Verwaltungsgericht Würzburg
Entscheidung vom 28.07.2010, Az.: W 5 K 10.464
Tenor
I. Die von der Beklagten am 7. Januar 2010 vorgenommene Wegnahme der beiden Hunde des Klägers und deren Unterbringung im Tierheim A… werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die beiden Hunde dem Kläger unverzüglich herauszugeben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Herausgabe zweier von der Beklagten ihm weggenommener und ins Tierheim gebrachter Hunde der Rasse Sivas-Kangal, nämlich eines im Oktober 2007 geborenen Rüden und einer im Juli 2009 geborenen Hündin. Zunächst wurde nur der Rüde auf dem Wohnanwesen des Klägers gehalten, Halter war damals der im März 1991 geborene Sohn des Klägers. Mindestens seit August 2008 kam es wiederholt zu Beschwerden eines Grundstücksnachbarn über häufiges und anhaltendes lautes Bellen des Hundes (und ab September 2009 der beiden Hunde). Die örtlich zuständige Polizei hielt diese Beschwerden (die sie für berechtigt erachtete) in Aktenvermerken fest, übermittelte sie der Beklagten und äußerte zugleich Zweifel an der Eignung des Sohnes des Klägers zur Hundehaltung. Am 7. September 2009 liefen die Hunde in A… am Floßhafen unbeaufsichtigt umher; hierbei kam es den Akten zufolge an zwei Örtlichkeiten zu einem Angriff des Rüden auf andere Hunde bzw. die sie begleitenden Halter und auch zu blutenden Bissverletzungen, die der Rüde Menschen zufügte. Die Annahme der Beklagten, die Hunde seien wegen eines nicht abgeschlossenen Gartentors entwichen, ließ der Kläger im Verwaltungsverfahren bestreiten. Der Rüde wurde damals von einem herbeigerufenen Tierarzt mittels Blasrohr betäubt, beide Hunde wurden ins Tierheim gebracht und nach 1 Tag wieder zurückgegeben. Die Beklagte nahm den Vorfall zum Anlass, um mit - nicht angegriffenem - Bescheid vom 7. September 2009 verschiedene Maßnahmen zur Hundehaltung gegenüber dem Sohn des Klägers anzuordnen, u.a. die ausbruchsichere Unterbringung beider Tiere auf dem Grundstück.
In den Morgenstunden des 5. Januar 2010 liefen beide Hunde erneut in A… unbeaufsichtigt umher, zunächst sah man sie in der R…straße, dann in der S…straße. Dort kam es zu einem Gerangel mit einem anderen Hund, der dabei von einem der Kangals (oder beiden) gebissen wurde und blutende Verletzungen an den Ohren davontrug und auch am Bein verletzt wurde. Einer der herbeigerufenen Polizeibeamten wurde den Akten zufolge bei seinem Eingreifen von einem der Sivas-Kangal in den Arm gebissen; der Biss wurde aber durch den - dabei beschädigten - Ledermantel des Mannes so abgemildert, dass der Mann zwar über Schmerzen klagte, jedoch nicht sichtbar verletzt war (die Bissverletzung ließ der Kläger im Verwaltungsverfahren bestreiten). Über die Polizeidienststelle wurde der Sohn des Klägers als Halter der zwei freilaufenden Hunde ermittelt.
Einem Aktenvermerk vom 7. Januar 2010 zufolge ließ der Sachbearbeiter der Beklagten wegen dieses neuerlichen Vorfalls die beiden Sivas-Kangal „sicherstellen“: „Ich habe die Hunde daraufhin in Zusammenarbeit mit der Polizei sicherstellen und im Tierheim A… unterbringen lassen“.
