. Damit handelt es sich bei den Mitgliedsbeiträgen auch nicht um sogenannte Sonderabgaben, denen ein Gegenleistungsverhältnis nicht zu Grunde liegt; die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur CMA-Pflichtabgabe an den Fonds der Land- und Ernährungswirtschaft (Urteil vom 3.2.2009, 2 BvL 54/06 ) ist daher hier nicht einschlägig.

Für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen ist das Äquivalenzprinzip ebenso wie der Gleichheitssatz zu beachten. Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt wäre. Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Die Beiträge müssen auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (vgl. BVerwG vom 26.6.1990, Az. 1 C 45/87; BayVGH vom 26.8.2005, Az. 22 ZB 03.2600; OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, a.a.O., Rdnr. 44 ).

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass der Beklagten aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Ausgestaltung der Beitragsordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Das Gericht ist daher auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Beklagte die äußersten Grenzen ihres Gestaltungsspielraums verlassen hat. Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze erst dann, wenn in grober Weise gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz verstoßen wird.

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein die Beitragspflicht rechtfertigender Vorteil selbst dann vorhanden sein kann, wenn der Nutzen der von der Kammer finanzierten Tätigkeiten für das einzelne Mitglied nicht messbar ist, sondern weitgehend nur vermutet werden kann. Es liegt in der Natur eines Mitgliedsbeitrags, dass sich der Zusammenhang zwischen dem Erhebungsanlass und dem Vorteil des Pflichtigen zu einer bloßen Vermutung des Vorteils „verflüchtigen“ kann (BVerwG vom 26.6.1990, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, a.a.O.). Somit greift der Einwand des Klägers, er habe keinen seinem Beitrag entsprechenden Nutzen von der Tätigkeit der Beklagten gehabt, nicht durch.

Der Kläger kann der Festsetzung des Mitgliedsbeitrags auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die aus seinen Beiträgen mitfinanzierten Mittel der Beklagten nicht in einer dem Aufgabenbereich der Beklagten entsprechenden Weise verwendet werden bzw. die Beklagte Rücklagen in unangemessener Höhe bilde und damit den tatsächlichen Finanzbedarf erhöhe.

Für den Fall einer Überschreitung des Aufgabenbereichs einer Industrie- und Handelskammer hat ein Mitglied einen im Verwaltungsrechtsweg, z.B. durch eine Leistungs- oder Unterlassungsklage, durchsetzbaren Rechtsanspruch darauf, dass die öffentlich-rechtliche Körperschaft, der er zwangsweise angehört, sich nicht mit außerhalb ihres Aufgabenbereichs liegenden Tätigkeiten befasst (vgl. BVerwG vom 19.9.2000, Az. 1 C 29/99; vom 23.6.2010, Az. 8 C 20/09).

Dagegen kann ein Pflichtmitglied einen darauf gerichteten Anspruch nicht in der Weise durchsetzen, dass er die Zahlung der von ihm erhobenen Beiträge verweigert. Die Verweigerung der Beitragszahlung ist für ein Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft in aller Regel, und so auch im Fall des Klägers, kein legitimes Mittel der Kritik an der Tätigkeit dieser Körperschaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1977, Az. 1 C 42/74 ; OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, a.a.O.).

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass das Gericht auch keine Veranlassung dafür sieht, zu prüfen, welche Einzelpositionen die Beklagte bei der Ermittlung ihres Finanzbedarfs in Ansatz gebracht hat. Das Gesetz sieht im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Kammertätigkeit einen institutionalisierten Kontrollmechanismus vor. In § 11 Abs. 1 IHKG ist nämlich bestimmt, dass die Industrie- und Handelskammern der Aufsicht des Landes darüber unterliegen, dass sie sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften halten. Demgegenüber hat das einzelne Mitglied keinen Anspruch auf Auskunft über die Einzelheiten des Finanzgebarens der Kammer (vgl. BVerwG vom 31.3.2004, Az. 6 C 25/03, BVerwGE 120, 255). Daraus ergibt sich, dass auch in Beitragsrechtsstreitigkeiten grundsätzlich kein Anspruch auf Vorlage einer der Beitragserhebung zu Grunde liegenden detaillierten Kostenkalkulation besteht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, die Darstellung der Einnahmen - und Ausgabensituation der Industrie- und Handelskammer in sich stimmig und ein grobes Missverhältnis zwischen der Beitragsbelastung und den durch die Mitgliedschaft begründeten Vorteilen des Kammermitglieds nicht erkennbar ist. Das Gericht hatte daher auch keinen Anlass, den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers nachzugehen.

Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand des Klägers, dass die Beklagte eine unzulässige Rücklagenbildung betrieben habe, weshalb die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Beklagten nicht aus Beiträgen, sondern durch die Entnahme von Rücklagen hätten bestritten werden können. Nach Überzeugung des Gerichts hat die Beklagte keine gegen das Kostendeckungsprinzip verstoßende und damit unzulässige Vermögensbildung betrieben. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dürfen Beiträge allerdings nur insoweit erhoben werden, als die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Kammer nicht anderweitig gedeckt sind. Sie dürfen somit nicht der Vermögensbildung dienen (BVerwG vom 26.6.1990, a.a.O.). Die Einwände des Klägers lassen eine unzulässige Vermögensbildung durch die Beklagte allerdings nicht erkennen.

Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung betrug die Betriebsmittelrücklage im hier maßgeblichen Jahr 2004 3,52 Mio EUR und die Haushaltsausgleichsrücklage 0,43 Mio EUR bei fortdauernden Ausgaben von 16,9 Mio EUR. Sonstige Rücklagen waren, z.B. für Bau- und Instandsetzungsvorhaben, zweckgebunden und bestanden in Höhe von 1,37 Mio EUR. Nach § 33 Abs. 1 der damals geltenden Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) war eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von mindestens 30 % und höchstens 50 % der Summe der fortdauernden Ausgaben zu bilden; diese sollte der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dienen. Daneben konnte gemäß § 33 Abs. 2 HKRO eine Haushaltsausgleichsrücklage von bis zu 50 % der fortdauernden Ausgaben angesammelt werden, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen. Die im Jahr 2004 gebildeten Rücklagen lagen damit sogar unterhalb des zulässigen Bereichs, was zu einer Beanstandung der internen Rechnungsprüfung und einer Anfrage der Aufsichtsbehörde geführt hat.

Die Vorgaben der HKRO hat die Beklagte auch in den folgenden Jahren 2005 und 2006 nicht überschritten.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Rücklagen in angemessener Höhe keine unzulässige Vermögensbildung darstellen (BVerwG vom 26.6.1990, a.a.O.). Dass die Rücklagen der Beklagten in dem betreffenden Jahr unangemessen hoch gewesen seien, kann nicht festgestellt werden. Die Rücklagen sind nach den glaubhaften Angaben der Beklagten vielmehr vorgesehen gewesen und tatsächlich auch in wechselnder Höhe in Anspruch genommen worden, um bei oftmals verspätetem Eingang von Beiträgen insbesondere im Frühjahr eines Jahres die Zahlung der laufenden Ausgaben zu sichern und auf diese Weise kostspielige Kassenkredite zu vermeiden. Dabei handelt es sich um einen legitimen Zweck einer Rücklage. Auch deren Höhe hielt sich 2004 im vorgegebenen Rahmen und kann nicht als unverhältnismäßig hoch, sondern muss nach dem Maßstab der HKRO eher als unterdurchschnittlich angesehen werden (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2010, a. a. O., Rdnrn. 80, 81). Die neben den Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklagen vorhandenen sonstigen Rücklagen waren z.B. an Bau- und Instandsetzungsvorhaben oder Bildungsprojekte gebunden; sie werden nach Erledigung des jeweiligen Vorhabens aufgelöst und dienen somit ebenfalls nicht der Vermögensbildung.

Auch die Mitgliedschaft der Beklagten im Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und in der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Industrie- und Handelskammern einschließlich der damit verbundenen regulären Zahlungen an diese Institutionen können nicht dazu dienen, die Beitragspflichten des Klägers in Frage zu stellen. Diese Mitgliedschaften der Beklagten sind von dem gesetzlichen Auftrag der Beklagten, die Interessen der in ihr zusammen geschlossenen Gewerbetreibenden zu fördern, gedeckt (vgl. BVerwG vom 26.6.1990, a.a.O.). Eine Beitragsverweigerung durch den Kläger wäre nach der Rechtsprechung, wie bereits dargestellt, selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn dem DIHK in Einzelfällen, wie der Kläger dies tut, ein fragwürdiges Finanzgebaren vorgehalten werden könnte; das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt die Unzulässigkeit einer derartigen „Selbsthilfe“ zu dem Zweck, die Rechtswidrigkeit einer bestimmten Kammertätigkeit geltend zu machen, festgestellt (vgl. BVerwG vom 1.3.1977, Az. 1 C 42.74; vom 3.5.1977, Az. 1 C 57.74 ). Das gilt ebenso hinsichtlich der Beanstandung des Klägers, die Beklagte unterhalte mit seinen Beiträgen das sogenannte „…“; dazu hat die Beklagte außerdem glaubhaft dargelegt, dass die dort eingerichtete Ausstellung von Bildern des Malers … keine Kosten verursacht und damit auch keine Auswirkung auf die Beiträge der Kammermitglieder hat.

Die Klage war daher abzuweisen.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.345,90 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 und 3 GKG).