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Verwaltungsgericht Würzburg

Entscheidung vom 25.11.2010, Az.: W 5 K 09.1264

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1.

MitBescheid vom 1. Dezember 2009widerrief das Landratsamt Aschaffenburg die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten Nrn. … und … sowie den am 28. April 1998 ausgestellten und zuletzt am 26. Februar 2007 bis zum 31. März 2010 verlängerten Jagdschein Nr. … und verpflichtete den Kläger, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen innerhalb von drei Monaten nach Erhalt des Bescheides unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies dem Landratsamt innerhalb der vorgenannten Frist nachzuweisen.

Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, die Waffenbesitzkarten seien gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung der Erlaubnisse hätten führen müssen. Dem Kläger fehle gem. § 5 Abs. 1 Nrn. 2a und b WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit und gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG die persönliche Eignung zum Waffenbesitz, denn er sei psychisch krank.

Der Kläger sei erstmals am 15. Mai 2001 in das Nervenkrankenhaus L… eingewiesen worden. Einweisungsgrund sei eine gereizte aggressive Stimmung des Klägers gewesen; der Kläger habe eine Verschwörung innerhalb seiner Firma gegen ihn vermutet, in die auch seine Familie und die Polizei verwickelt seien. Bei ihm sei eine ausgeprägte psychotische Symptomatik diagnostiziert worden, wobei ein Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn im Vordergrund gestanden habe. Mit medikamentöser Behandlung seien die Wahnsymptome abgeklungen. Der Kläger habe eine gute Krankheits- und Behandlungseinsicht gezeigt und sei am 6. Juli 2001 aus der Nervenklinik L… entlassen worden. Zur Beurteilung der jagd- und waffenrechtlichen Zuverlässigkeit sei vom Kläger seitens des Landratsamts die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens gefordert worden. Das am 27. September 2001 erstellte Gutachten sei vom Kläger zunächst nicht vorlegt worden. Erst nachdem vom Landratsamt die Sicherstellung der Waffen sowie des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarten angeordnet worden sei, habe der Kläger das Gutachten dem Landratsamt durch seinen Prozessbevollmächtigten übermittelt. Das Gutachten habe auf eine hohe Rückfallgefahr hingewiesen, wobei die Krankheit medikamentös durch regelmäßige Einnahme geeigneter Medikamente im Regelfall gut zu unterdrücken sei; erforderlich sei jedoch eine jahrelange, nervenärztlich kontrollierte Einnahme. Der Gutachter sei zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund der hohen Rückfallgefahr, der Unberechenbarkeit der diagnostizierten Erkrankung sowie der Unklarheit der weiteren Psychose die jagd- und waffenrechtliche Zuverlässigkeit derzeit nicht vorläge. Am 3. Dezember 2001 habe der Kläger die Waffen und Erlaubnisurkunden sodann freiwillig an das Landratsamt übergeben.

Am 31. Januar 2002 sei dann ein neues fachärztliches psychiatrisches Gutachten erstellt worden. Dieses sei zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers bestünden. Da diese Einschätzung auch vom Gesundheitsamt Aschaffenburg anlässlich einer Nachuntersuchung geteilt worden sei, habe der Kläger seine Waffen und seinen Jagdschein sowie die beiden Waffenbesitzkarten zurück erhalten. Ihm sei jedoch vom Landratsamt aufgegeben worden, jährlich ein fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem der Fortbestand der günstigen Beurteilung aus medizinischer Sicht ersichtlich sei. Solche Atteste seien vom Kläger regelmäßig vorgelegt worden. Mit Attest vom 12. Februar 2007 sei dem Kläger noch eine konsequente Einnahme seiner Medikamente bescheinigt und seine jagd- und waffenrechtliche Zuverlässigkeit bestätigt worden.