In der Folge entwickelte sich eine intensive Korrespondenz zwischen der Beklagten und den damaligen Bevollmächtigten des Klägers (bzw. ab dem 15.03.2010 den jetzigen Bevollmächtigten). Mit schriftlicher Erklärung vom 11. Januar 2010 übergab der Sohn des Klägers die beiden Hunde seinem Vater (Kläger). Die Parteien stritten sich um die Voraussetzungen, unter denen die Hunde dem Kläger (als neuem Eigentümer) herausgegeben werden könnten. Die Beklagte entwarf einen „Auflagenbescheid“ zur weiteren Hundehaltung, der zwischen den Parteien wiederholt erörtert, jedoch nicht versandt wurde. Mehrere Ortseinsichten durch die Beklagte und das Veterinäramt ergaben, dass aus der Sicht der Behörden - und entgegen der Auffassung des Klägers - das Grundstück noch nicht ausbruchsicher sei.
Da inzwischen der Tierschutzverein A… (als Träger des Tierheims) der Beklagten Kosten für die Unterbringung der Hunde berechnet hatte, erließ die Beklagte unter dem 6. Mai 2010 einen Kostenbescheid, der vom Kläger im gesonderten Verfahren W 5 K 10.533 angefochten wurde.
II.
Am 20. Mai 2010 ließ der Kläger Klage erheben und sinngemäß mit dem Klageschriftsatz und in der mündlichen Verhandlung beantragen,
die von der Beklagen am 7. Januar 2010 vorgenommene Wegnahme der beiden Hunde des Klägers und deren Unterbringung im Tierheim A… aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die beiden Hunde dem Kläger unverzüglich herauszugeben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht (und mit Schriftsatz vom 19.07.2010 auf die Klageerwiderung hin ergänzt): Der Kläger habe die Hunde von seinem Sohn erworben. Im Januar 2010 habe die Beklagte die Tiere sichergestellt und ins Tierheim gebracht. Vorangegangen sei ein Entweichen der beiden Hunde vom eingezäunten Grundstück des Klägers am 7. September 2009; seinerzeit sei das Gartentor aufgebrochen worden, den Kläger treffe kein Verschulden (eine vollständige Sicherung gegen das Einbrechen durch unbefugte Dritte sei unmöglich). Daraufhin habe die Beklagte mit Bescheid vom 7. September 2009 u.a. die ausbruchsichere Unterbringung der Hunde auf dem Grundstück des Klägers angeordnet; der Sohn des Klägers sei den gegen ihn ergangenen Anordnungen nachgekommen. Am „4.“ Januar 2010 seien die Tiere, weil sie durch Silvesterböller, die Nachbarn gezündet hätten, erschreckt worden seien, erneut vom Grundstück entkommen. Dies sei vier Tage nach Silvester nicht vorauszusehen gewesen. Passanten hätten ohne weiteres beide Hunde mit ihrer Leine an einem Pfosten befestigen können. Der herbeigerufene Sohn des Klägers habe die Hunde übernommen und wieder mit nach Hause gebracht. Erst zwei Tage später habe die Beklagte die Hunde sichergestellt mit der Begründung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei gefährdet und vor allem die unter dem 7. September 2009 festgelegten Verpflichtungen seien nicht eingehalten worden. Trotz wiederholter Aufforderung des Klägers und seines Sohnes habe die Beklagte die Hunde nicht herausgegeben. Sie habe vielmehr einen Bescheidentwurf übersandt, der Bedingungen zur Hundehaltung enthalte und dessen Erfüllung die Beklagte zur Voraussetzung für die Rückgabe der Hunde mache. Die vom Kläger inzwischen vorgenommenen umfangreichen Maßnahmen gegen ein künftiges Entweichen der Hunde halte die Beklagte zu Unrecht für immer noch nicht ausreichend und beziehe sich auf den genannten Bescheidentwurf. Die darin enthaltenen Anforderungen seien jedoch unverhältnismäßig (wird detailliert ausgeführt). Die Hunde des Klägers seien auch bloß Kangal-Mischlinge und würden längst nicht so groß und so schwer wie reinrassige Kangals. Mit ihrem Argument, dass ihr noch kein Entweichen eines Hundes aus dem Tierheim A… bekannt geworden sei, bestätige die Beklagte mittelbar, dass die vom Kläger verlangten Anforderungen an sein Grundstück nicht nötig seien. Die Forderung nach Kastration der Hunde sei unverhältnismäßig.