Vier Monate später, am 26. Juni 2007, sei das Landratsamt von der Polizeiinspektion Miltenberg davon unterrichtet worden, dass sich der Kläger in seinem Revier in einem Wohnwagen verbarrikadiert habe und der Besatzung des herbeigerufenen Notarztwagens gedroht habe, sie „abzuknallen“, falls man sich ihm nähern würde. Erst ein Beamter der Einsatzzentrale Miltenberg habe soweit Kontakt mit dem Kläger aufnehmen können, dass der Kläger in Gewahrsam genommen und einem Amtsarzt vorgeführt habe werden können, der die sofortige Unterbringung des Klägers im Bezirkskrankenhaus L… veranlasst habe. Der Kläger habe erneut einen Komplett befürchtet, den sein Arbeitgeber, seine Familie und die Polizei gegen ihn schmieden würden. Auch habe er befürchtet, dass ihn seine Ehefrau vergiften wolle, und deshalb verweigert, Nahrung zu sich zu nehmen. Aufgrund dieses neuerlichen Vorfalls seien die Waffen und Erlaubnisurkunden erneut sichergestellt und ein Verfahren zur Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung des Klägers eingeleitet worden. Im Rahmen der Anhörung zum Widerruf der jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass der Rückfall auf eine Reduzierung der Medikamentengabe durch einen neuen Facharzt zurückzuführen sei und eine anschließend im Bezirkskrankenhaus erfolgte Verdoppelung der Medikamentengabe zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustands geführt habe, weshalb man dem Kläger seine Waffen und Erlaubnisse belassen solle. Seitens des Landratsamts sei dem Kläger dann erneut Gelegenheit gegeben worden, durch die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens seine persönliche Geeignetheit zum Waffenbesitz nachzuweisen. Ein solches Gutachten habe der Kläger am 13. November 2007 vorgelegt. Unter der Voraussetzung, dass der Kläger seine verordneten Medikamente regelmäßig einnehme, sah der Gutachter aus medizinischer Sicht derzeit und auf absehbare Zeit keine Einschränkung der persönlichen Zuverlässigkeit und Eignung in Bezug auf den Umgang mit Waffen und Munition. Daraufhin habe der Kläger seine Waffen und die Erlaubnisurkunden vom Landratsamt zurückerhalten mit der Auflage, jährlich ein fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem hervorgehe, dass die günstige Beurteilung aus fachärztlicher Sicht fortbestehe. Dieser Auflage sei der Kläger nachgekommen.

Am 20. Juni 2009 sei das Landratsamt sodann informiert worden, dass der Kläger durch Beschluss des Amtsgerichts Gemünden vom 27. Mai 2009 vorläufig in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht worden sei. Auslöser der Unterbringung sei ein nächtlicher Familienstreit gewesen. Abermals habe der Kläger seine Ehefrau, seinen Arbeitgeber, den ehemaligen Polizeichef und andere Personen verdächtigt, einen Komplott gegen ihn zu schmieden und eine Vergiftung durch seine Familie befürchtet. Nach Angaben seiner Ehefrau habe der Kläger die Einnahme seiner ärztlich verordneten Medikamente verweigert. Während der gesamten Sachverhaltsaufnahme durch die Polizei habe der Kläger immer wieder sehr aufgebracht reagiert und den Polizeibeamten u.a. mit den Worten „Sie werde ich auch noch bekommen“ gedroht. Außerdem habe der Kläger immer wieder Drohungen gegen seine Familie ausgestoßen.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2009 sei der Kläger vom Landratsamt zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und der Einziehung des Jagdscheins angehört worden. Über seinen Prozessbevollmächtigten habe der Kläger vortragen lassen, dass er mittlerweile aus der Nervenklinik L… entlassen worden sei und eine neue Medikamenteneinstellung zu einer Stabilisierung seines Gesundheitszustands geführt habe. Mit einem neuem Attest habe der Kläger belegen wollen, dass ihm bedenkenlos die Jagdausübung und der Besitz von Waffen gestattet werden könne.

Durch dieses erneut vorgelegte positive Attest könne die Gefahr einer missbräuchlichen Waffenverwendung durch den Kläger jedoch nicht ausgeschlossen werden. Obwohl diesem jahrelang und wiederholt von Fachärzten ein unbedenklicher Umgang mit Waffen bescheinigt worden sei, sei es immer wieder zu Rückfällen mit Wahnvorstellungen, Angst, Aggressivität und Reizzuständen gekommen. Auch habe die Qualität der Aggressionen im Laufe der Zeit zugenommen. Während der Kläger beim Vorfall im Jahre 2001 noch keine verbalen Drohungen geäußert habe, habe er im Jahre 2007 der Besatzung des Notarztwagens gedroht, sie „abzuknallen“; beim Vorfall im Jahre 2009 habe der Kläger gegenüber den Einsatzbeamten der Polizei für den Fall der Wegnahme seiner Waffen ebenfalls empfindliche Übel angedroht. Die günstigen fachärztlichen Prognosen gälten nur für Fall, dass der Kläger seine Medikamente regelmäßig einnehme und keine weiteren psychischen oder emotionalen Belastungen erfahre. Es reiche nicht aus, dass der psychisch kranke Zustand zeitweilig durch Medikamente günstig beeinflusst werden könne, wie die Vorfälle aus der Vergangenheit belegten. Maßgeblich sei hier die Tatsache der psychischen Erkrankung, die zweifelsfrei feststehe.