Die Beklagte beantragte unter dem 10. Juni 2010,
die Klage abzuweisen.
Sie machte vor allem geltend: Die Hunde seien am 7. Januar 2010 sichergestellt worden, nachdem sie zum wiederholten Mal vom Grundstück der Familie des Klägers entwichen seien und andere Hunde und Personen gebissen hätten. Beim ihrem ersten Entweichen am 7. September 2009 sei das Gartentor nicht aufgebrochen gewesen; dagegen sprächen die Feststellungen am 8. September 2009 und der übrige Polizeibericht (wird ausgeführt). Darauf komme es aber auch nicht an, weil im Sicherheitsrecht ein Verschulden im strafrechtlichen Sinn nicht notwendig sei. Zum letzten Vorfall sei anzumerken, dass die Hunde selbst dann, wenn sie wirklich durch Silvesterböller erschreckt worden seien, bei ausbruchsicherer Unterbringung das Grundstück des Klägers nicht hätten verlassen können. Sie hätten nach ihrem Entkommen einen anderen Hund und einen unbeteiligten Passanten gebissen und seien dann sofort nach telefonischer Mitteilung durch die Polizei sichergestellt worden, um ein erneutes Ausbrechen zu verhindern. Die Herausgabe der Tiere an den neuen Eigentümer sei nicht möglich gewesen, weil sonst eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten gewesen wäre. In der Folgezeit sei zwischen der Beklagten und den damaligen Bevollmächtigten des Klägers Einigkeit über einen von der Beklagten entworfenen Auflagenbescheid erzielt worden bis auf einen streitigen Punkt, nämlich die von der Familie des Klägers nicht akzeptierte Kastration der Hunde. Die jetzigen Anwälte hätten dann ihr Mandat angezeigt und mit Schreiben vom 1. April 2010 erneut mitgeteilt, das Gehege sei jetzt ausbruchsicher. Bei einem neuen Ortstermin am 26. April 2010 unter Beisein zweier Hundeführer der Polizei, Mitarbeitern des Ordnungsamtes, zwei Amtstierärztinnen, des Hundeshalters und seines Sohnes sowie des Anwaltes sei festgestellt worden, dass sich am Zustand des Zwingers nichts geändert habe. Nach Auskunft des Veterinäramtes entsprächen - entgegen der Behauptung des Klägerbevollmächtigten - die Zwinger des A… Tierheims den Vorgaben des Veterinäramtes an die Ausbruchsicherheit eines Geheges. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so sei die Aufnahme der Hunde im Tierheim eine Notunterbringung für bloß vorübergehende Zeit. Eine andere Unterbringungsmöglichkeit habe das Ordnungsamt nicht gehabt. Dem Ordnungsamt sei auch bislang kein Vorfall bekannt, bei dem Hunde aus dem Tierheim ausgebrochen wären. Einen Teil des im Entwurf vorliegenden Auflagenbescheides sei der Kläger wohl bereit zu erfüllen; soweit dies nicht der Fall sei, halte die Beklagte an ihrer Ansicht und an der Notwendigkeit der verlangten Anordnungen jedoch fest (wird weiter ausgeführt).
Wegen der Einzelheiten des Vortrags und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsverfahrensakte und die Gerichtsakten mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2010 Bezug genommen, in der über beide Klagen (auch W 5 K 10.533) gemeinsam verhandelt wurde.
Entscheidungsgründe
1.
Die Klage ist zulässig und begründet. Die am 7. Januar 2010 von der Beklagten mündlich verfügte Wegnahme der beiden Hunde des Klägers (die damals noch dem Sohn des Klägers gehörten) war ebenso rechtswidrig wie die zugleich verfügte und noch andauernde Unterbringung der Hunde im Tierheim auf Kosten des Klägers bzw. zuvor seines Sohnes. Der Kläger wird dadurch in seinen Rechten verletzt. Aus der Rechtswidrigkeit der Wegnahme und Unterbringung der Hunde im Tierheim folgt die Pflicht der Beklagten, beide Tiere dem Kläger unverzüglich zurückzugeben (§ 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO).
Der Kläger bezweckt mit seiner Klage erkennbar, seine Hunde möglichst schnell zurückzubekommen und für ihre Unterbringung im Tierheim nichts oder möglichst wenig zu bezahlen. Dafür ist indes die (von der Parteien schon wenige Tage nach der Wegnahme der Hunde bis zur mündlichen Verhandlung umfangreich mündlich und schriftlich diskutierte) Frage, unter welchen Voraussetzungen die Tiere dem Kläger zurückgegeben werden könnten, nicht vorrangig und ebenso wenig Streitgegenstand wie der über Monate diskutierte zulässige Inhalt des nie ergangenen „Auflagenbescheids“. Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger seine Hunde zurück erhalten darf, ist vielmehr die Frage vorgeschaltet, ob die Wegnahme der Tiere und ihre verfügte Unterbringung im Tierheim rechtens war. War sie es nicht, so folgt daraus ohne weiteres die Pflicht zur Freigabe der Hunde.
Die rechtliche Einordnung der somit hier streitgegenständlichen behördlichen Maßnahmen und ihre Überprüfung auf Rechtmäßigkeit wird vorliegend dadurch erschwert, dass es bis heute keinen schriftlichen Bescheid gibt und dass sich der Akteninhalt in Bezug auf das, was die Beklagte am 7. Januar 2010 veranlasst hat, in einem zweizeiligen Aktenvermerk erschöpft, der im Tatbestand wörtlich wiedergegeben ist. Klarzustellen ist vorab, dass - wie die mündliche Verhandlung ergab - entgegen falscher oder missverständlicher Angaben in verschiedenen Schriftsätzen der jüngste Vorfall mit den Hunden am Montag (05.01.2010) war, die Hunde unmittelbar danach von der Polizei dem Sohn des Klägers herausgegeben wurden, der Vorfall am selben Tag (05.01.2010) spätnachmittags per Mail dem Ordnungsamt der Beklagten mitgeteilt wurde (wobei die Mail aber evtl. erst nach dem Feiertag „Dreikönig“, also am Morgen des 07.01.2010 zur Kenntnis genommen wurde) und dass dann am Vormittag des 7. Januar 2010 die „Sicherstellung“ geschah. Den Begriff der „Sicherstellung“ gibt es jedoch im gesamten LStVG nicht. Dagegen regeln Art. 25 bis 28 Polizeiaufgabengesetz (PAG) detailliert, was eine „Sicherstellung“ bedeutet, unter welchen Voraussetzungen sie zulässig ist und was mit sichergestellten Dingen zu geschehen hat. Die Polizei wird indes originär nur tätig, wenn und „soweit ihr die Abwehr der Gefahr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint“ (vgl. Art. 3 PAG). Die Aktion der Beklagten am 7. Januar 2010 ist trotz des im Aktenvermerk gebrauchten Wortes „sicherstellen“ nicht als Maßnahme der Polizei anzusehen, wenngleich Polizeikräfte dabei mitwirkten. Denn der Wortlaut des Vermerks spricht eindeutig von einer Maßnahme der Beklagten, bei der die Polizei nur unterstützend tätig war (was z.B. bei Maßnahmen nach Art. 7 Abs. 3 LStVG möglich ist, vgl. Bengl/ Berner/Emmerig - BBE, LStVG, Art. 7 RdNr. 145). Auch die weitere Behandlung der Angelegenheit durch beide Parteien spricht dagegen, am Wort „sicherstellen“ haften zu bleiben, und letztlich hat die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt, mit der Maßnahme am 7. Januar 2010 hoheitlich gehandelt zu haben.
Mangels spezieller Regelungen kommen als Rechtsgrundlagen für die Wegnahme der Hunde und ihre Unterbringung im Tierheim nur Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG (die Fälle der Nrn. 1 und 2 scheiden ersichtlich aus) oder Art. 7 Abs. 3 LStVG in Betracht.