2.

Am 29. Dezember 2009 ließ der Kläger bei Gericht Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 1. Dezember 2009 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde vorgetragen, das Landratsamt sei von einer Momentaufnahme des psychischen Zustandes des Klägers ausgegangen und habe die nur phasenhaft auftretende endogene Depression zu Unrecht als dauerhaften Krankheitszustand mit Fremd- und Selbstgefährdung bewertet. Es sei jedoch nicht nur die Momentaufnahme einer akuten Erkrankungssituation als Beurteilungsgegenstand für die persönliche Eignung heranzuziehen, sondern die Beurteilung habe die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen zum Prüfungsmaßstab zu nehmen, also auch sein Verhalten vor und nach der psychischen Erkrankung. Bei einer solchen Betrachtung sei die persönliche Eignung des Klägers gegeben. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei den Vorfällen seine Waffen und Munition stets freiwillig herausgegeben und auch jeweils im Vorfeld selbst die Polizei verständigt habe. Dies führe hier zwangsläufig zu besonderen Umständen und somit zu einer deutlichen Abweichung von der Regelvermutung des § 6 WaffG.

Hinsichtlich des Geschehensablaufs am 27. Mai 2009 sei auszuführen, dass der Kläger zuvor eine äußerst bittere Enttäuschung erlebt habe. Er sei von einem früheren Mitpächter betrogen worden. Dieser Umstand habe sehr an ihm genagt und sei möglicherweise der Anlass für einen Schub psychisch depressiver Symptome gewesen. Die psychotischen Symptome seien jedoch, wie bereits in den Jahren 2001 und 2007, nach medikamentöser Behandlung rasch und vollständig abgeklungen. Bereits nach sechs Wochen sei der Zustand des Klägers, auch aufgrund einer Medikamentenumstellung, wieder stabil gewesen und der Kläger habe bedenkenfrei aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen werden können. Bereits eine Woche nach seiner Entlassung sei der Kläger wieder seiner beruflichen Tätigkeit als Wachleiter nachgegangen. Die monatlichen Blutuntersuchungen zeigten, dass der Kläger die vorgesehenen Medikamente regelmäßig einnehme; Anzeichen von psychisch depressiven Symptomen seien völlig verschwunden. Aus nervenärztlichen Bescheinigungen vom 12. November 2009 und 8. November 2010 gehe hervor, dass der Kläger zum Umgang mit der Waffe geeignet sei.

Das Landratsamt beantragte demgegenüber,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Ergänzend wurde ausgeführt, Hinweise auf eine psychische Erkrankung seien dem Landratsamt seit 2001 bekannt. Der Kläger leide seit 2001 unter der Wahnvorstellung, dass innerhalb seiner Firma Verschwörungen gegen ihn geschmiedet würden, an denen auch die Geschäftsleitung, seine Familie, die Polizei und die Ärzte des Bezirkskrankenhauses L… beteiligt seien. Behördlicherseits sei man bisher davon ausgegangen, dass das Krankheitsbild des Klägers unter regelmäßiger Medikamenteneinnahme soweit unterdrückt werde, dass keine Gefahr im Hinblick auf eine mögliche missbräuchliche Verwendung der Waffen bestehe. Der bisherige Verlauf zeige jedoch, dass trotz der günstigen Prognosen mehrfach Akutphasen der psychischen Erkrankung aufgetreten seien und solche folglich auch erneut auftreten könnten und daher jederzeit mit einer missbräuchlichen Waffenverwendung zu rechnen sei. Der Kläger sei somit dauerhaft psychisch krank. Die Tatsache, dass der Kläger seine Waffen und die jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse jeweils freiwillig an die Polizei herausgegeben habe, ändere hieran nichts. Damit sei der Kläger lediglich einer behördlichen Sicherstellung zuvor gekommen.

3.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2010 erklärte der Klägerbevollmächtigte das Verfahren in der Hauptsache für erledigt, soweit sich der Bescheid des Landratsamtes Aschaffenburg vom 1. Dezember 2009 auf den Jagdschein (Ungültigerklärung und Einziehung) des Klägers bezieht. Der Beklagtenvertreter stimmte der Erledigtenerklärung zu. Insoweit wurde das Verfahren abgetrennt und mit Beschluss vom 25. November 2010 eingestellt.

Im Übrigen wiederholten die Beteiligten die bereits schriftsätzlich gestellten Anträge.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Landratsamtes Aschaffenburg vom 1. Dezember 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1.1.