Anscheinend hat die Beklagte aufgrund des am Vormittag des 7. Januar 2010 festgestellten Zustandes des klägerischen Grundstücks und angesichts der dort gehaltenen gefährlichen Hunde eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gesehen, die sich bei einem erneuten Ausbrechen eines Hundes verwirklichen könne. Dass zu diesem Zeitpunkt das Grundstück jedenfalls für die beiden Sivas-Kangal nicht ausbruchsicher war, dürfte unter den Parteien nicht streitig gewesen sein (anders als die vom Kläger für ausreichend angesehene Unterbringung der Hunde bei einer Ortseinsicht 1 Woche später). Zwar mag eine konkrete Gefahr i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG am 7. Januar 2010 vorgelegen haben, obwohl eher dagegen sprechen könnte, dass die Polizei am 5. Januar 2010 beide Hunde nach dem Beißvorfall herausgab und anscheinend keine Notwendigkeit sah, deren ausbruchsichere Verwahrung zu prüfen. Konkret i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist eine Gefahr dann, wenn in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann, wobei an diese Wahrscheinlichkeit um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden ist (vgl. BBE a.a.O., Art. 7 RdNr. 56 unter Hinweis auf BVerwG, BayVBl 1968, 244, und BayVGH, BayVBl 1984, 272). Da bei der Aktion am Vormittag des 7. Januar 2010 auch der Sohn des Klägers (damaliger Eigentümer) und der Kläger selbst anwesend waren, dürfte es auch eine Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG gegeben haben. Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung scheitert auch nicht am Mangel der Schriftform, weil ein Verwaltungsakt auch mündlich ergehen kann und nur dann schriftlich bestätigt werden muss, wenn daran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt (Art. 27 Abs. 2 BayVwVfG). Da eine Gefahrenabwehrmaßnahme nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG in zweifacher Hinsicht („ob“ und „wie“) Ermessen und vor allem die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots erfordert (vgl. Art. 8 LStVG), waren aber vorliegend auch bei einer nur mündlich ergangenen Maßnahme der Beklagten nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG die Ermessensausübung und deren Dokumentation unentbehrlich (dies ist wohl auch ein Grund dafür, dass in der Praxis mündliche Verwaltungsakte meist schriftlich bestätigt werden). Wäre die „Sicherstellung“ der beiden Hunde und ihre Unterbringung im Tierheim am 7. Januar 2010 eine Maßnahme i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gewesen, so hätte die gesamte „Aktion“ rechtlich gesehen nicht nur aus dem Grundverwaltungsakt bestanden, sondern außerdem noch die Androhung und die Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme (Wegnahme der Hunde und deren Verbringen ins Tierheim) enthalten. Die einer solchen Ersatzvornahme zugrundeliegende Anordnung hätte demnach – da die Beklagte das Grundstück des Klägers für nicht ausbruchsicher hielt - dahingehend lauten müssen, dass die Hunde - sofort - vom Grundstück weg und anderswo unterzubringen seien. Inhalt einer (vielleicht) ausgesprochenen Zwangsmittelandrohung war (vielleicht) auch die Androhung, wegen ersichtlicher Erfolglosigkeit anderer Zwangsmittel die Hunde im Weg der Ersatzvornahme (Art. 32 VwZVG) oder mit unmittelbarem Zwang (Art. 34 VwZVG) im Tierheim unterzubringen.