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarten ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG wird die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen durch eine Waffenbesitzkarte erteilt. Voraussetzung hierfür ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unter anderem, dass der Antragsteller die persönliche Eignung besitzt. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG wiederum bestimmt, dass Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie psychisch krank sind.

Solche Tatsachen sind hier gegeben.

Durch die in der Behörden- und Gerichtsakte enthaltenen ärztlichen Gutachten und Atteste ist belegt und zwischen den Beteiligten auch unstreitig, dass beim Kläger eine psychische Grunderkrankung vorliegt. Nach der nervenärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. V… vom 8. November 2010, die mit den übrigen Gutachten in Einklang steht, leidet der Kläger an einer schizoaffektiven Störung in Form einer zykloiden Psychose nach Leonhard mit entsprechend beschwerdefreien Intervallen oder wiederkehrenden polymorph psychotischen Episoden unter Belastung. Infolge dieser Grunderkrankung kam es in den Jahren 2001, 2007 und 2009 jeweils zu Akutphasen der Erkrankung, in denen der Kläger Wahnvorstellungen hatte und sich aggressiv verhielt. Die Vorfälle erforderten jeweils einen Polizeieinsatz und eine Unterbringung des Klägers in der geschlossenen Abteilung des Psychiatrischen Krankenhauses L…. Der Kläger befürchtete dabei jedes Mal einen Komplott innerhalb seiner Firma gegen ihn, in den auch seine Familie, die Polizei und das Gesundheitsamt verstrickt seien. Bei den beiden Vorfällen in den Jahren 2007 und 2009 kam es auch zu Drohungen durch den Kläger. Beim Vorfall am 26. Juni 2007 drohte dieser der Besatzung des Notarztwagens an, sie „abzuknallen“, falls sie sich ihm nähern würde (vgl. Polizeibericht vom 26.06.2007, S. 125 der BA). Beim Vorfall am 27. Mai 2009 drohte der Kläger den Einsatzbeamten der Polizei, als man ihn darüber informierte, dass seine Waffen sichergestellt worden seien, mit den Worten „Sie werde ich auch noch bekommen“. Zudem stieß der Kläger auch mehrfach Drohungen gegen seine Familie aus. So äußerte er im Beisein der Polizeibeamten, wenn er wieder nach Hause komme, werde etwas passieren. Das könne man dann in der Zeitung lesen. Seien seine Waffen da, wenn er nach Hause komme, sei alles friedlich. Seien die Waffen nicht da, dann gehe es erst richtig los. Seine Frau und seine Tochter sowie sein Schwiegersohn steckten hinter der ganzen Sache. Jetzt sei aber Schluss damit. Er werde sich darum kümmern. Die würden schon sehen, was sie davon hätten (vgl. Aktenvermerk der Polizeiinspektion Aschaffenburg, S. 186 der BA). Zur Therapie der Erkrankung erfolgt seit dem Vorfall im Jahre 2001 eine prophylaktische Langzeitmedikation, die nach dem letzten stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus auf eine 3-Fach-Prophylaxe mit Valproat, Lithium und Quetiapin eingestellt wurde.