Was indes tatsächlich konkreter Inhalt der am 7. Januar 2010 mündlich verfügten Anordnung, einer eventuellen Anhörung und einer eventuellen Zwangsmittelandrohung gewesen ist, lässt sich den Akten nicht einmal ansatzweise entnehmen und wurde auch durch die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht klarer. Der Kläger dagegen ließ – unwidersprochen – vortragen, Wortführer bei der Aktion am 7. Januar 2010 sei hauptsächlich der Polizeibeamte gewesen, der dem Kläger und seinem Sohn sinngemäß klargemacht habe, sie müssten ihre beiden Hunde jetzt ins Tierheim bringen lassen, bis sie ihr Grundstück ausbruchsicher gemacht hätten, und die ganze Angelegenheit dauere wahrscheinlich bloß eine Woche und dann bekämen sie die Tiere wieder zurück; ihnen sei aber dabei in keiner Weise dargelegt worden, ob es noch andere Möglichkeiten außer der Verbringung der Hunde ins Tierheim gebe oder warum diese „Lösung“ alternativlos sei. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Wirkung der Behördenentscheidung vom 7. Januar 2010 sich nicht mit der Wegnahme und der kurzzeitigen Verwahrung der Hunde erschöpfte, sondern dass die Anordnung der Unterbringung der Hunde im Tierheim auf unbestimmte Zeit fortwirkt (andernfalls die Beklagte ja der wiederholten Forderung des Klägers nachgekommen wäre, das Tierheim zur Herausgabe der Hunde zu veranlassen) - mit allen Folgen für den Kläger, nämlich neben den beträchtlichen Kosten für die Unterbringung auch die schriftsätzlich beklagte zunehmende Entfremdung der Hunde von ihrem „Herrn“.
Die Wegnahme der Hunde und ihre rasche anderweitige Unterbringung mag am 7. Januar 2010, vielleicht auch noch an den Tagen danach, alternativlos gewesen sein. Spätestens aber, als anlässlich einer weiteren Ortseinsicht (14.01.2010) die Auffassungen der Parteien über die Ausbruchsicherheit des Grundstücks des Klägers gegensätzlich waren (vgl. Vermerk vom 14.01.2010 in der Beklagtenakte), wäre im Hinblick auf Art. 8 LStVG eine Überprüfung der „Sicherstellung“ vor allem dahingehend veranlasst gewesen, ob zur Verhinderung eines weiteren Ausbruchs der Hunde weniger einschneidende Maßnahmen, ggf. auch eine anderweitige Unterbringung mit geringeren Kosten, möglich gewesen wären. Gerade (aber nicht nur) an solchen Ermessenserwägungen fehlt es in der Akte und im Vortrag der Beklagten.
Deren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ließen überdies offen, ob die Beklagte am 7. Januar 2010 überhaupt nach Art. 7 Abs. 2 LStVG (und nach dem VwZVG) vorgegangen ist oder mit einer „Tatmaßnahme“ i.S.d. Art. 7 Abs. 3 LStVG (oder nach beiden Rechtsgrundlagen zusammen vorgehen wollte). Eine solche „Tatmaßnahme“ (deren Rechtsnatur – Verwaltungsakt oder Realakt – in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist und vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof bislang offen gelassen wurde, vgl. BayVGH, U.v. 25.02.1991, BayVBl 1991, 433), ist jedenfalls keine Vollstreckungsmaßnahme, die einem vorausgegangenen, vom Adressaten nicht befolgten Verwaltungsakt nachfolgt. Vielmehr ist Art. 7 Abs. 3 LStVG Auffangbefugnis für gerade die Fälle, in denen – wie sich aus dem Gesetz klar ergibt – eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG nicht möglich oder nicht zulässig ist oder keinen Erfolg verspricht. „Nicht möglich“ bedeutet, dass der Anordnung tatsächliche Gründe entgegenstehen, z.B. dass der Adressat nicht vorhanden, unbekannt oder nicht feststellbar ist, oder dass seine Inanspruchnahme objektiv oder subjektiv nicht möglich ist (BBE a.a.O., Art. 7 Anm. 6b.bb). „Nicht zulässig“ bedeutet, dass der Anordnung rechtliche Gründe entgegenstehen, z.B. der Adressat mit dem von ihm verlangten Tun gegen das Gesetz verstoßen würde. „Keinen Erfolg verspricht“ eine Anordnung, wenn das verlangte Tun, Dulden oder Unterlassen für den Betroffenen objektiv oder subjektiv unmöglich ist oder für ihn ein unzumutbares Opfer wäre oder der bekannte Adressat nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Eine – hier von der Beklagten möglicherweise angenommene – Unzuverlässigkeit des potentiellen Adressaten dagegen führt allenfalls in sehr eindeutigen Einzelfällen dazu, dass die Voraussetzung „nicht möglich“ oder „nicht erfolgversprechend“ bejaht werden kann (vgl. BBE a.a.O. Art. 7 RdNr. 140, unter Hinweis auf VG Augsburg, B.v. 11.07.2007, Au 5 S 07.668). Das VG Augsburg hat in dem von ihm entschiedenen, dem vorliegenden Sachverhalt stark ähnelnden Fall (Wegnahme eines gefährlichen Hundes bei einem amtsbekannten Drogenabhängigen) die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 3 LStVG für nicht gegeben erachtet, weil eine vorherige Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG möglich gewesen wäre. So ist es auch hier: Der Hundehalter war nicht nur amtsbekannt, sondern bei der Aktion am 7. Januar 2010 auch anwesend; für rechtliche Hinderungsgründe einer Anordnung („nicht zulässig“) ist nichts ersichtlich. Ebenso wie im genannten Fall des VG Augsburg hätte auch hier die Beklagte eine geeignete und zugleich verhältnismäßige Anordnung erlassen und ggf. mit Zwangsmitteln bewehren und durchsetzen können. Dass eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG keinen Erfolg versprochen hätte, kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil gegenüber dem Sohn des Klägers bereits eine bestandskräftige sicherheitsrechtliche Anordnung zur Hundehaltung ergangen war (und auch heute noch existiert), die aber - jedenfalls was die Ausbruchsicherheit des Grundstücks angeht - offenbar in zwei Fällen nicht ausreichte (nämlich am 07.09.2009 und am 05.01.2010). Denn erstens war die grundstücksbezogene Anordnung (Nr. I a des Bescheides vom 07.09.2009) wesentlich weniger detailliert als die Regelung, die – dem Entwurf für einen „Auflagenbescheid“ nach – von der Beklagten jetzt für notwendig gehalten wird. Zweitens ginge die Wegnahme der Hunde und deren Unterbringung für einen unbefristeten Zeitraum im Tierheim, sollte dies eine „Tatmaßnahme“ gewesen sein, weit über das hinaus, was nötig ist zur Verhinderung eines erneuten Ausbruchs der Hunde vom Klägergrundstück mit den daraus folgenden weiteren Gefahren. Abgesehen von der Nachrangigkeit einer „Tatmaßnahme“ gegenüber Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG fehlt es vorliegend bezüglich einer „Tatmaßnahme“ auch aus den oben dargelegten Gründen an jeglicher aktenkundiger Ermessensbetätigung.
Das sicherheitsbehördliche Einschreiten durch die Beklagte, nämlich die Wegnahme der beiden Hunde des Klägers und ihre unbefristete Unterbringung im Tierheim, ist deshalb rechtswidrig und aufzuheben, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte hier gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG oder im Weg einer „Tatmaßnahme“ nach Art. 7 Abs. 3 LStVG vorgegangen ist. Die „Sicherstellung“ der Hunde ist ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte des Klägers, wodurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde. Weil die Beeinträchtigung fortdauert, ist die Maßnahme rückgängig zu machen, als Aufhebung der Vollziehung (Abs. 1 Satz 2 VwGO) oder als materieller Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. VG Augsburg, B.v. 11.07.2007, a.a.O.). Daher war die Beklagte zu verpflichten, die beiden Hunde an den Kläger herauszugeben. Dieser Verpflichtung kommt sie nach, indem sie das Tierheim bzw. dessen Träger (Tierschutzverein) entsprechend anweist. Durch dieses Urteil ist die Beklagte nicht gehindert, den Bescheid vom 7. September 2009 durchzusetzen und notfalls weitere Anordnung rechtsfehlerfrei zu erlassen.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollsteckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Entscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 GKG. Mangels besserer Anhaltspunkte für die Bezifferung des Streitwertes ist auf den Auffangwert (5.000,00 EUR) zurückzugreifen.