Die geschilderte Grunderkrankung des Klägers stellt eine psychische Erkrankung i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG dar. Bei einer Gesamtschau mit den übrigen in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG geregelten Fällen des absoluten Ausschlusses der persönlichen Eignung (Alkoholabhängigkeit, Drogensucht, Debilität) dürften die Begrifflichkeiten „psychisch krank“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG zwar einschränkend dahingehend auszulegen sein, dass nicht ausnahmslos alle auch nur leichtgradigen psychischen Störungen, bei denen negative Auswirkungen auf den Umgang mit Waffen nicht zu befürchten sind, erfasst sein und damit zwangsläufig zum absoluten Ausschluss der persönlichen Eignung führen sollen. Andererseits sind vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Vorschrift, das mit privatem Waffenbesitz verbundene Risiko so gering wie möglich zu halten, aber auch keine überhöhten Anforderungen an Art und Intensität der psychischen Störung und die mit ihr verbundenen Auswirkungen auf den Umgang mit Waffen zu stellen. Auch hier gilt, dass im Bereich des Waffenrechts kein Restrisiko hingenommen werden darf (VG Würzburg, U.v. 11.04.2008, Az.: W 5 K 07.1372; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 24.02.2009, Az.: OVG 11 S 12.09). Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 6 WaffG ergibt, soll die Vorschrift alle in der Person liegenden Gesundheitsstörungen erfassen, die negativen Einfluss auf den Umgang mit Waffen haben können (BT-Drucks. 14/7759, S. 56). Bei einer zykloiden Psychose ist dies zweifellos der Fall. Bei einer solchen Grunderkrankung besteht stets die Gefahr, dass der Betroffene Wahnvorstellungen entwickelt und sich dann auf Grund einer eingebildeten Gefahr oder vermeintlichen Verfolgung zu Abwehrmaßnahmen veranlasst fühlt (vgl. hierzu auch VG Potsdam, B.v. 04.02.2009, Az.: 3 L 667/08). Dass die Erkrankung nach ärztlicher Einschätzung medikamentös – durch die Einnahme starker Psychopharmaka – im Regelfall gut zu unterdrücken ist, ist ohne Belang und ändert nichts an der Grunderkrankung als solcher. Im Übrigen belegen die Vorfälle in den Jahren 2007 und 2009, dass das erneute Auftreten psychotischer Zustände auch hierdurch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, zumal vorliegend hinzukommt, dass – wie der Vorfall vom 27. Mai 2009 zeigt – eine regelmäßige Medikamenteneinnahme durch den Kläger nicht gewährleistet ist. Auch soweit dem Kläger durch nervenärztliche Atteste bescheinigt wird, dass er derzeit frei von Symptomen einer akuten psychischen Erkrankung sei, seine Medikamente regelmäßig einnehme und aus nervenärztlicher Sicht aktuell keine Bedenken gegen die Jagdausübung, auch mit Schusswaffen, bestünden, vermag dies nichts daran zu ändern, dass der Kläger an einer schweren psychischen Grunderkrankung leidet, aufgrund derer ihm kraft Gesetzes die persönlichen Eignung fehlt.

In Anbetracht der uneingeschränkten Entscheidung des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, die persönliche Eignung im Fall einer psychischen Erkrankung von Gesetzes wegen auszuschließen, ist auch für die seitens des Klägervertreters angeregte weitere Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens kein Raum. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters handelt es sich bei § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht lediglich um einen Fall der Regelvermutung der fehlenden persönlichen Eignung, die im Einzelfall widerlegt werden könnte, sondern um einen absoluten Ausschluss der persönlichen Eignung. Dies belegt auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts, durch das die vorgenannten Bestimmungen ihre hier maßgebliche Fassung erhalten haben. Einen der späteren Gesetzesfassung entsprechenden Gesetzesentwurf wollte der Bundesrat dahingehend geändert wissen, dass in § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG nach dem Wort 'Personen' die Wörter 'in der Regel' einzufügen seien. Dies begründete der Bundesrat dahingehend, dass es einen absoluten Ausschluss der persönlichen Eignung nicht geben solle (BT-Drucks. 14/7758, S. 106 zu Nr. 16). Dem ist die Bundesregierung ausdrücklich entgegengetreten und hat es lediglich hinsichtlich der beschränkten Geschäftsfähigkeit als vertretbar angesehen, nicht einen absoluten Ausschluss der persönlichen Eignung anzunehmen (BT-Drucks. 14/7758. S. 129 zu Nr. 16; vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 24.05.2007, Az.: 3 A 276/05 zum Fall der fehlenden persönlichen Eignung wegen Alkoholabhängigkeit).

Infolge der fehlenden persönlichen Eignung des Klägers war das Landratsamt damit zum Widerruf der Waffenbesitzkarten verpflichtet. Ein behördliches Ermessen bestand dabei nicht.

Auf die Frage, ob dem Kläger neben der mangelnden persönlichen Eignung nach § 5 Abs. 1 Nrn. 2 a und b WaffG auch die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt, wie das Landratsamt der Auffassung ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an (vgl. zur Abgrenzung der beiden Merkmale nach dem Kriterium der Vorwerfbarkeit Heller/Soschinka, Waffenrecht, 2. Aufl., Rd.Nrn. 742 und 759 und Apel/Bushart, Waffenrecht, 3. Aufl., Rn.Nr. 5 zu § 4 und Rd.Nr. 4 zu § 6).

1.2.

Die Verpflichtung des Klägers, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen und vorhandene Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt nachzuweisen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Sie ist ebenfalls rechtmäßig.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 19.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Nach Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs ist bei Streitigkeiten wegen einer Waffenbesitzkarte (einschließlich einer eingetragenen Waffe) vom Auffangwert (5.000,00 EUR) auszugehen und jede weitere Waffe mit 750,00 EUR zu veranschlagen. Aufgrund der streitgegenständlichen zwei Waffenbesitzkarten und 13 „weiteren“ Waffen ergibt sich damit ein Streitwert von 19.750,00 EUR.